Medienspiegel 31. Mai 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SOLOTHURN
Flüchtlinge in Solothurner Firma: «Sie brauchen nicht unser Mitleid, sondern eine Perspektive»
Die Bourquin SA in Oensingen beschäftigt seit drei Wochen zwei aus der Ukraine geflüchtete Männer. Die Firma will den Ukrainern wieder eine Perspektive für sie und ihre Familien geben.
https://www.20min.ch/video/sie-brauchen-nicht-unser-mitleid-sondern-eine-perspektive-956774081297


+++ZÜRICH
Bisher haben 400 ukrainische Flüchtlinge eine Arbeitsbewilligung
Immer mehr ukrainische Flüchtlinge wollen arbeiten. Die Zahl der Gesuche um eine Arbeitsbewilligung hat in jüngster Zeit stark zugenommen. Das Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit hat bisher über 400 Arbeitsbewilligungen erteilt.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/bisher-haben-400-ukrainische-fluechtlinge-eine-arbeitsbewilligung-00185153/


+++GROSSBRITANNIEN
Umstrittene Migrationspolitik: Großbritannien beginnt Abschiebeflüge nach Ruanda im Juni
Die Bescheide seien den Migranten schon zugestellt worden – in zwei Wochen sollen die ersten Flüge von Großbritannien nach Ruanda starten. Das Abkommen mit dem afrikanischen Land soll ein Brexit-Versprechen umsetzen.
https://www.spiegel.de/ausland/britisches-fluechtlingsabkommen-mit-ruanda-grossbritannien-legt-datum-fuer-erste-abschiebefluege-fest-a-a8e9843b-3229-44c1-a551-0bbbb17b7874


++++POLEN
Rechtlos in Polen
Letzter Ausweg Hungerstreik: Schutzsuchende über Monate ohne Zugang zu Asylverfahren inhaftiert. Zuständige Behörden ignorant
https://www.jungewelt.de/artikel/427543.eu-grenzregime-rechtlos-in-polen.html


+++GRIECHENLAND
»Kinder brauchen einen sicheren Ort«
Über Kinder im Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos, die Unfähigkeit zu spielen und Kunst als Zuflucht. Ein Gespräch mit Alea Horst und Mehrdad Zaeri
https://www.jungewelt.de/beilage/art/427050


+++GASSE
Suchtkranke leiden immer noch unter den Folgen der Pandemie
Die Corona-Massnahmen sind seit Wochen aufgehoben. Aber die Pandemie wird noch lange Auswirkungen haben – beispielsweise bei suchtkranken Menschen. Das zeigt die Bilanz der Stadt Bern. Die Pandemie hat Unsicherheit geschürt – unter anderem wegen Lieferengpässen bei benötigten Medikamenten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/suchtkranke-leiden-immer-noch-unter-den-folgen-der-pandemie?id=12199526


Obdachlosigkeit bei Jungen – Erste Jugendliche nutzen neue Jugend-Notschlafstelle in Bern
Die neue Notschlafstelle für Jugendliche in Bern ist eröffnet. Das Angebot wird nach wenigen Tagen bereits genutzt. Eine Betroffene, die als 14-Jährige obdachlos wurde und jahrelang in Bern auf der Strasse lebte, erzählt ihre Geschichte.
https://www.srf.ch/news/schweiz/obdachlosigkeit-bei-jungen-erste-jugendliche-nutzen-neue-jugend-notschlafstelle-in-bern


+++MENSCHENRECHTE
Tatort Ausland: Nicht alle Betroffenen von Menschenhandel werden in der Schweiz unterstützt
Das Schweizer Opferhilfegesetz greift nur, wenn eine Straftat in der Schweiz begangen wurde oder die Betroffenen zum Tatzeitpunkt über einen Wohnsitz in der Schweiz verfügen. In Fällen von Menschenhandel, welcher oftmals ein grenzübergreifendes Delikt darstellt, führt dies zu einem fragwürdigen Resultat: Zahlreiche Betroffene erhalten in der Schweiz keine Unterstützung.
https://www.humanrights.ch/de/news/tatort-ausland


+++ANTITERRORSTAAT
Neue Standards für die Radikalisierungsprävention
Die Anlauf- und Fachstellen Extremismus von Basel-Stadt, Bern, Genf und Winterthur haben gemeinsam das Handbuch «Radikalisierung in der Schweiz» erarbeitet. Es bietet eine umfangreiche Sammlung von Praxiserfahrungen und legt erstmals Qualitätskriterien fest für die Beratung in der Extremismusprävention in der Schweiz.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/neue-standards-fuer-die-radikalisierungspraevention


Winterthur nimmt Pionierrolle ein bei Extremismusprävention
Zusammen mit anderen Städten hat Winterthur ein Handbuch «Radikalisierung in der Schweiz» erarbeitet. Es bietet Praxiserfahrungen und legt erstmals Qualitätskriterien fest für die Beratung in der Extremismusprävention in der Schweiz.
https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/winterthur-gibt-erfahrungen-zu-extremismus-weiter-00185158/


+++KNAST
Gegen illegales Telefonieren: Gefängnis Thorberg neu mit Handy-Ortungssystem ausgerüstet
Auf dem Thorberg wurde ein Ortungssystem für Handys installiert. Damit soll der  illegale Gebrauch von Mobiltelefonen durch Insassen unterbunden werden.
https://www.derbund.ch/gefaengnis-thorberg-neu-mit-handy-ortungssystem-ausgeruestet-832149869708
-> Medienmitteilung BFH: https://www.bfh.ch/fr/actualites/communiques-de-presse/2022/inpercept/
-> https://rabe.ch/2022/05/31/neues-system-spuert-handys-im-gefaengnis-auf/


+++POLIZEI BS
bzbasel.ch 31.05.2022

Keine Fehler bei «Basel Nazifrei»: Gutes Zeugnis für den Geheimdienst

Aufsichtskommission findet bei der Basler Fachgruppe des Nachrichtendienstes keinen Anhaltspunkt für blinde Flecken.

Jonas Hoskyn

Es war dicke Post für die Staatsanwaltschaft: Der Bericht der Aufsichtskommission, der vergangenen Herbst veröffentlicht wurde, sparte nicht mit deutlichen Worten: Die Aufarbeitung der PNOS-Kundgebung und der Gegendemonstration «Basel Nazifrei», welche eskalierte, sei «erklärungsbedürftig». Mit grossem Aufwand seien die Verfahren gegen die Gegendemonstranten vorangetrieben worden, während die möglichen Straftaten auf rechtsextremer Seite liegen gelassen wurden, so das politisch hochbrisante Fazit der Aufsichtskommission.

Nun bringen neue Untersuchungen weitere Klarheit in den Komplex: Das Kontrollorgan über den Staatsschutz im Kanton Basel-Stadt hat seinen Jahresbericht veröffentlicht. Das Gremien beaufsichtigt die Basler Abteilung des Nachrichtendienstes des Bundes, also eine Handvoll Geheimdienstler. Bisher agierten diese unter dem Namen Fachgruppe 9, kurz FG9. Nun wurde die Einheit in Kantonaler Nachrichtendienst, abgekürzt KND umbenannt.

Anklagen oft nur dank Geheimdienstinfos

Aus den Prozessen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen bei der Gegendemonstration ist bekannt, dass mehrere der Angeklagten nur aufgrund von Informationen und Beweisen des Geheimdienstes hatten identifiziert und angeklagt werden können. Entsprechend interessant ist die Frage, ob auch die FG9 derart einseitig arbeitet, wie dies bei der Staatsanwaltschaft festgestellt worden ist. Zumal der Nachrichtendienst unabhängig von der Polizei an der Demo war.

«Bei unseren Abklärungen konnten wir keine Verstösse feststellen», sagt nun Markus Schefer, der dem Kontrollorgan vorsitzt. Die Kommission habe Einsicht in sämtliche Amtsberichte genommen, welche die FG9 zuhanden der Staatsanwaltschaft über das Ereignis verfasst hatte. Zusätzlich habe man sich vom zuständigen Sacharbeiter erklären lassen, wie und aufgrund welcher Informationen die Identifikation der verdächtigen Personen erfolgt sei. Auch hier sei alles innerhalb des gesetzlichen Rahmens verlaufen.

Vergleichsweise kleine rechtsextreme Szene

Die Untersuchungen zur Demonstration «Basel Nazifrei» sind damit abgeschlossen. Das Thema Rechtsextremismus wird die Aufsichtskommission aber weiter beschäftigen. Vergangenes Jahr hatte sie angekündigt, den gewalttätigen Rechtsextremismus als neuen Schwerpunkt zu untersuchen. Ihr war aufgefallen, dass in der Überwachungsliste der FG9 deutlich öfters linksextreme Personen und Gruppen auftauchen als rechtsextreme.

Nun zeigt sich: Der Nachrichtendienst hat offenbar nur so wenige Rechtsextreme auf dem Schirm, weil die gewalttätige Szene im Kanton Basel-Stadt vergleichsweise schwach ausgebildet ist. «Bisher konnten wir nicht feststellen, dass die FG9 dem gewalttätigen Extremismus zu wenig Aufmerksamkeit schenken würde», so Schefer. Auf das Thema werde aber auch weiterhin ein besonderes Augenmerk gelegt.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/untersuchung-keine-fehler-bei-basel-nazifrei-gutes-zeugnis-fuer-den-geheimdienst-ld.2297948)


+++RASSISMUS
Sarah Akanji im Gespräch: «Weisse Fussballer müssen sich für Fussball ohne Rassismus einsetzen»
Sie ist Fussballerin, Aktivistin und Politikerin: Die Winterthurerin Sarah Akanji. Im Interview spricht sie über Rassismus im Sport und darüber, ob der Fussball ein Ventil ist. Ebenso redet sie über ein neues Projekt.
https://www.20min.ch/story/weisse-fussballer-muessen-sich-fuer-fussball-ohne-rassismus-einsetzen-242060995682


+++HISTORY
Die vergessenen Kindersklaven der Schweiz
Bis in die 1960er-Jahre wurden in der Schweiz Zehntausende Kinder aus armen Familien gerissen und auf Bauernhöfen fremdplatziert. Lange totgeschwiegen, gibt es mittlerweile mehrere Ausstellungen, Filme und Studien darüber. Doch wie viel Platz erhalten die Stimmen der Betroffenen?
https://daslamm.ch/die-vergessenen-kindersklaven-der-schweiz/


Satanic panic – Fantasien von mörderischen Ritualen: Vor 20 Jahren geriet schon einmal eine Thurgauer Therapiestation in die Schlagzeilen
Heute Littenheid, früher Hosenruck: Töchter dichten ihren Vätern die Zugehörigkeit zu satanistischen Zirkeln an. Vor 20 Jahren geriet die Therapiegemeinschaft Schnäggehuus in die Schlagzeilen. Zwei ehemalige Bewohnerinnen verweigern bis heute den Kontakt zu den Angehörigen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kanton-thurgau/thurgau-fantasien-von-moerderischen-ritualen-immer-wieder-falscher-verdacht-ld.2297972?mktcid=smch&mktcval=twpost_2022-05-31


SCHWARZE SCHAREN – Anarchosyndikalistische Arbeiterwehr am Ende der Weimarer Republik
Alles Antifa? – In den letzten Jahren der Weimarer Republik war die Notwendigkeit, sich aktiv gegen den Faschismus zu stellen, drängender als je zuvor. Gleichzeitig war der Antifaschismus in Deutschland sehr divers. Obwohl man über alle ideologischen Grenzen hinweg Zweckbündnisse eingegangen ist, hat man dabei nicht vergessen, wofür man eigentlich kämpfte. Für Anarchosyndikalist:innen war das die soziale Revolution und das gute Leben für alle.
https://www.youtube.com/watch?v=H_NAT4MugC4


Die Anfänge der Schwarzen (Selbst-)Organisierung in Deutschland, Diskussion u.a. mit Bafta Sarbo
Aufzeichnung vom 23. März 2022 aus dem Afrika-Haus, Bochumer Straße 25, 10555 Berlin Bafta Sarbo, Serge Fouha und Vincent Bababoutilabo setzen die Geschichte Schwarzer Selbstorganisierung in den 20er Jahren aus künstlerischer, historischer und sozialwissenschaftlicher Perspektiven in Verbindung mit heutigen Kämpfen gegen Rassismus und Ausbeutung.
https://www.youtube.com/watch?v=BE6hOEnyDZ0


+++ROCKERKRIEG
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/tag-2-im-rocker-prozess-von-bern-hat-die-polizei-die-toeff-brueder-heute-im-griff-id17536185.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/blick-reporterin-luisa-ita-war-im-gerichtssaal-kartonteile-sind-geflogen-und-etwas-ist-explodiert-id17537874.html
-> https://www.20min.ch/story/jetzt-beginnt-der-monsterprozess-gegen-22-mitglieder-von-rocker-gangs-980689683342
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/rocker-gehen-vor-berner-gericht-aufeinander-los-66190175
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/rockerprozess-in-bern-hells-angels-und-bandidos-pruegeln-sich-beim-eingang-zum-gericht
-> https://twitter.com/PoliceBern
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/wird-der-rockerprozess-an-einen-anderen-ort-verlegt?id=12200288
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/gewalt-vor-dem-gerichtsgebaeude-wird-der-rockerprozess-an-einen-anderen-ort-verlegt
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/200121/
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/331355095-2-rocker-prozesstag-in-bern-und-wieder-gehen-sie-aufeinander-los
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/nause-zum-rocker-prozess-ein-funkenflug-reicht-fur-eskalation-66190148
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/gewalt-vor-dem-gerichtsgebaeude-rocker-prozess-das-sagt-das-gericht-zu-einer-moeglichen-verlegung
-> https://www.srf.ch/news/panorama/hells-angels-und-bandidos-rockerbanden-wer-sie-sind-und-wie-es-um-ihre-gesetzestreue-steht
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/beatrice-simon-schaut-auf-ihre-zeit-als-regierungsraetin-zurueck?id=12200543
-> https://www.telebaern.tv/tele-barn-news/rockerkrieg-in-bern-tobt-weiter-reto-nause-spricht-von-ortsverschiebung-des-prozesses-146698125
-> Schweiz Aktuell (ab 04.10): https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/schweiz-aktuell-vom-31-05-2022?urn=urn:srf:video:03a850ae-dbbc-4a53-b3b2-7cd19b3478c4
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/200145/
-> https://www.neo1.ch/artikel/wird-der-berner-rocker-prozess-verlegt
-> https://www.bzbasel.ch/schweiz/gewalt-unter-rockern-verfeindete-gangs-duellieren-sich-auf-offener-strasse-in-bern-wie-gefaehrlich-und-kriminell-sind-die-rockerbanden-ld.2298371
-> https://www.srf.ch/news/panorama/hells-angels-und-bandidos-rockerbanden-wer-sie-sind-und-wie-es-um-ihre-gesetzestreue-steht
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/tag-2-im-rocker-prozess-in-bern-alte-bekannte-neue-pruegelei-id17538952.html



derbund.ch 31.05.2022

Die Kosten des Rockerkriegs: Der Biker-Aufmarsch kostet Hundert­tausende Franken

Um zu verhindern, dass Hells Angels und Bandidos beim Prozess in Bern aufeinander losgehen, ist ein Polizeigrossaufgebot nötig. Bei zehn Prozesstagen wird das teuer.

Benjamin Bitoun, Hans Ulrich Schaad

Der Ausnahmezustand in Bern dauert an.

Wer geglaubt hatte, die verfeindeten Biker-Gangs Hells Angels und Bandidos hätten zum Start des Rockerprozesses in Bern Präsenz markieren und Dampf ablassen wollen, wurde gleich zu Beginn von Tag 2 enttäuscht.

Noch vor Verhandlungsbeginn kommt es vor dem Gerichtsgebäude im Eingangsbereich zu Tumulten. Nachdem am Montag die Bandidos mit einem Grossaufgebot überraschten, lassen nun die Hells Angels ihre Muskeln spielen: Gut zweihundert Rocker sind gekommen. Mit Harleys, aber auch mit teuren Mercedes-SUV und Porsches nehmen sie die gesamte Schützenmatte in Beschlag. Darunter viele, die aus dem Ausland angereist sind, aus Italien, Österreich oder Deutschland.

Auf der anderen Strassenseite und vor dem Gerichtsgebäude erwartet sie die Polizei. Hunderte Einsatzkräfte; Grenadiere in Vollmontur, Späher und Video-Polizisten in Zivil, Polizistinnen zu Pferd, Polizeihunde, dazu Kamerawagen und Wasserwerfer.

Erneut kommt es wegen Strassensperrungen rund um Hodlerstrasse und Bollwerk zum Verkehrschaos. Bis um 10.30 Uhr blicken sich Polizei und Hells Angels über die Strasse hinweg an, dann ist der Spuk vorbei: Die Biker ziehen ab. Bandidos haben sich am Tag 2 keine blicken lassen.

Teurer Polizeieinsatz

Laut dem Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Die Mitte) verfolgt die Polizei rund um den Rockerprozess zwei Ziele: Sie soll eine geordnete Verhandlung garantieren und verhindern, dass die verfeindeten Hells Angels und Bandidos aufeinandertreffen.

Der Grosseinsatz, der dazu nötig ist,  kommt Stadt und Steuerzahler teuer zu stehen. An den ersten beiden Tagen waren jeweils schätzungsweise hundertfünfzig uniformierte Einsatzkräfte vor Ort. Dazu noch einige Dutzend in Zivil. Laut Sicherheitsdirektor Nause kostet ein Polizist im Einsatz die Stadt Bern gegen 110 Franken die Stunde.

Das bedeutet: Wenn man von achtstündigen Einsatztagen ausgeht, dann hat der zweitägige Polizeieinsatz bereits über 260’000 Franken gekostet. Auf die geplanten zehn Prozesstage hochgerechnet, entspricht das Kosten von über 1,3 Millionen Franken.

Die Stadtfinanzen wird der Rockerkrieg indes nicht zusätzlich belasten. «Die Stadt hat mit der Kantonspolizei einen Pauschalvertrag über 30 Millionen Franken pro Jahr abgeschlossen», sagt Reto Nause. «Dieser deckt sämtliche Polizeieinsätze im Stadtgebiet ab.»

Der Pauschalbetrag beruhe auf einem Erfahrungswert aus Zeiten der Berner Stadtpolizei, sagt der Sicherheitsdirektor. In der Vergangenheit sei man damit sehr gut gefahren, selbst in den letzten beiden Corona-Jahren. Zwar habe es wegen Corona-Kundgebungen deutlich mehr Polizeieinsätze im öffentlichen Raum gegeben. Dafür seien wegen der Fussballspiele vor leeren Rängen keine Einsätze vor dem Wankdorfstadion nötig gewesen, so Nause.

Trotzdem denkt man laut über eine Verlegung des Prozesses nach, gerade auch wegen den Einschränkungen für den Verkehr. «Die Lage des Gerichts am Bollwerk, an einem Hauptverkehrsknoten der Stadt ist natürlich ungünstig», sagt Nause. «Doch über eine Verlegung entscheidet alleine das zuständige Gericht.»

Ungewöhnlich hohe Prozesskosten

Nicht nur der Polizeieinsatz rund um das Berner Amthaus ist teuer. Gemäss Anklageschrift belaufen sich die Kosten der Untersuchung auf gut 150’000 Franken. In diesem Betrag sind die Kosten der Verteidigung während der Strafuntersuchung nicht inbegriffen.

Jeder der 22 Beschuldigten hat eine eigene Verteidigerin oder einen eigenen Verteidiger, die meisten davon sind amtlich. Diese dürfen einen Stundenansatz von 200 Franken verrechnen. Die Privatverteidiger, es sind am Rockerprozess deren fünf, haben einen höheren Stundenansatz. Sind alle Anwältinnen und Anwälte im Gerichtssaal anwesend wie am Montagvormittag, kostet jede Stunde rund 5000 Franken. Die zweistündige Wartezeit nach den Tumulten am Dienstagvormittag schlägt mit knapp 10’000 Franken zu Buche. Für die Verhandlung sind rund zehn Tage vorgesehen. Somit dürften allein die gesamten Anwaltskosten einen mittleren bis hohen sechsstelligen Betrag erreichen.

Die Schlussabrechnung erfolgt mit dem Urteil. Jene Beschuldigten, die verurteilt werden, müssen die Anwaltskosten und den Anteil der Verfahrens- und Gerichtskosten übernehmen. Bei Freisprüchen gehen diese zulasten des Kantons.

Wobei der Kanton wohl vorerst auf dem Grossteil der Kosten sitzen bleiben dürfte: Weil viele der beschuldigten Rocker statt Einkommen und Vermögen Verlustscheine, Schulden und Betreibungen haben, müssen sie die Kosten erst zurückzahlen, sobald es ihre wirtschaftliche Situation erlaubt.
(https://www.derbund.ch/der-biker-aufmarsch-kostet-hunderttausende-franken-347886597871)



derbund.ch 31.05.2022 (Stand 20:00)

Zweiter Tag im Rockerprozess: Erst prügeln sie sich vor Gericht, dann schweigen sie

Die Angeklagten lassen lieber ihre Fäuste sprechen. Bei den konkreten Fragen zur blutigen Auseinandersetzung in Belp machen sie keine Aussagen.

Hans Ulrich Schaad

Eine gute Viertelstunde vor dem offiziellen Verhandlungsbeginn am Morgen geht es heftig los. Im Eingangsbereich des Amthauses kommt es zu Tumulten. Kurz nachdem die drei beschuldigten Hells Angels mit ihren akkreditierten Begleitpersonen das Gerichtsgebäude betreten haben, sind aus dem Inneren Schreie zu hören, gefolgt von einem Knall.

Darauf stolpert ein Bandido die Treppe hinunter, hinterher ein Hells Angel, der ihm Fusstritte versetzt. Für einen Moment ist die Situation unübersichtlich. Doch schnell werden die Streithähne von der Polizei abgeführt und in Handschellen gelegt: sechs Hells Angels und ein Bandido. Die Polizeihunde bellen laut und sind bereit, zuzuschnappen.

Zwei Stunden Verspätung

Wegen dieses Tumults kann die Verhandlung nicht zum geplanten Zeitpunkt beginnen. Im Amthaus laufen die Drähte heiss, um die Situation zu klären. Mit knapp zwei Stunden Verspätung kann die Verhandlung schliesslich beginnen. Die Reihen im Saal sind gegenüber dem Vortag etwas gelichtet. Vor allem das Fehlen der Hells Angels fällt auf.

Der Auftakt am zweiten Tag im Prozess ist wie schon tags zuvor laut und turbulent. Im Verfahren geht es um die Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Hells Angels und Broncos auf der einen sowie den  Bandidos auf der anderen Seite. Diese hatten sich im Mai 2019 in Belp blutig geprügelt. 22 Männer müssen sich aktuell vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verantworten.

Das T-Shirt sagt alles

Als Erstes wird ein 38-jähriger Österreicher befragt, eine äusserlich sehr auffällige Person. Er ist bis zum kahlen Scheitel tätowiert und trägt ein schwarzes Shirt. Vorne mit dem Schriftzug «Bandidos», hinten mit der Buchstabenkombination «Bf fB», was so viel heisst wie Bandidos forever, forever Bandidos.

Wie bei der Befragung am Montag und den weiteren Einvernahmen am Dienstag geht der Gerichtspräsident beharrlich seinen Fragenkatalog durch. Während die Beschuldigten zu persönlichen Fragen bereitwillig Auskunft geben, ändert das, sobald es um den Vorfall im Mai 2019 geht.

Gegen 200-mal geben die Beschuldigten die Standardantwort zu Protokoll: «Dazu mache ich keine Angaben.» Höchstens zu belanglosen Dingen kann ihnen der Gerichtspräsident konkrete Aussagen entlocken. Und jener Bandido, der am Morgen im Eingangsbereich von Hells Angels angegriffen worden ist, sagt dazu nur: «Ich habe keine Ahnung, ob das einen Zusammenhang mit den Vorfällen in Belp hat.»

Kaum neue Fakten

Nur zwei Personen machen Angaben, welche für die am Prozess Anwesenden eher überraschend kommen. Ein 36-jähriger Schweizer aus dem Kanton Solothurn, laut Anklageschrift damals ein designiertes Mitglied des neuen Bandidos-Chapters, sagt, dass er früher Mitglied der Broncos gewesen sei. Er sei etwa zwei Jahre vorher aus familiären Gründen und in Frieden ausgetreten. Und mit den Leuten aus Belp habe er keinen Kontakt mehr.

Zu guter Letzt erklärt ein 28-jähriger Deutscher, ein schmächtiger Typ, wie es zur Konfrontation gekommen ist. «Die anderen sind auf uns zugelaufen, dann gab es eine Auseinandersetzung.» Ziemlich aggressiv sei es gewesen, ergänzt er auf Nachfrage. «Ich bin nicht geschlagen worden und …» Dann bricht seine Redseligkeit ab.
(https://www.derbund.ch/erst-pruegeln-sie-sich-vor-gericht-dann-schweigen-sie-314998944397)



derbund.ch 31.05.2022 (Stand 16.00 Uhr)

2. Tag Rockerprozess in Bern: Tumulte im Gerichtsgebäude, Auseinandersetzung im Grauholz | Hells Angels haben Schütz geräumt | Verkehr rollt wieder

Fortsetzung des Prozesses gegen 22 Rocker in Bern. Erneut markierte die Rockergruppe Hells Angel starke Präsenz in der Nähe des Gerichts.

Hans Ulrich Schaad, Sarina Keller, Benjamin Bitoun

15:02 Uhr
Könnte der Prozess verlegt werden?

Die politischen Behörden und die Justizbehörden von Stadt und Kanton Bern überlegen, den Prozess gegen 22 angeklagte Rocker vom Berner Amthaus an einen anderen Ort zu verlegen.

«Wir loten verschiedene Optionen aus», sagte der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) am Dienstagmittag zum Regionaljournal Bern Freiburg Wallis von Radio SRF.

Nause betonte, es liege nicht in der Kompetenz der Stadt Bern, den Verhandlungsort zu verlegen. Diskussionen seien aber am Laufen. (SDA)

12:59 Uhr
Zusammenfassung Dienstagvormittag

Die Verhandlung vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland sollte eigentlich um 8.15 Uhr fortgesetzt werden. Noch vor Verhandlungsbeginn kam es jedoch zu Tumulten vor und im Gerichtsgebäude. Die Hells Angels hatten noch mehr Leute mobilisiert als am Vortag und versammelten sich auf der Schützenmatte. Darunter waren zur Verstärkung auch die Berner Broncos. Auf der Seite Amthaus wartete die Kantonspolizei mit einem Grossaufgebot in Vollmontur.

Kurz vor 8 Uhr betraten die drei beschuldigten Hells Angels das Amtshaus, je begleitet von einem Kollegen. Plötzlich hörte man draussen Schreie aus dem Innern und es knallte. Ein beschuldigter Bandido stolperte aus dem Eingang, verfolgt von einem Hells Angel, der ihm Fusstritte verpasste. Offenbar waren die sechs Hells Angels und der Bandido im Vorraum aneinandergeraten. Die Polizei führte die Streithähne ab und legte sie in Handschellen.

Wieder keine Aussage

Im Amthaus begann das grosse Warten, bis alle da waren, die im Gerichtssaal anwesend sein mussten.

Erst mit knapp zweistündiger Verspätung wurde die Verhandlung fortgesetzt. Hells Angels sassen keine im Saal und nur jene drei Bandidos, die vor dem Mittag befragt wurden.

Ein beschuldigter 38-jähriger Österreicher, tätowiert bis zum kahlen Scheitel, erschien im Bandidos-Shirt. Vorne ein grosser Schriftzug, am Rücken die Buchstaben Bf fB: Bandidos forever, forever Bandidos.

Wie die beiden anderen Beschuldigten, gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen zwar bereitwillig Auskunft. Sobald sich die Fragen jedoch um die blutige Auseinandersetzung in Belp vom 11. Mai 2019 oder um das Thema Bandidos drehten, erfolgte die Standardantwort: Keine Aussage dazu.

Um 14 Uhr geht es weiter

Von draussen war im Gerichtssaal nur das Dröhnen der Motorräder zu hören, als die Hells Angels nach 10.30 Uhr die Schützenmatte verliessen. Und kurz darauf die Sirenen der Polizeiautos, die an den nächsten Schauplatz ausrückten.

Um 14 Uhr soll es mit den nächsten Befragungen weitergehen.

12:01 Uhr
Keine Hells Angels im Gerichtssaal

Im Innern des Amthauses läuft der Prozess. Im Saal sitzen drei Bandidos, die befragt werden sollen. Dazu ein Bronco, aber keine Hells Angels. Denn letztere waren in die Tumulte am Morgen involviert und wurden in Handschellen abgeführt.

11:22 Uhr
Auseinandersetzung im Grauholz

Laut Kantonspolizei ist es im Grauholz zu einer Auseinandersetzung gekommen. Als die Polizei mit einem Grossaufgebot vor Ort eintraf, habe sich die Situation aber bereits wieder beruhigt gehabt. Verletzte habe es keine gegeben.

Ein Fotograf dieser Zeitung bestätigte aus dem Grauholz viel Polizeipräsenz inklusive Wasserwerfer sowie einige abgestellte Motorräder.

10:54 Uhr
Polizei rast mit Blaulicht in Richtung Neufeld

Kurz nach Abzug der Rocker ist die Polizei plötzlich mit mehreren Fahrzeugen eingeschalteten Sirenen und Blaulicht in Richtung Bierhübeli-Neufeld davongefahren. Auf dem Nordring fuhren drei Polizeiautos mit Blaulicht kurz darauf in Richtung Wankdorf.

10:44 Uhr
Letzte Hells Angels abgezogen

Nun haben auch die letzten Mitglieder der Schweizer Hells Angels die Schützenmatte verlassen. Allerdings nicht, bevor sie vorher feinsäuberlich ihren Müll zusammen gelesen und entsorgt haben.

10:41 Uhr
Der Verkehr rollt wieder

Und bereits hat die Polizei die Strassensperren entfernt, der Verkehr fliesst wieder. Die Lorrainebrücke ist jetzt wieder in beiden Richtungen befahrbar.

10:37 Uhr
Plötzlich herrscht Aufbruchsstimmung

Aufbruchsstimmung unter den Rockern: Nach einer Rede eines älteren Hells Angels und überschwänglichen Umarmungen setzt sich der grösste Teil der versammelten Biker auf ihre Motorräder und fährt auf der Schützenmattstrasse davon.

Dabei handelt es sich um jene Männer, die extra aus dem Ausland angereist sind, darunter solche aus Italien, Österreich und sehr viele aus Deutschland.
-> Video: https://unityvideo.appuser.ch/video/uv445135h.mp4

10:24 Uhr
Prozess beginnt kurz nach 10 Uhr

Mit knapp zweistündiger Verspätung hat der Prozess kurz nach 10 Uhr begonnen. Das Gericht begründet die Verspätung mit den Tumulten im und vor dem Gerichtsgebäude am Morgen. (tag)

09:13 Uhr
Grosses Polizeiaufgebot

Die Polizei ist mit einem massiven Aufgebot rund um das Gerichtsgebäude präsent. Neben zahlreichen Grenadieren steht auch wieder ein Wasserwerfer bereit. Dieser kam am Montag zum Einsatz, um die beiden Rockergruppen Hells Angels und Bandidos zu trennen. (tag)

08:49 Uhr
Prozessbeginn verzögert sich

Der Prozess hätte am Dienstagmorgen um 8.15 Uhr fortgesetzt werden sollen. Der Beginn verzögert sich allerdings. Möglicherweise hängt dies mit der Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Hells Angels und den Bandidos im Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes zusammen (siehe Eintrag unten). (tag)

08:31 Uhr
Bollwerk gesperrt – ÖV eingestellt

Die Strassen rund um das Amtshaus, wie Bollwerk und Holderstrasse, wurden von der Polizei gesperrt. Bernmobil hat den Betrieb auf den Linien 21, 20, 18 und 11 eingestellt. (tag)

08:16 Uhr
Polizei interveniert – Vier Hells Angels abgeführt

Die Polizei baut vor dem Amtshaus Gitter auf. Auf den Linien von Bernmobil kommt es beim Bollwerk wieder zu Staus und Verkehrschaos. Die Polizei verhaftet erste Hells Angels. Offenbar sind im Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes Mitglieder der Hells Angels auf Mitglieder der Bandidos los. Die Polizei setzte Gummischrot ein. Vier Hells Angels wurden in Handschellen abgeführt. (hus/mob)

07:47 Uhr
Hells Angels sind bereits wieder da

Und sie sind wieder da: Auch am zweiten Tag des Monsterprozesses gegen die 22 Rocker im Berner Amthaus haben sich mehrere hundert Personen des Rockerclub Hells Angels auf der Schützenmatte versammelt. Von ihren Gegnern, den Bandidos, ist noch nicht zu sehen.

Die Hells Angels haben heute Unterstützung von den Broncos. Auch sie haben sich auf der Schützenmatte versammelt.

Am Montag, zum Auftakt des Prozesses, kam es breits zu Scharmützeln und Steinwürfen zwischen den beiden verfeindeten Motorbike-Clubs. Die Polizei ist wiederum mit einem Grossaufgebot vor Ort, um die Gruppe zu kontrollieren. Der Prozess geht um 8.15 Uhr weiter. (mob)
(https://www.derbund.ch/zwischen-hells-angels-und-bandidos-fliegen-steine-899041161689)



nzz.ch 31.05.2022

Grosses Polizeiaufgebot auch am zweiten Tag des Rocker-Prozesses in Bern

Vor dem Regionalgericht in Bern hat am Montag der Prozess gegen 22 Mitglieder verfeindeter Rockerbanden begonnen. Hunderte von Rockern waren dazu angereist.

nel./ela. Auch am zweiten Prozesstag sind am Dienstag Mitglieder von Bandidos und Hells Angels aneinander geraten. Dies berichten verschiedene Medien. Nicht vor vor dem Gerichtseingang soll es dabei zu Scharmützeln gekommen sein, sondern auch im Amtshaus selber. Der Prozessbeginn verzögert sich daher. Die Polizei ist wieder mit einem grossen Aufgebot vor Ort.

Massives Polizeiaufgebot

Am Montagmorgen hatte der Prozess gegen 22 Mitglieder der Rockerbanden Hells Angels und Bandidos begonnen. Gut 200 Bandenmitglieder waren dazu aus der Schweiz und dem Ausland angereist. Die Lorrainebrücke und die Hodlerstrasse waren von der Polizei gesperrt worden.

Die Polizei war am Montag mit einem massiven Aufgebot vor Ort. Um eine Konfrontation zu vermeiden, hatte sie beide Gruppen vor dem Eingang des Gerichts eingekesselt. Laut den TA-Medien bestand kein Sichtkontakt zwischen den beiden Gangs. Dennoch seien am frühen Morgen Flaschen und Steine geflogen. Die Polizei habe Gummischrot und Schlagstöcke eingesetzt. Nach einem Bericht des «Blick» kam es gegen Mittag erneut zu Ausschreitungen. Auf einem Video ist zu sehen, wie die Polizei Wasserwerfer einsetzt, um die beiden Gruppen voneinander zu trennen.

    Vor dem Hintergrund eines Gerichtsprozesses stehen wir in #Bern zur Verhinderung von Ausschreitungen zwischen Motorradclubs im Einsatz. Es kam zu gegenseitigen Provokationen und Aggressionen, weshalb Mittel eingesetzt werden mussten. Rund um das Bollwerk sind Strassen gesperrt.
    — Kantonspolizei Bern (@PoliceBern) May 30, 2022

Bei dem Prozess vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland geht es um eine Auseinandersetzung in Belp im Jahr 2019. In einem Lokal, in dem die Bandidos eine Geburtstagsfeier veranstalteten, sollen Mitglieder beider Gangs mit Holzstöcken, Eisenstangen und Messern aufeinander losgegangen sein.

Beteiligung an einem Raufhandel

Auslöser dafür war laut Anklageschrift, dass Mitglieder ausländischer Bandidos-Gruppen an einer Ausstellung ihre Kutten und weitere Gang-Symbole offen getragen hatten. Das hätten die Hells Angels und die mit ihnen befreundeten Broncos als Provokation aufgefasst, insbesondere, weil sie vermutet hätten, dass die Bandidos in der Schweiz eine Sektion gründen wollten.

Insgesamt listet die Anklageschrift neben diversen kleineren Verletzungen bei fünf Männern schwerwiegendere Verletzungen auf, etwa tiefe Schnitt- und Rissquetschwunden. Weil über den genauen Tathergang wenig bekannt ist und Gangmitglieder üblicherweise vor Gericht kaum Aussagen machen, kann kaum jemand wegen Körperverletzung angeklagt werden. Stattdessen müssen sich die meisten Angeklagten wegen Beteiligung an einem Raufhandel verantworten. Die Höchststrafe darauf ist mit drei Jahren relativ gering. Zwei Männern wird zudem versuchte vorsätzliche Tötung, eventuell schwere Körperverletzung, vorgeworfen. Ein Mann ist wegen schwerer Körperverletzung, allenfalls Versuchs dazu, angeklagt.
(https://www.nzz.ch/panorama/ausschreitungen-vor-rocker-prozess-in-bern-ld.1686416)



nzz.ch 31.05.2022

Rockerkrieg in Bern: Die Gewalt ist auch Teil einer Inszenierung, um scheinbare Stärke zu markieren

Die Gewaltexzesse verfeindeter Rockergruppen vor einem Gericht in Bern beunruhigen. Sie scheinen die Bedrohung durch ein wenig beachtetes Milieu zu belegen. Die demonstrativ vorgetragene «toxische Männlichkeit» ist kein Zufall.

Daniel Gerny

Solche Szenen erinnern eher an Bandenkriege in amerikanischen Grossstädten als an einen Strafprozess am Regionalgericht an der beschaulichen Hodlerstrasse in Bern: Männer in martialischen Lederjacken sind aus halb Europa angereist, um Präsenz zu markieren. Mit Absperrgittern versucht die Polizei, die verfeindeten Gruppen auseinanderzuhalten, doch die Rocker bewerfen sich mit Steinen. Pfefferspray und Gummischrot sind nötig, um eine Eskalation zu verhindern. Wenn der Begriff der «toxischen Männlichkeit» einmal ins Schwarze trifft, dann beim Anblick der Bilder von Bern.

Sie scheinen die Bedrohung durch ein Milieu zu dokumentieren, das in der Schweiz in letzter Zeit gewachsen ist. Vor Gericht stehen in einem einzigen Verfahren 22 Beschuldigte, denen teilweise schwere Delikte bis hin zur versuchten vorsätzlichen Tötung zur Last gelegt werden. Vor drei Jahren war es in Belp zu Gewaltexzessen mit Messern und Schusswaffen gekommen, weil die Hells Angels ein ihnen angeblich zustehendes Territorium gegen die neu aufgetauchten Bandidos verteidigen wollten.

In deutschen Bundesländern verboten

Verfeindete Rockergruppen haben in der Schweiz schon mehrfach Auseinandersetzungen ausgetragen. So landeten vor drei Jahren Mitglieder der Hells Angels im Aargau vor Gericht, nachdem sie Anhänger eines Konkurrenzklubs ins Visier genommen hatten. Laut dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) ist in der Szene der Rocker- und rockerähnlichen Gruppierungen ein «ernstzunehmendes Konfliktpotenzial» vorhanden. Im Ausland ist die Bedrohung noch gravierender. In mehreren deutschen Bundesländern sind Rockerklubs verboten, für die Bandidos gilt dies seit 2021 bundesweit. In den Niederlanden ging die Justiz gegen verschiedene Gruppen vor, weil sie in Erpressungen, Menschenhandel und Mord verwickelt waren.

Auch die Schweiz hat vor einigen Jahren versucht, die Hells Angels auf Bundesebene und als Teil des organisierten Verbrechens zu bekämpfen. 2004 fuhr die Polizei auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft zum Hauptquartier in die Zürcher Langstrasse, beschlagnahmte Waffen und Drogen, nahm dreizehn Rocker fest. Doch die Grossrazzia entpuppte sich als Schlag ins Wasser. Die Bundesanwaltschaft musste die Anklage wegen organisierter Kriminalität aus Mangel an Beweisen fallenlassen. Und die Strafen, die Jahre später für die übrigen Delikte ausgesprochen wurden, fielen ernüchternd mild aus. Die Aktion zählt zu den grössten Flops der Bundesanwaltschaft.

Exzesse sind inakzeptabel

Inzwischen gilt es in der Schweiz als übertrieben und unrealistisch, die Gangs als kriminelle Organisationen bekämpfen zu wollen. Zwar weisen sie gewisse Parallelen zu mafiösen Vereinigungen auf, zum Beispiel in Bezug auf die hierarchische Struktur oder die territorialen Ansprüche. Doch bezeichnenderweise konnte in der Schweiz bisher kein Motorradrocker wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation verurteilt werden. Es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass das Milieu zur ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Sicherheit wird. Auch die Voraussetzungen für Organisationsverbote nach ausländischem Vorbild sind in der Schweiz deutlich strenger, nicht zuletzt als Folge des liberalen Vereinsrechtes.

So befremdlich die Bilder von Bern wirken: Die in aller Öffentlichkeit ausgetragene Randale ist auch Teil einer Inszenierung zur Markierung scheinbarer Stärke. Die Exzesse sind zwar inakzeptabel, und es ist gut, dass die Polizei entschieden dagegen vorgeht. Und doch wäre es falsch, in Panik zu geraten. So steht der Prozess am Regionalgericht an der Hodlerstrasse 7 in Bern auch für ein Stück Schweizer Normalität: Wer gewalttätig und kriminell ist, wird bestraft – ganz egal, was draussen vor dem Gerichtsgebäude gerade abgeht.
(https://www.nzz.ch/meinung/rockerkrieg-in-bern-die-gewalt-ist-teil-einer-inszenierung-um-scheinbare-staerke-zu-markieren-ld.1686619)



derbund.ch 31.05.2022

Bandenkrieg in Bern: «Es geht den Clubs darum, ihr Revier abzustecken»

Motorradclubs wie die Hells Angels oder die Bandidos seien attraktiv für Personen mit kriminellem Hintergrund, sagt Experte Amir Rostami.

Simon Wälti

Die Wahrnehmung der Motorradclubs in der Öffentlichkeit ist zwiespältig: Sind es freiheitsliebende, gemütliche Bartträger, welche die Kameradschaft und Männerrituale pflegen und mit lauten Motorrädern herumfahren, oder handelt es sich um streng hierarchisch organisierte, kriminelle Gangs, die ein internationales Verbrechersyndikat bilden? Der schwedische Kriminologe Amir Rostami hat in diesem Umfeld geforscht und insbesondere die Kriminalität dieser Organisationen, die manchmal «Outlaw Motorcycle Clubs» genannt werden, untersucht.

Herr Rostami, geht es nun bei den Hells Angels und den Bandidos eher um die Motorräder oder darum, mit Verbrechen Geld zu verdienen?

Ich muss vorausschicken, dass die Bezeichnung «Outlaw Motorcycle Clubs» etwas umstritten ist. Wenn man mit Strafverfolgungsbehörden spricht, handelt es sich um kriminelle Organisationen. Das propagierte Bild ist dagegen das einer einzigartigen Biker-Kultur. Es sind aber beide Aspekte gleichzeitig vorhanden. Es gibt, wie ich sie nenne, die Radikalen und die Konservativen. Für die Konservativen stehen das aufrechte Rebellentum, die Freundschaft und der Lebensstil im Vordergrund. Die Radikalen interessieren sich für die sich bietenden Verdienstmöglichkeiten innerhalb eines kriminellen Netzwerks.

Ausgelöst wurden die Auseinandersetzungen in der Schweiz, weil die Hells Angels durch das Auftreten der Bandidos ihr Monopol bedroht sahen. Wie schätzen Sie das ein?

Es ist nicht erstaunlich, dass Konflikte entstehen, wenn sich eine Gruppe neu etablieren will. Das ist immer eine Phase, in der es zu Auseinandersetzungen kommt. Bei den Hells Angels und den Bandidos gibt es ausserdem eine lange zurückreichende Rivalität. Die Etablierung einer neuen Organisation kann auch immer das Gefüge der Organisierten Kriminalität verändern. Ein gewisses Potenzial zur Eskalation ist also vorhanden.

Die Schweiz galt lange als ein ruhiges Pflaster, in Skandinavien tobte in den 1990er-Jahren dagegen ein richtiger Krieg. Was geschah da genau?

In den Jahren zwischen 1994 und 1997 kam es zu zahlreichen Schiessereien und Gewaltvorfällen. Es wurden auch Raketenwerfer und Sprengstoffe eingesetzt. Das wird als der grosse nordische Rocker-Krieg bezeichnet. 1997 verständigten sich die Hells Angels und die Bandidos darauf, keine anderen Biker Gangs zuzulassen. In der Folge gibt es aber Auseinandersetzungen mit kriminellen Street Gangs. Generell kann man sagen, dass in den nordeuropäischen Ländern Schweden, Dänemark, Deutschland und in den Niederlanden die Probleme grösser sind als andernorts.

Vor dem Gerichtsgebäude in Bern sah man Bandidos, die, nach den Aufschriften auf ihren Kutten zu schliessen, aus Schweden, Dänemark, den Niederlanden und anderen Ländern stammen. Was haben die in Bern zu suchen?

Die Motorradclubs sind in Chapter oder Charter aufgebaut, darüber gibt es Landesorganisationen und solche für einen Kontinent. Grundsätzlich sind die Länder unabhängig und lösen ihre Probleme selber. In einem so aufsehenerregenden Fall ist es wichtig, Stärke zu zeigen. Man darf das Gesicht nicht verlieren, darum rückt Verstärkung aus dem Ausland an.

Die beiden Seiten gingen auch vor dem Gerichtsgebäude aufeinander los. Wie ist das einzustufen?

Es geht den Clubs darum, ihr Revier abzustecken. Das ist ein primitives Denken, hat aber in diesem Umfeld seine Logik.

Die Mitglieder der Motorradclubs geraten oft mit dem Gesetz in Konflikt. Der Hauptangeklagte hat schon etliche Jahre hinter Gittern verbracht. Ist das typisch?

Wir haben die Situation in Schweden untersucht. Es zeigte sich, dass ein hoher Prozentsatz der Mitglieder in verschiedene kriminelle Aktivitäten verwickelt ist. In den Niederlanden wurde Ähnliches festgestellt. Die Clubs sind attraktiv für Personen, die schon einen kriminellen Background haben. Zudem gibt es in ihnen generell eine hohe Akzeptanz, Verbrechen zu begehen.

Haben Sie Unterschiede bei den Gründen für die Verbrechen gefunden?

Auf der einen Seite gibt es Delikte, die ein gewisses Mass an Planung bedingen und strategisch ausgerichtet sind. Darunter gehört auch die Wirtschaftskriminalität. Daneben gibt es viele Delikte, die impulsiv begangen werden – da zählt etwa eine Schlägerei in einer Bar dazu. Auffällig ist weiter, dass es eine Arbeitsteilung gibt. Drogen- und Gewaltdelikte werden eher von niedrig eingestuften Mitgliedern oder von sogenannten Supportern begangen.

Welche Vorteile bringt die Mitgliedschaft für Kriminelle?

Man hat eine mächtige Organisation im Rücken und erhält mehr Optionen, indem man auf ein Netzwerk zurückgreifen kann, das die Begehung von Straftaten erleichtert. Es kommt zu Kollaborationen in verschiedenen Zusammensetzungen auch über die Landesgrenzen hinweg. Es ist aber auch zu sagen, dass man nicht kriminell sein muss, um Mitglied zu sein. Die Loyalität zum Club steht ganz oben.

In Deutschland gibt es ein Verbot der Kutten mit den Aufschriften. Einzelne Chapter von Motorradclubs sind verboten. Wie beurteilen Sie das?

Grundsätzlich finde ich Massnahmen, welche die Expansion der Gangs schwieriger machen, gut und richtig. Die Aufschriften sind auch ein Machtsymbol und können andere einschüchtern. Ein allgemeines Verbot der Clubs war bisher meines Wissens nicht erfolgreich.

In der Schweiz endete ein gross angelegter Rockerprozess vor rund zehn Jahren mehr oder weniger in einer Pleite. Die Strafverfolgung in diesem verschwiegenen Milieu scheint schwierig, oder?

Das stimmt. Polizei und Justiz sollten aber aktiv und sehr wachsam sein, um Organisation und Ausbreitung zumindest zu behindern. Eine Möglichkeit ist auch, die Einrichtung von Clubhäusern zu erschweren. Zudem sollte man sich nicht auf die eigentlichen Mitglieder und die sichtbare Gewalt beschränken, sondern auch die Geldflüsse verfolgen: Häufig ist ein Netzwerk von Anwälten und Buchhaltern involviert.

Werden die Motorradclubs in den Medien oder auch in der Populärkultur trotz ihrer Gewaltbereitschaft nicht auch romantisiert?

In diesem Bereich ist tatsächlich einiges schiefgelaufen, vor allem als sich diese Clubs zu etablieren begannen. Sie haben das auch ausgenutzt und haben sich etwa in Interviews entsprechend positiv inszeniert und so die Medien instrumentalisiert. In den letzten Jahren ist man sich aber dieser Problematik stärker bewusst geworden.



Experte für Organisierte Kriminalität

Der schwedische Kriminologe und Extremismusforscher Amir Rostami unterrichtet an der Universität von Gävle in Schweden und forscht am Institut for Futures Studies in Stockholm. Er ist auch Polizeioffizier.
(https://www.derbund.ch/es-geht-den-clubs-darum-ihr-revier-abzustecken-126518364945)