Themen
- 300.000 € Entschädigung für Hinterbliebene eines Bootsunglücks in der Ägäis
- Deutschland: Hohe Anerkennung von Asylgesuchen für Menschen mit Schutzstatus in Griechenland
- Personenfreizügigkeit: Klassenkompromiss stützt rassistischen und kolonialen Arbeitsmarkt
- Frontex will sensible Personendaten zur „Terrorabwehr“ sammeln
- Migrationsämter sammeln willkürlich Daten: Jetzt Migrationsdossier einsehen
- Widerstand gegen Auslieferung an die Türkei: Yaser Örnek ist frei!
Was ist neu?
300.000 € Entschädigung für Hinterbliebene eines Bootsunglücks in der Ägäis
2014 kamen mehrere Menschen bei einem Bootsunglück in der Ägäis ums Leben. Überlebende verloren Angehörige und wurden von der Küstenwache unwürdig behandelt. Und ihnen wurde die Schuld an diesem Unglück gegeben. «Wir respektieren das Urteil und waren froh, davon zu hören. Aber wenn die Grenzbeamten bestraft würden, wären wir noch glücklicher. Zum Glück wissen jetzt alle, dass es nicht unsere Schuld war, sondern ihre», sagt Abdulsabor A., ein Überlebender des Bootsunglücks. A. kommt aus Afghanistan und hat Frau und Kind verloren. Die Klärung der Schuld hat eine besondere Bedeutung, da zunächst ein weiterer Überlebender für das Unglück von einem griechischen Gericht verurteilt worden war. Er verbrachte drei Jahre im Gefängnis und wurde in zweiter Instanz freigesprochen. Gemeinsam mit weiteren Überlebenden und verschiedenen NGOs, darunter Refugee Support Aegean und die deutsche Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, hatte er 2015 vor dem Menschenrechtshof geklagt, nachdem das Verfahren in Griechenland eingestellt worden war.
Immer wieder kommt es vor, dass Geflüchtete im Zuge von Klagen Recht gesprochen erhalten. Diese Urteile gelten jedoch nur im und für den Einzelfall und werden nicht als generelles Recht für alle Menschen ausgesprochen. Daran muss sich etwas ändern und zwar ohne langwierige und aufwendige Verfahren: Menschenrechte und Bewegungsfreiheit für alle!
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165241.asylrecht-schuld-der-kuestenwache.html
Was ist aufgefallen?
Deutschland: Hohe Anerkennung von Asylgesuchen für Menschen mit Schutzstatus in Griechenland
Fast 50’000 geflüchtete Menschen haben in Deutschland ein zweites Asylgesuch gestellt, nachdem sie bereits in Griechenland einen Schutzstatus erhalten haben. Da dieser Status alles andere als Schutz bietet und viele Menschen keine Chance auf ein würdiges Leben im Land haben, hat Deutschland seit längerem Ausschaffungen nach Griechenland eingestellt.
Personenfreizügigkeit: Klassenkompromiss stützt rassistischen und kolonialen Arbeitsmarkt
Der neoliberale Staat, die nationalen Kapitalist*innen und etablierten Gewerkschaften stellen Analysen und Forderungen zu ihrem „Modell der arbeitsmarktgesteuerten Zuwanderung“ vor.
Die kapitalistische Wirtschaft ist von konfliktreichen Spaltungen und stressiger Konkurrenz getrieben. Arbeiter*innen gegen Arbeiter*innen, Betriebe gegen Betriebe, Branchen gegen Branchen, nationale Wirtschaftsstandorte gegen andere Wirtschaftsstandorte usw.. Wer sich individuell nicht durchsetzten kann oder will, versucht Allianzen zu schmieden. Eine der schweizweit stärksten Allianzen besteht seit der Einführung der innereuropäischen Personenfreizügigkeit vor 20 Jahren. Damals bildete sich ein Kompromiss zwischen dem Staat, den lokalen Kapitalist*innen (die ihr Gewerbe nicht auslagern können) und den etablierten Gewerkschaften (die ihren Machtverlust aufgrund von Mitgliederschwund durch die Rolle der Wächter*innen der „flankierenden Massnahmen“ zur Personenfreizügigkeit zu kompensieren versuchen). Wie eng die drei verbandelt sind, zeigte sich zuletzt an ihrem gemeinsamen harmonischen Auftritt anlässlich der Medienkonferenz des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen.
Zuerst kamen Zahlen. Europaweit sind 11.2 Millionen Personen ausserhalb ihres Herkunftsstaates erwerbstätig. Das sind nur 4.2% aller Lohnabhängigen. Bewegungsfreiheit heisst also nicht direkt Massenwanderungen. Doch dies wurde an der Medienkonferenz nicht festgehalten. Auch sagte keine Stimme, dass dies mitunter am Rassismus in der Arbeitswelt liegen kann. Denn wer in einem anderen Land versucht Fuss zu fassen, wird oft ans unterste Ende der Lohnpyramide geleitet. Und ist von den Problemen, welche der kapitalistische Arbeitsmärkt erzeugt, meist stärker und vor den inländischen Arbeiter*innen betroffen. Die Zahlen des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen betreffend der Coronajahre bestätigen diese diskriminierenden Dynamiken. Während des Lockdowns stieg die Arbeitslosigkeit bei Schweizer*innen ausgehend von einem sehr tiefen Niveau um 0.8 Prozentpunkte an, bei EU-Staatsangehörigen stieg sie doppelt so stark um 1.8%. Bei Nicht-Europäer*innen betrug die Zunahme gar 2.1%. Diese ungerechte Ungleichheit wurde vor den Medien nicht hinterfragt oder gar kritisiert. Auch die gelieferte Erklärung, nämlich dass migrantische Arbeiter*innen tendenziell die prekären Jobs ausführen und meist über unsicherere Arbeitsverträge verfügen als Schweizer*innen, wurde einfach hingenommen.
Der Grund, warum sich die drei Parteien des Observatoriums nicht mehr über die Ausbeutung der migrantischen Arbeiter*innen empören, liegt darin, dass sie Migration vorwiegend als Mittel für eine „hohe Standortattraktivität der Schweiz“ betrachten (attraktiv für das Kapital, nicht für die Arbeiter*innen). In diesem Modell ist Europa beziehungsweise die Welt ein einziges grosses Reservoir an Arbeitskräften für Schweizer Firmen. „Die Rekrutierung erfolgt zielgerichtet, arbeitsmarktorientiert und komplementär zur inländischen Erwerbsbevölkerung“, hält der Arbeitgeberverbandspräsident Müller fest, um dann auf seine Sorgen zu sprechen zu kommen. Es „zeigt sich, dass die Rekrutierung in europäischen Ländern immer anspruchsvoller wird, weil ja auch diese Länder eigenes Personal benötigen. Damit gewinnt der Zugang zu Drittstaatenbürgern an zusätzlicher Bedeutung, wobei dieser bisher restriktiven Zulassungskriterien untersteht.“ Rekrutieren will die Wirtschaft aber hauptsächlich hochspezialisierte Fachkräfte. Gleichzeitig werden alle anderen nicht-europäischen Arbeiter*innen aufgrund der Schengen-Dublin-Verträge auf koloniale Art vom europäischen Arbeitsmarkt ausgeschlossen. In der Regel werden sie von Frontex und lokalen Grenzpolizist*innen gewaltsam daran gehindert, überhaupt nach Europa zu gelangen. Das zeigte sich zuletzt am 24. Juni in Melilla.
Die Arbeitgeber*innen wollen am kolonialen Verhältnis nichts Grundsätzliches ändern. Sie schlagen hingegen vor, bestehende selektive Ausnahmerechte beziehungsweise die sogenannten Kontingente für hochqualifizierte nicht-europäische Arbeitskräfte auszuweiten. Offenbar fehlen ihnen IT-Spezialist*innen: „Der Schweizerische Arbeitgeberverband fordert eine administrative Vereinfachung des Zulassungssystems und eine Anpassung der Zulassungskriterien für Fachkräfte aus Drittstaaten.“ Die Gewerkschaften schweigen einmal mehr, wenn es darum ginge, die koloniale Spaltung des weltweiten Arbeitsmarkts zu kritisieren und eine weltweite Ausweitung der Personenfreizügigkeit beziehungsweise die Bewegungsfreiheit für alle statt wenige zu fordern.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-89643.html
Was tut Frontex?
Frontex will sensible Personendaten zur „Terrorabwehr“ sammeln
Frontex plant eine massive, rechtswidrige Datensammlung über geflüchtete Menschen. Diese Daten sollen unter anderem die DNA, Religion, politische Überzeugung und sexuelle Orientierung von fliehenden Menschen beinhalten. Auch die systematische Auswertung von Profilen in den sozialen Medien gehört zu den Plänen von Frontex. Das dafür vorgesehene Programm PeDRA existiert seit 2015 und ermöglicht den Austausch zwischen Frontex und Europol. Jetzt soll es massiv ausgeweitet werden.
https://www.spiegel.de/ausland/umstrittene-kooperation-zwischen-frontex-und-europol-eu-plant-massenueberwachung-an-aussengrenzen-a-293bf462-92d1-4161-aa09-b64a22248426
https://www.instagram.com/p/CfwlyN2M0dS/
Was nun?
Migrationsämter sammeln willkürlich Daten: Jetzt Migrationsdossier einsehen
Die Schweiz macht bei der massenhaften Sammlung von persönlichen Daten fleissig mit. Während diese bei Menschen mit Schweizer Pass bei den jeweils zuständigen Behörden getrennt gespeichert werden, fliesst bei Nicht-Schweizer*innen alles im persönlichen Migrations-Dossier zusammen. Dieses kann man zur Einsicht anfordern.
Für das Anfordern des persönlichen Dossiers gibt es auf reflekt.ch ein Onlineformular: https://reflekt.ch/recherchen/abfrage-migrationsdossier/
https://reflekt.ch/recherchen/sammelwut/
https://reflekt.ch/recherchen/das-schattenregister/
Zum Weiterlesen
Die EU baut ihre Datensammlungen massiv aus. Damit verstärkt sie den Grenzschutz und untergräbt bis anhin geltende Prinzipien des Datenschutzes. Die Schweiz macht fleissig mit.
https://reflekt.ch/recherchen/datenfestung/
Welche Behörde sammelt welche Daten und wer hat Zugriff darauf? Wir haben erstmals eine durchsuchbare Übersicht aller Migrations- und Polizeidatenbanken der Schweiz erstellt.
https://reflekt.ch/recherchen/datenbank-der-datenbanken/
Wo gabs Widerstand?
Widerstand gegen Auslieferung an die Türkei: Yaser Örnek ist frei!
Was steht an?
20.07.22 I 19:00 I Politbibliothek Bern, Holligerhof 8
Im Sommer 2015 trafen sich über 300 Jugendliche aus der Türkei in Suruç zur Kampagne „Wir haben es gemeinsam verteidigt, wir werden es gemeinsam aufbauen!“. Ihr Ziel war es die Stadt Kobane (Westkurdistan) wiederaufzubauen. Während ihrer Presseerklärung verübte der IS in Zusammenarbeit mit der AKP-Regierung ein Selbstmordattentat. 33 Menschen verloren ihr Leben und mehr als 100 wurden verletzt. Im Film „Gitmek“ auf deutsch „Gehen“ geht es um diese Reise. Wir wollen am 20. Juli gemeinsam mit diesem Film weitere Einblicke in die Reise der Jugendlichen schaffen und an die 33 Unsterblichen gedenken.
Nun hat die Staatsanwaltschaft von Genua ein Verfahren gegen 5 organisierte Arbeiter:innen des „C.A.L.P.“ und der „Azione Antifascista di Genova“ eröffnet. Sie werden beschuldigt, Rauchtöpfe und Signalraketen zu „tödlichen Waffen“ umfunktionniert zu haben und sich in einer „kriminellen Vereinigung“ zu organisieren.
Diese Repression soll den Widerstand stoppen, denn – genau wie die Schweiz – will der italienische Staat weiterhin heuchlerisch von Frieden reden, doch Waffen und Sprengstoff exportieren und daran verdienen.
14.08.22 I 15:00 I Schützenmatte Bern
Zum Auftakt der diesjährigen «Fides» werden wir am Sonntag dem 14. August unsere unterschiedlichen Betroffenheiten und unsere Kritik an Staat, Polizei und Militär auf die Strasse tragen. Die Einschränkungen durch die repressiven Staatsorgane in unserem Altag sind massiv und der Erhalt der strukturellen Machtverhältnisse scheint durch den Schutz der besagten Institutionen schwer angreifbar. Doch das hindert uns nicht, den Staat als Institution und seine gewaltausübenden Organe grundlegend zu kritisieren. Und es hindert uns auch nicht daran, uns gegen die Delegitimierung von uns, unseren Gedanken und unserer Kämpfe zu wehren. Kein Staat, keine Polizei und kein Militär dieser Welt kann unsere Ideen von einer repressions- und gewaltfreien Gesellschaft ohne Diskriminierung und Unterdrückung aufhalten.
https://barrikade.info/article/5277
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Der Fall des bekanntesten Jugendstraftäters der Schweiz muss neu aufgerollt werden. Was aber würde ein unabhängiges Gremium entscheiden, wenn es nicht Brians Taten beurteilen müsste – sondern die Behörden und ihre Vertreter:innen? Anklagepunkt: Institutioneller Rassismus.
https://hoerkombinat.podigee.io/s1e10-neue-episode
In diesem Video hat es gewaltvolle Bilder. Wir fragen uns, wie gehen wir damit um?
Am 24. Juni 2022 versuchten rund 2000 Personen, kollektiv die Grenze zur spanischen Exklave Melilla zu überqueren. 133 Personen schafften es. Mindestens 37 Personen starben. Die marokkanische und spanische Polizei reagierte auf beiden Seiten der Grenze mit Brutalität. Die marokkanischen (Grenz-)Polizist*innen beteiligen sich gewalttätig an der Abschottung Europas. Dafür anerkennt der spanische Staat die Ansprüche des marokkanischen Staats im Westsahara-Konflikt.
https://www.youtube.com/watch?v=Qtn-Uap39-Y
Anerkannte Flüchtlinge kämpfen in Griechenland ums nackte Überleben, denn sie bekommen keine Unterstützung vom Staat. In ihrer Not sammeln viele Müll, verdienen kaum etwas mit der harten Arbeit und werden von der Polizei dranglasiert. Einige haben ihre Geschichten Refugee Support Aegean, der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, erzählt.
Schutzsuchende aus aller Welt versuchen weiterhin, über Belarus nach Polen in die EU zu gelangen. Trotz der knapp sechs Meter hohen Mauer, die Polen Anfang Juli fertiggestellt hat, gelingt das einigen. Sie harren tage- oder wochenlang im Urwald von Białowieża aus. Elisa Rheinheimer von PRO ASYL berichtet über die Lage vor Ort.
REPRESSION
Operation MOLESTIA: Über rostige Kabel, vernichtete Beweise und die blühende Fantasie der Bundeskriminalpolizei
Akten für Alle! Unter diesem Slogan veröffentlichen Mitstreiter:innen aus Deutschland immer wieder Erkenntnisse aus Verfahren, um sichtbar zu machen, wie Ermittlungen funktionieren, wie wir uns vor ihnen schützen können und um gleichzeitig Aufmerksamkeit für das Thema zu wecken. Dies ist auch das Ziel dieses Beitrages. Er möchte einerseits anhand von Akten der Öffentlichkeit bisher unbekannte, jedoch wichtige Informationen zu den Ermittlungen im Zusammenhang mit den Aktionen gegen die Gewalt in den Bundesasyllagern zugänglich machen und andererseits auch eine Gegenstimme zu der medialen Darstellung der Geschehnisse vetreten.
https://barrikade.info/article/5254
Amtlich bewilligte Sektenschule
Nach den Sommerferien soll in Uznach eine Privatschule nach den Lehren der rechts-esoterischen Anastasia-Bewegung eröffnet werden. Sie wirbt mit kruden Lernversprechen, doch die kantonalen Behörden schöpften bislang keinen Verdacht.
https://www.woz.ch/-c99f