Medienspiegel 2. Juni 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Gemeinderatsantwort auf Dringliches Postulat Fraktion Mitte (Lionel Gaudy/Milena Daphinoff, Mitte): Schutzmassnahmen für die flüchtenden Menschen aus der Ukraine rechtzeitig ergreifen
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=cd5c2ac4387b427bbaa508b6ca0e7e4d


Steffisburger Schüler im Wald: Sie packten im Wald an und lebten Integration
Während zweier Wochen arbeiteten Schülerinnen und Schüler aus Steffisburg im Urner Bergwald mit geflüchteten Jugendlichen zusammen.
https://www.bernerzeitung.ch/sie-packten-im-wald-an-und-lebten-integration-366726470426


Arzt-Besuch: Verständnisprobleme mit ukrainischen Geflüchteten
Menschen, die aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet sind, brauchen auch medizinische Behandlung. Das gestaltet sich aber schwierig, insbesondere wegen der Sprachbarriere. Übersetzungsdienste wären nötig, jedoch nicht immer zu haben. (ab 12:26)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/arzt-besuch-verstaendnisprobleme-mit-ukrainischen-gefluechteten?id=12201527


+++BASEL
200 neue Kinder in einem Monat: Schulen müssen flexibel sein
Wieviele Kinder haben wir im neuen Schuljahr? Das planen Schulen normalerweise ein halbes Jahr im Voraus. Jetzt ist die Siutation anders. Es kommen laufend neue Kinder aus der Ukraine dazu, die Planung ist deshalb flexibel. Im Baselbiet etwa kamen von April bis Anfang Mai 200 neue Kinder dazu.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/200-neue-kinder-in-einem-monat-schulen-muessen-flexibel-sein?id=12201131


Kinder aus der Ukraine – zwei Lehrerinnen berichten aus ihrem Alltag /(ab 11.55)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/ganser-auftritt-basler-steiner-schule-verheddert-sich?id=12201446


+++LUZERN
Mangelhafte Flüchtlings-Unterkunft in Eschenbach
In Eschenbach gibt eine Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge zu reden. Diese beklagen sich über Schimmel und zuwenig Platz. Die Militärunterkunft wäre eigentlich nur eine Zwischenstation. Seit eineinhalb Monaten warten Bewohnerinnen und Bewohner auf eine neue Unterkunft, der Kanton Luzern verspricht Besserung.
https://www.tele1.ch/nachrichten/mangelhafte-fluechtlings-unterkunft-in-eschenbach-146721249
-> https://www.blick.ch/schweiz/im-huebeli-in-eschenbach-lu-leiden-die-ukrainischen-fluechtlinge-wir-haben-allergien-und-haben-muehe-mit-dem-atmen-id17545648.html


+++SCHWYZ
Kanton Schwyz plant Zeltstadt für Ukraine-Flüchtlinge
Das Amt für Migration des Kantons Schwyz plant in der ehemaligen Landi in Seewen eine befristete Zeltstadt. Platz finden sollen dort rund 140 Personen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/schwyz/seewen-kanton-plant-zeltstadt-fuer-ukraine-fluechtlinge-ld.2299164
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/schwyz-schafft-platz-fuer-140-fluechtlinge-in-alter-landi-in-seewen?id=12201248
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/schwyz/seewen-kanton-plant-zeltstadt-fuer-ukraine-fluechtlinge-ld.2299164


+++ZUG
Beschulung ukrainischer Flüchtlingskinder: Gemeinden sollen sich am Ausgleichstopf beteiligen
Die Gemeinden mussten schnell reagieren, als es darum ging, ukrainische Flüchtlingskinder in die Schule einzugliedern. Nun soll eine gesetzliche Grundlage für die Finanzierung festgelegt werden.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/ukraine-beschulung-ukrainischer-fluechtlingskinder-gemeinden-sollen-sich-an-ausgleichstopf-beteiligen-ld.2298807


Wie Zuger Schulen ukrainische Kinder integrieren: In zwei Monaten kamen so viele Geflüchtete wie sonst in fünf Jahren
Bis Ende August sollen im alten Kantonsspital in der Stadt Zug hunderte Asylplätze für Ukrainerinnen geschaffen werden. Das bereits stark belastete städtische Schulsystem dürfte im kommenden Schuljahr an die Grenzen kommen.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/stadtzuger-schulen-bereiten-sich-auf-eine-grosse-zahl-ukrainischer-kinder-vor-2381099/


+++SCHWEIZ
Ukraine: Schutzstatus S kann bei ausgedehnten Heimatreisen widerrufen werden
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat nach Konsultation der Kantone und der Städte festgelegt, dass das SEM den Schutzstatus S geflohener Personen widerrufen kann, wenn sich diese mehr als 15 Tage pro Quartal in der Ukraine aufhalten. Davon ausgenommen sind Personen, die belegen können, dass ihr Aufenthalt dazu diente, die Rückkehr in den Heimatstaat vorzubereiten. Mit einer Aufhebung des Schutzstatus muss auch rechnen, wer seinen Lebensmittelpunkt in einen Drittstaat verlegt.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-89100.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/ukraine/819497122-wer-haeufig-heimatland-ukraine-besucht-verliert-schutzstatus
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/status-s-kann-bei-langerem-ukraine-aufenthalt-widerrufen-werden-66192084
-> https://www.blick.ch/politik/ukraine-fluechtlinge-status-s-bei-laengerem-heimat-aufenthalt-weg-id17543783.html
-> https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/ukraine-krieg-so-leistet-die-schweiz-humanitaere-hilfe-vor-ort-sem-kann-neu-schutzstatus-s-widerrufen-ld.2299314


Point de Presse Ukraine
https://www.youtube.com/watch?v=SkcBeU5Y2IU
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/ukraine-krieg-behorden-informieren-uber-humanitare-hilfe-66191441


Caritas fordert Abschaffung von Status F und neuen Schutzstatus
Die Caritas fordert ebenso wie die Schweizerische Flüchtlingshilfe einen neuen Schutzstatus für Geflüchtete. Dieser soll den Status F ersetzen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/caritas-fordert-abschaffung-von-status-f-und-neuen-schutzstatus-66192028


+++POLEN
Geflüchtete Roma: „Viele Roma fürchteten sich vor Rassismus in den Notunterkünften“
100.000 Roma flohen aus der Ukraine. Forscherin Talewicz-Kwiatkowska sagt: Sie fürchten das russische Militär – und misstrauen der ukrainischen Mehrheitsgesellschaft.
https://www.zeit.de/zett/2022-05/gefluechtete-romnja-ukraine-russisches-militaer


+++UKRAINE
Acht Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine – Echo der Zeit
Acht Millionen Menschen sind seit Kriegsausbruch innerhalb der Ukraine von Ost nach West geflohen – viele davon in ländliche Regionen. Die Versorgung dieser Geflüchteten ist für die Ukraine eine grosse Herausforderung. Das zeigt sich auch am Beispiel eines kleinen Dorfes westlich von Lviv.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/acht-millionen-binnenfluechtlinge-in-der-ukraine?partId=12201518


+++MITTELMEER
Sea Watch rettete 49 Menschen von sinkendem Schlauchboot
Auf Lampedusa sind in der Nacht auf Donnerstag fast 200 Flüchtlinge eingetroffen. Ein mutmaßlicher Schlepper wurde festgenommen
https://www.derstandard.at/story/2000136267476/sea-watch-rettete-49-menschen-von-sinkendem-schlauchboot?ref=rss


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Die Koordinationsstelle Fahrende nimmt ihren Betrieb auf
Seit dem 1. Juni 2022 steht die Koordinationsstelle Fahrende für Anfragen und Auskünfte zur Verfügung. Sie entwickelt Lösungen, namentlich in Bezug auf Spontanhalte ausländischer Fahrender, berät Gemeinden sowie Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer und stärkt die Koordination unter den verantwortlichen Amts- und Fachstellen. Unmittelbar von der Thematik betroffene Akteure, wie die Gemeinden im Raum Seeland – Biel/Bienne oder die Regierungsstatthalterämter, werden für den Aufbau der Zusammenarbeit so bald als möglich direkt kontaktiert.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=416af924-decc-4a7b-82ab-36b7c347f016
-> https://www.derbund.ch/koordinationsstelle-fahrende-des-kantons-bern-nimmt-betrieb-auf-335320209622
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/fuer-bessere-koordination-berner-behoerde-fuer-fahrende-geht-an-den-start-id17544752.html


+++FREIRÄUME
Schützenmatte: Das Zukunftsbild bekommt Konturen
Wichtiger Zwischenschritt zur Neugestaltung der Schützenmatte: Der Gemeinderat unterstützt die Stossrichtung der Vorstudie, welche die «Schütz» künftig als vielseitig nutzbaren Platz mit mehr Bäumen sieht. Da die Umsetzung wegen der Grossbaustelle am Bahnhof erst ab 2028 möglich ist, soll die Situation auf der Schützenmatte bereits vorher mit Sanierungs- und Unterhaltsmassnahmen verbessert werden.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/schuetzenmatte-das-zukunftsbild-bekommt-konturen
-> https://www.derbund.ch/weniger-asphalt-und-mehr-baeume-fuer-die-schuetz-671232277761
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/die-berner-schuetzenmatte-wird-gruener-und-sicherer?id=12201290


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Gemeinderatsantwort auf Interpellation Fraktion GB/JA! (Seraina Patzen/Eva Krattiger JA!): Grundrechte in der Corona-Krise so weit wie möglich garantieren!
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=ab564bce0faf4f4984cb7aa6fa5f60ec


Demonstrationen in Basel müssen neu zwei, anstatt drei Wochen im Voraus angemeldet werden (ab 03:54)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/200-neue-kinder-in-einem-monat-schulen-muessen-flexibel-sein?id=12201131


Klimaaktivisten werden gebüsst, weil sie während der Pandemie unbewilligt demonstrierten – das stört auch einen Rechtsprofessor
Für die Behörden haben die Demonstranten schlicht gegen geltendes Recht verstossen.
https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-klimastreik-wehrt-sich-gegen-busse-nach-demonstration-ld.1686884


Waldprotest beschäftigt die Aargauer Justiz: Mutmassliche Klimaaktivisten wehren sich gegen Wegweisung
Anfang April haben Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten im Wald am Geissberg bei Villigen ein Protestcamp eingerichtet. Die Polizei hat die Besetzung aufgelöst und rund 40 Personen eine Wegweisung erteilt. Zwei von ihnen haben sich juristisch dagegen gewehrt.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/besetzung-waldprotest-beschaeftigt-die-aargauer-justiz-mutmassliche-klimaaktivisten-wehren-sich-gegen-wegweisung-ld.2297367


GLP-Einwohnerrat feiert hauchdünnen Sieg gegen Bürokratie und Gebühren fürs Demonstrieren
Fürs Demonstrieren in Baden erhalten diverse Gruppierungen einen Rabatt. Nun muss der Stadtrat das Reglement vereinfachen.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/baden/baden-glp-einwohnerrat-feiert-hauchduennen-sieg-gegen-buerokratie-und-gebuehren-fuers-demonstrieren-ld.2299080


+++KNAST
Ex-Häftling berichtet aus Zürcher Gefängnis: Wärter soll Handys und Drogen ins Gefängnis geschmuggelt haben
Mehrere Monate soll ein Wärter im Gefängnis Zürich durch Schmuggel sein Einkommen aufgewertet haben. Bis er bei einer Razzia aufflog.
https://www.tagesanzeiger.ch/waerter-schmuggeln-handys-und-drogen-ins-gefaengnis-811782635980
-> https://www.20min.ch/story/ex-insasse-packt-aus-konnten-beim-waerter-drogen-und-handys-bestellen-829713663907


+++BIIG BROTHER
«Keine chinesischen Verhältnisse» schaffen: Zürcher Gemeinderat will biometrische Erkennungssysteme verbieten
Auf Zürcher Stadtgebiet soll es auch in Zukunft keine biometrischen Überwachungssysteme geben, die Menschen anhand von Gesicht, Gang, Augen oder Stimme erkennen. Der Gemeinderat hat am Mittwoch eine entsprechende Motion an den Stadtrat überwiesen.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/ueberwachung-keine-chinesischen-verhaeltnisse-schaffen-zuercher-gemeinderat-will-biometrische-erkennungssysteme-verbieten-ld.2299195


+++FRAUEN/QUEER
Postulat der SP: Sexuelle Minderheiten sind genügend geschützt
Die Baselbieter Regierung will aber die Zuständigkeiten zwischen Kanton und Gemeinden bei Strafverfolgung und Sensibilisierung  überprüfen.
https://www.bazonline.ch/sexuelle-minderheiten-sind-genuegend-geschuetzt-513470714867


+++RASSISMUS
Basler Regierung will Hotline für antisemitische Vorfälle einführen
Schweizweit belegen neue Statistiken, Antisemitismus und Rassismus nehmen zu. Auf die Vorstösse einer Basta-Grossrätin und eines SVP-Politikers legt die Basler Regierung nun Pläne für eine telefonische Anlaufstelle offen.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/neue-anlaufstelle-basler-regierung-will-hotline-fuer-antisemitische-vorfaelle-einfuehren-ld.2299622


+++RECHTSEXTREMISMUS
„Ein Recherche-Thread über die neue germanische Medizin und deren Verfechter*innen und deren Machenschaften in der Schweiz. Zeit zum Handeln! 1/n“
https://twitter.com/FarbExil/status/1531645853018034182


Gemeinde wusste von nichts: Amerikaner macht Schweizer Schloss zur Neonazi-Hochburg
Das Prachtschloss von Cressier FR wurde an einen US-Amerikaner verkauft, der es nun vermieten möchte. Der Haken an der Sache: Er ist ein bekennender Rechtsextremist und möchte das Château exklusiv für seine Anhänger nutzen.
https://www.blick.ch/schweiz/gemeinde-wusste-von-nichts-amerikaner-macht-schweizer-schloss-zur-neonazi-hochburg-id17544863.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Ganser-Auftritt: Basler Steiner-Schule verheddert sich
Gestern trat der umstrittene Historiker Daniele Ganser vor 150 Kindern an der Rudolf-Steiner-Schule in Basel auf. Die Schulleitung verteidigte den Auftritt: Er sei Teil einer grösseren Vortragsreihe gewesen – in deren Rahmen andere Wissenschaftler auftreten. Bloss: Das stimmt so nicht.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/ganser-auftritt-basler-steiner-schule-verheddert-sich?partId=12201536


+++HISTORY
20 Jahre Fristenregelung – Der steinige Weg zur straffreien Abtreibung in der Schweiz
Seit 20 Jahren können Schweizerinnen in den ersten zwölf Wochen straffrei abtreiben. Wie kam es dazu – und was fordern die Frauen heute?
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/20-jahre-fristenregelung-der-steinige-weg-zur-straffreien-abtreibung-in-der-schweiz


+++ROCKERKRIEG
Tag 4 im Rocker-Prozess am Regionalgericht Bern-Mittelland – Ex-Bronco bricht sein Schweigen! – «Es war nie meine Absicht, einen Krieg zu veranstalten»
Es ist ein Monster-Prozess: 22 Töff-Rocker müssen sich nach einer blutigen Auseinandersetzung im Mai 2019 in Belp BE seit Montag vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland wegen Raufhandels verantworten, zwei von ihnen gar wegen versuchter vorsätzlicher Tötung.
https://www.blick.ch/schweiz/bern/tag-4-im-rocker-prozess-am-regionalgericht-bern-mittelland-bricht-heute-ein-ex-bronco-sein-schweigen-id17543518.html


Rocker-Krieg in Genf: Bandido-Biker schiesst Hells Angel in den Schritt
Die beiden verfeindeten Rocker-Banden Hell Angels und Bandidos lieferten sich am 21. Mai in Genf eine Schiesserei. Nun wurde bekannt: Unter den Tätern befand sich auch einer, der vor drei Jahren einen Mord begangen hatte. Trotzdem ist er noch immer auf freiem Fuss.
https://www.blick.ch/schweiz/rocker-krieg-in-genf-bandido-biker-schiesst-hells-angel-in-den-schritt-id17543451.html


Auf den Spuren der Rocker-Rivalitäten – Echo der Zeit
In Bern kam es Anfang Woche zu wüsten Schlägereien zwischen den verfeindeten Rockerbanden Hells Angels und Bandidos. Anlass dazu bot der Prozessauftakt gegen 22 ihrer Mitglieder. Was steckt hinter dieser Rivalität zwischen den Banden? Gespräch mit dem deutschen Spiegel-Journalisten Jörg Diehl.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/auf-den-spuren-der-rocker-rivalitaeten?partId=12201521


Rockerbanden-Kriminalität – 10vor10
Die Rockerbanden-Kriminalität hat in Deutschland eine lange und brutale Geschichte. Dort werden die Biker-Gangs allerdings deutlich härter angefasst als in der Schweiz. Jacken mit Banden-Abzeichen sind mittlerweile verboten. Könnte die Schweiz in Zukunft ähnlich unerbittlich vorgehen?
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/rockerbanden-kriminalitaet?urn=urn:srf:video:ff6e25ac-1287-4fb5-a06b-b27ec0ea09b0


«Es ist nicht jedes Mitglied der Hells Angels kriminell. Aber es gibt schwarze Schafe»
Seit Beginn des Rocker-Prozesses in Bern spielen sich vor dem Gerichtsgebäude wüste Szenen ab. Bettina Zietlow forschte in Deutschland zu Rockerkriminalität. Im Interview erklärt sie, warum die Motorradclubs auch gewalttätig gegeneinander vorgehen.
https://www.watson.ch/!737171536



derbund.ch 02.06.2022

Reto Nause zu den Rockerprozessen: «Wir reden von Scharmützeln, nicht von Krawall»

Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause rühmt die Polizeieinsätze rund um die Rockerprozesse. Sorgenvoll blickt er auf den Tag der Urteilsverkündung.

Christoph Hämmann

Reto Nause, die ganze Schweiz schaut seit Montag nach Bern. Was für ein Bild geben die Stadt und die Kantonspolizei Ihrer Meinung nach ab?

Die Polizei hat meines Erachtens hervorragende Arbeit geleistet. Sie hat am Montag ein direktes Aufeinandertreffen der rivalisierenden Rockergruppen verhindert, und dies in einer heiklen Konstellation, in der es glücklicherweise weder zu Verletzten noch zu Sachbeschädigungen kam. Zudem hat die Polizei die Durchführung des Prozesses sichergestellt und das Gerichtsgebäude geschützt. Genau dies war ihr Auftrag. Allein der Umstand, dass am Dienstag beim Eingang ins Amthaus akkreditierte Personen aufeinander losgingen, zeigt, wie gross das Eskalationspotenzial ist.

Dennoch hatte man am Montag den Eindruck, die Polizei sei vom grossen Rockeraufmarsch überrascht worden.

Das glaube ich nicht. Die zuständigen Behörden hatten den Prozess schon länger auf dem Radar und wussten, dass es heikel werden würde. Die extrem explosive Konstellation mit diesen verfeindeten Rockergruppierungen ist aussergewöhnlich. Aber noch einmal: Die Polizei hat ihren Auftrag von Anfang an erfolgreich erfüllt.

Gitter am Ende der Hodlerstrasse und rund um die Schützenmatte, um allfällige Streithähne zu trennen, hatte es aber erst ab Dienstag. Hätte man nicht darauf kommen können, dass es diese schon am Montag gebraucht hätte?

Das war nicht entscheidend. Tatsache ist, dass beim Grossaufmarsch am Montag aufkeimende Scharmützel mit dem Einsatz von Gummischrot, Tränengas und dem Wasserwerfer sofort gestoppt werden konnten.

Die Hells Angels hatten offensichtlich Steine mit auf die Schützenmatte geschleppt, um diese Richtung Bandidos werfen zu können. Hätte man diese Leute nicht kontrollieren müssen?

Ja, am Dienstag war dies offensichtlich der Fall. Der Grund dafür war wohl, dass am Montag die Bandidos Steine und Flaschen geworfen hatten. Ich weiss aber nicht, wie man hätte begründen wollen, dass umfangreiche Personenkontrollen oder die Auflösung der Ansammlung verhältnismässig gewesen wären. Es kam am Dienstag und am Mittwoch schliesslich zu keiner Gewalt.

Vor linken Kundgebungen gab es aber immer wieder solche Kontrollen und auch Wegweisungen von Personen, denen man unterstellte, sie wollten an der Demo teilnehmen.

Die letzte unbewilligte Demonstration von linksautonomer Seite fand erst am vergangenen Samstag statt. Sie wurde toleriert und polizeilich begleitet – weil sich die Polizei immer an der Verhältnismässigkeit orientiert. Solidaritätsbekundungen vor dem Amthaus gibt es übrigens regelmässig, wenn jemand aus der linken Szene vor Gericht steht – und diese werden auch nicht von vornherein unterbunden.

Viele Rocker reisten aus dem Ausland an. Wieso wurden diese an der Grenze nicht abgewiesen, wie dies etwa 2019 vor dem Europa-League-Spiel von YB gegen Feyenoord Rotterdam mit mutmasslich gewaltbereiten Fans geschah?

Diese Frage muss man dem Grenzschutz stellen. Aber auch hier ist die rechtliche Grundlage entscheidend: Um jemandem die Einreise zu verwehren, braucht es triftige Gründe. In der Schweiz sind Rockerclubs nicht verboten.

Die Personalien der Rocker wurden am Montag nicht aufgenommen. Wieso nicht?

Ich staune etwas über diese Fragen. Noch einmal: Verhältnismässigkeit ist ein hohes Gut, und es ist nicht verboten, einem Gerichtsprozess beizuwohnen. Präventive Personenkontrollen können durchaus sinnvoll sein, aber auch sie müssen mit verhältnismässigem Aufwand umgesetzt werden können. Es gab am Montag Scharmützel, wie sie bei Linksautonomen regelmässig vorkommen, ohne dass die Polizei die Demo gleich auflöst und alle festnimmt. Übrigens hatten wir die Konstellation mit Demo und Gegendemo schon oft: Da in der Mitte zu stehen, ist einer der heikelsten und undankbarsten polizeilichen Aufträge überhaupt.

Dennoch gibt es Leute, die sagen: Je martialischer eine Gruppe auftritt, desto weniger hat sie von der Polizei zu befürchten. Der Umgang mit Klimajugendlichen ist wohl schon einfacher als jener mit gewaltbereiten, häufig vorbestraften Rockern, nicht?

Die Einsatzleitung macht in jeder Situation eine Güterabwägung, welche Auswirkungen eine Handlung haben kann. Dabei geht es insbesondere um unbeteiligte Dritte. Wenn sie zum Schluss kommt, dass es harte Mittel braucht, dann werden diese aber eingesetzt. In meinen vierzehn Jahren als städtischer Sicherheitsdirektor ist übrigens nie eine Eskalation von der Polizei ausgegangen – es ist immer eine Reaktion.

Mit dem neuen kantonalen Polizeigesetz können Polizeikosten grundsätzlich auf die Veranstalter überwälzt werden. Gibt es bei den Einsätzen der letzten Tage einen Ansatz dafür?

Für eine Kostenüberwälzung müssen gewisse Vorbedingungen erfüllt sein. So ist nach kantonalem Polizeigesetz eine solche in erster Linie bei unbewilligten Veranstaltungen oder Kundgebungen möglich, in deren Rahmen es zu Krawallen und Anhaltungen von Personen kommt, die Sachbeschädigungen oder andere Straftaten begangen haben. Ausserdem muss dafür eine strafrechtliche Verurteilung vorliegen. Diese Vorbedingungen sind hier nicht erfüllt. Deshalb muss man in diesem Fall über eine Kostenüberwälzung gar nicht diskutieren.

«Unbewilligte Kundgebung» und «Krawall» sind erfüllt. Ist das Problem also, dass die Polizei keine Anhaltungen machte?

Ob eine Versammlung vor einem Gerichtsgebäude eine Kundgebung ist, müsste wohl ein Gericht beurteilen. Aber Krawall?! Wenn ich dieses Wort brauche, spreche ich von Strassenschlachten mit schweren Sachbeschädigungen, mit verletzten Personen, mit einem Polizeieinsatz über längere Zeit in einer eskalierten Situation. Da reden wir nicht von Scharmützeln ohne Sachbeschädigungen und ohne Verletzte wie am Montag. Zu Anhaltungen kam es aber tatsächlich nicht – die Leute, die Gegenstände warfen, konnten nicht identifiziert werden.

Und wie geht es nun weiter? Tägliche Grosseinsätze der Polizei?

Ich glaube, es hat bereits im Verlauf der Woche eine gewisse Entspannung eingesetzt. Demnächst werden vor Gericht nicht mehr Beschuldigte einvernommen, und es kommt zu den Auftritten der Anwälte – auch davon erhoffe ich mir eine Entspannung. Sorgenvoll blicke ich aber auf den Tag der Urteilsverkündung, für den noch einmal mit einer sehr heiklen Situation und der Präsenz aus allen Rockergruppierungen zu rechnen ist. Entsprechend wird die Polizei diesen Tag sorgfältig vorbereiten und mögliche Szenarien durchdenken.
(https://www.derbund.ch/wir-reden-von-scharmuetzeln-nicht-von-krawall-166304706604)


+++JUSTIZ
tagesanzeiger.ch 02.06.2022

Präventivhaft im Kanton Zürich: Fünf Monate Gefängnis – weil er den falschen Gedanken äusserte

Ein 52-Jähriger wird inhaftiert, weil die Staatsanwaltschaft befürchtet, er werde seine Tochter umbringen. Am Ende kann sie ihm nichts anhängen – ausser 20’000 Franken Verfahrenskosten.

Lisa Aeschlimann

Am Montag, dem 27. Mai 2019, meldet sich M., ein 52-jähriger Spanier, bei der Beratungsstelle Frauenhandel und Frauenmigration. Er braucht Rat. Wofür, ist unklar. Am Telefon macht er dann aber eine Aussage, mit der er die ganze Justizmaschinerie in Gang setzt. In einem Nebensatz sagt er der Mitarbeiterin, dass er seine 4-jährige Tochter und sich selbst habe töten wollen. Er habe schon das Messer aus der Küche holen wollen. Weil seine Tochter ihn in diesem Moment umarmt und sagt, wie lieb sie ihn habe, lässt er davon ab.

Zwei Tage später sitzt M. in Haft. Dort wird er für die nächsten fünf Monate bleiben. Am Schluss kann man ihm nichts anlasten. Er wird zwar entlassen, muss aber Verfahrenskosten von 20’000 Franken bezahlen. Wie ist das möglich?

Nach M.s Äusserung läuten bei der Mitarbeiterin der Beratungsstelle die Alarmglocken. Sie leitet die Information an die Kesb weiter, wo der Mann wegen psychischer Probleme bekannt ist. Diese alarmiert den Gewaltschutz der Kantonspolizei. Die Polizei taucht noch am selben Tag in M.s Wohnung im Kanton Zürich auf, durchsucht diese und nimmt ihn fest. Sie erstellt eine Risikoeinschätzung und leitet den Fall weiter an die Staatsanwaltschaft.

M. sitzt in Haft, obwohl noch nichts passiert ist. Präventivhaft heisst das in der Fachsprache. Sie ist einer der schwersten Eingriffe in die Freiheitsrechte des Einzelnen und zeitlich unbegrenzt.

Möglich ist sie, wenn Strafverfolgungsbehörden ernsthaft befürchten, eine Person könnte eine schwerwiegende Drohung in die Tat umsetzen. Die Haft darf nur als Ultima Ratio angeordnet werden, wenn also mildere Mittel wie beispielsweise ein Kontaktverbot oder Hausarrest nicht ausreichen, um potenzielle Opfer zu schützen.

Wie viele Personen in der Schweiz präventiv inhaftiert sind und für wie lange, weiss keiner. Das Haftgericht des Bezirksgerichts Zürich behandelte letztes Jahr 2042 Haftanträge der Staatsanwaltschaft. Im Kanton St. Gallen hat das Gericht in sechs Prozent der Anträge Haft wegen Ausführungsgefahr angeordnet, das ergab eine Untersuchung der Jahre 2013 und 2014. Hochgerechnet aufs Bezirksgericht Zürich wären das mehr als 120 Fälle pro Jahr.

Wie unberechenbar ist M.?

M.s Fall landet bei Staatsanwältin Corinne Kauf. Sie arbeitet bei der auf schwere Gewaltkriminalität spezialisierten Staatsanwaltschaft I, untersucht unter anderem Fälle von Kindsmissbrauch oder schwerer häuslicher Gewalt und hält Vorträge zum Thema Bedrohungsmanagement – unter anderem auch über den Fall M. Sie kennt sich aus mit gefährlichen Menschen.

In M.s Fall informiert sie der Chef der Kapo-Präventionsabteilung. «Er sagte, er mache sich Sorgen. Ich solle prüfen, ob die Ausführungsgefahr gegeben sei», sagt Kauf. In der Einvernahme bestätigt M. den Tötungsgedanken. Wie aber findet man nun heraus, wie ernst es ihm damit war?

Kauf prüft: Gibt es Vorstrafen? Wie sind die persönlichen Verhältnisse? Wie konkret ist die Drohung? Hat M. Suchtprobleme?

Besonderen Wert legt sie auf mögliche psychische Probleme. Denn häufig leiden Betroffene an einer schweren psychischen Störung. Wie aggressiv kann diese Person werden? Und wie unberechenbar ist sie?
Kauf stützt sich dabei auf die Akten der Polizei und wenn vorhanden der Kesb. Sie muss unter Zeitdruck und mit relativ wenigen Informationen den Entscheid fällen, ob sie beim Zwangsmassnahmengericht Antrag auf Haft stellt. Einen genauen Kriterienkatalog dafür gibt es naturgemäss nicht. Sie muss jeweils im Einzelfall entscheiden.

Sie erstellt eine Pro-und-Kontra-Liste: Was spricht für die Haft, was dagegen?

In der Einvernahme macht M. auf Kauf einen psychisch stark belasteten Eindruck. Er ist arbeitslos und hat hohe Schulden. Eine Aussage alarmiert sie besonders: «Er sprach davon, dass ihm die Jungfrau Maria erschienen sei.» Sie vermutet eine Psychose oder eine Schizophrenie. «Das kann aber noch nicht sofort fachärztlich abgeklärt werden», sagt Kauf. Die Haftfrist von 48 Stunden – also die Zeit, in der sie den Antrag ans Gericht stellen muss – reiche dafür nicht.

Die Argumente, die gegen einen Haftantrag sprechen: M. sagt, den Tötungsgedanken bereits vor über einem halben Jahr gehabt zu haben. Er kann sich laut Kauf davon distanzieren. Gegen eine akute Gefahr spricht auch, dass er bereits in Therapie ist und es keine Hinweise auf eine psychotische Erkrankung gibt.

Weil Kauf nicht ausschliessen kann, dass von M. eine Gefahr ausgeht, stellt sie beim Zwangsmassnahmengericht Antrag auf Haft. Der Haftrichter heisst diesen gut. Welche Überlegungen das Gericht anstellte, ist nicht bekannt. Dessen Entscheide werden nicht veröffentlicht.

Gleichzeitig muss Kauf prüfen, ob M.s Aussage bereits als strafbare Vorbereitungshandlung für ein Tötungsdelikt gewertet werden kann. Sie befragt Angehörige sowie Zeuginnen und beauftragt einen Gutachter damit, M. psychiatrisch zu untersuchen.

Im Zweifel für die Sicherheit

Fälle wie jener von M. zeigen exemplarisch, wie sich die Arbeit der Justizbehörden in den letzten Jahren verändert hat: vom Aufklären von Straftaten zum Verhindern ebendieser.

Auslöser für diese Entwicklung war der Mord am Zollikerberg: Am 30. Oktober 1993 findet die Polizei im Wald die Leiche der 20-jährigen Pfadfinderführerin Pasquale Brumann. Sie ist vom damals 34-jährigen Erich Hauert ermordet worden. Hauert, bereits wegen elf Vergewaltigungen und zwei Sexualmorden zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt, begeht die Tat im Hafturlaub.

Der Mord verändert die Schweiz. Bei den Strafverfolgungsbehörden wird die Devise «Im Zweifel für die Sicherheit» zum Leitmotto. Urlaubsrichtlinien werden verschärft, Verwahrungen nehmen massiv zu. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten, Opfer vor häuslicher Gewalt zu schützen, stark erweitert.

Die Haft wegen Ausführungsgefahr kann man als Erweiterung dieser Null-Risiko-Strategie sehen: Straftäter sollen nicht nur nicht rückfällig werden, «Gefährder» sollen gar nicht erst ein Delikt begehen. Das Antiterrorgesetz, das die Bevölkerung 2021 angenommen hat, zielt in die gleiche Richtung.

Massiver Eingriff in die Freiheitsrechte

Die Präventivhaft ist unter Fachpersonen umstritten. Sie setzt als einziger Haftgrund ­keinen dringenden Tatverdacht voraus und verletzt die Unschuldsvermutung.

«Man geht von Anfang an nicht nur von einem konkreten, sondern auch vom maximal künftig denkbaren Verdacht aus», sagt beispielsweise Stephan Bernard, Fachanwalt für Strafrecht aus Zürich. Das beeinflusse das spätere psychiatrische Gutachten und komme einer Vorverurteilung gleich.

In der Psychologie nennt man das «confirmation bias». Anna Coninx, Strafrechtsprofessorin an der Universität Luzern, sagt: «Werden Sachverständige in solchen Fällen mit Gutachten beauftragt, so lautet die Hypothese nun mal, dass die Person möglicherweise gefährlich ist. Und wenn diese bereits inhaftiert ist, dürfte dies die Hypothese deutlich verstärken.» Es brauche dann einiges mehr an Denkleistung und Mut, um diese Hypothese zu entkräften, als dafür, sie zu bestätigen.

Juristen und Expertinnen monieren zudem, dass Haftrichterinnen zu häufig und zu unkritisch die Anträge der Staatsanwälte gutheissen. «Die sehr hohe Gutheissungsquote bei Haftanträgen sollte uns zu denken geben», sagt Coninx.

Im Kanton Zürich gibt es auch dazu keine Zahlen, aber eine umfassende Auswertung von SRF in 18 Kantonen hat 2018 ergeben, dass die Zwangsmassnahmengerichte rund 97 Prozent aller Anträge gutheissen. «Prüft der Richter den Antrag nicht differenziert, wird diese wichtige rechtsstaatliche Sicherung zur Farce», sagt Coninx.

Das Zürcher Zwangsmassnahmengericht hat dazu auf eine Stellungnahme verzichtet.

Justiz im Dilemma

Die Justiz befindet sich in einem Dilemma: Sie will künftige Opfer besser schützen. Das geht aber nicht, ohne die Rechte des möglichen Täters – oder auch zu Unrecht Beschuldigten – zu beschneiden.

«Man muss sich bewusst sein», sagt Bernard, «dass es präventive Massnahmen nicht gratis gibt. Irgendjemand bezahlt immer.» Naturgemäss falle es leichter, ergänzt Coninx, sich in die Position von möglichen künftigen Opfern zu versetzen. Diese Dynamik habe in jüngerer Zeit zu einem «exzessiven» Präventionsrecht geführt, das vom Grundsatz ausgehe: «Lieber zehn Ungefährliche inhaftieren als einen gefährlichen Straftäter unentdeckt lassen.»

Komme hinzu, dass Strafverfolgungsbehörden in der öffentlichen Debatte nichts riskierten, wenn sie eine in Wahrheit ungefährliche Person als gefährlich bezeichneten, aber sehr viel, wenn sie eine Person freiliessen und diese dann ein schweres Delikt begehe. «Jeder wird dann mit dem Finger auf sie zeigen», sagt Coninx.

Frage an Staatsanwältin Corinne Kauf: Warum war bei M. keine mildere Massnahme wie Hausarrest, Fussfesseln oder die Einweisung in eine Klinik möglich? «Nichts davon würde ihn daran hindern, das zu tun, was er angedroht hat. Dann kommt man immer zu spät.»

Für sie ist die Präventivhaft ein «enorm wichtiges» Instrument: «Wir können in einer akuten Gefahrensituation gezielt eingreifen.» Haft könne zudem auch etwas Positives bewirken: Sie könne eine Situation beruhigen und bei Inhaftierten ein Umdenken bewirken. Personen mit einer Psychose hätten in Haft Zugang zum Gefängnisarzt.

Ermittlungen laufen ins Leere

Zurück zu M.: Fünf Monate nach seiner Inhaftierung – es ist Ende Oktober – trifft das psychiatrische Gutachten ein. Die Gefahr, die von M. ausgeht, ist gering. Er habe sich damals in einer schweren depressiven Episode befunden. Hinweise auf eine Psychose gibt es keine. Dank einer Therapie gehe es M. heute besser. Der Gutachter empfiehlt, die Therapie fortzusetzen.

Die Ermittlungen gegen ihn laufen ins Leere. Weil keine Straftat vorliegt, muss Kauf das Verfahren einstellen. M. wird entlassen. Die Staatsanwaltschaft kann ihn nur noch dazu verpflichten, die Therapie weiterzuführen. Er hält sich daran.

Zurück in Freiheit, hat sich M.s finanzielle Situation nochmals verschärft: Er muss nicht nur die Verfahrenskosten bezahlen, sondern erhält auch keine Haftentschädigung – bei fünf Monaten Haft wären das gemäss bundesrechtlicher Praxis fast 30’000 Franken. Kauf sagt, das sei gemäss aktuellem Recht so, da M. das Verfahren durch sein eingestandenes Verhalten selbst verursacht habe und zum Zeitpunkt der Äusserung schuldfähig gewesen sei.

M.s Verteidiger hat den Entscheid nicht angefochten.
(https://www.tagesanzeiger.ch/fuenf-monate-knast-weil-er-den-falschen-gedanken-aeusserte-399071262902)



tagesanzeiger.ch 02.06.2022

Kommentar zur PräventivhaftDas könnte zum Bumerang werden

In der Schweiz kann jemand in Haft genommen werden, der sich in einer psychischen Krise an eine Beratungsstelle wendet. Das ist eine heikle Entwicklung.

Liliane Minor

Stellen Sie sich vor, Sie suchen Hilfe, weil Sie depressiv sind und Gedanken haben, die Sie ängstigen: an Suizid oder sogar daran, jemanden zu töten.

Doch statt Hilfe kommt die Polizei. Statt in einer Klinik landen Sie im Knast. Monatelang, ohne zu wissen, wann Sie wieder freikommen. Und am Ende müssen Sie auch noch die Kosten zahlen. Obwohl man Ihnen nichts anlasten kann.

Eine Dystopie? Nein, Realität im Kanton Zürich. Es ist ein Auswuchs eines Strafrechts, das immer mehr zum Präventionsrecht wird. Getrieben von Medien und Parteien, die sofort «Staatsversagen» rufen, wenn trotz Warnzeichen etwas passiert. Und von Psychiatern, die der Öffentlichkeit einreden, es sei aufs Komma genau abschätzbar, ob eine Person eine Straftat begehen wird oder nicht.

Das ist eine heikle Entwicklung.

Erstens sind Risikoanalysen keine exakten Vorhersagen. Und das heisst: Je häufiger Menschen präventiv hinter Gitter kommen, umso öfter sind darunter auch Unschuldige. Damit drohen auch unnötige Haftschäden, gerade bei psychisch angeschlagenen Menschen.

Zweitens untergräbt die Präventivhaft zwei zentrale Säulen des Strafrechts, nämlich die Unschuldsvermutung und den Grundsatz, dass Strafen eine klar definierte Länge haben. Zwar ist die Präventivhaft streng juristisch betrachtet keine Strafe, sondern eine Massnahme. Deshalb darf sie so lange dauern, wie es Experten für nötig halten – theoretisch auch unbeschränkt. Aber für die Betroffenen ist sie natürlich genau das, was sie juristisch nicht ist: eine Strafe. Ohne voraussehbares Ende. Für eine nicht begangene Tat.

Nun kann man mit Recht argumentieren, jede Gewalttat sei eine zu viel. Und im Interesse der Sicherheit seien gewisse Einschränkungen hinzunehmen. Das Problem aber ist: Welche Folgen ein exzessives Präventionsrecht hat, ist kaum bekannt. Der Kanton Zürich weiss nicht einmal, wie viele Menschen wie lange präventiv inhaftiert werden. Geschweige denn, ob die Haft gerechtfertigt war.

Es braucht deshalb dringend eine offene Diskussion über die Thematik. Es braucht verlässliche Daten. Und es braucht klare Regeln zum Schutz der Betroffenen. Sonst drohen die Präventionsmassnahmen zum Bumerang zu werden. Oder würden Sie sich an eine Beratungsstelle wenden, wenn Sie befürchten müssten, danach monatelang inhaftiert zu werden? Eben.
(https://www.tagesanzeiger.ch/das-koennte-zum-bumerang-werden-115135875462)