Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
Zu 100 Prozent Freiwilligenarbeit leisten – das geht
Dominik Galliker ist 30 Jahre alt, hat vor vier Jahren den Verein Mazay gegründet und arbeitet zu 100 Prozent als Freiwilliger im Asylbereich in Bern. Geld erhält er von seinen Unterstützerinnen und Unterstützern. (ab 08.12)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/zu-100-prozent-freiwilligenarbeit-leisten-das-geht?id=12212828
+++ZÜRICH
landbote.ch 26.06.2022
Geflüchtete in Winterthur: «Wir wollen kein Vermögen, keine Wohnung, kein Auto – nur einen Deutschkurs!»
Geflüchtete und Sans-Papiers erhalten in vielen Fällen keine bezahlten Deutschkurse. Der Verein Deutschintensiv Solinetz Winterthur leistet mit über 70 Freiwilligen Schwerarbeit für den Zugang zu Bildung.
Michael Graf
Angesichts der grossen Aufmerksamkeit für die Vertriebenen aus der Ukraine geraten sie leicht in Vergessenheit, die anderen Flüchtlinge, die hier in der Schweiz leben. Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea oder aus Tibet und sind oft schon seit vielen Jahren hier, mit unklaren Perspektiven und mangelhaften Sprachkenntnissen. Hier setzt seit 2015 Solinetz Winterthur an. 70 Freiwillige unterrichten in zwölf Kursen 130 Lernende. Gratis, aus Überzeugung.
Die Winterthurer Kurse, die von der Stadt mit Unkostenbeiträgen und seit diesem Jahr mit einem Strukturbeitrag unterstützt werden, sind weitherum bekannt für ihre Qualität und Strenge. Fünf Halbtage pro Woche, Hausaufgaben und Anwesenheit werden kontrolliert. Am Ende des Kurses können anerkannte Diplome des Goethe-Instituts absolviert werden.
Für alle, auch Abgewiesene
Das Besondere daran ist, dass sie allen offenstehen. Während die Geflüchteten aus der Ukraine mit ihrem Status S die Angebote kommerzieller Anbieter nutzen können, gibt es für manche Flüchtlingsgruppen keine öffentlich finanzierten Angebote. Etwa für vorläufig Aufgenommene (Status F) oder Personen mit laufendem Asylverfahren (N). Um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen, haben die Filmemacher Heidi Schmid und Christian Labhart den Kurzfilm «Wir haben einen Traum» gedreht. Am 15. Juni wurde er im Kino Cameo gezeigt – anschliessend kamen Protagonistinnen aus dem Film zu Wort.
Die zwei Filmemacher waren auf das Thema gestossen, als sie über tibetische Sans-Papiers recherchierten. «Diese Menschen sind hier. Sie dürfen nicht bleiben, sie dürfen nicht gehen. Sie dürfen nicht lernen, sie dürfen nicht arbeiten», sagt Heidi Schmid. «Wissen die Leute auf der Strasse, dass wir hier in der Schweiz Menschen so beschämend behandeln?»
Im Film kommt Merve Cildag zu Wort. In der Türkei war sie Mathematiklehrerin, seit viereinhalb Jahren ist sie in der Schweiz. Sie hat Glück, sie hat den B-Ausweis und darf bleiben. Die ersten drei Jahre in der Schweiz lebte sie in einer Landgemeinde. «Das war hart», erzählt sie. «Wir wurden nicht informiert, wo wir kostenlose Deutschkurse besuchen können oder wie wir uns in der Schweiz integrieren können. Wir wollten kein Vermögen, keine Wohnung, kein Auto – nur einen Deutschkurs!» Ohne private Unterstützung hätte sie in den ersten drei Jahren kein Wort Deutsch gelernt. Solinetz fand sie erst spät, durch Zufall. «Sonst spräche ich heute vielleicht noch viel besser.»
Die Gemeindelotterie
Merve sei leider kein Einzelfall, sagte Barbara Günthard Fitze. Die EVP-Kantonsrätin vertrat am Podium die Seite der Politik. «Geflüchtete erleben bei den Sprachkursen leider immer noch eine Art Gemeindelotterie. Obwohl es überall die gleichen Pauschalen gibt, kommt es trotzdem darauf an, welche Person im Sozialdepartement sitzt.» Im Kantonsrat hat Günthard Fitze mit Gleichgesinnten ein überparteiliches Grüppchen «Bildung für Alle» gebildet. Für Anliegen wie den gleichberechtigten Zugang zur Volksschule aber auch zu Hochschulen gebe es im Kantonsrat derzeit Mehrheiten. «Viele merken, dass wir diese Leute nicht einfach hängen lassen können.»
Eine Hängepartie erlebt auch Sara Azar aus Syrien, eine junge Mutter von drei Kindern. Sie lebt seit knapp sechs Jahren in der Schweiz und möchte Pflegefachfrau werden. Obwohl sie gut Deutsch spricht und in Praktika in Altersheimen während Monaten gute Arbeit leistete, wurde ihr kein Lehrvertrag angeboten. «Mein Chef sagte, das sei schwierig, weil ich Status F habe», sagt sie. Ab Sommer absolviert sie ein Vorbereitungsjahr an der Berufsschule. Aber auch das ohne Garantie, danach eine Lehre zu finden. «Mit dem F-Ausweis haben wir Geflüchtete in der Schweiz einfach keine Chance!», sagt auch Shakiba aus Afghanistan im Film resigniert. Sie sucht eine Lehre als Konditorin.
«Vergeudete Ressourcen»
«Wir können in der Schweiz auf diese Ressourcen überhaupt nicht verzichten und diese vergeuden», sagt Branka Kuprasek. Sie ist Sozialarbeiterin und SP-Mitglied, in den Neunzigerjahren war sie aus Bosnien in die Schweiz geflüchtet. In Winterthur war sie langjährige Präsidentin des interkulturellen Forums. Günthard Fitze pflichtet ihr bei. «Wir haben einen totalen Mangel in der Gastronomie, in der Pflege, im Handwerk. Wir hätten Leute hier, die wir ausbilden könnten, die arbeiten wollen. Da verstehe ich die Welt nicht.» Günthard Fitze würde Arbeitgeber ermutigen, auch Menschen mit F-Status anzustellen. «Man kann das, man darf das.»
«Wir sehen jetzt auch, was möglich ist mit Status S», sagt Kuprasek. «Auf einmal ist alles möglich, was in der Vergangenheit nicht möglich war!» Ein Raunen geht durch den restlos gefüllten Kinosaal. Die Behandlung der Geflüchteten aus der Ukraine gibt unter den Geflüchteten anderer Länder viel zu reden. Eine Mischung aus Hoffnung, dass nun ein Umdenken passiert – aber auch eine Verletztheit. Gibt es Geflüchtete erster Klasse, für die andere Regeln gelten?
Angst zu träumen
Die fünfte Frau in der Runde ist Tenzin, eine Sans-Papiers aus Tibet, die eigentlich anders heisst. Weil die Betreuerin in ihrem Wohnkanton Tenzin verboten hat, diesen zu verlassen, muss sie unerkannt bleiben. «Man behandelt mich nicht als Menschen, sondern als Fall. Wenn es nach der Gemeinde geht, dürfte ich nicht in die Schule, keine Freiwilligenarbeit machen. Ich muss im Heim bleiben, traurig sein und so schnell wie möglich das Land verlassen.» Als Tenzin vor neun Jahren in die Schweiz kam, war sie Analphabetin, heute hat sie ein C1-Diplom in Deutsch und ein kaufmännisches Diplom. Ihre einzige Chance, legal hierzubleiben, wäre ein Härtefallgesuch, doch ihr Kanton weigert sich, das zu bearbeiten. Auch Tenzin hat Träume, gerne wäre sie Buchhalterin. «Aber ich habe Angst zu träumen. Ich bin seit neun Jahren hier, seit neun Jahren will man mich nicht. Warum soll das in einem oder zwei Jahren anders sein?»
«Es ist schwierig», sagt Sara. «Aber ich werde weiterkämpfen für meinen Traum.» Saras Traum: mit der eigenen Arbeit für ihre Kinder aufkommen.
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Wir haben einen Traum – Geflüchtete sprechen über Bildung
Im Kurzfilm von Heidi Schmid und Christian Labhard bekommen Geflüchtete das Wort. Der Film begleitet eine Gruppe, die sich auf eine öffentlichen Kundgebung in Zürich vorbereitet. Dort erzählen die Geflüchteten von ihrem schwierigen Bildungsweg in der Schweiz.
Der Kurzfilm gibt persönliche Einblicke und zeigt eindrücklich, wie schwierig der Bildungszugang für Geflüchtete in der Schweiz ist, und wie gross ihr Wille und Wunsch, durch Bildung und Arbeit an der Gesellschaft teilzunehmen. Die Geflüchteten richten das Wort auch an die Politik und möchten, dass ihre Motivation und ihr Potenzial wahrgenommen und unterstützt wird.
Der Film dauert 16 Minuten und eignet sich für Informations- und Diskussionsveranstaltungen sowie für Aus- und Weiterbildungen zum Thema des Zugangs von Geflüchteten zur Bildung.
https://www.youtube.com/watch?v=FXHovpO8SLA
(https://www.landbote.ch/wir-wollen-kein-vermoegen-keine-wohnung-kein-auto-nur-einen-deutschkurs-951759727570)
+++SCHWEIZ
Sonntagszeitung 26.06.2022
Ukrainerin in der Massenunterkunft: «Ich schäme mich, alles vor den anderen zu machen»
Die 59-jährige Ukrainerin Valentyna Kleiner ist seit vier Monaten in der Schweiz und muss in einem Raum mit Fremden ohne Privatsphäre leben. Vielen Geflüchteten geht es so wie ihr.
Mischa Aebi, Denis von Burg
Sie verlange keinen Luxus, sagt die Ukrainerin Valentyna Kleiner. Keine Villa, keine grosse Wohnung. Nur ein eigenes Zimmer, endlich wieder ein paar Quadratmeter Privatsphäre. «Logisch würde ich in eine Gastfamilie gehen, sofort», sagt sie. Badezimmer und Küche teilen wäre kein Problem. Fast alles sei besser als das jetzt.
Die Behörden haben die 59-Jährige in der Truppenunterkunft Winterthur untergebracht. 150 Flüchtlinge leben in dem Betonbau: Massenschläge, Gemeinschaftstoiletten am Ende der langen Korridore, ein Essraum für alle. Kleiner ist in einem Zimmer zusammen mit vier fremden Menschen, jeder habe ein Bett, «sonst nichts». In anderen Schlafräumen sind bis zu 12 Personen einquartiert.
Nachts sei es nie ruhig, sagt Kleiner. «Einige hört man weinen, andere sind wach und reden und lachen, weil sie tagsüber geschlafen haben. Viele haben den Rhythmus verloren. Die ganze Nacht piepst irgendwo ein Handy.» Schlafen sei kaum möglich. Und tagsüber habe sie keinen Raum, nicht einmal eine Ecke für sich, für die Körperpflege, für die Kosmetik. «Sie wissen, ich bin eine Frau, ich schäme mich so, das alles vor den anderen zu machen.»
In der Schweiz geht es Tausenden von Ukrainern ähnlich. Sie haben bis heute weder einen privaten Gastgeber noch eine eigene Mietwohnung gefunden und wurden von den Behörden in Massenunterkünften einquartiert. Eine genaue Zahl fehlt. Eine Umfrage der SonntagsZeitung bei zehn Kantonen und mehreren Städten lässt die Schätzung zu, dass 10’000 bis 15’000 oder 20 bis gut 30 Prozent der geflüchteten Ukrainerinnen derzeit in Kollektivunterkünften untergebracht sind. Die Situation ist aber regional sehr unterschiedlich.
«Kaum Aussicht auf eigenes Zimmer»
Valentyna Kleiner hat schon vieles versucht, um eine Gastfamilie zu finden – oder eine eigene Wohnung. Sie hat Campax angefragt. Die Organisation verfügt über 50’000 Adressen von privaten Gastgebern. Sie hat auch mit der Flüchtlingshilfe Kontakt aufgenommen. Beide dürfen aber in Winterthur keine Gastfamilien vermitteln. Und sie hat beim Sozialamt angeklopft, mehrmals und erfolglos. Unterdessen hat sie die Hoffnung auf ein eigenes Zimmer verloren. Man höre immer wieder, wie viele Ukrainer bereits eine Wohnung oder einen privaten Gastgeber gefunden haben. Das erwecke einen falschen Eindruck. Kleiner sagt: «Viele von uns leben schon lange hier in dem Truppengebäude.» Sie wisse nur von einer Familie, die wegziehen konnte.
Die alleinstehende Ukrainerin lebt mittlerweile seit fast vier Monaten in der Schweiz. Zuerst wurde sie provisorisch in einem Hotel in der Stadt Zürich einquartiert, dann kam sie nach Winterthur. Schon am ersten Tag nach ihrer Ankunft in der Schweiz, am 10. März, hatte sie den S-Status beantragt.
Die frühzeitige Registrierung ist aber längst kein Garant für eigene vier Wände oder einen Platz bei einer Gastfamilie. Wo jemand unterkommt, ist reiner Zufall und hängt von der Verteilung der Ukraine-Flüchtlinge durch die Behörden ab. Die einen werden Kantonen oder Gemeinden zugewiesen, die praktisch nur auf Kollektivunterkünfte setzen. Andere haben Glück und kommen an einen Ort, an dem sie gute Chancen haben, ein eigenes Zuhause mit Privatsphäre zu finden. Wie gut diese Chancen sind, hängt vor allem vom politischen Willen, das heisst, vom Unterbringungskonzept der jeweiligen Gemeinde, ab.
Grosse Unterschiede zwischen Kantonen
Kleiner hat mit Winterthur schlechte Karten gezogen. Die Stadt setzt explizit nicht auf die Unterbringung in Gastfamilien und hat nur einige wenige Wohnungen angemietet. Folge: In der Stadt Winterthur leben 35 Prozent der rund 730 Ukraine-Flüchtlinge in grossen Massenunterkünften.
Zum Vergleich: Im Kanton Bern, der unter anderem in Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe viele Gastfamilien gefunden hat, sind nur 17 Prozent in Kollektivunterkünften einquartiert. Der Rest ist in Gastfamilien oder gar eigenen Wohnungen untergekommen. Und die Stadt St. Gallen hat für 77 Prozent eine private Unterkunft gefunden. Sie vermittelt die Gastfamilien selbst. In der Stadt Zürich sind sogar 92 Prozent der Ukraine-Flüchtlinge von Privaten aufgenommen worden.
Der Kanton Basel-Stadt hat es fertiggebracht, dass keine einzige Person mit Status S in einer Kollektivunterkunft leben muss. Basel setzt nicht nur stark auf die Vermittlung von Gastfamilien und Mietwohnungen. Der Stadtkanton hat selber viele Flüchtlingswohnungen angemietet und kann deshalb ganz auf Kollektivunterkünfte verzichten.
Schlechte Aussichten auf eine eigene Unterkunft hätte Kleiner hingegen auch etwa in den Kantonen Luzern oder Appenzell Innerrhoden gehabt. Beide konzentrieren sich, so wie Winterthur, auf die Unterbringung in öffentlichen Strukturen. In Luzern leben 30 Prozent der Ukrainerinnen in Kollektivunterkünften und in Appenzell Innerrhoden gar 95 Prozent.
«Schwerst Traumatisierte leben hier ohne Betreuung»
Kleiner unternahm mehrere Versuche, eine eigene Wohnung mieten zu können. Das Sozialamt Winterthur gab der Ukrainerin grünes Licht für die Wohnungssuche, mangels privater Gastgeber. Die Stadt werde die Miete übernehmen, hiess es. Diese dürfe maximal 1100 Franken betragen. Das klang grosszügig, entpuppte sich aber als unrealistisch. Denn die Leerwohnungsziffer in der zweitgrössten Stadt des Kantons Zürich ist so tief, dass kaum eine Wohnung zu finden ist. Nach offizieller Definition herrscht in Winterthur Wohnungsnot. Kleiner hat erfahren, was das bedeutet: «Wenn eine noch so bescheidene Wohnung ausgeschrieben ist, kommen 30 Personen, die sich dafür interessieren», sagt sie. Bei Ukrainern heisse es dann immer sofort: Tut uns leid, Sie haben den Status S, das ist ein Risiko für uns. Und anderswo als in Winterthur darf sie nicht suchen, sonst zahlt das Sozialamt nicht.
Eine eigene Wohnung selbst zu mieten, ist für Ukrainer überall schwierig. Mancherorts, zum Beispiel in Luzern, ist es Kriegsflüchtlingen, die von der Sozialhilfe abhängig sind, sogar verboten. Vielerorts gilt deshalb wohl: Wer einmal in einer Kollektivunterkunft landete, hat wenig Chancen, den Weg hinauszufinden. Das bestätigt Fabienne Müller von der Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen des Kantons Luzern: «Die meisten Ukraine-Flüchtlinge, die in Kollektivunterkünfte kommen, bleiben in der Regel längere Zeit dort, also über drei Monate. Schwerst traumatisierte leben hier ohne Betreuung.»
Behörden weisen Vorwürfe zurück
Immer wieder betont Kleiner, sie wolle nicht undankbar sein. Sie sei ja froh, dass die Schweiz sie aufgenommen habe. «Aber die Behörden verstehen nicht, dass die meisten von uns Ukrainern durch den Krieg verletzt sind.» Psychisch, meint sie. In diesen Korridoren in der Truppenunterkunft kämen ihr immer wieder diese Bilder hoch, «als wir nach jedem der vielen Bombenalarme in den Zivilschutzkeller flüchten mussten», sagt Kleiner. «Mehrmals täglich, oft dreimal in einer einzigen Nacht.» Dabei gehe es ihr noch verhältnismässig gut. Sie kenne Menschen in der Unterkunft, um die es wirklich schlecht stehe. Die seien schwerst traumatisiert, durch das in ihrer Heimat Erlebte. Psychologische Hilfe gebe es aber nicht in der Unterkunft, nirgends. «Das ist unverantwortlich», sagt Kleiner.
Die Behörden sind sich des Problems bewusst. «Es trifft zu, dass auch Personen mit psychischen Auffälligkeiten in der Unterkunft leben», sagt Mirjam Menzi, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sozialdepartements der Stadt Winterthur. Den Vorwurf, dass es keine Hilfe gebe, weist sie aber von sich. Die Kollektivunterkünfte seien rund um die Uhr betreut. «Die Sozialen Dienste sind nicht überfordert», sagt Menzi. Die Kollektivunterkünfte seien in erster Linie Wohnunterbringung. «Wenn psychische Probleme erkannt werden und eine Behandlung angezeigt ist, greifen die Sozialen Dienste auf das Gesundheitssystem zurück», sagt Menzi.
«Mit 59 Jahren Arbeit zu finden, ist nicht einfach»
Ein Weg raus aus der Kollektivunterkunft wäre, eine eigene Arbeit zu finden. Sobald sie nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig ist, könnte Valentyna Kleiner auch ausserhalb der Stadt eine Wohnung suchen. Eigentlich möchte sie sehr gerne arbeiten. Aber bis jetzt sei sie dazu nicht in der Lage gewesen. «Ich kann keinem Arbeitgeber zumuten, dass ich morgens unausgeschlafen erscheine.» Dazu komme: Mit 59 sei es nicht mehr so einfach, einen Job zu finden, wie mit 25. Aber sie will nun mit der Suche beginnen. Kleiner hat Lebensmitteltechnologie studiert, später aber jahrelang im Gastroservice gearbeitet.
Kleiner kommt aus Chmelnizki, einer Stadt im Herzen der Ukraine. Geflüchtet ist sie, weil sie das Hin und Her zwischen Wohnung und Luftschutzkeller nicht mehr aushielt. Und die schlaflosen Nächte. Ihr 40-jähriger Sohn ist noch in der Ukraine. Als Mann durfte er nicht ausreisen, er muss kämpfen. Und ihrer Schwiegertochter mit deren 8-jähriger Tochter hat Valentyna Kleiner gesagt: Kommt nicht in die Schweiz. Die beiden sind dann nach Kanada geflüchtet. «Dort geht es ihnen gut», sagt Kleiner.
(https://www.derbund.ch/ich-schaeme-mich-alles-vor-den-anderen-zu-machen-473056003672)
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Sonntagszeitung 26.06.2022
Interview mit Nicolas Galladé: «Gastfamilien sind nicht einfach besser als gute Kollektivunterkünfte»
Der Winterthurer Sozialvorstand Nicolas Galladé wehrt sich gegen den Vorwurf, Ukrainerinnen und Ukrainer schlecht unterzubringen.
Denis von Burg, Mischa Aebi
Herr Galladé, warum stecken Sie Schutzsuchende aus der Ukraine lieber in Massenunterkünfte, als sie an Gastfamilien zu vermitteln?
Es geht nicht darum, was wir tun wollen, sondern wie wir der grossen Zahl von Flüchtenden schnell und sicher ein Dach über dem Kopf und Essen garantieren können. Da waren wir überzeugt und sind es noch, dass dies am besten mit einem raschen Ausbau der Kollektivunterkünfte möglich ist. Und die wollen wir jetzt natürlich auch nutzen.
Gastfamilien sind doch schnell gefunden.
Vermittlung und Betreuung von Gastfamilien sind sehr aufwendig. Wir zweifeln daran, dass unsere Ressourcen ausreichen, um mit noch mehr Gastfamilien die Betreuung der Geflüchteten und deren rechtzeitige finanzielle Unterstützung zu gewährleisten. Zudem kamen und kommen viele Ukrainerinnen und Ukrainer auch bei uns spontan und auf eigene Initiative privat unter.
Andere Kantone oder Gemeinden erreichen eine bessere Quote mit aktiver Vermittlung.
Ich glaube kaum, dass wir die Zahl der privat Untergebrachten massiv steigern könnten. Zudem ist eine private Unterbringung nicht per se besser. In manchen Gastfamilien entstehen Probleme. Viele Aufenthalte sind nicht auf eine längere Dauer angelegt. Sie bieten keine Gewähr, dass die Leute dauerhaft ein Dach über dem Kopf und Zeit genug haben, um sich längerfristig eine eigene Unterkunft zu suchen. Insgesamt hat die Stadt Winterthur eine enorme Arbeit geleistet. Und wir glauben, dass wir die Flüchtlinge gut unterbringen. Gastfamilien sind medial sehr interessant, faktisch sind sie aber nicht einfach besser als gute Kollektivunterkünfte.
Sie finden es also gut, dass eine 59-jährige, alleinstehende Ukrainerin seit Monaten in einer Kollektivunterkunft ohne Privatsphäre leben muss?
Das ist ein unqualifizierter Vorwurf. Natürlich lebt es sich in unseren Unterkünften nicht wie in einer schönen Familienwohnung. Aber sie gelten als beispielhaft, und die Betreuung ist gewährleistet. Man sollte das Ganze doch etwas relativieren und im Rahmen unseres Asylwesens sehen.
Wie meinen Sie das?
Wer als Asylsuchender in die Schweiz kommt, lebt zuerst fünf Monate in einem Bundesasylzentrum, muss dann für längere Zeit in kantonale Durchgangszentren, bis er sich dann, je nach Ausgang des Verfahrens, eine eigene Wohnung suchen kann. Ukrainern geht es diesbezüglich viel besser als anderen Flüchtlingen. Geflüchtete aus der Ukraine mit dem Schutzstatus S können sich vom ersten Tag an selbst eine andere Unterkunft suchen.
Aber haben sie überhaupt eine reelle Chance, etwas zu finden?
Wir unterstützen sie schon und helfen bei der Suche nach Wohnungen. Und wir sehen durchaus Erfolge. Zudem hoffen wir, dass in einigen Monaten alle, die das wollen, auch etwas Eigenes gefunden haben.
Wäre es nicht einfacher, wenn die Leute nicht nur in ihrem derzeitigen Unterbringungsort, sondern im ganzen Kanton suchen dürften?
Natürlich ist es schwierig, in der Stadt Winterthur eine Wohnung zu finden. Ich halte es aber für richtig, dass der Kanton Zürich die Wahl des Wohnorts nicht freigibt. Eine gerechte Verteilung ist sinnvoll. Und wenn der Wohnort frei gewählt werden dürfte, würden noch mehr Geflüchtete in die städtischen Zentren kommen und dort die Situation noch mehr belasten.
Ist es denn richtig, dass Kantone wie Zürich die Unterbringung ganz den Gemeinden auferlegen?
Die Aufgabenteilung ist eigentlich gut. Helfen würde uns, wenn sich der Bund mehr um bestimmte Gruppen, zum Beispiel Vulnerable, kümmern würde. Das würde uns stark entlasten.
(https://www.derbund.ch/gastfamilien-sind-nicht-einfach-besser-als-gute-kollektivunterkuenfte-474325011379)
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Asylpolitik: Bumerang für die FDP
Eine Reform der vorläufigen Aufnahme ist dringend. Nur die Partei von Justizministerin Keller-Sutter will das noch nicht wahrhaben.
https://www.woz.ch/2225/asylpolitik/bumerang-fuer-die-fdp
++++SPANIEN/MAROKKO
Schwere Vorwürfe nach Ansturm von Migranten auf Melilla
Tausende Menschen aus Afrika wollten die Grenzzäune der spanischen Exklave überwinden. Die Sicherheitskräfte schritten rigoros ein, es gab mehrere Tote. NGOs üben scharfe Kritik
https://www.derstandard.at/story/2000136909007/schwere-vorwuerfe-nach-ansturm-von-migranten-auf-melilla?ref=rss
-> https://taz.de/Abschottung-der-EU-Aussengrenze/!5860882/
Messerscharfe Draht und Schüsse: „Heiße Abschiebungen“ am Grenzzaun
Spanien hat die Grenzen seiner nordafrikanischen Exklaven und damit die EU-Außengrenze in den letzten 20 Jahren immer stärker abgeschottet.
https://taz.de/Messerscharfe-Draht-und-Schuesse/!5860878/
+++RECHTSPOPULISMUS
Jagd auf den Genderstern: Junge SVP Aargau schaltet Pranger-Website für Meldungen in staatlichen Dokumenten auf
Gemäss einer Weisung des Regierungsrats sollen kantonale Institutionen auf die Verwendung des Gendersterns verzichten. Weil sich nicht alle daran halten, ruft die Junge SVP Aargau dazu auf, Verstösse auf einer neuen Website zu melden.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/gendersprache-jagd-auf-den-genderstern-junge-svp-aargau-schaltet-pranger-website-fuer-meldungen-in-staatlichen-dokumenten-auf-ld.2309341
+++RECHTSEXTREMISMUS
Hass-Konzert in Pfadiheim Rüti ZH: Neonazis reisten aus dem Ausland an
Bei einem Konzert in Rüti kontrollierte die Polizei mehrere Rechtsextreme. Die Mehrheit stammt aus Deutschland, darunter Kader von Blood and Honour. Die Polizei ermittelt wegen Rassismus und Aufruf zu Hass.
https://www.blick.ch/schweiz/hass-konzert-in-pfadiheim-rueti-zh-neonazis-reisten-aus-dem-ausland-an-id17608775.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/die-neonazis-reisten-aus-dem-ausland-an-156363599870
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Der völkische Agitator Jürgen Elsässer hat eine Autobiographie geschrieben
Und jetzt den Mussolini
Mit seiner Zeitschrift »Compact« versorgt Jürgen Elsässer AfD-Anhänger und »Querdenker« mit Verschwörungstheorien. Nun blickt er in einer Autobiographie auf seine linke Vergangenheit zurück. Herausgekommen ist eine öde Selbstbeweihräucherung.
https://jungle.world/artikel/2022/25/und-jetzt-den-mussolini
«Vielen Eventveranstaltern ist die Meinungsfreiheit heilig»
Dass Musiker wie Sam Moser aufgrund ihrer politischen Einstellungen von Festivals ausgeladen werden, können viele Eventveranstalter nicht nachvollziehen. Vielen Schaffhauser und Zürcher Organisatoren ist die Meinungsfreiheit wichtig. Welche Meinung sie neben der Bühne vertreten, ist für sie kein Grund für eine Ausladung. Manche Winterthurer Veranstalter sehen das anders.
https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/vielen-eventveranstaltern-ist-die-meinungsfreiheit-heilig-00187352/
+++HISTORY
50. Todestag der Schweizer «Flüchtlingsmutter» Getrud Kurz
Der Todestag von Gertrud Kurz liegt bereits 50 Jahre zurück. Doch die Arbeit der Schweizer «Flüchtlingsmutter» ist brandaktuell. Gertrud Kurz rettete im zweiten Weltkrieg zahlreiche jüdische Geflüchtete. Damals überzeugte sie den zuständigen Bundesrat, die Schweizer Grenzen für Geflüchtete wieder zu öffnen. Ein Leben lang setzte sich Kurz für leidende Menschen ein und für mehr Frieden. Nun – im Jahr ihres 50. Todestages – herrscht wieder Krieg in Europa.
https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/50–todestag-der-schweizer-fluechtlingsmutter-getrud-kurz?urn=urn:srf:video:76e85838-0c23-4a78-aceb-43f41b6b38a1&aspectRatio=4_5
-> https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/ehrung-zum-50–todestag-der-fluechtlingsmutter-gertrud-kurz?urn=urn:srf:video:fef7f8cb-56ab-4804-99eb-ff9aa608da25
+++ROCKERKRIEG
Hells Angels vs. Bandidos: Bern wappnet sich fürs Rocker-Urteil und errichtet Sperrzone
Am kommenden Donnerstag eröffnet das Berner Gericht den Mitgliedern der Hells Angels und Bandidos ihr Urteil. In Bern befürchtet man deswegen einen erneuten Aufmarsch der Gangs. Das Gebiet rund um das Gerichtsgebäude wird abgeriegelt.
https://www.20min.ch/story/bern-wappnet-sich-fuers-rocker-urteil-und-errichtet-sperrzone-939339107287