Medienspiegel 10. Juni 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Ukraine Krieg: Bern wehrt sich gegen Flüchtlings-Container-Kritik
Das Container-Dorf für Flüchtlinge in Bern wurde heftig kritisiert. Unter anderem soll es zu wenige Küchen haben. Jetzt verteidigt sich der Kanton.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-bern-wehrt-sich-gegen-fluchtlings-container-kritik-66197425


Das Containerdorf auf dem Berner Viererfeld steht in der Kritik
Zu eng, zu wenig Privatsphäre: Ein Experte für Flüchtlingslager kritisiert die Containersiedlung, die derzeit auf dem Viererfeld in der Stadt Bern entsteht. Der Kanton kontert die Kritik: Die Siedlung müsse in kürzester Zeit gebaut werden und sei nicht als Langzeitaufenthaltsort gedacht.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/das-containerdorf-auf-dem-berner-viererfeld-steht-in-der-kritik?id=12204722
-> https://www.blick.ch/wirtschaft/container-dorf-in-der-kritik-hier-gibts-nur-vier-kuechen-fuer-200-ukrainische-fluechtlinge-id17563495.html



derbund.ch 10.06.2022

Analyse zur Containersiedlung: Wenn der Impfchef ein Flüchtlingsdorf baut

Der Kanton wollte beim Bau alles selber machen und steckt nun massive Kritik ein. Wie konnte es so weit kommen?

Andres Marti

Der Kanton Bern hat in einer historischen Notsituation rasch und unbürokratisch gehandelt. Anfang April beschliesst er den Bau einer riesigen Flüchtlingsunterkunft für bis zu 1000 Personen. Es ist ein in der Schweiz schon nur von den Dimensionen her einmaliges Bauprojekt.

Nachdem die Containersiedlung der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, fahren bereits am nächsten Tag auf dem Berner Viererfeld die Bagger auf. «Unbernerisch schnell», kommentiert man dies beim Quartierverein. Man ist fast ein wenig stolz auf die Behörden. Vieles ist plötzlich möglich, wenn alle am gleichen Strang ziehen.

Heute ist von dieser Euphorie nichts mehr zu spüren. Grund ist die vernichtende Kritik von Fachleuten: Die kasernenartige Architektur der Siedlung sei «grundfalsch», heisst es. Sie drohe zum Sicherheitsrisiko zu werden. Humanitäre Standards würden nicht eingehalten.

Tatsächlich wird bei einer vierköpfigen Familie die von der EU geforderte minimale Wohnfläche pro Person nicht eingehalten. Für die Hauptstadt eines der reichsten Länder der Welt ist das beschämend. Wie konnte es so weit kommen?

Allein am Zeitdruck kann es nicht gelegen haben: Noch am selben Tag, an dem der Kanton die geplante Siedlung den Medien vorstellte, meldete sich der Architekt Ueli Salzmann und bot diesem seine Expertise an. Salzmann, ein ausgewiesener Experte mit grosser Erfahrung in der Planung von Notunterkunft-Siedlungen, machte den Kanton in einem Mail darauf aufmerksam, dass das Projekt «in keiner Weise» die von der EU definierten humanitären Standards erfülle. Er fände es ausgesprochen bedauernswert, «wenn ausgerechnet die Schweiz die humanitären Mindeststandards nicht einhalten würde».

Doch beim Kanton werden seine Einwände fast alle ignoriert. Insbesondere die Hauptkritik des Experten: Die rasterartige Anordnung der Container bleibt unverändert. Stattdessen will die Direktion von Pierre Alain Schnegg (SVP) alles selber machen. Einzig für die Zeichnung der Pläne wird ein Grafikbüro beauftragt.

Dass der Kanton laut eigenen Angaben weder ein Architekturbüro noch sonstige Fachleute beizieht, stösst bei Experte Salzmann und der Schweizer Flüchtlingshilfe auf Unverständnis.

Aber auch das Zürcher Baubüro In Situ findet: «Der Kanton hätte zwingend eine Fachperson einbeziehen müssen.» In Situ hat in den letzten Jahren mehrere Wohngebäude für Geflüchtete erstellt und war an der Planung des Bundesasylzentrums in Zürich beteiligt.

Es gebe in der Schweiz inzwischen eine Vielzahl von Architekten und Architektinnen, welche Lösungen für die Unterkunft von Geflüchteten entwickelt hätten, sagt Christoph Müller von In Situ. Als Architekt war er am Bau und an der Planung des kantonalen und aus Containern bestehenden Durchgangszentrums Volketswil beteiligt.

Mit Stahlcontainern, wie sie in Bern verwendet werden, haben die Zürcher Architekten keine guten Erfahrungen gemacht. Es gebe viele bauphysikalische Probleme, und der Feuchtigkeitsaustausch sei schlecht. «Oft kommt es deshalb zu Schimmelbildung», so Müller. Inzwischen würden in der Schweiz immer weniger Wohnunterkünfte mit Stahlcontainern gebaut. Die Zürcher Architekten setzen ausschliesslich auf Holzelementbauten.

Auch wenn der Kanton Bern angesichts des historischen Flüchtlingsstroms unter massivem Zeitdruck gestanden ist, wäre der Einbezug von Fachleuten möglich gewesen. Darin sind sich die Architekten einig.

Doch beim Kanton fand man das gar nicht nötig: Man habe «grosse Erfahrung in der Erstellung von Modulbauten und in der Ausgestaltung von Kollektivunterkünften», heisst es dort auf die Frage, weshalb kein Architekturbüro einbezogen wurde.

Während für jedes Balkongeländer ein Architekt beauftragt wird, lässt der Kanton Bern eine Siedlung für 1000 Kriegsflüchtlinge, viele von ihnen traumatisiert, vom ehemaligen Impfchef Stefan Bähler aus dem Boden stampfen. Bähler organisierte vor seiner Anstellung beim Kanton Events und Messeauftritte. Als in der Pandemie die Aufträge ausblieben, engagierte ihn der Kanton für den Aufbau der Impfzentren.

Doch der Bau des grössten Flüchtlingsdorfes der Schweiz ist nicht dasselbe wie die Errichtung eines temporären Impfzentrums. Fragen zu Bählers Kompetenzen will der Kanton inzwischen nicht mehr beantworten – beziehungsweise in «einigen Wochen».

War zuerst von der Eröffnung der Siedlung bereits im Mai die Rede, sollen die ersten Geflüchteten nun erst im Juli einziehen. Wie lange sie dann dortbleiben werden, weiss niemand. Ein Plan, die Ukrainerinnen und ihre Kinder in privaten Wohnungen unterzubringen, liegt bislang nicht öffentlich vor.
(https://www.derbund.ch/wenn-der-impfchef-ein-fluechtlingsdorf-baut-488909262621)



Zwischenbilanz Integration ukrainischer Kinder: Wie meistert der Kanton Bern die Herausforderung?
Ukrainische Kinder an den Berner Schulen aufzunehmen, ist für den Kanton Bern eine Herkulesaufgabe, denn er kämpft schon seit längerer Zeit mit einem grossen Lehrermangel. Wie läuft die Integration der ukrainischen Schulkinder? Kann der Kanton den Anforderungen gerecht werden? TeleBärn berichtet.
https://www.telebaern.tv/tele-barn-news/zwischenbilanz-integration-ukrainischer-kinder-wie-meistert-der-kanton-bern-die-herausforderung-146810391


+++BASEL
Caritas ehrt Baselbieter Asylrechts-Aktivistin mit Preis
Die Anwältin Lea Hungerbühler wird für ihr Engagement für den Verein Asylex mit dem Prix Caritas ausgezeichnet. Asylex befreite während der Pandemie rund 50 Menschen aus der Ausschaffungshaft.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/auszeichnung-caritas-ehrt-baselbieter-asylrechts-aktivistin-mit-preis-ld.2303115
-> https://telebasel.ch/2022/06/10/baselbieter-anwaeltin-erhaelt-prix-caritas-2022-fuer-asyl-engagement
-> https://www.presseportal.ch/de/pm/100000088/100890683


+++ZUG
Von 794 Geflüchteten aus der Ukraine im Kanton Zug leben 566 bei Privaten, 228 in Kollektivunterkünften
Der Kanton Zug muss rund 1,5 Prozent der vom Krieg Geflüchteten aus der Ukraine einen Platz bieten. So hat Zug bislang den Auftrag des Bundes umgesetzt.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/ukraine-krieg-von-794-gefluechteten-aus-der-ukraine-im-kanton-zug-leben-566-bei-privaten-228-in-kollektivunterkuenften-ld.2302922


+++ZÜRICH
Untersuchung entlastet Betreiber des Bundesasylzentrums Zürich
Im Juni 2021 wurden schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen des Bundesasylzentrums Zürich laut. Die Rede war unter anderem von Gewalt, welche Sicherheitsangestellte gegen Bewohnerinnen und Bewohner ausgeübt hätte. Eine externe Untersuchung entlastet die Betreiber nun.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/asylwesen-untersuchung-entlastet-betreiber-des-bundesasylzentrums-zuerich-ld.2302757
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/untersuchungsbericht-zum-bundesasylzentrum-zuerich-ist-publik?id=12204905
-> https://www.stadt-zuerich.ch/sd/de/index/ueber_das_departement/medien/medienmitteilungen_aktuell/2022/juni/220610a.html
-> https://www.stadt-zuerich.ch/aoz/de/index/aoz/medien/medienmitteilungen/2022/220610a.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/mehr-lohn-fuer-schaffhauser-lehrerinnen-und-lehrer?id=12205124
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/untersuchung-entlastet-betreiber-des-bundesasylzentrums-zuerich-00185973/
-> https://www.nau.ch/ort/zurich/positive-bilanz-nach-zwei-betriebsjahren-bundesasylzentrum-zurich-66197672
-> https://www.nau.ch/ort/zurich/bundesasylzentrum-in-zurich-mit-positivem-fazit-66197616



tagesanzeiger.ch 10.06.2022

Untersuchung von Vorwürfen: Bericht spricht von «Kulturschock» im Bundesasylzentrum

Ein externer Bericht ortet verschiedene Probleme im Zürcher Zentrum. Und er empfiehlt, mehr Personal einzusetzen. Doch der Stadt sind die Hände gebunden.

Lisa Aeschlimann

Beengende Wohnverhältnisse, schikanierende Regeln: Vor einem Jahr sagten ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Bundesasylzentrum Zürich (BAZ) eskaliere die Lage aufgrund mangelhafter Betreuungsstrukturen immer wieder. Sie berichteten von Massenprügeleien, regelmässigen Selbstverletzungen und einer hohen Kündigungsquote beim Personal. Man habe kaum Zeit für eine adäquate Betreuung der Asylsuchenden.

Nun liegen die Ergebnisse eines externen Untersuchungsberichts vor, den die Asylorganisation Zürich (AOZ) daraufhin veranlasste. Sie führt den Betrieb im Auftrag des Staatssekretariats für Migration (SEM). Die Firma Res Publica Consulting hat für den Bericht 21 Interviews mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden und Führungspersonen der AOZ, Vertretungen der Stadt und des SEM wie auch Mitgliedern des Verwaltungsrates der AOZ geführt. Ausserdem wurde an alle BAZ-Mitarbeitenden eine Onlineumfrage versandt.

Vorneweg: Die Firma hat keine «schwerwiegenden Feststellungen gemacht, die auf systemische Mängel der Organisation hindeuten». Man habe festgestellt, dass die AOZ in den Bereichen, wo sie handeln könne, verschiedene Anpassungen vorgenommen habe, die zu Verbesserungen geführt hätten. Trotzdem bestätigt der Bericht im Wesentlichen die von den Mitarbeitenden erhobenen Vorwürfe. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen:

– Unterschätzte Probleme beim Umzug: Die Probleme im BAZ hätten mit dem Umzug vom Juch-Areal an die Duttweilerstrasse begonnen. Der Umzug sei «schwierig» verlaufen, heisst es im Bericht, da verschiedene, teilweise sehr kurzfristige Zwischenlösungen notwendig geworden seien. Diese hätten von der Führung so viel Zeit und Energie gefordert, dass einem Change-Management zu wenig Beachtung geschenkt worden sei. «Ein solches wäre jedoch dringend notwendig gewesen, da sich der Alltag der Mitarbeitenden und der Asylsuchenden durch den Umzug markant veränderte.»

Im Juch-Areal hatten die Asylsuchenden viel mehr Freiheiten, sie durften das Gelände jederzeit verlassen, Besuch empfangen, und auch Handys waren erlaubt. Zudem war man im engen Austausch mit den Anwohnern.

Durch den Umzug soll es bei einigen Mitarbeitenden zu einem regelrechten «Kulturschock» gekommen sein. Nicht nur, weil der «karge Funktionsbau» des BAZ im starken Kontrast zum Juch-Barackendorf stehe, die Mitarbeitenden hätten plötzlich auch viel weniger mitbestimmen können – denn neu war das SEM für die Betriebsregeln zuständig. Besonders der neue, externe Sicherheitsdienst, der beim Eintritt Körperkontrollen durchführte, «stand der bis anhin gelebten Betreuungsphilosophie diametral entgegen».

Gewisse Mitarbeitende hätten sich nicht mehr mit ihrer Tätigkeit identifizieren können. Eine Betreuerin sagte dieser Zeitung beispielsweise: «Ich fühle mich als Mittäterin einer Organisation, die Menschen unterdrückt und schikaniert.»

Der Bericht empfiehlt der AOZ, mit der Rekrutierung anzusetzen. Konkret heisst das: Erwartungen an den Job genauer klären, Probetage ermöglichen.

– Zu wenig Unterstützung durch die Führung: Die Mitarbeitenden hätten sich beim Umzug und den damit verbundenen Problemen mehr Unterstützung von ihren Vorgesetzten gewünscht. Dies sei aber aus mehreren Gründen nicht möglich gewesen, heisst es im Bericht, unter anderem aufgrund personeller Wechsel und knapper Ressourcen. Er empfiehlt, die Führungsetage mit Weiterbildungen zu stärken.

– Zu wenig Personal: Ein grosses Problem ortet der Bericht bei den personellen Ressourcen. Diese seien in den Gesprächen und auch in der Umfrage als zu knapp beurteilt worden und eine «wichtige Ursache für die Unzufriedenheit der Mitarbeitenden».

Eine ehemalige Mitarbeiterin spricht von einer «krassen Unterbesetzung»: Für persönliche Begleitung oder Gespräche sei keinerlei Zeit. «Unsere Arbeit mit den Gesuchstellern beschränkt sich darauf, dass wir sie über ihre Arzt- und Rechtstermine informieren.» Ein Beispiel: Den Betreuungsschlüssel für unbegleitete minderjährige Asylsuchende hat das SEM auf 1:15 festgelegt. Eine Mitarbeiterin betreut also 15 Personen aufs Mal – Kinder und Jugendliche, die oft traumatisiert sind von der Flucht.

Das Problem ist, dass die AOZ hier nichts machen kann. Denn das SEM gibt den Betreuungsschlüssel vor. Eine Anpassung ist laut Bericht aber «notwendig», um dem Problem entgegenzuwirken. Nur dann könne die AOZ «sowohl ihren eigenen wie auch den Ansprüchen der Politik an die Qualität der Betreuung gerecht werden». Wünschenswert wäre es zudem, das SEM würde «qualitative Zuschlagskriterien» schärfen und ihnen gegenüber den «wirtschaftlichen» ein hohes Gewicht beimessen. Übersetzt: Das SEM soll weniger aufs Geld schauen und mehr auf die Qualität der Betreuung.

Der Bericht empfiehlt der AOZ, sich beim SEM für einen besseren Schlüssel einzusetzen.

Stadtrat: «Haben Stabilisierung erreicht»

Die Stadt Zürich interpretiert die Ergebnisse des Berichts als «positives Fazit» – die Vorwürfe seien entkräftet, Verbesserungspotenzial erkannt. Das schreibt sie in einer Mitteilung. «Trotz verschiedener Herausforderungen – vor allem in der Anfangsphase des Betriebs – ist der Stadtrat überzeugt, dass Zürich ein richtiger und wichtiger Standort für ein Bundesasylzentrum ist und bleibt.»

Sozialvorsteher Raphael Golta (SP) sagt, es seien bereits verschiedene Verbesserungen vorgenommen worden. So habe man Ressourcen vom Sicherheitsdienst hin zur Betreuung verschoben. Die Beschulung von Kindern und Jugendlichen ausserhalb des BAZ und die Einrichtung des Begegnungsraums für Asylsuchende und Quartierbewohner hätten sich bewährt. «Wir haben eine Stabilisierung erreicht, die Leute sind grundsätzlich zufriedener», sagt Golta.

Zur Betreuungssituation sagt Golta, man arbeite weiterhin daran, diese zu verbessern. «Da liegt noch ein Prozess vor uns.» Man suche den Weg übers Gespräch. Aber das brauche Zeit: «Man kann nicht auf den Knopf drücken, und dann bekommt man das Resultat, das man will. Man muss genügend lang intensiv dranbleiben, dann bewirkt man etwas.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/bericht-spricht-von-kulturschock-im-bundesasylzentrum-157865061491)



nzz.ch 10.06.2022

Die Bewohner des Bundesasylzentrums in Zürich-West würden «wie Diebe behandelt», sagen Kritiker. Was ist dran an den Vorwürfen?

Eine unabhängige Beratungsfirma hat die Abläufe im Zentrum untersucht – und ist zu einer klaren Erkenntnis gekommen.

Daniel Fritzsche

Das Bundesasylzentrum in Zürich-West hat einen schlechten Ruf – zumindest in gewissen Kreisen. In Medienberichten war seit der Eröffnung 2019 immer wieder von unhaltbaren Zuständen zu lesen, von einem viel zu rigiden Sicherheitsregime, von überforderten Mitarbeitern und geplagten Asylbewerbern.

Flüchtlinge würden hier «wie Diebe behandelt und drangsaliert», kritisierte etwa die Linksaussenpartei AL im Einklang mit Asyl-NGO. Selbst der Stadtzürcher Sozialvorsteher und SP-Mann Raphael Golta liess sich vor ein paar Jahren zur Aussage hinreissen, das Ziel einer menschenwürdigen Unterbringung werde im Bundesasylzentrum nicht erfüllt.

Ist wirklich alles so schlimm?

Dieser Frage ist die Asylorganisation Zürich (AOZ) nachgegangen. Die selbständige öffentlichrechtliche Anstalt im Eigentum der Stadt Zürich ist im Auftrag des Bundes verantwortlich für die Betreuung der Asylbewerber im Zentrum. 2021 hat die AOZ eine unabhängige Überprüfung der Vorwürfe angekündigt. Nun liegen die Ergebnisse vor.

Die Haupterkenntnis des knapp 60-seitigen Untersuchungsberichts: Im Bundesasylzentrum gibt es «keine systemischen Mängel der Organisation, die eine wesentliche strukturelle oder personelle Anpassung notwendig machen». Zwar sei es zu Beginn vereinzelt zu Problemen gekommen. Mit der Zeit hätten sich die Abläufe aber eingespielt, und die Lebensbedingungen für die Bewohner seien deutlich besser geworden.

Die Studie erstellt hat das Beratungsunternehmen Res Publica Consulting; federführend war die frühere SP-Politikerin und Finanzvorsteherin von Winterthur, Yvonne Beutler. 21 Personen von AOZ, Stadt Zürich und Bund wurden intensiv befragt, es wurden Vergleiche mit anderen Asylzentren angestellt und Akten gewälzt. Auch eine breite Mitarbeiterumfrage floss in die Untersuchung ein.

«Kulturschock» führt zu Unmut

Der Bericht zeigt, dass das Zentrum in Zürich in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall ist. Nach der Lektüre muss man sich fragen, ob es damals wirklich so eine clevere Idee gewesen ist, die Bundeseinrichtung ausgerechnet an diesen Standort, in der rot-grün geprägten Stadt Zürich, hinzupflanzen.

Das von linken Parteien dominierte Zürcher Stadtparlament nimmt die Oberaufsicht über die AOZ wahr. Entsprechend oft und intensiv kümmert sich die städtische Politik um die Abläufe im Bundesasylzentrum – zu denen sie de facto aber wenig zu melden hat.

Im Bericht heisst es zu dieser besonderen politischen Konstellation: «Beim Asylwesen handelt es sich um ein kontrovers diskutiertes Thema, welches in der Stadt Zürich über die Jahre hinweg zu einer beträchtlichen Anzahl Vorstössen im Parlament mit entsprechenden Debatten führte.» Dabei spiele der Kontrast zwischen der urbanen, politisch stark links ausgerichteten Standortgemeinde Zürich und dem politisch bürgerlich geprägten Umfeld auf Bundesebene, das die Rahmenbedingungen im Asylbereich vorgebe, eine wesentliche Rolle. Kurz: Ideologie und Wirklichkeit kollidieren.

Die Dauerkritik am Bundesasylzentrum ist zum einen durch diesen besonderen Umstand zu erklären. Der Untersuchungsbericht führt einen weiteren Grund an: So habe die Stadt Zürich vor dem Bezug des Zentrums auf dem Areal Juch in Zürich Altstetten über fünf Jahre einen Testbetrieb durchgeführt. In diesem «Barackendörfli» herrschten andere, laxere Regeln. Die Asylbewerber verfügten über mehr Freiheit, konnten zum Beispiel ungefragt Besucher empfangen und das Gelände jederzeit verlassen.

Der Umzug ins neu erstellte Bundesasylzentrum 2019 habe sich dann «schwierig gestaltet», heisst es im Bericht. Das AOZ-Führungspersonal sei stark belastet gewesen und habe seine Mitarbeiter zu wenig gut auf die neuen Umstände eingestellt. Im Vergleich zum Juch habe der karge Funktionsbau in Zürich-West «Assoziationen mit einem Gefängnis» geweckt. Zum anderen sei der Handlungsspielraum für die AOZ-Mitarbeiter kleiner geworden, weil neu verschiedene Akteure für den Betrieb zuständig gewesen seien. Im Bericht ist die Rede von einem «Kulturschock».

Vor allem das neue Sicherheitsregime stoss manchen idealistisch eingestellten AOZ-Leuten sauer auf; es sei «diametral der bis anhin gelebten Betreuungsphilosophie» entgegengestanden. Enttäuschte Mitarbeiter wandten sich mit ihrer Kritik an die Medien. Sie bemängelten unter anderem, dass ein privater Sicherheitsdienst nun auf Kontrolle, Ruhe und Ordnung setzte – und nicht wie zuvor auf dem Juch-Areal auf gegenseitiges Vertrauen baute. Die Sicherheitsleute trugen neu Uniform und nahmen Leibesvisitationen vor.

AOZ-Mitarbeiter besser vorbereiten

Interessant ist, dass die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst keineswegs von allen AOZ-Mitarbeitern als negativ beurteilt wurde. In der Mitarbeiterumfrage wurde sie insgesamt mit 4,35 von 6 Punkten bewertet. Viele äusserten sich dahingehend, dass sie sich nun bei der Arbeit sicherer fühlten, weil keine Waffen, Drogen oder Hehlerware mehr ins Zentrum geschmuggelt würden.

Trotz dem grundsätzlich milden Urteil im unabhängigen Untersuchungsbericht führen die Verfasser einige Verbesserungsvorschläge an: So soll die AOZ die «Erwartungen der Bewerbenden» künftig schon im Rekrutierungsverfahren besser klären und die Angestellten später sorgfältiger einarbeiten. Wünschenswert seien zudem mehr Ressourcen.

Der Zürcher Stadtrat schreibt in einer Stellungnahme, dass er es nach wie vor für «richtig und wichtig» erachte, dass das Bundesasylzentrum in Zürich stehe. So könne man «einen massgeblichen Beitrag zur Qualität der Unterbringung und Betreuung leisten». Neu wolle man den Austausch zwischen Asylbewerbern und Wohnbevölkerung stärker fördern – mit dem Ausbau des Angebots in einem sogenannten Begegnungsraum, den es seit drei Jahren gibt.
(https://www.nzz.ch/zuerich/bundesasylzentrum-in-zuerich-bericht-entlastet-aoz-ld.1688252)


+++SCHWEIZ
Asylsystem am Limit?
Die Schweiz hat den Status S eingeführt, der Geflüchteten aus der Ukraine raschen und unbürokratischen Schutz verspricht. Das Asylwesen operiert im Krisenmodus. Zahlreiche AkteurInnen mischen mit. Funktioniert das Zusammenspiel? Drei Ukrainerinnen erzählen.
https://www.pszeitung.ch/asylsystem-am-limit/#top


+++GROSSBRITANNIEN
Gericht in London bestätigt: Großbritannien darf Asylsuchende nach Ruanda ausfliegen
Die britische Regierung kann offenbar ihre umstrittene geplante Abschiebepraxis in die Tat umsetzen. Ein Gericht in London gab grünes Licht für Flüge von Asylsuchenden nach Ruanda – am Dienstag soll es losgehen.
https://www.spiegel.de/ausland/grossbritannien-darf-asylsuchende-nach-ruanda-ausfliegen-gericht-gibt-gruenes-licht-a-2a0ed603-da17-4829-83b6-d873236727a8


+++GRIECHENLAND
Alarm Phone demands immediate evacuation of refugees from a small islet in the Evros river
For more than 48 hours we are again in contact with a group of 28 Kurdish refugees from Syria (among them several children) who are stranded on an islet in the river of Evros near Soufli.
https://alarmphone.org/en/2022/06/10/alarm-phone-demands-immediate-evacuation-of-refugees-from-a-small-islet-in-the-evros-river


+++EUROPA
Flüchtlinge in Europa: EU-Staaten einigen sich auf freiwillige Umverteilung von Flüchtlingen
Seit Jahren streiten die EU-Staaten über die Verteilung von Flüchtlingen. Laut Frankreich soll dies künftig ein „freiwilliger Solidaritätsmechanismus“ regeln.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-06/fluechtlinge-europa-umverteilung-frankreich-solidaritaetsmechanismus
-> https://www.spiegel.de/ausland/eu-staaten-naehern-sich-bei-fluechtlings-umverteilung-an-a-31d3b411-b01a-43aa-8890-465bb123e3a9?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/minister-erzielen-wichtigen-fortschritt-bei-migrationspolitik,T8NQJts


Reform der EU-Asylpolitik: Verschärfen und Verteilen
Die EU-Innenminister*innen wollen die Außengrenzen schützen und Schutzsuchende verteilen. Kritik kommt von der Union, aber auch von Linken und Grünen.
https://taz.de/Reform-der-EU-Asylpolitik/!5860341/


+++FREIRÄUME
Eine unendliche Geschichte wird weitererzählt
Das Musik- und Atelierzentrum Sedel feiert seinen 40. Geburtstag mit einigen Anlässen nach
https://www.luzerner-rundschau.ch/stadt/detail/article/eine-unendliche-geschichte-wird-weitererzaehlt-00213698/#


Die Roten Falken feiern ihr 100-Jahr-Jubiläum
Im gut gefüllten Lichtspiel haben sich über 70 Personen eingefunden, um die Roten Falken Schweiz gebührend zu feiern. Studierende der Universität Bern präsentierten historisches Material und eindrückliche Filme aus den Anfängen der Roten Falken in den 1930er-Jahren.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/200393/


+++GASSE
2 Jahre «Housing First» – eine Bilanz
Basel vermittelt – bedingungslos – Wohnungen an Obdachlose. Für dieses Pilotprojekt intressieren sich auch andere Städte
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/2-jahre-housing-first-eine-bilanz?id=12204731


Kanton Luzern geht bei Bettelgesetz über die Bücher
Der Kanton Luzern passt sein Bettelgesetz an, um es in Einklang zu bringen mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Betteln in organisierter Form soll künftig verboten sein.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/kanton-luzern-geht-bei-bettelgesetz-ueber-die-buecher?id=12204728
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/kanton-luzern-weil-das-verbot-unzulaessig-ist-betteln-soll-bewilligungspflichtig-werden-ld.2302362


+++DROGENPOLITIK
Flexiblere Abgaberegeln für die heroingestützte Behandlung
Die heroingestützte Behandlung (HeGeBe) wird in der Schweiz seit 1994 angewandt und hat bei Patientinnen und Patienten und in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz. Um die Behandlung auch in Zukunft bestmöglich an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten auszurichten, sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 10. Juni 2022 beschlossen, einen Entwurf für eine Verordnungsänderung in Vernehmlassung zu geben.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-89201.html
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/bundesrat-will-regeln-fur-heroingestutzte-behandlung-anpassen-66197719
-> https://www.aargauerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/drogensucht-heroin-auch-in-der-apotheke-bundesrat-will-suchtkranken-den-weg-ersparen-ld.2302736


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Politische Ansinnen aus Genf – Political Correctness wird in Genf gross geschrieben
In Zürich muss ein Mitglied von Extinction Rebellion vor Gericht. Anders sieht es in Genf aus: Dort erhält die Bewegung legal Platz im öffentlichen Raum. Und es gibt weitere Aktionen, die Genf als «Super-Woke»-Kanton erscheinen lassen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/politische-ansinnen-aus-genf-political-correctness-wird-in-genf-gross-geschrieben


+++POLICE BE
derbund.ch 10.06.2022

Jugendkriminalität in Bern: Wenn die Jugend von Bümpliz der Polizei zuwinkt

Sie sind mit ihnen vertraut, holen einige von der schiefen Bahn, verteilen aber auch Anzeigen. Auf Jugendpatrouille mit Melanie Schwab und Cyrill Jauch.

Sibylle Hartmann, Susanne Keller(Fotos)

Statthalterschulhaus in Bümpliz, Freitagabend, 20 Uhr: Eine Gruppe junger Männer trinkt Wodka aus Pappbechern, es wird viel auf den Handys rumgetippt, Sprüche gerissen.

Und Haare geschnitten. Einer der Jugendlichen hat mitten auf dem Schulhausplatz seinen «Salon» aufgebaut. Und verpasst jedem, der will, noch einen neuen Haarschnitt vor dem Ausgang – und zwar allen den genau gleichen.

Inmitten von ihnen stehen eine Polizistin und ein Polizist.

Melanie Schwab und Cyrill Jauch fallen rein optisch auch nicht weiter auf. Mit ihren weissen Sneakers, Bluejeans und schwarzen Shirts. Auch ihre Umhängetaschen unterscheiden sich kaum von den Modellen der Jugendlichen.

Selbst der weisse Knopf im Ohr verrät die beiden nicht, laufen ja viele Jugendliche mit weissen Airpods umher. Schwab und Jauch aber hören keine Musik: Sie haben direkten Kontakt mit dem Polizeifunk. Und auch ihre Frisuren, die stammen eindeutig nicht vom «Salon» auf dem Schulhausplatz.

Verstecken wollen sich die Polizeimitarbeitenden auch gar nicht. Sie sind hier, in Bümpliz, bei den Jugendlichen sogar bekannt. Sie gehören der Jugendpatrouille an, die an diesem Freitagabend ihre reguläre Runde dreht. Sie suchen explizit den Kontakt zu den Jungen.

Gespräch suchen anstatt anzeigen

Bei der Jugendpatrouille handle es sich in erster Linie um Prävention, erklärt Jauch. Es gehe darum, der Polizei ohne Uniform ein Gesicht zu geben. Kontaktpersonen zu etablieren, die stets präsent sind, wenn die Jugendlichen draussen rumhängen.

Ihnen geht es nicht in erster Linie darum, sie für ihre Delikte zu bestrafen, sondern sie wollen von ihnen wissen, wie es ihnen geht. Und ihnen wenn nötig Möglichkeiten aufzeigen, weiterführende Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

Da diese die Polizei nicht selbst anbieten kann, arbeitet die Jugendpatrouille eng mit verschiedenen Institutionen wie Schulen, Gemeinden, Quartierorganisationen, Liegenschaftsverwaltungen oder der Jugendarbeit und -anwaltschaft zusammen. Auch Eltern und allenfalls die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) werden beigezogen.

Schwab und Jauch haben in Bümpliz längst einen Zugang zu den Jugendlichen gefunden. Kaum tauchen die beiden in ihrem zivilen Dienstwagen auf, winken die Jugendlichen den Ordnungshütern freundlich zu. Hält das Auto an, kommen sie von selbst her, um ein paar Worte zu wechseln. Und meist gibt es etwas zu lachen.

Lediglich eine grosse Jugendgruppe vor dem Tscharnergut ist etwas kurz angebunden und zieht schnell weiter. «Die hatten vermutlich etwas dabei», sagt Schwab. Auch wenn die beiden in Zivil unterwegs sind, Kontrollen führen sie trotzdem durch und ahnden auch strafrechtlich relevante Feststellungen. «So können wir ihnen auch aufzeigen, was es bedeutet und was es für Auswirkungen haben kann, wenn sie einen Seich machen.»

Unter Seichmachen versteht Schwab unter anderem «Widerhandlungen gegen das Waffen- oder das Betäubungsmittelgesetz». Das sind die häufigsten Delikte, mit denen es die Jugendpatrouille in Bümpliz zu tun hat. Auch kommt es hin und wieder zu Anzeigen wegen Schlägereien, Raubdelikten oder Angriffen.

Wirkung schwer fassbar

Die Jugendpatrouillen bei der Kantonspolizei Bern gibt es punktuell bereits seit über 10 Jahren. So etwa in der Stadt Bern. Was diese bereits bewirkt haben, ist schwer fassbar. Was hingegen gut gemessen werden kann, ist die Anzahl von angezeigten Straftaten. Diese war zwar im vergangenen Jahr im Kanton Bern so tief wie noch nie seit der Einführung der polizeilichen Kriminalstatistik 2008.

Jedoch ist die Anzahl der Gewaltdelikte von Minderjährigen 2021 deutlich gestiegen – vor allem bei schwerer Körperverletzung, Raub, Angriff und Tätlichkeiten. Fast jeder zweite Raub wurde durch eine jugendliche Person begangen. Deshalb bildet die Jugendgewalt neu einen Schwerpunkt in der polizeilichen Arbeit.

Einsatz in urbanen Gebieten

Im Zusammenhang damit werden die Jugendpatrouillen verstärkt und für den ganzen Kanton lanciert. Da diese generell dort unterwegs seien, wo sich auch die Jugendlichen treffen, handle es sich bei den Einsatzorten mehrheitlich um urbane Gebiete, erklärt Michael Bettschen, Chef der stationierten Polizei Bern-Süd. Im Zentrum stehen jeweils auch Veranstaltungen wie etwa Stadtfeste oder die BEA.

Dass die Arbeit funktioniert, die Melanie Schwab und Cyrill Jauch abends in den Strassen von Bümpliz leisten, dafür braucht es keine Zahlen, die das belegen. Viel deutlicher machen das Beispiele wie die Geschichte des 20-Jährigen Sonpoop, der zu der Gruppe vor dem Statthalterschulhaus gehört.

Auch wenn er von Cyrill Jauch einst selbst eine Anzeige wegen des Kiffens kassiert hat, ist Sonpoop froh um die Präsenz der Jugendpatrouille, wie er erzählt. Jauch sei unter den Einsatzkräften jeweils der Einzige gewesen, der freundlich zu ihm war, hat in all den Jahren auch immer nachgefragt, wie es ihm gehe. «Mit den anderen Bullen hatte ich immer Streit», sagt er.

Auch als Sonpoop mit härterem Zeugs, wie er es nennt, anfing und schwerere Delikte beging, sei Cyrill Jauch für ihn immer erreichbar gewesen, durfte ihn gar auf dem Handy anrufen. «Heute kiffe und trinke ich nicht mehr», erzählt er stolz.

«Ich hatte es immer gut mit diesen Jugendlichen», bestätigt Cyrill Jauch. Auch wenn sie mit ihnen viel zu tun gehabt hätten. «Sonpoop ist auf einem guten Weg», sagt Jauch. So wird er am Montag seine neue Stelle antreten. Es ist seine erste Festanstellung als Hilfsarbeiter. Und das trotz bandagiertem Handgelenk, das er sich am ersten Sommertag in der Badi gebrochen hat. So wichtig ist ihm das.

«Wenn ich Jugendliche auf einen guten Weg bringen kann, habe ich mein Ziel erreicht», erklärt Jauch. Sechs Jahre lang macht er diesen Job bereits. Mit dieser Arbeit könne er etwas verändern und bewegen, doppelt er nach.

Wie Jauch ist auch Melanie Schwab hauptberuflich als reguläre Einsatzkraft auf der Polizeiwache in Bern-Bümpliz tätig. Den Einsatz für die Jugendlichen machen sie zusätzlich. Die Jugendpatrouille ist meistens donnerstags, freitags und samstags jeweils von 19 Uhr bis gegen 3, 4 Uhr morgens unterwegs.

Melanie Schwab ihrerseits stiess kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie zur Jugendpatrouille. Bevor sie zur Polizei kam, war sie als Lehrerin tätig und hat sich schon immer sehr für die Anliegen der Jugendlichen interessiert. «Man kann bei ihnen viel mehr bewirken als bei Erwachsenen», ist sie überzeugt.

Es ist 22 Uhr geworden. Der Coiffeur hat seine Sachen längst wieder eingepackt. Die jungen Männer vor dem Statthalterhaus ziehen nun in Richtung Stadt. So auch die Jugendpatrouille. Aber auf diese Gruppe müssen sie kein Auge halten – nicht mehr.
(https://www.derbund.ch/wenn-die-jugend-von-buempliz-der-polizei-zuwinkt-321184312296)


+++POLIZEI DE
Polizeigewalt in Delmenhorst: Versehentlich beim Schlagen gefilmt
Ein Polizist schlug einen Zelleninsassen mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand. Offenbar aus Versehen filmte der Polizist sich dabei mit der Bodycam.
https://taz.de/Polizeigewalt-in-Delmenhorst/!5856971/


+++RECHTSEXTREMISMUS
landbote.ch 10.06.2022

Neonazis, Jihadisten und Corona-Skeptiker: Wie soll die Stadt mit Extremisten umgehen?

Die Stadt Winterthur hat zusammen mit Genf, Bern und Basel ein Buch zum Umgang mit Extremisten herausgebracht. Ein Beispiel aus Winterthur illustriert das Vorgehen.

Gregory von Ballmoos

2016 gründete Winterthur die Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention (FSEG) als Reaktion auf ein Geschwisterpaar, das nach Syrien zum Islamischen Staat gereist war. Die Stadt war damals nicht allein. Vergleichbare Fachstellen wurden auch in Bern, Basel und im Kanton Genf gegründet. Diese vier Stellen haben sich nun zusammengetan und ein Handbuch zum Thema Radikalisierung in der Schweiz veröffentlicht. Die Kernfragen sind: Wann definieren die verschiedenen Stellen eine Situation als Radikalisierungsfall? Und wie wird dann vorgegangen? Im Buch beschreiben die Autoren mehrere Fälle.

Beispielsweise haben die Betreiber eines Kampfsportzentrums sich bei der Fachstelle gemeldet, weil sie sich Sorgen machten, dass sie möglicherweise extremistischen Personen Kampfsporttechniken vermitteln. Der Fall ist stark anonymisiert. Recherchen dieser Zeitung zeigen aber: Es dürfte sich dabei um einen Fall aus Winterthur handeln.

Die «Junge Tat» im Kampfsportzentrum

Denn ein Mitglied der rechtsextremen «Jungen Tat» trainierte in einem Winterthurer Kampfsportzentrum. Die «Junge Tat» ist die derzeit wohl bekannteste Neonazi-Gruppierung der Schweiz. Vor zwei Jahren geriet sie in Winterthur noch unter dem alten Namen «Eisenjugend Schweiz» erstmals wegen antisemitischer Sticker in die Schlagzeilen. Zuletzt kaperte die Organisation eine Corona-Demonstration in Bern. Diese Redaktion zeigte, wie die Organisation ihren Weg an die Spitze der rechtsradikalen Szene geschafft hatte. Wie Videoaufnahmen belegen, war die Gruppe aber auch bei der grossen Corona-Demonstration im September in Winterthur präsent.

Hier hat die Organisation auch ihren Ursprung. Ihr Anführer, ein ehemaliger Kunststudent, wohnt in Winterthur, ebenso ein anderes Mitglied: Thomas*. Dieser trainierte in einem Kampfsportzentrum in Oberwinterthur, darüber berichtete zuerst das linke Infoportal Barrikade.info.

Info von linkem Kollektiv

Ferdi Hutter, der Betreiber des Kampfsportzentrums, wurde vom Kollektiv «Recherche gegen Rechts» auf die Gesinnung seines Kunden aufmerksam gemacht. In einer Mail outeten die Absender Thomas als Rechtsradikalen. Hutter sagt heute: «Ich hätte mir ein klärendes Gespräch mit den Aktivisten von ‹Recherche gegen Rechts› gewünscht.» Er fragte sich: «Was ist dran an den Vorwürfen?» Doch die Informanten reagierten nicht auf seine E-Mails. Daraufhin habe er sich Hilfe bei der FSEG der Stadt Winterthur geholt.

Die FSEG ist eine Anlaufstelle für alle Fragen rund um Radikalisierung und Extremismus. Man wolle Wissen im Bereich von Radikalisierung, Extremismus und Gewalt vermitteln und Personen in diesen Gebieten vernetzen, erklärt Serena Gut, Leiterin der Fachstelle. Zudem berät die FSEG auch Vereine bei Vorfällen.

Meist seien es Personen aus dem Umfeld von Betroffenen, die sich an die Fachstelle wendeten. «Die Fallberatung ist die Kernkompetenz der Anlauf- und Fachstellen», heisst es dazu im Handbuch.

Im Winterthurer Fall empfahl die Fachstelle, dass der junge Mann im Kampfsportzentrum behalten werden solle. «Ein Verein kann für potenziell Gefährdete als Schutzfaktor gegen Radikalisierung und als Alternative zu ihrem extremistischen Milieu sein», sagt Gut von der Fachstelle.

Zweite E-Mail und Ausschluss

Die Leitung des Clubs folgte dem Rat der Fachstelle. Bis zwei Wochen später eine zweite Mail eintraf, diesmal von Barrikade.info. Darin vier Bilder von Thomas. Eines zeigt ihn mit vier Gleichgesinnten. Die Gesichter haben sie mit dem Symbol des SS-Totenkopfverbandes abgedeckt. Im Dritten Reich war diese Division zuständig für die Überwachung und den Betrieb der Konzentrationslager.

Die Abmachungen zwischen Thomas und dem Kampfsportzentrum brachten nichts. Thomas kehrte zurück in die Szene. Darauf wandte sich Hutter erneut an die Fachstelle und diese empfahl einen Rausschmiss. Der damalige Fachstellenleiter Urs Allemann habe mehrere Gründe genannt, warum man dem Mitglied den Zutritt verbieten solle, so Hutter. Das tat die Kampfsportschule. «Es ging dabei auch um unseren Ruf.»

Nur wenige sind wirklich radikalisiert

Thomas dürfte ein Einzelfall sein. Die Autoren schreiben: «Nur bei einem kleinen Teil der Fallmeldungen handelt es sich tatsächlich um ideologisch verfestigte politische oder religiöse Radikalisierungen.» Es gehe vor allem um die Sensibilisierung von Fachpersonen.

Der Leiter des Kampfsportzentrums hat mittlerweile seine Lehren aus dem Fall des rechtsradikalen Mitglieds gezogen. «Der Kampfsport hat einen gewissen Reiz für solche Personen», sagt Hutter. Als Beispiel für diese These dient ein Blick in die Vergangenheit. 2015 reiste der zweimalige Thai-Box-Weltmeister Valdet Gashi zum Islamischen Staat. Der «Landbote» titelte damals: «Vom Box-Center in den Jihad».

Im Oberwinterthurer Kampfsportzentrum verlangen die Betreiber von neuen Mitgliedern einen Strafregisterauszug und behalten sich vor, beim Arbeitgeber Referenzen einzuholen. Davon versprechen sie sich eine abschreckende Wirkung. Und Thomas? Soweit der ehemalige Trainer informiert ist, trainiert der junge Mann mittlerweile in einem anderen Zentrum  – vermutlich mit Gleichgesinnten. «Es ist traurig.»

* Name geändert
(https://www.landbote.ch/wie-soll-die-stadt-mit-extremisten-umgehen-381713672394)



«Germanische Neue Medizin» : Vermieter schmeissen Anhänger von umstrittenen «Krebsheilern» raus
Anhänger der «Germanischen Neuen Medizin» halten 16 Vorträge über «Wunderheilungen» in der Deutschschweiz. Die Vermieter eines Lokals kündigen nach dem Bericht über die problematische Organisation den Mietvertrag.
https://www.20min.ch/story/vermieter-schmeissen-anhaenger-von-umstrittenen-krebsheilern-raus-323598142702


+++HISTORY
«Dass man besser eine Kuh wäre»
Das neue Buch über die Zwangsarbeits- und Strafanstalt Gmünden ist vor allem eine Institutionsgeschichte. Man findet darin aber auch eindrückliche Einzelschicksale. Die historische Forschung beantwortet viele Fragen, aber nicht jene nach der «Verantwortung in der Gegenwart». Am Sonntag ist Vernissage.
https://www.saiten.ch/dass-man-besser-eine-kuh-waere/


NS-Raubkunst: Dritter Bericht über den Stand der Arbeiten
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 10. Juni 2022 den dritten Bericht über den Stand der Arbeiten des Bundes im Bereich der NS-Raubkunst zur Kenntnis genommen. Der Bericht umfasst den Zeitraum von 2017 bis 2021. Er zeigt die Fortschritte auf, die erzielt worden sind und schildert den weiteren Handlungsbedarf für die kommenden Jahre.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-89225.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Propaganda für Russland – «Mit der Selfiekamera gehen sie durch den Schützengraben»
Auch ohne russische Sender wird die russische Propaganda geschickt verbreitet, belegt die Journalistin Isolde Ruhdorfer.
https://www.srf.ch/news/international/propaganda-fuer-russland-mit-der-selfiekamera-gehen-sie-durch-den-schuetzengraben


+++HISTORY
Betroffene über die Schwarzenbach-Initiative: «Du muesch schwige, du muesch bügle»
James Schwarzenbach hat in den 1970er Jahren Tausende Migrantenfamilien traumatisiert. Aber auch zum politischen Widerstand animiert. Wie, das zeigt jetzt ein neues Buch.
https://www.workzeitung.ch/2022/06/betroffene-berichten-ueber-die-fremdenfeindliche-schwarzenbach-initiative-du-muesch-schwige-du-muesch-buegle/


+++ROCKERKRIEG
Hells Angels und Bandidos beteiligt: Vier Festnahmen nach Schiesserei zwischen Rocker-Gangs in Genf
Die Genfer Polizei hat im Zusammenhang mit der Schiesserei zwischen zwei rivalisierenden Motorradbanden in einer Bar im Genfer Stadtteil Plainpalais vor drei Wochen vier Männer festgenommen. Sie werden sich voraussichtlich vor Gericht wiedersehen.
https://www.blick.ch/schweiz/westschweiz/genf/hells-angels-und-bandidos-beteiligt-vier-festnahmen-nach-schiesserei-zwischen-rocker-gangs-in-genf-id17566682.html