Medienspiegel 5. Juni 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Gleiches Recht für alle
Eine Bielerin setzt sich an der Demo für Drittstaatenflüchtlinge dafür ein, dass alle Flüchtlinge gleich behandelt werden.
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2022-06-05


+++ZÜRICH
Unwürdige Zustände in Unterkunft für geflüchtete Teenager: Ex-Mitarbeitende packen aus
Kleine Zimmer, dreckige Duschen, Polizeieinsätze. Eine Unterkunft für geflüchtete Teenager in Zürich sei in desolatem Zustand, berichten ehemalige Mitarbeitende.
https://www.youtube.com/watch?v=yEZl1AbLvVw



tagesanzeiger.ch 05.06.2022

Ungleiche Verteilung der Flüchtlinge: Am Zürichberg wohnen dreimal mehr ukrainische Familien als in Schwamendingen

Die ukrainischen Flüchtenden landeten häufig in den bessergestellten Stadtkreisen Zürichs. Im Kanton gibt es weitere Auffälligkeiten. Was sind die Gründe?

Pascal Unternährer

Die Zahlen sind erstaunlich. Im Stadtzürcher Schulkreis Zürichberg besuchen 72 ukrainische Kinder und Jugendliche die Volksschule. Das sind 1,7 Prozent aller 4200 Schülerinnen und Schülern. Jedes 60. Schulkind hat eine Flucht aus der Ukraine hinter sich.

Im Nachbarschulkreis Schwamendingen sind nur 17 junge Ukrainerinnen und Ukrainer eingeschult. Angesichts der Gesamtzahl von gut 3500 Schülerinnen und Schülern ergibt dies eine Quote von 0,48 Prozent. Sie liegt also 3,5 Mal tiefer als auf der Sonnenseite des Zürichbergs. Mit 0,57 Prozent nur leicht höher als in Schwamendingen ist der Anteil im grössten Schulkreis Glattal, das den Rest von Zürich-Nord umfasst.

Näher bei jener des wohlhabenden Zürichbergs ist die Quote auf der anderen Seeseite im Schulkreis Uto, der ebenfalls als bessergestellt gilt. Der Kreis Uto mit den Quartieren Enge und Wollishofen kommt auf eine Quote von 1,27 Prozent.

Was sind die Gründe für die grossen Unterschiede? «In unserem Schulkreis zeigten die Bewohnerinnen und Bewohner eine grosse Solidarität mit den ukrainischen Flüchtlingen», sagt Roger Curchod (parteilos), Schulpräsident des Kreises Zürichberg. Und nicht nur das: «Die Ansässigen haben wohl auch mehr Platz, den sie zur Verfügung stellen können.» Also grössere Wohnungen als im Durchschnitt oder gar freier Wohnraum in Privathäusern.

Willkommenskultur mit Sogwirkung

Ähnlich äussert sich Jacqueline Peter (SP), Präsidentin des Schulkreises Uto. Sie hat drei Hypothesen für die Häufung von Flüchtlingskindern in ihrem Kreis. Erstens wohnten da – analog zum Zürichberg – viele potenzielle Gastfamilien, die Platz und Ressourcen für die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien hätten.

Als zweiten möglichen Grund sieht Peter das Zentrum für Gehör und Sprache in Wollishofen. Dieses hat sehr früh zahlreiche gehörlose Flüchtlinge aufgenommen und zu Beginn in einer Turnhalle untergebracht, es entstand eine Community. «Diese Kinder sind jetzt zwar mehrheitlich nicht in der Volksschule, doch allenfalls hat diese Willkommenskultur eine Art Sogwirkung erzielt», sagt Peter.

Als dritte Möglichkeit sieht die Präsidentin die drei Gymnasien Freudenberg, Enge und Wiedikon, die allesamt im Kreis Uto stehen und allenfalls eine Anziehung ausübten für die Geflüchteten. «Geschwister von Gymischülerinnen und -schülern kommen in die Primar- und Sekundarschulhäuser», lautet Peters Folgerung.

Trifft diese These zu, könnte sie auch auf den Kreis Zürichberg angewendet werden: Dort sind die Kantonsschulen Rämibühl, Hohe Promenade, Stadelhofen und Hottingen beheimatet.

Im Schulkreis Glattal hats zwar auch zwei Kantonsschulen, doch: «Wir sind kein Ukrainer-Gebiet», wie Schulkreispräsidentin Vera Lang (FDP) lakonisch feststellt. Lang ist nicht unglücklich, dass die ukrainischen Familien nicht in Massen in ihren Kreis kamen – «nicht weil wir die Menschen nicht wollen, sondern weil uns der Lehrermangel zu schaffen macht», wie sie sagt.

95 Prozent sind privat untergebracht

Inzwischen steigt die Zahl der ukrainischen Schulkinder nicht mehr so stark an. Im März und April kamen in der Stadt Zürich innert weniger Wochen knapp 300. Seither mussten nur noch gut 30 Kinder eingeschult werden.

Dass die Flüchtlinge ungleich verteilt sind, kann das Zürcher Sozialdepartement nicht bestätigen. «Die Gastfamilien, die Geflüchtete aus der Ukraine beherbergen und von denen wir Kenntnis haben, verteilen sich räumlich über die ganze Stadt», sagt Sprecherin Heike Isselhorst und gibt zu bedenken, dass 95 Prozent oder rund 2000 Flüchtlinge in der Stadt in selbst organisierten, privaten Räumlichkeiten untergebracht sind. Das Sozialdepartement versuche derzeit, in Kontakt mit den Gastfamilien zu treten.

Die restlichen 5 Prozent wurden vorläufig in städtischen Kollektivunterkünften oder Wohnungen der Asylorganisation (AOZ) platziert.

Auch auf dem übrigen Kantonsgebiet gibt es Auffälligkeiten. Verhältnismässig viele ukrainische Geflüchtete halten sich an der Goldküste und in Oberländer Gemeinden auf.

Küsnacht und Zollikon etwa haben in der ersten Phase nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zahlreiche Flüchtlinge aufgenommen. Auf private Initiative kamen in einem stillgelegten Küsnachter Altersheim rund 100 kranke und gebrechliche Menschen sowie Familien unter.

Hochburgen am See

Zollikon bildete als erste Zürcher Gemeinde eine Aufnahmeklasse. Als zweite folgte Stäfa. Dort werden derzeit 33 ukrainische Kinder und Jugendliche unterrichtet. Das ergibt bei insgesamt 1300 Schülerinnen und Schülern eine Quote von 2,5 Prozent, was einem noch höheren Anteil gleichkommt als in der Stadtzürcher Ukrainer-Hochburg am Zürichberg.

Jörg Kündig, Präsident des Zürcher Gemeindepräsidienverbands, hat – neben den Argumenten Platz und Geld – eine weitere Erklärung für die Destination Zürichseeufer: «In den Seegemeinden haben womöglich mehr Personen internationale Verbindungen als im Tösstal.» Dieses Netzwerk könnte seitens der ukrainischen Flüchtlinge für die Wahl des Fluchtorts eine Rolle gespielt haben, so Kündig.

Christliche Solidarität

Fast dieselbe Quote wie Stäfa erreicht Pfäffikon ZH. Im Oberländer Städtchen sind rund 30 von 1300 Schulkindern aus der Ukraine. Das sind sogar vier Kinder mehr als im Stadtzürcher Schulkreis Letzi mit insgesamt 4800 Schülerinnen und Schülern. Laut dem Pfäffiker Gemeindepräsidenten Marco Hirzel (SVP) haben viele Privatpersonen zu Beginn des Kriegs Unterkünfte organisiert – zu einem Zeitpunkt also, als noch kein kantonaler Verteilschlüssel griff.

Auch die Landeskirchen und Freikirchen engagierten sich in Pfäffikon. Ende April luden Reformierte, Katholiken, die Täufergemeinde und Chrischona zum «Netzwerktreffen für Gastgebende». Gemäss Hirzel gehören Fahrzeuge mit ukrainischen Autonummern schon fast zum Dorfbild.

Die Lieblingserklärung Hirzels für die Popularität Pfäffikons bei den Flüchtlingen lautet aber ganz einfach: «Das Zürcher Oberland ist ein schöner Flecken zum Wohnen.»



70 Prozent der Geflüchteten sind Frauen

Gemäss den aktuellsten Zahlen halten sich 9339 Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S im Kanton Zürich auf. Von ihnen sind 6497 oder 70 Prozent Frauen und Mädchen sowie 2842 Männer und Knaben. Bei den Kindern und Jugendlichen ist die Geschlechterzugehörigkeit ausgeglichen. In der Gruppe der 5- bis 14-Jährigen sind 943 weiblich und 934 männlich. (pu)
(https://www.tagesanzeiger.ch/am-zuerichberg-wohnen-dreimal-mehr-ukrainische-familien-als-in-schwamendingen-513885593084k)


+++SCHWEIZ
NZZ am Sonntag 05.06.2022

Bundesrat hält an Zwangstests fest

Abgewiesene Asylsuchende sollen weiterhin zu Corona-Tests gezwungen werden. Der oberste Gefängnisarzt ist entsetzt.

Andrea Kučera, Ladina Triaca

Zwischen 1. Oktober 2021 und 31. März 2022 haben die Migrationsbehörden in 146 Fällen abgewiesene Asylsuchende zu einem Corona-Test gezwungen, damit deren Wegweisung vollzogen werden konnte. Dies teilte der Bundesrat am Freitag mit. Gleichentags beantragte die Landesregierung dem Parlament, die umstrittene Praxis bis Juni 2024 zu verlängern. «Der Bundesrat möchte aufgrund der pandemiebedingten unsicheren Situation sicherstellen, dass dieses bewährte Instrument den Kantonen über das Jahr 2022 hinaus zur Verfügung steht», heisst es zur Begründung in der Botschaft.

Zwar habe sich die Lage in der Schweiz beruhigt, die wichtigsten Heimat- und Herkunftsstaaten der Asylsuchenden sowie die Fluggesellschaften verlangten aber weiterhin einen negativen Covid-19-Test. «Ohne die Testpflicht besteht die Gefahr, dass sich ausreisepflichtige Personen erneut weigern können, sich einem Test zu unterziehen, um damit den Vollzug ihrer Wegweisung zu verhindern.»

Hans Wolff, Präsident der Schweizer Gefängnisärzte, sagt auf Anfrage, er sei nicht erstaunt über die Verlängerung: «Es handelt sich um eine vulnerable Gruppe ohne Lobby im Parlament. Würde man so etwas bei Schweizerinnen und Schweizern tun, gäbe es zu Recht einen Aufschrei.» Wolff ist einer der schärfsten Kritiker der Zwangstests. Er hält sie für ethisch nicht vertretbar: «Zwangsmassnahmen in der Medizin sind nur erlaubt, wenn ein Mensch sich oder andere akut in Gefahr bringt», sagt er. «Im Übrigen hat jeder und jede das Recht, frei über den eigenen Körper zu entscheiden, und jeder Arzt muss den Willen seiner Patienten respektieren.»

Der Bundesrat schreibt in der Botschaft weiter, die bisherigen Erfahrungen mit der Testpflicht seien «durchwegs positiv». Wolff widerspricht: «Das ist eine Verleumdung der Realität.» Ihm hätten Gefängnisärzte aus verschiedenen Kantonen gemeldet, dass Zwangstests gewalttätig durchgeführt würden. «Für die abgewiesenen Asylsuchenden und für die Ärzte ist das eine traumatische Erfahrung.» Gegenüber der «NZZ am Sonntag» zog die Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörde im Dezember ein durchzogenes Fazit: Zum einen sei die Massnahme personell sehr aufwendig. Zum andern zeige sie eine präventive Wirkung.

Am Freitag hat der Bundesrat im Bereich Corona weitere Entscheide gefällt: So will er, dass Covid-Tests für die Bevölkerung bis Ende Juni 2024 weiterhin gratis bleiben. Trotz Kritik in der Vernehmlassung hält er aber daran fest, dass ab 2023 die Kantone die Tests bezahlen sollen. Nun liegt der Ball beim Parlament.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/bundesrat-haelt-an-zwangstests-fest-ld.1687420)



Sonntagszeitung 05.06.2022

ÖV kostet neu für Ukraine-Flüchtlinge: Wenigstens Behördengänge sollen kostenlos bleiben

Geflüchtete aus der Ukraine müssen seit Mittwoch ein Billett lösen, wollen sie in der Schweiz mit dem ÖV reisen. NGOs und Grüne fordern kostenlose Fahrten für Behördengänge.

Cyrill Pinto

Bis zum Mittwoch reichte der blaue Pass als Fahrausweis. Tausende Ukrainer nutzten das Angebot der Branchen- und Tariforganisation Alliance Swisspass und erkundeten zwischen Mitte März und Ende Mai die Schweiz. Beliebt waren vor allem Ausflugsziele wie die Rigi.

Doch der Gratis-ÖV war nicht nur für Ausflüge gedacht. Vor allem sollten die Geflüchteten damit die vielen nötigen Behördengänge günstig und praktisch erledigen können. Für Ukrainer, die ohne Auto in die Schweiz kamen, bedeutete der Gratis-ÖV eine grosse finanzielle Entlastung. Doch damit ist seit dieser Woche Schluss. Zum Leidwesen der Geflüchteten, wie Schwester Ariane von der NGO Incontro sagt: «Die teuren Fahrten mit dem ÖV belasten ihre knappen Budgets zusätzlich», sagt sie.

Gratis-ÖV nur noch bei An- und Durchreise

Die Hilfsorganisation hat mehrere Ukraine-Flüchtlinge in privaten Unterkünften aufgenommen und verteilt täglich Lebensmittel an Bedürftige – zuletzt waren es vor allem Geflüchtete aus der Ukraine, die auf Gratis-Lebensmittel angewiesen waren. Sie müssen für die Auszahlung von Sozialhilfegeldern regelmässig persönlich bei den Ämtern vorsprechen. Auch für weitere Behördengänge und für die Arbeitssuche seien sie auf den ÖV angewiesen. Dabei stehen etwa im Kanton Aargau einer dreiköpfigen Familie pro Monat bloss 120 Franken zur Verfügung – das Geld muss nicht nur für Tickets, sondern auch für Hygieneartikel und Kleider reichen.

Für Nationalrat und Grünen-Chef Balthasar Glättli ist klar, «dass ÖV-Kosten für Behördengänge erstattet werden müssen». Zusätzlich müssten sich die Kantone «endlich darauf einigen, Privaten, die Unterkünfte anbieten, zumindest eine Spesenpauschale für die Zusatzausgaben zu bezahlen», so Glättli.

Laut Alliance Swisspass könnten Bundesasylzentren und die kantonalen Sozialhilfebehörden für Behördengänge weiterhin kostenlose Fahrausweise abgeben. Doch die müssen von den zuständigen Stellen zuerst ausgestellt werden. Nur bei der Durchreise und der Einreise zum Bestimmungsort bleibe der ÖV für Personen aus der Ukraine kostenlos, hält die Branchenorganisation fest.
(https://www.derbund.ch/wenigstens-behoerdengaenge-sollen-kostenlos-bleiben-131473946966)
-> https://www.blick.ch/wirtschaft/ngos-und-gruene-fordern-ukrainische-fluechtlinge-sollen-wieder-gratis-reisen-id17552674.html?utm_source=twitter&utm_medium=social&utm_campaign=blick-page-post&utm_content=bot



Sonntagszeitung 05.06.2022

Tiefe Vermittlungsquote bei Campax: Flüchtlinge müssen trotz 50’000 freien Privatwohnungen in Container

In der Schweiz stehen Tausende private Betten für geflüchtete Ukrainerinnen zur Verfügung. 91 Prozent davon sind aber leer. Kantone und Gemeinden wollen das so.

Mischa Aebi

Bereits Ende Februar hat die Familie Lamberti aus Fällanden ZH gemeldet, dass sie drei Ukrainerinnen bei sich aufnehmen möchte. Sie hat extra ein Zimmer hergerichtet, Tisch, Sofa und Betten organisiert. Dann kam der Frust: Die Organisation Campax hat ihnen keine Ukrainer vermittelt. Mirjam Lamberti sagt: «Überall hiess es, es gebe Platznot, aber Campax hat uns immer nur vertröstet.»

Jetzt zeigen neue Zahlen: Der Fall der Lambertis ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Zwar hat Campax laut deren Sprecher Christian Messikommer mittlerweile 24’025 Schweizerinnen und Schweizer registriert, die Kriegsflüchtlingen Unterkünfte anbieten: Zimmer, Wohnungen und ganze Häuser. Viele Gastgeber hätten nicht bloss für einen, sondern für mehrere Flüchtlinge Platz.

Doch: 91 Prozent der registrierten Unterkünfte wurden bis heute gemäss Campax-Statistik nicht mit Flüchtlingen besetzt. Aktuell hat die Organisation deshalb gemäss eigenen Angaben freie Plätze für 52’500 Ukrainerinnen im Angebot. Bis jetzt konnte sie aber bloss 4500 Personen privat unterbringen.

Die linke Kampagnenorganisation Campax macht die Vermittlungen in Kooperation mit der Flüchtlingshilfe, beauftragt durch das Bundesamt für Migration. Das Problem: Die beiden Organisationen können nur so weit Geflüchtete zuweisen, wie der betroffene Kanton das zulässt.

Container statt Privatwohnung

Die Diskrepanz könnte kaum grösser sein. Während private Campax-Gastgeber Tausende freie Betten anbieten, zerbrechen sich viele Behörden den Kopf, wie sich noch mehr öffentliche Gebäude als Kollektivunterkünfte umnutzen liessen.

Nur rund die Hälfte der 51’000 Ukrainer mit Schutzstatus hat bis jetzt über Beziehungen oder per Facebook eine private Bleibe gefunden, die andere Hälfte lebt in öffentlichen Strukturen: Zum Teil sind das gemeindeeigene Wohnungen, meist aber Bundesasylzentren, Zivilschutzanlagen, umfunktionierte Altersheime und Militärunterkünfte. Die Stadt Bern baut jetzt sogar extra ein ganzes «Dorf» aus Containern, um notfalls bis zu 1000 Flüchtlinge unterzubringen. Kosten: 10 Millionen Franken. Dabei weist Campax für den Kanton Bern aktuell 8550 freie Plätze in Privatunterkünften aus.

Auch in Zürich ziehen die Gemeinden Thalwil und Russikon den Bau von Wohncontainern für Kriegsflüchtlinge in Betracht. Gemäss einer Umfrage dieser Redaktion hat die Hälfte von 80 befragten Zürcher Gemeinden Mühe, genügend Unterkünfte für Ukrainerinnen zu finden. So sagt Marcel Amhof, Sprecher der Gemeinde Wallisellen: «Wir haben in der Gemeinde generell nur sehr wenig frei verfügbaren und bezahlbaren Wohnraum. Die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen ist deshalb nicht einfach.»

Gemeinde verschmäht ganzes Haus

Statt auf Campax setzt Wallisellen aber auf eine Kollektivunterkunft. 31 der 154 Ukrainerinnen in der Gemeinde müssen mit einem ehemaligen Truppengebäude in einem Industriequartier vorliebnehmen. Die Bewohner teilen sich Toiletten, Gemeinschaftsduschen und Küche. Eine Ukrainern, die dorthin ziehen müsste, ist Iryna Reznik. Für sie sei es aber unvorstellbar, mit ihren vier Kindern in einer solchen Unterkunft zwischen Schnellstrassen und Autogaragen zu leben, sagt sie. Verzweifelt sucht sie nun nach einer anderen Lösung.

Dabei hätte Campax nach eigenen Angaben auch im Kanton Zürich 4770 Privatunterkünfte mit insgesamt 9800 freien Betten. Doch auch hier gilt: Die Ukrainerinnen dürfen sich nicht einfach an Campax wenden, sie brauchen die Zustimmung der Behörden. Im Kanton Zürich kann jede Gemeinde selber entscheiden, ob sie mit der Organisation zusammenarbeiten will. Die 16’000-Seelen-Gemeinde Wallisellen will das nicht. Gemeindesprecher Amhof sagt: «Wenn es in Wallisellen eine verfügbare Wohnung gibt, erfahren wir das auf direktem Weg.»

Dem widerspricht Daniel Schaetti. Er besitzt in der Gemeinde ein leer stehendes Haus: sechs Zimmer, Garten, zentrale Lage. Er wollte die Immobilie nach Kriegsbeginn möglichst schnell Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Das hat er Anfang März der Gemeinde gemeldet – und eine Woche später auch bei Campax.

Offenbar ist sein Angebot aber nicht bis zu den Zuständigen in der Gemeinde durchgedrungen. Weil er bis Mitte Mai keine Rückmeldung erhielt, suchte er via Facebook auf eigene Faust. In kürzester Zeit war das Haus belegt, 120 Interessenten. «Ich wundere mich, dass die Gemeinde über Platznot klagt», sagt Schaetti.

Es begann als Erfolgsgeschichte

Dabei begann das Projekt Campax so vielversprechend. Die kleine linke Kampagnenorganisation wurde zu Beginn des Kriegs als grosse Hoffnung für die Unterbringung der Flüchtlinge gefeiert. In Windeseile hat die bislang kaum bekannte Institution eine Datenbank für Gastgeber aus dem Boden gestampft. Schweizerinnen und Schweizer, die Ukrainer bei sich aufnehmen möchten, können sich dort registrieren lassen. So kam es dann zur Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe: Campax übernahm die Registrierung der Gastgeber, die Flüchtlingshilfe die Platzierung der Flüchtlinge.

Kritik: Gastfamilien besser als Kollektivunterkünfte

Jetzt kritisiert Eliane Engeler, Sprecherin der Flüchtlingshilfe: «Es sind die Kantone, die über die Unterbringung entscheiden. Es ist bedauerlich, dass einige die Angebote der Bevölkerung nicht nutzen wollen.» Denn Geflüchtete «ziehen Gastfamilien fast immer Kollektivunterkünften vor», sagt Engeler.

Laut der Sprecherin ist die Erfolgsquote allerdings etwas höher, als Campax offiziell ausweist. Denn es gebe Kantone, die mittels Campax-Adressen Flüchtlinge teilweise selber platzierten. Diese seien in der Statistik nicht berücksichtigt.

Kosten Privatunterkünfte den Staat mehr?

Der Hauptgrund für die tiefe Vermittlungsquote liegt wohl darin, dass viele Behörden einen allzu hohen Anteil an Flüchtlingen in Privatunterkünften verhindern wollen. Diverse Ämter halten die Arbeit von Campax zudem für qualitativ schlecht – und vor allem für überflüssig. Hinter vorgehaltener Hand sagt selbst ein linker Regierungsrat relativ unverhohlen, er wundere sich, dass der Bund Campax engagiert habe.

Diplomatischer drückt es Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren, aus: «Einige Kantone sind sich nicht ganz sicher, wie beständig über Monate hinweg die Unterbringung bei Privaten ist.» Um «Umplatzierungen und damit oft auch Umschulungen der Kinder zu vermeiden», setzen die Kantone laut Szöllösy «zum Teil eher auf ihre eigenen Strukturen wie ehemalige Altersheime oder Jugendherbergen».

Kantone haben noch andere Argumente, die Quote tief zu halten. Einige wollen ganz einfach «zuerst ihre Unterkünfte, die sie jetzt mit grossem Aufwand geschaffen haben, belegen», sagt die Generalsekretärin der Sozialdirektorenkonferenz.

Eine bei Behörden weitverbreitete Vermutung ist ausserdem, dass die Unterbringung in Privatwohnungen den Staat eher teurer zu stehen kommt als in Gruppenunterkünften. Szöllösy sagt: «Bei Privatunterkünften erhalten die Schutzsuchenden etliche Unterstützungsleistungen sowohl in Geldleistungen als auch in Sachleistungen, und die allermeisten Kantone entschädigen die Gastfamilien für ihre Unkosten.» Zudem  könne «die Betreuung in Gastfamilien aufwendiger sein als in Kollektivstrukturen, da sie dezentral zu erfolgen hat.» Ob die Vermutung stimmt, lässt sich laut der Generalsekretärin jedoch noch nicht sagen, weil die Kosten noch nicht alle erhoben seien.
(https://www.derbund.ch/fluechtlinge-muessen-trotz-50000-freien-privatwohnungen-in-container-567495241773)


+++GASSE
Vor 30 Jahren – Wie Luzern seine offene Drogenszene loswurde
Seit 1992 hat Luzern mit dem «Drop-In» eine Drogenabgabestelle. Früher bekämpft, ist sie heute nicht mehr wegzudenken.
https://www.srf.ch/news/schweiz/vor-30-jahren-wie-luzern-seine-offene-drogenszene-loswurde


Pfingstserie «Es Läbe ohni»: Obdachlos in Luzern
Für die meisten ist eine Wohnung oder ein Haus selbstverständlich. Aber auch in der Schweiz gibt es Obdachlose, welche diesen Luxus nicht haben. Andreas Wolf konnte im Rahmen der Serie «Es Läbe ohni» mit einem Betroffen Luzerner reden. Dieser erzählt über sein Leben ohne richtiges zuhause und über seinen Drogenkonsum.
https://www.tele1.ch/nachrichten/pfingstserie-es-laebe-ohni-obdachlos-in-luzern-146751709


+++FRAUEN/QUEER
Kampf um Toleranz: So rüstet sich die LGBTQ-Community für den Pride Month
https://www.tvo-online.ch/aktuell/kampf-um-toleranz-so-ruestet-sich-die-lgbtq-community-fuer-den-pride-month-146751025


+++ROCKERKRIEG
Sonntagszeitung 05.06.2022

Rocker-Prozess: Bern befürchtet Eskalation am letzten Verhandlungstag

Im Prozess gegen die Bandidos und Hells Angels wird Ende Juni das Urteil verkündet. Schon heute bereitet der Tag den Sicherheitsbehörden Sorge.

Cyrill Pinto

Ende Juni soll der Rockerprozess von Bern mit der Verkündigung des Urteils abgeschlossen werden. Behörden fürchten den Tag bereits heute. Denn die Auseinandersetzungen von Anfang Woche, wo die Polizei nur mit einem massiven Aufgebot die beiden verfeindeten Rockergruppen Hells Angels und Bandidos auseinanderhalten konnte, war nur ein Vorgeschmack auf das, was am 30. Juni folgen könnte.

«Der Tag der Urteilsverkündung wird ein sehr heikler Moment und bereitet uns Sorgen», sagt der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Zusammen mit der Polizei lote man derzeit alle Optionen aus. Nause hatte eine Verlegung des Prozesses verlangt. Doch eine solche kann nur das Gericht anordnen. Dieses will am bisherigen Verhandlungsort im Amthaus festhalten.

Nach den Scharmützeln zu Beginn des Prozesses hätten inzwischen die meisten ausländischen Bandidos die Schweiz wieder verlassen, sagt Nause. Doch geht man davon aus, dass die Rocker zur Urteilsverkündung wieder anreisen werden. «Ein Aufeinandertreffen beider Gruppen muss unbedingt verhindert werden», sagt Nause.

Massive Angriffe nach dem Urteil erwartet

Dass die Furcht der Behörden nicht ganz unbegründet ist, bestätigt die Aussage eines Ex-Broncos-Mitglieds, das den Bandidos nahesteht: «Kommt es zu einer Verurteilung, werden die Bandidos die Hells Angels in der Schweiz massiv angreifen», sagt der Mann, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will. Mithilfe von Unterstützern aus dem Ausland würden die Bandidos Ziele wie etwa Clubhäuser angreifen.

Die zahlenmässig unterlegenen Schweizer Bandidos könnten dabei auf die Unterstützung mehrerer Ableger in Europa zählen. Am Montag waren bereits Vertreter aus Dänemark, Belgien und Holland in Bern präsent. Bis zu 800 Personen, so schätzen es Szenekenner, könnten die Bandidos im Notfall mobilisieren.

Zur Eskalation der Situation führte nicht nur der Kampf zwischen den verfeindeten Rockergruppen in Belp von 2019, der zum aktuellen Prozess in Bern führte. Auch der Angriff auf das Bandidos-Clubhaus vom letzten August heizt die Stimmung zusätzlich an. Laut Staatsanwaltschaft wurde das Lokal an der Uttingenstrasse in Thun durch Brandstiftung zerstört – die Untersuchung dazu wurde sistiert, da die Polizei keine Täter ermitteln konnte.

Doch auch der Verlauf der Strafuntersuchung gegen die beschuldigten Haupttäter von Belp sorgt für Zündstoff. Obwohl die Hells Angels mit Unterstützung verbündeter Broncos angriffen, um die rivalisierenden Bandidos einzuschüchtern, müssen sich nun drei Bandidos als Hauptbeschuldigte vor Gericht verantworten. Ihnen drohen wegen versuchter vorsätzlicher Tötung oder schwerer Körperverletzung teils langjährige Haftstrafen.

Bandidos-Sicherheitschef sitzt bereits in Haft

Hauptbeschuldigter ist der Berner Philip B. Der 37-Jährige war als Sicherheitschef des neuen Bandidos-Ablegers in der Schweiz vorgesehen und sitzt seit Oktober 2020 im vorzeitigen Strafvollzug. Dies, weil er mehrmals geschossen haben soll. Ein Mitglied der Hells Angels wurde dabei schwer verletzt. Auch dem Berner Javier G., seit mehreren Jahren Mitglied der Bandidos Thessaloniki, wird wegen versuchter vorsätzlicher Tötung der Prozess gemacht. Er soll einen Angreifer mit dem Messer am Rücken und am Arm schwer verletzt haben. Bei einer Verurteilung droht ihm eine längere Haftstrafe. Den beschuldigten Hells Angels und Broncos drohen dagegen laut Anklageschrift bloss geringfügige Strafen wegen Raufhandels.

Welche Massnahmen der Bund ergreift, um ein erneutes Aufeinandertreffen der Gruppen in Bern zu unterbinden, wollte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage nicht verraten. Grundsätzlich seien die kantonalen Polizeikorps zuständig.

Doch das Fedpol hält fest, dass die Gründung eines Bandidos-Ablegers in der Schweiz die Spannungen zwischen den beiden rivalisierenden Weltclubs verschärft habe: «Wir haben Kenntnis von einer einstelligen Anzahl teilweise strafrechtlich relevanter Vorfälle, die mutmasslich diesem Konflikt zuzurechnen sind», sagt Sprecherin Mélanie Lourenço.

Ein Vorfall in Genf illustriert dieses Gewaltpotenzial. Vor zwei Wochen gaben dort Hells Angels und Bandidos in einer belebten Bar mehrere Schüsse aufeinander ab. Nur mit Glück wurde keine unbeteiligte Person verletzt. Nur ein Hells Angel bekam eine Kugel in den Unterleib ab.
(https://www.derbund.ch/bern-befuerchtet-eskalation-am-letzten-verhandlungstag-100223905131)
-> https://www.blick.ch/schweiz/berner-sicherheitsbehoerden-fuerchten-eskalation-nach-rockerprozess-der-tag-der-urteilverkuendung-bereitet-uns-sorgen-id17552470.html?utm_source=twitter&utm_medium=social&utm_campaign=blick-page-post&utm_content=bot



Mega-Prozess in Bern: Hells Angels vs. Bandidos: Gute Rocker, böse Rocker?
Die Schweizer Hells Angels präsentieren sich als unbescholtener Motorradclub, ganz im Gegensatz zu den Bandidos aus dem Norden – was ist von dieser Darstellung zu halten?
https://www.blick.ch/sonntagsblick/mega-prozess-in-bern-hells-angels-vs-bandidos-gute-rocker-boese-rocker-id17551624.html


Hells Angels und Co: So gefährlich sind die Biker-Banden wirklich
Die Hells Angels, Bandidos und Broncos gingen beim Prozess-Auftakt in Bern aufeinander los. Ein Kriminologe erklärt, wie gefährlich die Rocker wirklich sind.
https://www.nau.ch/news/schweiz/hells-angels-und-co-so-gefahrlich-sind-die-biker-banden-wirklich-66191001