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+++BERN
ajour.ch 19.06.2022
Kollektiv besetzt ehemaliges Altersheim
Aus Solidarität mit den abgewiesenen Asylsuchenden in Bözingen hat in der Nacht auf Sonntag ein Kollektiv das Obere Ried in Biel besetzt.
Carmen Stalder
Ein Kollektiv namens «SoliBiel/Bienne» hat sich am Sonntag mit einer Mitteilung an die Medien gewandt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag habe man das ehemalige Altersheim Oberes Ried in Biel besetzt. «In Solidarität mit den abgewiesenen Asylsuchenden im Lager Bözingen unterstützen wir mit dieser Aktion ihren seit langem anhaltenden Kampf gegen Isolation», heisst es in der Mitteilung.
Das Kollektiv schreibt, dass Biel genug Platz für alle habe. Das Obere Ried sei zudem seit Jahren unbenutzt. Wer hinter dem Kollektiv steckt, blieb unklar. Die Gruppe «Stop Isolation Bözingen» sowie das Migrant Solidarity Network seien über die Besetzung informiert, schreibt Letzteres auf seiner Website.
Die zuständige Bieler Gemeinderätin Glenda Gonzalez Bassi (PSR) bestätigt die Besetzung. Es handle sich jedoch um ein Missverständnis, das Gebäude sei erst seit 2021 leer und stehe aktuell in Absprache mit dem Kanton Bern für ukrainische Flüchtlinge bereit. Gonzalez Bassi will heute mit allen Beteiligten sprechen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Von einer polizeilichen Räumung habe sie gestern abgesehen, da sie dies nicht als zielführend erachte.
(https://ajour.ch/story/kollektiv-besetzt-ehemaliges-altersheim/15589)
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In Solidarität mit #WirbleibeninBiel: Oberes Ried besetzt!
Das ehemalige Altersheim „Oberes Ried“ in Biel wurde besetzt! Kommt alle und zeigt gemeinsam mit den Besetzenden eure Solidarität mit den abgewiesenen asylsuchenden Menschen in Bözingen.
https://migrant-solidarity-network.ch/2022/06/19/in-solidaritaet-mit-wirbleibeninbiel-oberes-ried-besetzt/
-> https://barrikade.info/article/5235
-> https://twitter.com/bwg_bern/status/1538472159093432320
«Spur-Gruppe für Menschen auf der Flucht» aus Walkringen werden mit einem Preis ausgezeichnet
Die «Spur-Gruppe für Menschen auf der Flucht» hört sich nicht speziell an, da in der aktuellen Zeit viele Menschen aus der Ukraine in die Schweiz flüchten. Was die fast 50-köpfige Gruppe aus dem Emmental leisten, ist aber bemerkenswert. Seit sechs Jahren unterstützen die Freiwilligen Flüchtlings-Familien in ihrem Alltag und üben mit ihnen den Weg für eine wirkliche Integration. Dabei sind sie so erfolgreich, dass sie am heutigen internationalen Flüchtlingstag mit einem Preis ausgezeichnet werden.
https://www.telebaern.tv/tele-barn-news/spur-gruppe-fuer-menschen-auf-der-flucht-aus-walkringen-werden-mit-einem-preis-ausgezeichnet-146910094
+++LUZERN
Situation war schon vorher schwierig: Flüchtlingswelle: Luzern sucht händeringend Personal
Um die Flüchtlingswelle aus der Ukraine bewältigen zu können, braucht der Kanton Luzern zusätzliches Personal. Derzeit sind zehn Stellen offen.
https://www.zentralplus.ch/politik/fluechtlingswelle-luzern-sucht-haenderingend-personal-2390475/
+++SCHWEIZ
Ukrainische Flüchtlinge finden kaum einen Job – Echo der Zeit
Geflüchtete aus der Ukraine erhalten in der Schweiz den Schutzstatus S. Das heisst unter anderem, dass sie arbeiten dürfen. In der Praxis zeigt sich aber, dass dies nur sehr wenigen ukrainischen Flüchtlingen gelingt – weil sie nicht Deutsch sprechen. Eines der vielen Beispiel ist Anna Haliakberowa.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/ukrainische-fluechtlinge-finden-kaum-einen-job?partId=12209315
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NZZ am Sonntag 19.06.2022
Armutsflüchtlinge? Nein, danke
Während FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter die Willkommenskultur für Ukrainerinnen zelebriert, fordert ihre Partei eine schärfere Asylpolitik. Damit will sie bei den Wahlen punkten.
Ladina Triaca
Einst galt sie als «eiserne Lady», heute präsentiert sich Karin Keller-Sutter als Patronin der Schweizer Willkommenskultur. Die Bundesrätin besucht ukrainische Flüchtlinge in Asylzentren und macht sich – wie diese Woche – an der Seite von Unternehmern für ihre Integration in den Arbeitsmarkt stark. Auch an der Delegiertenversammlung der FDP kommende Woche in Andermatt wird Justizministerin Keller-Sutter über die Flüchtlinge aus der Ukraine sprechen.
Einen etwas anderen Fokus legt ihre Partei. Die FDP wird in Andermatt ein neues Migrationspapier verabschieden – und sich als harte Asylpartei positionieren. Die Botschaft: Soll die Willkommenskultur gegenüber den Ukrainerinnen und Ukrainern bestehen bleiben, muss die Schweiz bei den anderen Asylsuchenden strenger werden. Oder wie es der neue Dossierverantwortliche und FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt sagt: «Wenn wir die Solidarität in der Bevölkerung nicht überstrapazieren wollen, muss die Schraube im übrigen Migrationsbereich jetzt angezogen werden.»
Was das heisst, zeigt sich im Migrationspapier: Die FDP fordert darin, dass Menschen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten, konsequent ausgeschafft werden. Als Flüchtlinge sollen nur noch jene aufgenommen werden, die die Flüchtlingseigenschaften nach internationalem Recht erfüllen. Menschen, die vor Hunger und Armut fliehen, sollen in der Schweiz keinen Schutz erhalten.
Die Forderungen sind nicht alle neu. Neu ist der Ton und das Selbstbewusstsein, mit dem die Partei sie vorträgt. Anders als in den letzten Jahren unter der Führung von Petra Gössi, will die FDP das Migrationsthema an sich reissen – und aktiv bewirtschaften.
Konkurrenz für die SVP
Das hat zum einen mit den Wahlen zu tun, die im Herbst 2023 stattfinden. Im Freisinn gehen die meisten davon aus, dass die Migrationszahlen in den nächsten Monaten steigen werden. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) prognostiziert für das laufende Jahr rund 16 500 neue Asylgesuche. Das sind ähnlich viele wie vor Corona. Angesichts der Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika sei das Potenzial für Migrationen nach Europa weiterhin gross, heisst es vom SEM. Dazu kommen Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine – bis jetzt sind es rund 55 000.
Die Sorge im Freisinn: Die Konkurrentin auf der rechten Seite, die SVP, könnte die hohen Zahlen just im Wahljahr ausschlachten. Bereits während der Flüchtlingskrise 2015 feierte die Volkspartei mit ihren ausländerkritischen Parolen einen historischen Wahlerfolg. Das will die FDP verhindern, indem sie rechtsbürgerlichen Wählern eine Alternative bietet: Gut ausgebildete Fachkräfte? Ja. Armutsflüchtlinge? Nein. Gleichzeitig grenzt sich die Partei mit ihrem scharfen Asylkurs von den Grünliberalen ab, die bei Asyl- und Ausländerfragen meistens mit der Linken stimmen.
Ein zweiter Grund für die forsche Positionierung liegt beim Präsidenten Thierry Burkart. Dieser vergleicht sich in Migrationsfragen mit seinem Aargauer Kollegen Philipp Müller, der die Partei von 2012 bis 2016 führte. Müller begann seine Karriere mit einer Initiative, die den Ausländeranteil auf 18 Prozent begrenzen wollte. Er sah die FDP als «Korrektiv der SVP», forderte eine «pfefferscharfe Umsetzung» der Ausschaffungsinitiative und prägte in der Asylpolitik das Motto «hart, aber fair». Diesen Titel trägt nun auch das neue Migrationspapier des Freisinns.
Was der neue, alte Kurs in der Praxis bedeutet, zeigt sich zum Beispiel bei der vorläufigen Aufnahme. Migrationsexperten kritisieren den Status – der vielen Afghanen, Syrern oder Eritreern verliehen wird – als «letzte grosse Baustelle» im Schweizer Asylwesen. Die Ukraine-Flüchtlinge haben die Debatte um den Status neu entfacht: Müssten vorläufig Aufgenommene mehr Geld erhalten, um zu leben? Und sollten sie reisen dürfen, wie die Ukrainerinnen auch? Anfang Juli wird sich eine Evaluationsgruppe des Bundes erstmals treffen und unter anderem über eine Reform des Status nachdenken. Auch in der FDP gibt es Politiker wie Nationalrat Kurt Fluri, die seit Jahren für eine Reform plädieren.
Die FDP-Führung erteilt tiefgreifenden Reformideen nun jedoch eine Absage. Vizepräsident Andri Silberschmidt sagt, die Partei sehe – abgesehen von einer Namensänderung – keinen Handlungsbedarf bei den vorläufig Aufgenommenen. «Eine Erhöhung der Sozialhilfe, wie sie gegenwärtig diskutiert wird, würde bloss den Arbeitsanreiz der Menschen verringern und die Schweiz noch attraktiver machen für Armutsmigranten», sagt er.
SVP will Schutzstatus S aufheben
Bei den anderen Parteien ist man vom harten freisinnigen Asylkurs überrascht. SP-Nationalrätin Samira Marti schlägt die Hände vors Gesicht, als sie davon hört. «Damit zeigt sich der Rechtsrutsch der FDP unter Thierry Burkart einmal mehr.» Und Mitte-Nationalrätin Marianne Binder meint: «Ich sage immer: Choose your fights. Und ist das Flüchtlingswesen im Moment tatsächlich unser grösstes Kampffeld? Ich glaube nicht.»
Angestachelt ist man hingegen bei der SVP. Nationalrätin Martina Bircher sitzt im Bundeshaus und lacht: «Die sollen nicht nur reden, sondern auch liefern.» Bircher hatte vor kurzem mit der Idee provoziert, den Schutzstatus S auf gewisse Gebiete in der Ukraine zu beschränken. Nun geht sie noch einen Schritt weiter: «Wir müssen den Schutzstatus S so rasch wie möglich aufheben, spätestens aber im Frühling 2023.» Ihr schwebt vor, dass man zurückkehrt zu normalen Asylverfahren. Sonderrechte hätten die Ukrainerinnen und Ukrainer keine mehr. Oder wie es Martina Bircher sagt: «Dann hätten wir diese leidigen Diskussionen zwischen Syrern, Afghanen und Ukrainern endlich nicht mehr. Es würden alle wieder gleich behandelt.»
Die Migrationsdebatte, sie verschärft sich gerade, noch vor dem Wahljahr 2023.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/karin-keller-sutters-partei-fordert-schaerfere-asylpolitik-ld.1689530)
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NZZ am Sonntag 19.06.2022
«Es ist falsch, wenn wir dieses Thema der SVP überlassen»
FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt sagt, wie seine Partei mit einer schärferen Asylpolitik punkten will.
Ladina Triaca
Der Krieg in der Ukraine tobt seit vier Monaten. Ist es mit Ihrer Solidarität bereits vorbei?
Andri Silberschmidt: Nein, unsere Solidarität ist nach wie vor gross. Wir haben die Flüchtlinge aus der Ukraine von Tag eins an willkommen geheissen. Auch unsere Bundesrätin Karin Keller-Sutter leistet bei der Arbeitsmarktintegration einen besonderen Effort. Aber wenn wir die Solidarität in der Bevölkerung nicht überstrapazieren wollen, muss die Schraube im übrigen Migrationsbereich jetzt angezogen werden.
Wie soll das aussehen?
Menschen, die nicht hier sein dürften, müssen wir konsequent ausschaffen. Sonst sind wir nicht glaubwürdig. Ich denke hier etwa an Menschen aus Marokko oder Algerien, die in ihre Heimat zurückkehren könnten. Der Bund muss Kantone, die hier ihre Aufgaben nicht machen – wie etwa die Waadt – sanktionieren. Und auch beim Familiennachzug müssen wir wieder strenger werden.
Weltweit sind erstmals 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Kriege, Hungersnöte und die Klimakrise werden die Fluchtbewegung weiter verschärfen. Wollen Sie tatenlos zusehen?
Nein, die Schweiz beherbergt heute schon vergleichsweise viele Asylsuchende. Zudem kommen über die Personenfreizügigkeit mit der EU und die Drittstaat-Kontingente wichtige Arbeitskräfte zu uns. Da haben wir einfach keinen Platz für alle Menschen, die ihr Land verlassen, um ein besseres Leben zu suchen.
Das heisst: Fachkräfte ja, Armutsmigranten nein?
Genau, da müssen wir konsequent sein. Angesichts der Grösse unseres Landes ist es illusorisch und naiv zu glauben, wir könnten das Tor für Armutsflüchtlinge weiter öffnen.
Die Bedingungen für die Flüchtlinge aus der Ukraine haben die Diskussion um den Status der vorläufigen Aufnahme neu entfacht. Bietet die FDP Hand für eine Reform?
Der Begriff der vorläufigen Aufnahme ist tatsächlich irreführend, weil die meisten vorläufig Aufgenommenen jahrelang in der Schweiz bleiben. Um die Arbeitgeber nicht abzuschrecken, wäre eine Namensänderung sinnvoll. Sonst sehen wir keinen Handlungsbedarf. Eine Erhöhung der Sozialhilfe würde bloss den Arbeitsanreiz verringern und die Schweiz attraktiver machen für Armutsmigranten.
Die FDP setzt knapp eineinhalb Jahre vor den Wahlen auf einen harten Asylkurs – warum?
In der Politik gibt es im Moment zwei Pole. Die SVP, die die Ukrainerinnen und Ukrainer am liebsten jetzt schon nach Hause schicken würde, und SP, Grüne und GLP, die die Grenzen am liebsten für alle Menschen öffnen würden. Diesen beiden Extrempositionen wollen wir Einhalt gebieten.
Das ist doch pure Wahltaktik.
Nein. Die Migrationsströme werden weiter zunehmen. Das Thema dürfte also auch im Wahljahr eine Rolle spielen. Da wollen wir als Partei früh eine klare Position definieren.
Tappen Sie damit nicht in die Falle der SVP, die ja nichts lieber möchte, als im Wahljahr über Migration zu sprechen?
Es ist falsch, wenn wir als Bürgerliche dieses Thema der SVP überlassen. Die SVP ist gegen jegliche Zuwanderung – sie greift seit Jahren die Personenfreizügigkeit und Schengen-Dublin an. Diese Angriffe müssen wir abwehren.
Im Zweifel wandern die Leute doch trotzdem nach rechts, zum Original.
Wer die Schweiz völlig abschotten will, wählt tatsächlich besser die SVP. Wir zielen auf jene, die sich eine harte, aber faire Migrationspolitik wünschen. Die Schweiz schützt jene, die Schutz brauchen. Sie bietet berufliche Perspektiven für Ausgebildete. Und sie bildet aus. Die Schweiz toleriert aber keine Missbräuche.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/andri-silberschmidt-ueber-schaerfere-asylpolitik-ld.1689542)
-> https://www.derbund.ch/fdp-fordert-haertere-fluechtlingspolitik-svp-spottet-769016909852
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Sonntagszeitung 19.06.2022
Streit um Flüchtlingsunterkünfte: «Langfristig sollten möglichst viele Ukrainerinnen eine eigene Wohnung haben»
Gastfamilien seien kein Konzept für einen längeren Aufenthalt der 55’000 Ukrainer in der Schweiz. Doch ihre Unterbringung wird Folgen haben. Der Berner Gesundheitsdirektor Alain Schnegg (SVP) rechnet mit höheren Mieten.
Mischa Aebi, Denis von Burg
Um die Wohnsituation der Kriegsflüchtlinge ist eine Kontroverse entbrannt. Kantone haben Mühe, genügend Betten für Flüchtlinge zu finden, manche stellen sogar Wohncontainer auf. Die Organisation Campax dagegen klagt, sie habe Adressen von 50’000 Schweizern gesammelt, die gerne Flüchtlinge privat bei sich aufnehmen würden – vergeblich, weil Behörden und Kantone die Platzierung bei Gastfamilien verhinderten. Der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) widerspricht und sagt, es sei «eine böswillige Unterstellung», dass die Kantone Angebote zur privaten Unterbringung von Flüchtlingen ablehnen.
Nun zeichnet sich ein weiteres Problem ab: Sowohl der Berner Regierungsrat Schnegg als auch sein St. Galler Amtskollege Fredy Fässler (SP) sagen, dass die Ukrainer bald eigene Wohnungen brauchten, weil die Unterbringung in Gastfamilien auf die Dauer keine Lösung sei. Für Schnegg ist aber klar, dass das Folgen für den gesamten Wohnungsmarkt hat. Das bestätigt Donato Scoganmiglio, Professor für Immobilien. Vor allem in den Städten dürften demnach die Mieten mittelfristig steigen.
Herr Schnegg, 50’000 Schweizer würden gerne aus der Ukraine geflüchtete Menschen bei sich aufnehmen. Warum nutzen die Kantone das Angebot nicht?
Es ist eine böswillige Unterstellung, dass wir Gastfamilienangebote ablehnen und die Geflüchteten lieber in unzumutbare Kollektivunterkünfte pferchen würden. Bei uns im Kanton Bern leben über 66 Prozent der Ukrainer bei Gastfamilien. 17 Prozent haben bereits eine eigene Wohnung gefunden, und nur 16 Prozent leben in Kollektivunterkünften.
Die Vermittlungsorganisation Campax kritisiert, dass man ihr Angebot nicht nutze.
Es gibt im Kanton Bern andere Organisationen und Private, die Gastfamilien vermitteln. Bei drei Viertel der Gastfamilien lief die Zuteilung nicht via Campax. Auch wir selber haben einige gefunden. Im Kanton Bern tragen fünf regionale Partner die operative Gesamtverantwortung der zugewiesenen Personen in der jeweiligen Region. Für unbegleitete Minderjährige ist ein Partner für das gesamte Kantonsgebiet zuständig.
In vielen Kantonen ist der Anteil an privaten Unterbringungen aber viel geringer, weil diese vor allem auf Kollektivunterkünfte setzen und Campax ignorieren.
Andere Kantone haben auch andere Voraussetzungen. Die generelle Kritik an uns, wir würden das Angebot von Campax nicht nutzen, ist bei zwei Dritteln privater Unterbringungen nicht gerechtfertigt. Das ist politisch motiviert, man will die Politik der Kantone disqualifizieren.
Aber warum wollen Sie denn jetzt trotzdem ein Containerdorf bauen?
Wir gehen davon aus, dass die Krise noch länger andauern wird. Vielleicht muss der Kanton Bern zwar bis Ende Jahr nicht 30’000 Leute aus der Ukraine aufnehmen, wie wir ursprünglich gedacht haben. Wir rechnen aber immer noch mit gegen 20’000 Personen. Wir brauchen mobile Unterkünfte wie die Container als Reserven, damit wir niemanden in unterirdischen Notunterkünften unterbringen müssen. Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sein müssen – und dass Reserven notwendig sind.
Und diese 20’000 Flüchtlinge kann man nicht bei Gastfamilien unterbringen?
Wir müssen realistisch bleiben. Die Unterbringung in Gastfamilien ist kein Konzept für einen langen Aufenthalt in der Schweiz. Das geht für ein paar Monate. Wenn aber eine ukrainische Mutter mit Kindern über Jahre in einem oder zwei Zimmern bei einer Gastfamilie leben soll, wird das in den meisten Fällen nicht gut gehen. Andere Gastfamilien können ein Studio oder eine kleine Wohnung mit getrennter Küche und getrennten sanitären Einrichtungen zur Verfügung stellen, was eine Langfristigkeit ermöglicht. Der Übergang in eine eigene Mietwohnung erfolgt als nächster Schritt.
Die Ukrainerinnen könnten ja in eine neue Gastfamilie wechseln. Laut Campax gibt es allein im Kanton Bern über 8000 davon.
Damit wird das Problem doch nur verschoben. Denken Sie an die Kinder, die von einer Schule zur anderen wechseln müssen. Langfristig sollten möglichst viele Ukrainerinnen und Ukrainer eine eigene Wohnung haben.
Gibt es denn genug freie Wohnungen auf dem Markt?
Es wird immer noch ziemlich viel gebaut, und in manchen Regionen gibt es durchaus viele freie Wohnungen. Wir müssen aber mit temporären Einrichtungen Überbrückungsmöglichkeiten schaffen. Es wird einen Mix geben aus Gastfamilien, privat gemieteten Wohnungen und Kollektivunterkünften.
Aber das Wohnen in Kollektivunterkünften wollen Sie doch verhindern?
Wir können auf Kollektivunterkünfte nicht verzichten. Wir wollen aber prekäre Wohnsituationen wie Zivilschutzanlagen, wenn immer möglich, vermeiden. Unter den Kollektivunterkünften gibt es eine breite Palette von durchaus guten Wohnsituationen. Es sind nicht nur Flüchtlingsheime. Viele sind gewöhnliche Mehrfamilienhäuser, Wohnblöcke und so weiter. Andere sind eben Containerdörfer mit Flüchtlingsunterkünften. Diese sind als mittelfristige Übergangslösung und als Reserve gedacht. Eine Kollektivunterkunft erlaubt insbesondere zu Beginn eine gute Beschulung der Kinder, zum Beispiel in Willkommensklassen. Wichtig ist, festzuhalten, dass alle Unterbringungsarten nötig sind, um breit aufgestellt zu sein, die Risiken zu minimieren und so zum Ziel zu kommen.
Was heisst Übergangslösung?
Wenn Flüchtlinge ankommen und wir gerade keinen Platz finden, werden sie vorübergehend in einer Kollektivunterkunft untergebracht. Sobald wie möglich werden sie dann aber umplatziert, mit dem Ziel des Bezugs von Mietwohnungen. Zudem müssen wir für eine gute Verteilung innerhalb des Kantons sorgen.
Was heisst das?
Derzeit leben proportional viel mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in ländlichen Regionen – im Berner Jura, im Emmental und im Oberland – als in den Städten. Auch um den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern, streben wir in Zukunft eine bessere Verteilung in allen Regionen des Kantons an. Deshalb müssen kantonsweit Wohnungen zur Verfügung stehen.
Werden die Mieten wegen der erhöhten Nachfrage durch die Flüchtlinge zum Beispiel in Städten steigen?
Wenn ein Kanton wie Bern in einem Jahr 15’000 bis 20’000 Leute unterbringen muss, bleibt das nicht ohne Folgen für den Wohnungsmarkt. Mit jeder Person, die in die Schweiz einwandert, steigt der Druck auf den Wohnungsmarkt, und die Wohnungspreise steigen. Wenn 15’000 bis 20’000 Flüchtlinge im Kanton Bern sein werden, so wie es die Zahlen vom SEM erwarten lassen, entspricht das der Bevölkerung der Stadt Burgdorf. Auch deshalb braucht es eine Entlastung mit temporärem Wohnraum.
Ihnen sind doch Kollektivunterkünfte lieber, weil diese billiger sind.
Nein, denn alles in allem sind Privatunterkünfte wegen des geringeren Betreuungsaufwandes eher billiger.
Sie tun ja auch nicht viel bei der Betreuung.
Wer behauptet so was?
Viele Gastgeber klagen über zu wenig Unterstützung.
Wir können diese Klagen nicht nachvollziehen. Unsere speziell für Gastgeber eingerichtete Hotline ist wenig ausgelastet. Wir haben daneben auch regionale Partner, die sich um die Gastfamilien kümmern. Weiter haben wir vor kurzem über 1000 Gastgeber telefonisch kontaktiert. Und schliesslich haben wir mehrere Teams, die nichts anderes machen, als Gastgeber zu besuchen.
(https://www.derbund.ch/gastfamilien-sind-kein-konzept-fuer-einen-langen-aufenthalt-in-der-schweiz-615661621540)
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Sonntagszeitung 19.06.2022
Eigene Unterkünfte für Ukrainer: Flüchtlingswelle verschärft Wohnungsnot in Schweizer Städten
Laut Experten werden die Mieten auf absehbare Zeit steigen, wenn ein Grossteil der Kriegsflüchtlinge eine eigene Mietwohnung nimmt.
Mischa Aebi
In den nächsten Monaten dürfte es wegen der Flüchtlingswelle aus der Ukraine vielerorts in der Schweiz noch schwieriger werden, eine Wohnung zu finden. Denn Kantone wollen, dass möglichst viele der bis zu 70’000 erwarteten Flüchtlinge aus der Ukraine auf dem Mietmarkt eine eigene Wohnung suchen. Die Folge laut Experten: Immobilienbesitzer werden wegen der erhöhten Nachfrage die Wohnungen teurer ausschreiben.
Donato Scognamiglio, Professor für Immobilien an der Universität Bern, sagt: «Wenn ein Grossteil der bis zu 70’000 erwarteten Ukrainer in der Schweiz in eine eigene Mietwohnung zügeln, wird sich die Wohnsituation in der Schweiz spürbar verschärfen.»
Der Experte rechnet vor: Zurzeit gibt es schweizweit rund 70’000 Leerwohnungen. Auch wenn nur 20 Prozent der Geflüchteten auf dem Mietmarkt eine Wohnung finden, wird die Leerwohnungsziffer von 1,5 auf rund 1,2 Prozent fallen. Diese Ziffer ist eine wichtige Kennzahl zur Beurteilung des Immobilienmarktes.
Schon heute herrscht Not in Zürich und Bern
Scognamiglio bestätigt damit die Befürchtungen von Pierre Alain Schnegg. Der Berner Regierungsrat sagt im Interview mit dieser Zeitung auf die Frage, ob die Mieten wegen der Flüchtlingswelle steigen: Wenn ein Kanton wie Bern in einem Jahr bis zu 20’000 Leute unterbringen müsse, bleibe «das nicht ohne Folgen auf den Wohnungsmarkt».
Zum Problem wird die Flüchtlingswelle vor allem in den grossen Städten. Dort ist die Leerwohnungsziffer zum Teil weit unter einem Prozent. Und dort stehen Mieter schon heute Schlange bei Wohnungsbesichtigungen. In der Stadt Bern liegt die Leerwohnungsziffer bei nur 0,5 Prozent, und in Zürich waren letztes Jahr gar nur 0,17 Prozent der Wohnungen leer. Bereits bei einem Leerstand von einem Prozent oder weniger herrscht offiziell Wohnungsnot.
«Bei neuen Mietern werden Immobilienbesitzer den Zins erhöhen.»
Die Mieten werden dank der gesetzlichen Bremsen trotz der höheren Nachfrage nicht sofort steigen. Scognamiglio sagt aber: «Es ist klar, dass es mittelfristig einen Druck hin zu höheren Mieten geben wird.» In den Städten werden laut Scognamiglio «viele Immobilienbesitzer aufgrund der erhöhten Nachfrage die Mieten bei Wohnungswechseln nach oben anpassen».
Die Folge sei, dass die neu auf den Markt kommenden Wohnungen teurer würden, sagt der Immobilienexperte. Dazu kommt, dass wegen der Zinserhöhung der Nationalbank von dieser Woche in ein bis zwei Jahren der Referenzzinssatz steigen wird. Dann dürfen die Immobilienbesitzer gemäss Gesetz die Mieten auch bei bestehenden Mietverhältnissen erhöhen.
Weniger ein Problem ist die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Land: «In vielen ländlichen Gebieten gibt es genügend freie Wohnungen. Es wird deshalb dort kein Problem sein, wenn ukrainische Flüchtlinge eine Wohnung suchen», sagt Scognamiglio.
(https://www.derbund.ch/fluechtlingswelle-verschaerft-wohnungsnot-in-schweizer-staedten-814312633809)
+++GRIECHENLAND
»Pushbacks« sind Programm
UN-Menschenrechtskommission verurteilt »unmenschliche« griechische Flüchtlingspolitik. Regierung unbeeindruckt
https://www.jungewelt.de/artikel/428718.umgang-mit-gefl%C3%BCchteten-pushbacks-sind-programm.html
+++MITTELMEER
Zahlreiche Migranten gerettet – vier vermisst
Vor der griechischen Insel Mykonos ist ein Segelboot mit Migranten untergegangen. 108 Menschen konnten gerettet werden, vier werden vermisst. Griechenland rief die Türkei zur Zusammenarbeit gegen Schleuser auf.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schiffsunglueck-mykonos-101.html
+++FREIRÄUME
Uri schickt seine Oberstufenklassen in die Reitschule
Seit einigen Monaten besuchen Schüler*innen aus dem Kanton Uri während eines Tages die Stadt Bern. Die «Reise ins politische Bern» soll zur politischen Bildung beitragen. Zum Programm gehören ein Besuch im Bundeshaus, ein Debattiermodul und eine Führung in der Reitschule.
https://journal-b.ch/artikel/uri-schickt-seine-oberstufenklassen-in-die-reitschule/
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Mad Pride in Bern: «Eine psychische Erkrankung soll gleich bewertet werden wie ein Beinbruch»
Am Samstag fand die erste nationale Mad Pride in Bern statt. Der Umzug soll die Akzeptanz von psychischen Krankheiten fördern.
https://www.20min.ch/video/eine-psychische-erkrankung-soll-gleich-bewertet-werden-wie-ein-beinbruch-387338139957
+++REPRESSION DE
Schloss Elmau: Vertrauliche Polizei-Dokumente vor G7-Gipfel veröffentlicht
Kurz vor dem G7-Gipfel sind Polizei-Akten zum früheren Gipfeltreffen auf Schloss Elmau von 2015 aufgetaucht. Darin geht es um Festnahme- und Deeskalationskonzepte.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-06/g7-gipfel-schloss-elmau-polizei-dokumente
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/g7-gipfel-auf-schloss-elmau-auf-alles-vorbereitet-nur-auf-das-leak-nicht-a-0b65fca2-93ec-4940-bc31-3037acfa47e5?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss
+++RECHTSEXTREMISMUS
Zürcher Polizei konnte 30 Personen nicht wegweisen, weil sie fahruntauglich waren: Polizei löst Treffen von Rechtsextremen in Waldhütte auf
Die Kantonspolizei Zürich hat am Samstagabend eine Grosskontrolle bei einem Gruppenhaus in Rüti durchgeführt und rund zwei Dutzend Personen aus der rechtsextremen Szene weggewiesen.
https://www.blick.ch/schweiz/zuercher-polizei-konnte-30-personen-nicht-wegweisen-weil-sie-fahruntauglich-waren-polizei-loest-treff-von-rechtsextremen-in-waldhuette-auf-id17590797.html
->Medienmitteilung Kapo ZH: https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/medienmitteilungen/2022/06/220618x_kontrolle_rueti.html
-> https://www.20min.ch/story/polizei-loest-gross-treffen-von-rechtsextremen-in-waldhuette-auf-650655549073
-l> https://www.blick.ch/schweiz/zuercher-polizei-konnte-30-personen-nicht-wegweisen-weil-sie-fahruntauglich-waren-polizei-loest-treff-von-rechtsextremen-in-waldhuette-auf-id17590797.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/treffen-rechtsextremer-in-rueti-grosskontrolle-polizei-zuerich-weist-zwei-dutzend-personen-weg
-> https://www.watson.ch/!927897414
-> https://www.nau.ch/ort/rapperswil-jona/ruti-zh-grosskontrolle-bei-waldhutte-66204182
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/news-service/vermischtes-people/grosskontrolle-zuercher-polizei-loest-rechtsextremen-treffen-in-rueti-auf-ld.2306421
-> https://www.luzernerzeitung.ch/limmattal/zuerich/rueti-zh-sieg-heil-neonazis-singen-bei-treffen-in-rueti-antisemitische-lieder-ld.2306524
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tagesanzeiger.ch 19.06.2022
Grosskontrolle in Rüti ZH: «Heil Hitler»-Rufe: Polizei löst Feier von Neonazis in Waldhütte auf
In einem Pfadiheim in Rüti hat die Polizei rund 50 Personen kontrolliert. Es handelte sich um Anhänger der rechtsextremen Szene aus Deutschland und der Schweiz.
Daniel Schneebeli, Corsin Zander
Wieder einmal haben sich Schweizer und deutsche Neonazis eine Festhütte im Kanton Zürich für einen ihrer Anlässe ausgesucht.
Am Samstagabend ist deshalb bei der Kantonspolizei Zürich eine Meldung eingegangen, Anhänger der rechtsextremen Szene würden sich in der Pfadihütte in Rüti treffen und möglicherweise Straftaten begehen. Erste Patrouillen trafen vor Ort auf rund 50 Personen, welche die Waldhütte unter falschen Angaben gemietet hatten, wie die Polizei am Sonntag mitteilte.
Gemäss dem online publizierten Belegungsplan ist die Hütte das ganze Wochenende an eine «Wandergruppe Züger» vermietet worden.
Dutzende Wegweisungen
Die Polizei mobilisierte zahlreiche Einsatzkräfte, und es kam zu einer Grosskontrolle. Die Beamtinnen und Beamten kontrollierten 55 bereits anwesende Personen sowie weitere, die noch dazustossen wollten, und nahm deren Personalien auf. Zwei Dutzend Personen wurden weggewiesen. Bei rund 30 Personen war eine Wegweisung nicht möglich, weil sie sich nicht mehr in einem fahrfähigen Zustand befanden, wie es in der Mitteilung heisst. Diese übernachteten vor Ort. Patrouillen kontrollierten in der Nacht mehrfach, ob Ruhe und Ordnung eingehalten wurden. Verhaftungen hat es bisher keine gegeben.
Viele Nachbarinnen und Nachbarn haben den Anlass mitbekommen, hauptsächlich wegen der lauten Musik und weil die umliegenden Parkplätze komplett überfüllt waren. Ein Nachbar hat am gleichen Abend im Garten mit Freunden seinen Geburtstag gefeiert. «Die Musik war ziemlich laut», erzählt er. Dies zeigt auch ein Video, das dieser Zeitung vorliegt und auf dem rechtsradikale Musik zu hören ist.
Den Inhalt der Lieder hat er zwar nicht mitbekommen, doch es habe sich um harten deutschen Rock gehandelt. Da es im Pfadiheim immer mal wieder laut werde, habe er sich am Anfang keine grossen Gedanken gemacht. Doch als seine Freunde gegen Mitternacht nach Hause gingen, wurden sie auf dem Parkplatz von der Polizei kontrolliert. Allerdings sei bald klar gewesen, dass sie nicht im Pfadiheim gefeiert hätten.
Ein Teil der Neonazis war gemäss Polizei aus Deutschland angereist. Es handelte sich um Personen im Alter zwischen 22 und 56 Jahren.
Hauptsächlich schwarz gekleidete Männer
Eine Rentnerin aus der Nachbarschaft hat sich sehr gewundert über die «komische Festgesellschaft». Sie habe hauptsächlich schwarz gekleidete Männer gesehen und einige wenige Frauen. Eine von ihnen sei ihr wegen ihrer grünen Haare besonders aufgefallen.
Die Rentnerin hatte sich beim Fernsehschauen über die extrem laute Musik aufgeregt: «Für mich war das eigentlich gar keine Musik.» Der Gesang sei teilweise ein Geschrei gewesen, völlig herausgepresst.
Eine weitere Anwohnerin berichtete von hässlichen Ansagen über Lautsprecher, von «Arschlöchern» sei die Rede gewesen. Eine andere Anwohnerin will sogar «Heil Hitler»-Rufe gehört haben.
Bei dem Einsatz ist es gemäss den Angaben der Kantonspolizei zu keinen Zwischenfällen gekommen, und man habe die Grosskontrolle kurz nach 0.30 Uhr beendet.
(https://www.tagesanzeiger.ch/polizei-loest-feier-von-neonazis-in-waldhuette-auf-904421001998)
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nzz.ch 19.06.2022
Über 50 Neonazis aus der Schweiz und aus Deutschland treffen sich in Rüti – sie dürften sich als Wandergruppe ausgegeben haben
Im Zürcher Oberland sind am Wochenende Dutzende von Rechtsextremen zusammengekommen. Sie mieteten eine Waldhütte unter falschen Angaben. Die Polizei wies viele von ihnen weg, aber nicht alle.
Katja Baigger
Es muss sehr viel Alkohol geflossen und lärmig gewesen sein. Über 50 Rechtsextreme aus der Schweiz und aus Deutschland haben sich am Samstagabend in einer Waldhütte in Rüti im Zürcher Oberland getroffen. Dabei fielen sie mit Gegröle und lauter Musik auf. Eine Anwohnerin berichtet gegenüber «20 Minuten» von «Heil Hitler»-Rufen.
Von verschiedenen Seiten, auch von Privatpersonen, seien Meldungen bei der Polizei gemacht worden, dass in einem Gruppenhaus ein Treffen von Anhängern der rechtsextremen Szene im Gange sei und dort womöglich Straftaten begangen würden. So schilderte es am Sonntag Carmen Surber, die Mediensprecherin der Kantonspolizei Zürich.
Wegen Fahruntüchtigkeit keine Wegweisung
Erste Polizeipatrouillen rückten daraufhin aus, um sich an Ort und Stelle ein Bild der Situation zu verschaffen. Was die Einsatzkräfte dort antrafen, waren Dutzende von Neonazis im Alter zwischen 22 und 56 Jahren. Rasch war klar, dass die Personen die Waldhütte unter falschen Angaben gemietet haben. Welcher Vorwand dazu diente, das Gruppenhaus zu reservieren, sei nun Gegenstand der Ermittlungen, sagte Carmen Surber. Mutmasslich haben sich die Neonazis als Wandergruppe ausgegeben, um die Hütte mieten zu können.
Die Einsatzkräfte boten weitere Polizistinnen und Polizisten auf. Daraufhin kontrollierten sie die 55 bereits Anwesenden sowie weitere Eintreffende. Von allen wurden laut Carmen Surber die Personalien aufgenommen.
Die Polizei wies rund zwei Dutzend Rechtsextreme weg. Zirka 30 Personen konnten wegen ihrer Fahrunfähigkeit allerdings nicht weggewiesen werden, sie übernachteten vor Ort. Es sei viel Alkohol im Spiel gewesen, erläuterte Surber. Die Kantonspolizei überprüfte die Einhaltung von Ruhe und Ordnung während der Nacht mehrmals.
Wie viele der Rechtsextremen aus der Schweiz stammen und wie viele aus Deutschland anreisten, konnte Carmen Surber nicht sagen. Sie verneinte die Frage, ob Waffen beschlagnahmt oder Straftaten begangen worden seien.
Im Communiqué heisst es, dass die Grosskontrolle ohne Zwischenfälle verlaufen und kurz nach 0 Uhr 30 beendet worden sei. Über Treffen der rechtsextremen Szene in derselben Waldhütte bereits zu einem früheren Zeitpunkt ist nach Angaben von Carmen Surber nichts bekannt.
Immer wieder Vorfälle mit Rechtsradikalen
Dass die Neonazis aber ausgerechnet Rüti für ihre Zusammenkunft auswählten, ist dennoch kein Zufall. Im Zürcher Oberland kam es in den letzten Jahren bereits mehrfach zu Treffen von Rechtsextremen.
Im Jahr 2012 etwa waren bei einem Fackelzug 50 Neonazis durch Hombrechtikon marschiert. Und im Fall des grossen Neonazi-Konzerts von 2016 in Unterwasser führten die Spuren ebenfalls ins Zürcher Oberland. Den Mietvertrag für die Halle hatte ein aus Thüringen stammender Mann abgeschlossen, der damals in Rüti wohnte. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung im April 2019 fanden die Ermittler unter anderem ein Sturmgewehr, eine Maschinenpistole und 2000 Patronen. Der Ostdeutsche wurde des Landes verwiesen und zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt.
Ebenfalls in Rüti war der Sänger der rechtsextremen Band Amok wohnhaft. Er wurde wegen eines Angriffs auf einen orthodoxen Juden in Zürich Wiedikon im Jahr 2018 wegen Rassendiskriminierung und Tätlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
In den letzten zwei Jahren hatten zudem Razzien gegen Neonazis in Winterthur für Schlagzeilen gesorgt. Unter den Verhafteten befanden sich Exponenten der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat». Die Organisation besteht aus mehrheitlich sehr jungen Männern. Die Mitglieder bedienen sich der sozialen Netzwerke, stellen Videos ins Netz oder posten Bilder von sich mit Sturmhauben. In ihrer Vorgehensweise ähnelt die «Junge Tat» der Identitären Bewegung, einem rechtsextremen Bündnis, das vor allem in Deutschland und Österreich aktiv ist. Dass die Gruppierung mit ihrer extremen Ideologie eine nicht gerade kleine Zahl von Sympathisanten anspricht, zeigt ihr offener Telegram-Kanal, der mehrere tausend Mitglieder zählt.
Ihr prominentester Agitator ist ein 21-jähriger früherer Kunststudent aus Winterthur. Wegen seiner extremistischen Gesinnung schloss ihn die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) aus. Dies, nachdem die Polizei bei einer Razzia mehrere Waffen bei ihm beschlagnahmt hatte. Zudem hatte er zusammen mit anderen jungen Rechtsextremen mehrfach Zoom-Meetings der Hochschule mit rassistischen Sprüchen und Bildern gestört.
Wohl als Wandergruppe getarnt
Und wie haben die Rechtsextremen ihr Treffen in Rüti kaschiert? Die Polizei macht dazu keine Angaben, aber mutmasslich haben sie sich als Wandergruppe angemeldet. In der entsprechenden Waldhütte jedenfalls war eine solche von Freitag bis Sonntag angekündigt. Bei dem Gruppenhaus könnte es sich um das Pfadiheim von Rüti handeln. Im dortigen Belegungsplan ist vom 17. Juni bis am 19. Juni eine Wandergruppe eingetragen. Dazu passt, dass Mitglieder der «Jungen Tat» auf ihrem Telegram-Channel am späten Samstagnachmittag verpixelte Fotos von Wanderungen in den Schwyzer Alpen posteten. Auf einem Bild recken die jungen Männer demonstrativ ihre Fäuste in die Höhe. Es heisst: «Die Waden brennen, die Sonne lacht.»
(https://www.nzz.ch/zuerich/neonazis-treffen-rechtsextremer-auch-aus-deutschland-in-rueti-ld.1689619)
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nzz.ch 19.06.2022
Dutzende von Rechtsextremen treffen sich in Rüti
bai. In einer Waldhütte in Rüti haben sich am Samstag Anhänger der rechtsextremen Szene getroffen. Um 21 Uhr ist bei der Kantonspolizei Zürich die Meldung eingegangen, dass dort möglicherweise Straftaten begangen würden. Wie Carmen Surber, Mediensprecherin der Kantonspolizei, auf Anfrage sagt, hätten sich Privatpersonen und weitere Stellen wegen dieses Treffens an die Polizei gewandt.
Erste Patrouillen machten sich daraufhin ein Bild der Situation bei dem Gruppenhaus. Die Polizistinnen und Polizisten trafen auf rund 50 Personen, welche die Waldhütte anscheinend unter falschen Angaben gemietet hatten. Unter welchem Vorwand das Gruppenhaus gemietet worden sei, das sei nun Gegenstand der Ermittlungen, so Surber.
Anschliessend wurden weitere Einsatzkräfte aufgeboten. Die Polizei kontrollierte die rund 55 bereits Anwesenden sowie weitere Eintreffende. Von allen wurden laut Surber die Personalien aufgenommen. Rund zwei Dutzend Personen seien weggewiesen worden, schreibt die Kantonspolizei in einer Mitteilung vom Sonntag (19. 6.).
Zirka 30 Personen konnten wegen ihrer Fahrunfähigkeit nicht weggewiesen werden und übernachteten vor Ort. Es sei Alkohol im Spiel gewesen, erläutert Surber. Die Kantonspolizei überprüfte die Einhaltung von Ruhe und Ordnung während der Nacht mehrmals.
Bei den Teilnehmern handelte es sich um Personen aus der Schweiz sowie auch aus Deutschland im Alter zwischen 22 und 56 Jahren. Der Einsatz verlief ohne Zwischenfälle und war kurz nach 0 Uhr 30 beendet.
Über Treffen der rechtsextremen Szenen in derselben Waldhütte in den Vormonaten oder -jahren ist nach Angaben von Carmen Surber nichts bekannt.
(https://www.nzz.ch/zuerich/polizei-news-aus-zuerich-rechtsextreme-treffen-sich-in-rueti-ld.1687794)
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Zürcher Stadtpolizei ermittelt: Gruppe weiss gekleideter Männer stört Pride-Gottesdienst
Vermummte tragen ein Holzkreuz in die Kirche St. Peter und Paul und rennen danach davon. Sie könnten sich wegen verschiedener Straftatbeständen schuldig gemacht haben.
https://www.tagesanzeiger.ch/gruppe-weiss-gekleideter-maenner-stoert-pride-gottesdienst-638105087288
-> https://www.kath.ch/newsd/bischof-joseph-bonnemain-kritisiert-homophoben-mob-nach-stoer-aktion/
-> https://www.kath.ch/medienspiegel/homophobe-greifen-zurich-pride-gottesdienst-an/
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/kreuz-aktion-in-zuerich-homophobe-stoeren-pride-gottesdienst-id17591609.html
+++HISTORY
24. Juni 1993: Als in Bern aus der türkischen Botschaft auf kurdische DemonstrantInnen geschossen wurde
https://www.woz.ch/-6b46