Medienspiegel 30. Mai 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Fragen zum Rückkehrzentrum Enggistein beantwortet
Der Regierungsrat des Kantons Bern beantwortete diverse Fragen, die Karin Berger, SP-Grossrätin aus Grosshöchstetten, zum Rückkehrzentrum Enggistein gestellt hatte. Für die Bewohnenden und ihre Kinder sei gesorgt, die Organisation “Save the Children” sei in beratender Funktion tätig, heisst es  in der Antwort.
https://www.neo1.ch/artikel/fragen-zum-rueckkehrzentrum-enggistein-beantwortet



derbund.ch 30.05.2022

Wegen Unruhen und Fremdschläfern: Kameras sollen Rückkehrzentren sicherer machen

Der Kanton Bern will die Asylunterkünfte in Gampelen und Aarwangen mit Videoüberwachung ausstatten. Die Flüchtlingshilfe übt Kritik.

Michael Bucher

In zwei von fünf Rückkehrzentren für abgewiesene Asylbewerber will die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern Überwachungskameras installieren. Dies geht aus einer Publikation im Amtsblatt hervor. Es handelt sich dabei um die von der ORS Service AG betriebenen Unterkünfte in Gampelen und Aarwangen. Die Anschaffung kostet rund 100’000 Franken.

«Vorliegend dient die Videoüberwachung der Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner sowie des Personals», schreibt das zuständige Amt für Bevölkerungsdienste (Abev) auf Anfrage. Dass es gerade in diesen beiden Unterkünften häufiger zu Problemen komme, liege vor allem an der Zusammensetzung der Bewohnerschaft. Diese bestehe vorwiegend aus alleinstehenden Männern. Darunter gebe es einige mit Alkohol- oder anderen Suchtproblemen und solche, die sich in den Drogenhandel einspannen liessen, hält das Abev fest. Das kann offenbar zu Reibereien führen.

Die Videoüberwachung soll weiter als vorbeugende Massnahme gegen sogenannte Fremdschläfer dienen. Dabei handelt es sich laut dem Amt um abgewiesene Asylsuchende, die als untergetaucht gelten oder denen ein Hausverbot auferlegt wurde. Diese versuchen offenbar regelmässig, in die Rückkehrzentren zu gelangen, um dort zu übernachten.

Nur in den Gängen wird gefilmt

Liesse sich das Problem nicht mit einer Einlasskontrolle durch einen Sicherheitsdienst lösen? Das Abev verneint: Das Areal mit den verschiedenen Gebäuden und Nebeneingängen sei äusserst komplex. «Eine reine Eingangskontrolle beim Haupteingang ist ungenügend.»

Der Kanton Bern ist mit seinem punktuellen Einsatz von Überwachungskameras indes kein Einzelgänger. In anderen Kantonen kommt dieses Instrument zum Teil ebenfalls zum Tragen. Und auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) setzt in seinen sechs Bundesasylzentren schon länger auf Videoüberwachung.

Wie das SEM will auch der Kanton Bern seine Unterkünfte nicht lückenlos überwachen. Kameras sollen nur im Aussenbereich, bei den Gebäudeeingängen und in den Gängen im Innern installiert werden. Nicht betroffen sind die Schlafräume und die Sanitäranlagen.

Während in Aarwangen bloss eine Echtzeitüberwachung zum Einsatz kommt, bleiben in Gampelen die Aufnahmen bis zu drei Tage gespeichert, ehe sie gelöscht werden. Grund für die Aufzeichnungsfunktion ist gemäss Abev der lange Anfahrtsweg, der etwa das Eintreffen der Polizei stark verzögere. Grundsätzlich ist es nur der Kantonspolizei gestattet, die Aufzeichnungen auszuwerten.

Frust wegen Perspektivlosigkeit

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeigt sich wenig begeistert vom Vorhaben des Kantons. Während die Organisation für die Überwachung im Eingangsbereich noch ein gewisses Verständnis aufbringt, lehnt sie Kameras im Innern der Unterkunft strikt ab. Sie sieht dabei die Privatsphäre der Geflüchteten zu stark beeinträchtigt.

«Wir halten eine weitere Verschärfung des Kontrollregimes in den Rückkehrzentren für nicht sinnvoll. Kontrolle ist nicht unbedingt die beste Form, Gewalt zu verhindern», sagt Eliane Engeler, Mediensprecherin bei der Flüchtlingshilfe. Ihr Vorschlag: mehr in die soziale Betreuung der abgewiesenen Asylsuchenden investieren.

Diese erhalten lediglich 8 Franken Nothilfe pro Tag. Arbeiten ist ihnen nicht erlaubt, auch gibt es für sie kaum Beschäftigungsmöglichkeiten. Dass dies zu Frust führen kann, liegt auf der Hand. Die Antifolterkommission des Bundes sprach dieses Jahr in einem Bericht von einer «allgegenwärtigen Perspektivlosigkeit», die den Bewohnern psychisch zusetze.
(https://www.derbund.ch/kameras-sollen-rueckkehrzentren-sicherer-machen-125742648584)

-> Verfügung Gampelen: https://amtsblatt.be.ch/#!/search/publications/detail/673ccb39-2e45-4b33-8ab9-90d1bab6b3d7
-> Verfügung Aarwangen: https://amtsblatt.be.ch/#!/search/publications/detail/17f720d4-2f45-48bf-8cf2-5b3dc8ac46a7


+++AARGAU
Erste Flüchtlinge aus Ukraine ab dieser Woche im Hotel Lenzburg
Das ehemalige Hotel Lenzburg, im Zentrum, wird zur Flüchtlingsunterkunft. Über 60 Personen finden Platz, Frauen, Kinder und Familien. Die Stadt, Gwerbe, Parteien und Zivilschutz helfen vor Ort oder mit Sachspenden. Die Unterkunft wird von einer Ukrainerin geleitet, die beide Sprachen spricht. (ab 07:14)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/erste-fluechtlinge-aus-ukraine-ab-dieser-woche-im-hotel-lenzburg?id=12199337
-> https://www.telem1.ch/aktuell/unterkunft-fuer-ukrainische-fluechtlinge-leerstehendes-hotel-in-lenzburg-wird-fuer-einen-guten-zweck-umgenutzt-146686920


+++ST. GALLEN
Der Kanton St. Gallen hat punkto Unterbringung von Ukraine-Flüchtlingen gegenüber anderen Ostschweizer Kantonen aufgeholt.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/wer-wird-premieren-gemeindepraesident-von-neckertal?id=12199391


+++SCHWEIZ
Neuer Schutzstatus statt vorläufige Aufnahme
Die Ungleichbehandlung von Geflüchteten mit Schutzstatus S gegenüber anderen Kriegsvertriebenen zeigt: es besteht Handlungsbedarf, damit alle Schutzberechtigten in der Schweiz gleichen Zugang zu grundlegenden Rechten haben. Aus Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) braucht es einen neuen Anlauf zur Reform der vorläufigen Aufnahme. Die SFH fordert, den F-Ausweis durch einen positiven Schutzstatus zu ersetzen, der eine rasche und nachhaltige Integration ermöglicht.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/neuer-schutzstatus-statt-vorlaeufige-aufnahme
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/gegen-ungleichbehandlung-schweizer-fluechtlingshilfe-fordert-neuen-schutzstatus



Flüchtlingskrise: Das Leben in der Gastfamilie
Schätzungsweise 25’000 Flüchtlinge aus der Ukraine sind in der Schweiz in Privathaushalten untergekommen. Doch wie gestaltet sich ein solches Zusammenleben? Das Beispiel aus Riggisberg im Kanton Bern zeigt: Es fehlt vor allem an Zukunfts-Perspektiven.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/fluechtlingskrise-das-leben-in-der-gastfamilie?partId=12199220


+++MITTELMEER
Italien nimmt 294 Flüchtlinge von der «Ocean Viking» auf
Nach elf Tagen auf dem Mittelmeer kann das Rettungsschiff «Ocean Viking» mit 294 Flüchtlingen an Bord nun in Sizilien anlegen.
https://www.nau.ch/news/europa/italien-nimmt-294-fluchtlinge-von-der-ocean-viking-auf-66189715


+++EUROPA
Grenzschutz und Frontex auf die Finger schauen
An sämtlichen EU-Aussengrenzen finden regelmässig schwerste Menschenrechtsverletzungen statt. Völkerrechtswidrige Zurückweisungen, Folter, Misshandlungen und Todesopfer nach illegalen Pushbacks gehören mittlerweile zum grausigen Alltag des europäischen «Migrationsmanagements».
Irritierend sei, dass es bisher kaum Untersuchungen oder Verfahren, geschweige denn Bestrafungen der Täter*innen in Uniform gegeben habe, sagt Karl Kopp, Leiter Europa von Pro Asyl.
https://rabe.ch/2022/05/30/grenzschutz-und-frontex-auf-die-finger-schauen/


+++GASSE
Bern: Notschlafstelle Pluto für Jugendliche eröffnet – Schweiz Aktuell
Seit diesem Wochenende bietet die Notschlafstelle Pluto in Bern Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 14 Jahren in Notsituationen kostenlos Obdach, Schutz und Sicherheit. Eine Betroffene erzählt, warum so ein Angebot für sie wichtig gewesen wäre.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/bern-notschlafstelle-pluto-fuer-jugendliche-eroeffnet?urn=urn:srf:video:0071fe4b-6df5-4b8f-adbc-5d4dca6b3bad


Jahresbericht Sucht: Die Situation im zweiten Pandemiejahr
Der Jahresbericht Sucht 2021 der Stadt Bern zeigt auf, dass die pandemiebedingten Herausforderungen im Sucht-, Obdachlosen- sowie Armutsbereich auch im Berichtsjahr hoch waren. Dennoch hat eine gewisse Normalisierung stattgefunden und es standen auch wieder vermehrt andere Themen im Fokus.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/jahresbericht-sucht-die-situation-im-zweiten-pandemiejahr


150 bewerben sich auf eine Wohnung in Zug: Verzweifelte Suche nach einer Wohnung für Obdachlose
Wohnung verzweifelt gesucht: In Zug setzt sich der Verein «Ein Bett für Obdachlose» dafür ein, Obdachlose in Wohnungen unterzubringen. Es ist eine Herkules-Aufgabe.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/verzweifelte-suche-nach-einer-wohnung-fuer-obdachlose-2373113/


RE-OUVERTURE DE L’HEBERGEMENT D’URGENCE TRANSITOIRE ET AUTOGERE
L’hébergement d’urgence transitoire et autogéré s’est installé à nouveau à Lausanne, au Chemin Isabelle-de-Montolieu 19, dans les jardins de la Haute école de travail social de Lausanne (HETSL). Toutes les personnes sans solution de logement sont les bienvenues.
https://renverse.co/infos-locales/article/re-ouverture-de-l-hebergement-d-urgence-transitoire-et-autogere-3575


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Demos in Basel: «Jetzt müssen wir reden»
In Basel wird so viel demonstriert, wie noch nie. Der Kanton will die Kontrolle nicht verlieren. Im Talk diskutieren die Gäste über dieses Thema.
https://telebasel.ch/2022/05/26/demos-in-basel-jetzt-muessen-wir-reden


«Nur Ja heisst Ja»: Wäscheleine-Aktion für Zustimmungsprinzip im Sexualstrafrecht
Auf dem Waisenhausplatz in Bern wurde am Montagmittag mit aufgehängter Unterwäsche für ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht demonstriert.
https://www.derbund.ch/waescheleine-aktion-fuer-zustimmungsprinzip-im-sexualstrafrecht-912663746766


+++KNAST
ajour.ch 30.05.2022

Ausbau: Das Grosse Moos wird zur Gefängnishochburg

Der Bau eines zweiten Gefängnisses in Witzwil ist nicht der einzige Ausbau im Grossen Moos: Auch die freiburgische Strafanstalt Bellechasse wird erweitert.

Beat Kuhn

Der Unterhalt des Regionalgefängnisses Biel, das über gut 40 Plätze verfügt, wird immer teurer – es wäre nun eine umfassende Sanierung nötig. Stattdessen ist aber ein Neubau geplant. Dafür sind rund 40 Standorte geprüft worden – auch der bisherige in Biel.

Schliesslich hat sich der Kanton aber dafür entschieden, ihn neben den bestehenden Anstalten Witzwil bei Ins zu bauen. Und zwar, weil man dort erhebliche Landreserven mit beträchtlichem Planungsspielraum besitzt und Synergien nutzen kann: Wenn ein Häftling vom geschlossenen Vollzug im geplanten neuen Gefängnis für die Reststrafe in den offenen Vollzug wechseln darf, um auf die Entlassung vorbereitet zu werden, kann er dies gleich nebenan in den Anstalten Witzwil tun. Ausserdem lassen sich Verwaltung, Sicherheits- und Gesundheitsdienst, Energieversorgung, Logistik und Einkauf zusammenlegen.

Das geplante neue Gefängnis wird massiv mehr Haftplätze zur Verfügung haben als jenes in Biel, welches es ersetzt: 100 Plätze für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie 150 Plätze für den geschlossenen Strafvollzug, also alles in allem 250. In Betrieb gehen soll es um 2032, als Kosten veranschlagt sind 280 Millionen Franken.

Bloss ein Paar Kilometer weiter östlich liegt die freiburgische Strafanstalt Bellechasse – wie Witzwil allein auf weiter Flur im Grossen Moos. Nächstgelegene Ortschaft ist etwa zwei Kilometer südwestlich Sugiez am Nordende des Murtensees. Hauptsächlich beherbergt Bellechasse Personen, die von den Gerichten der Westschweizer Kantone oder des Tessins verurteilt worden sind, sowohl im geschlossenen als auch im offenen Vollzug. Die ersten Bauten der Institution sind Anfang des 20. Jahrhunderts erstellt worden. Zuletzt hinzugekommen ist 2010 ein Gebäude mit 40 Zellen.

Sicherer dank Trennung im Vollzug

Nun wird mit der grossen Kelle angerührt: Der sogenannte Pavillon wird um einen Anbau mit 66 Zellen für den offenen Vollzug erweitert. Heute sind die Häftlinge im offenen Vollzug zum Teil im gleichen Gebäude untergebracht wie jene im geschlossenen Vollzug. Durch den Anbau wird es möglich, die beiden Bereiche strikt zu trennen. Solange dies nicht der Fall ist, ist beispielsweise die Gefahr grösser, dass Dinge reingeschmuggelt werden. Künftig wird Bellechasse 100 Haftplätze im geschlossenen sowie 100 im offenen Vollzug zur Verfügung haben.

Im Rahmen der Bauarbeiten, die im April begonnen haben und rund zwei Jahre dauern dürften, wird überdies ein neues Empfangsgebäude realisiert. In diesem werden der Essraum, der Empfang und die Besuchsräume für die Gefangenen im offenen Vollzug untergebracht. Auch entsteht ein Gesundheitszentrum, also ein kleines Spital, in dem die Häftlinge körperlich oder psychisch versorgt werden können. Zudem wird ein Bau mit gesicherten Werkstätten erstellt, damit für die Gefangenen im geschlossenen Vollzug genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Und schliesslich sind Arbeiten an der Infrastruktur geplant. Zum Beispiel werden das Wasserleitungsnetz unddas Stromnetz erneuert, und auf den Dächern wird eine Fotovoltaikanlage installiert.

Die Kosten dieses Projekts belaufen sich auf 38 Millionen Franken: 27,7 Millionen Franken davon zahlt der Kanton, den Rest der Bund und das Strafvollzugskonkordat mit der Westschweiz und dem Tessin.

Für ganzen Kanton nur Bellechasse

Im Rahmen einer zweiten Etappe soll dann noch ein Gebäude für Untersuchungshaft erstellt werden. Dieses soll das Zentralgefängnis in der Altstadt von Freiburg ersetzen. Dieses hat in den letzten Jahren mehrmals Schlagzeilen gemacht, etwa wegen des Ausbruchs eines Mörders mit zusammengeknüpften Leintüchern – der mittlerweile übrigens wieder in Haft ist. Ziel des Projekts ist, dass sämtliche Gefangene des Kantons Freiburg am Standort Bellechasse untergebracht werden können.

Dann wird das Grosse Moos vollends zur Gefängnishochburg geworden sein.



Parallelen bei Witzwil und Bellechasse

– Sowohl die Anstalten Witzwil des Kantons Bern als auch die Strafanstalt Bellechasse des Kantons Freiburg sind der ersten Juragewässerkorrektion zu verdanken. Denn beide stehen auf Land im Grossen Moos, das zuvor durch wiederkehrende Überschwemmungen versumpft war und erst durch sie gewonnen werden konnte.
– Beide Gefängnisse führen einen riesigen landwirtschaftlichen Betrieb für Arbeiten im offenen Vollzug. Jener von Witzwil ist der grösste der Schweiz, jener von Bellechasse der zweitgrösste.
– Beide Anstalten hatten einen prominenten Insassen: In Witzwil war von 1925 bis 1926 der Schriftsteller Friedrich Glauser administrativ versorgt. In Bellechasse sass der wegen Landesverrats verurteilte Brigadier Jean-Louis Jeanmaire aus Biel ein.



Geschlossener oder offener Vollzug

Bei der Unterbringung in Gefängnissen wird allgemein zwischen geschlossenem und offenem Vollzug unterschieden:

– Im geschlossenen Vollzug untergebracht werden Häftlinge, die schwere Delikte gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität begangen haben. Dieser Bereich muss sehr gut nach aussen gesichert sein: Verriegelte Türen, Überwachungskameras, Stacheldraht und hohe Mauern sollen die Gefangenen an der Flucht hindern.
– Im offenen Vollzug sind Personen, die weniger gravierende Verbrechen begangen haben oder vor der Entlassung stehen und auf die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet werden müssen. Die Werkstätten sind nicht gesichert. Im offenen Vollzug gibt es nur geringe oder keine Sicherungsvorkehrungen gegen eine Flucht.
(https://ajour.ch/story/das-grosse-moos-wird-zur-gef%25C3%25A4ngnishochburg/12855)


+++POLIZEI ZH
nzz.ch 30.05.2022

Zürichs Polizeikommandant Daniel Blumer fordert von der Politik mehr Taser für sein Korps. Doch hält das Elektroschockgerät wirklich, was es verspricht?

Die Politik in der Stadt Zürich reagiert zurückhaltend auf den Wunsch der Polizei.

Fabian Baumgartner, Jan Hudec

Die Kantonspolizisten setzten auf Taser statt auf Schusswaffen. Als sie am 27. März 2021 bei einem Haus im Zürcher Oberland ankamen, öffnete ihnen eine verletzte, blutende Ehefrau die Tür. Der eigentlich von ihr getrennt lebende Ehemann befand sich ebenfalls im Haus – trotz Kontaktverbot. Der Mann hielt sich ein Messer an den Hals und ging damit auf die Polizisten zu. Dann plötzlich drehte er sich zu seiner Frau um, machte einen Schritt auf sie zu und stiess das Messer in ihre Richtung.

In diesem Augenblick feuerten zwei der vier anwesenden Polizisten ihre Taser ab. Der Mann fiel zu Boden. Als die Wirkung der Taser nach wenigen Sekunden nachliess, schlitzte er sich mit dem Messer selber den Hals auf. Mit stark blutender Wunde stand er wieder auf, ging mit erhobenem Messer erneut auf die Polizisten zu und sagte, sie sollten ihn umbringen. Die Polizisten setzten ihre Taser noch mehrere Male ein, bis sie den Mann schliesslich fixieren konnten.

Alte Debatte neu lanciert

Taser statt Schusswaffen – an Einsätze wie diesen dürfte der Stadtzürcher Polizeikommandant Daniel Blumer gedacht haben, als er kurz vor seinem Abtritt am 31. Mai die alte Debatte um den Taser neu lancierte. Im Interview mit der NZZ sagte er: «Ich bin der Meinung, dass mehr Polizisten Taser tragen sollten.»

In seinen neun Jahren in Zürich habe es zwei polizeiliche Schusswaffeneinsätze mit Verletzungsfolge gegeben, sagte Blumer. In beiden Fällen wären Taser aus seiner Sicht das bessere Mittel gewesen. «Taser-Einsätze sind im Gegensatz zu Schusswaffeneinsätzen nicht tödlich.»

Doch bis anhin ist in der Stadt Zürich nur Angehörigen der Interventionseinheit die Nutzung der Elektroschock-Waffe erlaubt, die den Getroffenen mit einem Stromstoss für kurze Zeit ausser Gefecht setzt. 24 solcher Geräte besitzt die Stadtpolizei Zürich. In Zukunft soll nach dem Willen Blumers jede Patrouille einen Taser mit sich führen.

Blumer ist mit seiner Forderung nicht allein. So sagte Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter, kürzlich in der Sendung «10 vor 10» des Schweizer Fernsehens, sie sehe keinen Grund, wieso Patrouillen nicht sofort mit Tasern ausgerüstet werden sollten. Es sei das mildeste Mittel, wenn Polizistinnen und Polizisten in Gefahr gerieten.

Doch eine flächendeckende Einführung der Taser ist umstritten. Kritiker warnen vor schweren gesundheitlichen Folgen, die der Einsatz für Betroffene haben könne – für Menschen unter Drogeneinfluss oder mit bestimmten Vorerkrankungen etwa. Zudem fürchten die Skeptiker, die Geräte würden inflationär angewendet.

Die entscheidende Frage lautet deshalb: Halten Taser, was sich die Polizei von ihnen verspricht?

Erstmals weniger Taser-Einsätze

Der Blick auf die Statistik zeigt: Während Jahren nahm die Zahl der Taser-Einsätze zu. Im letzten Jahr sah es jedoch anders aus: Erstmals wurden die Geräte wieder seltener angewendet. Insgesamt 81 Mal kamen die Elektroschock-Waffen laut einer Erhebung der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten 2021 zum Einsatz. Das sind 15 Einsätze weniger als 2020.

Zum Vergleich: Die Zahl der Schusswaffeneinsätze pendelte sich in den vergangenen Jahren auf tiefem Niveau ein. Im Jahr 2021 wurde mit insgesamt sechs Schusswaffeneinsätzen ein neuer Tiefstand erreicht.

Einer, der sich jahrelang mit Taser-Einsätzen beschäftigt hat, ist Fritz Lehmann. Er ist vor kurzem als Kommandant der Stadtpolizei Winterthur abgetreten und arbeitet nun als Dozent im Polizei- und Sicherheitsbereich. Lehmann war an der Ausarbeitung eines Leitfadens zum Umgang von Schweizer Polizistinnen und Polizisten mit Tasern beteiligt.

Die Forderung von Daniel Blumer hält er für sinnvoll. Vor dreissig Jahren seien in der Schweiz noch weit über hundert Schusswaffeneinsätze pro Jahr verzeichnet worden, inzwischen seien sie selten geworden. Dazu habe auch der Taser beigetragen. Lehmann sagt: «Es ist auf jeden Fall besser, den Taser einzusetzen als eine Schusswaffe.»

Er hat die emotionalen Debatten um das Gerät miterlebt. Dass Taser derart umstritten seien, hänge vor allem mit den schlechten Erfahrungen im Ausland zusammen, besonders in den USA. «Teilweise sind die Bilder, die uns von dortigen Polizeieinsätzen bekannt sind, tatsächlich schockierend.»

Allerdings, sagt Lehmann, entspreche der Umgang in den USA und anderen Staaten bei weitem nicht den Standards in der Schweiz. Im Kanton Zürich etwa gebe es in den Korps klare Weisungen, in welchen Situationen ein Destabilisierungsgerät überhaupt eingesetzt werden dürfe. Die Polizisten müssten geschult werden, zudem müsse ein Einsatz wenn immer möglich angekündigt werden, etwa mit dem Ruf: «Polizei, Achtung, Taser!» Wenn ein Taser abgefeuert werde, müsse ein Arzt gerufen und der Vorfall immer intern gemeldet werden.

Zurückhaltende Reaktion bei Rykart

Zurückhaltend auf die Forderung reagiert dagegen Blumers Vorgesetzte Karin Rykart. Man wisse vom Wunsch der Polizei, hält ihr Sprecher Mathias Ninck fest. Departementsintern seien zusätzliche Taser derzeit jedoch kein Thema.

Weiter ist man bei anderen Korps. Die Kantonspolizei Zürich hat im letzten Jahr angekündigt, die Einsatzkräfte mit bis zu 191 neuen Tasern auszurüsten. Über einen Taser verfügen dabei nicht nur Mitglieder der Spezialeinheit, sondern beispielsweise auch solche der Regionalpolizei.

In der Stadt Basel sind die Destabilisierungsgeräte seit 2007 im Einsatz. Zunächst wurden nur Mitarbeiter der Sondereinheit am Taser ausgebildet, ab 2015 wurde die Ausbildung dann ausgeweitet auf alle Mitarbeitende in operativen Einheiten ab dem Rang eines Wachtmeisters. Auch in Basel verfügt jedoch nicht jede Patrouille über einen Taser.

Insgesamt habe man gute Erfahrungen gemacht, schreibt die Basler Polizei auf Anfrage. Zu der Frage, ob damit auch Schusswaffeneinsätze verhindert werden konnten, kann die Polizei indes nichts Genaues sagen: «Der Entscheid über die Wahl des richtigen Einsatzmittels muss innert sehr kurzer Zeit erfolgen. Dies verunmöglicht die Spekulation, wie Mitarbeitende entschieden hätten, wenn kein Destabilisierungsgerät zur Verfügung gestanden wäre.»

«Man müsste die Diskussion wieder führen»

In der Stadt Zürich rollt die Diskussion nun gerade erst an. Der freisinnige Gemeinderat Andreas Egli erklärte in einem Facebook-Post, zusätzliche Taser seien wünschenswert, «denn die Polizei könnte damit ein nicht letales Arbeitswerkzeug zur Abwehr einer erheblichen Gefahr einsetzen.» Doch bewegen müssten sich die Linken.

Egli spielt damit auf eine ältere Diskussion an: Die Stadtzürcher SVP hatte die «Ausbildung und Ausrüstung aller Frontpolizisten mit Tasern» bereits 2016 in einem Postulat gefordert. Es war damals just Karin Rykart, die im Namen der grünen Fraktion den Ablehnungsantrag gestellt hatte. Die heutige Sicherheitsvorsteherin sass damals noch im Gemeinderat. Das Stadtparlament lehnte den Vorstoss schliesslich klar ab. Unterstützung erhielt die SVP lediglich von der FDP. Alle linken Parteien sowie auch die GLP votierten dagegen.

Kritisiert wurde von den Gegnern vor allem, dass bei einer Aufrüstung mit Tasern die Geräte häufiger zum Einsatz kommen könnten. So sagte SP-Gemeinderat Pascal Lamprecht: «Das Vorhandensein von Tasern kann die Hemmschwelle zum Waffengebrauch herabsetzen und zu unangemessenem Machtgehabe führen.»

Taser-Einsätze könnten zwar sinnvoll sein, es gebe aber keinen Grund, die heutige Praxis der Stadtpolizei zu ändern. Der Grüne Felix Moser betonte zudem auch die Risiken des Einsatzes: «Taser sind gefährlich.» Die betroffene Person könne stürzen, sich den Kopf anschlagen und sterben. Andererseits könne es zu Herzrhythmusstörungen kommen.

Bei den Grünen gibt es auch weiterhin grosse Vorbehalte gegenüber Tasern, wie Gemeinderat Markus Knauss auf Anfrage sagt. Er persönlich sei aber der Meinung, dass man die Diskussion wieder führen müsste.

Das sieht man auch bei der SVP so. Die Partei hält die Aufrüstung mit Tasern nach wie vor für sinnvoll. Gemeinderat Stephan Iten begrüsst deshalb Blumers Forderung. «Für uns ist klar, dass man Frontpolizisten ausrüsten sollte.» Primär, weil damit Schusswaffeneinsätze verhindert werden könnten.

Das würde sowohl den Betroffenen als auch den Polizisten nützen, ist Iten überzeugt. «Kein Polizist will ein Leben auf dem Gewissen haben.»
Erfahrungen aus Deutschland zeigten zudem, dass der Einsatz von Tasern in aller Regel keine gesundheitlichen Schäden bei den Getroffenen zur Folge hätten. «In jedem Fall ist es aber so, dass Taser weniger gefährlich sind als Pistolen.»

Iten glaubt auch nicht, dass Taser leichtfertiger eingesetzt werden. Deren Einsatz werde geschult, zudem handle es sich auch nicht um eine harmlose Waffe. «Ein Polizist wird sich einen Einsatz gut überlegen und den Taser wirklich nur im Notfall gebrauchen.»
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-polizeikommandant-fordert-mehr-taser-was-bringen-sie-ld.1685871)


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: BAZ-Baustelle brennt in Genf, Mussolinis Ehrendoktortitel wankt in Lausanne, Stop Isolation und Antifa präsent auf den Strassen
https://antira.org/2022/05/30/baz-baustelle-brennt-in-genf-mussolinis-ehrendoktortitel-wankt-in-lausanne-stop-isolation-und-antifa-praesent-auf-den-strassen/


+++RECHTSPOPULISMUS
Gemeinderatsantwort auf Motion Alexander Feuz (SVP): Die Bestimmungen der Denkmalpflege müssen auch hinsichtlich der Reithalle endlich durchgesetzt werden! (PDF, 194.2 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-30-mai-2022/motion-feuz-die-bestimmungen-der-denkmalpflege.pdf/download


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Von Interpol gesucht: Corona-Skeptiker entführen Kinder nach Paraguay
Der ehemalige Fussball-Profi Andreas Egler hat zwei Kinder nach Paraguay entführt. Seine Ex-Frau Anne Maja Egler-Reiniger sucht nun verzweifelt nach ihnen.
https://www.blick.ch/ausland/von-interpol-gesucht-corona-skeptiker-entfuehren-kinder-nach-paraguay-id17534941.html


+++ROCKERKRIEG
derbund.ch 30.05.2022 (Stand 21:00)

Krawall im Morgenverkehr: Schweizer Bandenkrieg zwischen Hells Angels und Bandidos eskaliert

Nur ein riesiges Polizeiaufgebot verhindert in Bern eine offene Strassenschlacht von über 200 Motorradrockern. Besorgniserregend ist die Herkunft der beteiligten Gangmitglieder.

Markus Häfliger, Thomas Knellwolf, Philippe Reichen, Anna-Lena Dresen

«Die Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet», verkündet der Buschauffeur über Lautsprecher – und verweigert die Weiterfahrt. Es ist kurz nach 8.30 Uhr, der voll besetzte Bus Nummer 20 von Bernmobil bleibt neben dem Berner Regionalgericht stehen – mitten in einer Strassenschlacht.

Pendlerinnen, Berufsschüler und kleine Kinder, die von ihren Eltern in die Kita gebracht werden, sehen durch die Busfenster bärtige Männer in Hells-Angels-Lederjacken. Einige sind maskiert und mit Pflastersteinen bewaffnet. Sie werden von Polizisten in Kampfmontur am Bus vorbei zurückgedrängt. Dann hören die Passagiere Schüsse: Die Polizei verschiesst Gummischrot.

Nach bangen Minuten kann der Bus weiterfahren. Kaum ist er weg, riegelt die Polizei die Durchgangsstrasse und Teile der Berner Innenstadt ab – den ganzen Vormittag lang. Der Grund: Krawall von über 200 Motorradrockern vor dem Regionalgericht.

Im Gerichtsgebäude hat an diesem Morgen ein Monsterprozess begonnen. Verhandelt wird eine Bandenschlacht, bei dem im Mai 2019 im beschaulichen Berner Vorort Belp bis 30 Hells Angels und die mit ihnen verbündeten Broncos auf die Bandidos trafen – der bisher gravierendste Vorfall im eskalierenden Schweizer Rockerkrieg.

Am Montagmorgen in Bern haben die beteiligten Gangs mehr Truppen aufgeboten als damals in Belp: Je rund 100 Hells Angels und Bandidos haben sich vor dem Regionalgericht zum Support ihrer angeklagten Kollegen eingefunden.

In Deutschland sind sie verboten

Die Hells Angels, 1948 in Kalifornien gegründet, sind seit 1970 mit einem eigenen «Charter» in der Schweiz präsent. Sie sehen sich als Überclub aller Motorradrocker. Wer hierzulande einen solchen Verein gründen will, braucht ihr Plazet. Im Internet präsentieren die Hells Angels eine Liste mit knapp vierzig Motorradclubs, die aus ihrer Sicht in der Schweiz toleriert sind. Die Bandidos sind nicht darunter.

1966 ebenfalls in den USA gegründet, sind die Bandidos international die grossen Rivalen der Hells Angels. In Skandinavien forderte ein Rockerkrieg der beiden Gangs in den 90er-Jahren mehrere Tote und unzählige Verletzte.

In zahlreichen Ländern werden beiden Gruppierungen viele Straftaten zur Last gelegt. In Deutschland hat Horst Seehofer die Bandidos im Juli 2021 verboten. Der damalige Bundesinnenminister erklärte, vom Verein gehe eine «schwerwiegende Gefährdung für die Allgemeinheit» aus. Auch mehrere «Charter» der Hells Angels sind in Deutschland verboten. Die Schweiz kennt keine solchen Verbote.

Bandidos drängen in die Schweiz

Seit etwa drei Jahren drängen die Bandidos in die Schweiz. Als einige von ihnen am 11. Mai 2019 in Belp ein Geburtstagsfest feierten, wurden sie von den Angels und Broncos angegriffen. Das Resultat: eine wilde Schiesserei und Messerstecherei, ein lebensbedrohlicher Milz-Durchschuss und weitere schwere Verletzungen – und jetzt der Monsterprozess mit 22 Angeklagten aus allen drei Gangs.

Doch die Bandidos haben ihren Vorstoss in die Schweiz nicht aufgegeben. Gemäss ihrer Website haben sie 2021 in Sitten und in Thun ihre ersten offiziellen «Charter» gegründet. Aus Polizeikreisen verlautet, man gehe derzeit von rund 50 Bandidos in der Schweiz aus.

In den letzten Monaten gab es weitere schwere Zwischenfälle. Im August 2021 wurde in Thun ein Gewerbegebäude durch Brandstiftung komplett zerstört. Darin befand sich das Clublokal der Bandidos. Das Strafverfahren wegen des Brandes ist sistiert worden – wegen unbekannter Täterschaft.

Schiesserei im Ausgehquartier

Am vorletzten Wochenende haben ein Hells Angel und ein Bandido mitten im Genfer Ausgehviertel Plainpalais mit Pistolen aufeinander geschossen. Nach der Schiesserei in Genf hat das Berner Regionalgericht das Sicherheitsdispositiv für den Prozess nochmals massiv erhöht.

Die Schiesserei in der belebten Genfer Bar, bei der es dank viel Glück keine Verletzten gab, illustriert für das Fedpol das «Gewaltpotenzial, das zwischen diesen rivalisierenden Motorradgruppen» bestehe. «Dazu kommt, dass mehrere Rocker- und rockerähnliche Gruppierungen, die auch in der Schweiz präsent sind, im Ausland regelmässig Gegenstand von Verfahren wegen organisierter Kriminalität, Betäubungsmittel-, Gewalt- und anderer Delikte sind.»

Gescheitert sind hierzulande die intensiven Bemühungen der Bundesanwaltschaft, Hells Angels als Mitglieder einer kriminellen Organisation zu verurteilen. Der Zürcher Anwalt Valentin Landmann, der den Zürcher Hells Angels nahesteht, gibt den Neuankömmlingen aus dem Ausland die Schuld an der Eskalation. «In der Szene in der Schweiz herrschte fünfzig Jahre lang Frieden. Jetzt wollen gewisse Kreise den Krieg aus dem Ausland zu uns importieren. Hoffentlich gelingt es nicht, den Frieden zu zerstören.»

Rocker aus halb Europa in Bern

Während vor dem Regionalgericht die meisten Hells Angels Jacken mit dem Schriftzug «Switzerland» tragen, kommen die Bandidos aus halb Europa. Vorn auf ihren Kutten tragen sie einen Sticker: «Expect no mercy!» Zu Deutsch: «Erwarte keine Gnade!» Die Aufnäher hinten weisen sie als Gangmitglieder aus Amsterdam, Brüssel, Norwegen, Frankreich oder Dänemark aus – einer ist sogar Ukrainer. An diesem Morgen wird der Schweizer Rockerkrieg europäisiert.

Mit der Presse reden weder die Bandidos noch die Hells Angels, noch die Broncos. Deren Aushängeschild, der stadtbekannte Jimy Hofer, erklärt nach dem Krawall am Telefon: «Wir haben in der Szene abgemacht, dass wir den Medien keine Auskunft geben.»

«Die Eskalationsgefahr ist gross», sagt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. «Da kämpfen rivalisierenden Gruppen um eine Vorherrschaft über ein Territorium. Wir müssen nun in der Schweiz genau beobachten, wie sich die Situation entwickelt.»

In weiser Voraussicht hatte die Polizei am Montagmorgen für die beiden Gruppen je eine umzäunte Zone eingerichtet. Doch kurz nach Prozessbeginn brechen die Hells Angels aus ihrem Gatter aus. Sie umrunden das Gebäude und greifen die Bandidos von der anderen Seite mit faustgrossen Steinen an. Die Bandidos, eingesperrt in ihrer Zone, wehren sich, so gut es geht, indem sie die Steine zurückwerfen.

Die Polizei, ebenfalls mindestens 100 Mann präsent, bildet einen Kordon zwischen den beiden Banden und treibt die Angreifer mit Schäferhunden, Tränengas und Gummischrot zurück. Es ist der Moment, in dem der voll besetzte Bus Nummer 20 ein paar bange Minuten lang zwischen den Fronten stehen bleibt.
(https://www.derbund.ch/schweizer-bandenkrieg-zwischen-hells-angels-und-bandidos-eskaliert-503568253969)

-> https://www.srf.ch/news/schweiz/rockerprozess-in-bern-polizei-setzt-wasserwerfer-gegen-verfeindete-rocker-ein
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/807029977-hells-angels-vs-bandidos-berner-rocker-prozess-startet-laut
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/grossaufgebot-der-polizei-schutzt-berner-rocker-prozess-66189370
-> https://www.bernerzeitung.ch/hells-angels-und-bandidos-marschieren-vor-dem-amthaus-auf-250135059844
-> https://www.20min.ch/story/jetzt-beginnt-der-monsterprozess-gegen-22-mitglieder-von-rocker-gangs-980689683342
-> https://www.20min.ch/schweiz
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/schuesse-und-pruegel-in-belp-darum-gehts-am-rockerprozess?id=12198776
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/rockerprozess-in-bern-polizei-setzt-wasserwerfer-gegen-verfeindete-rocker-ein
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/rockerprozess-in-bern-polizei-setzt-wasserwerfer-ein?id=12199202
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/200081/
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/ab-heute-stehen-22-hells-angels-broncos-und-bandidos-vor-gericht-monster-prozess-gegen-rocker-in-riesensaal-id17532658.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/hunderte-unterstuetzer-vor-ort-rocker-aufmarsch-vor-gericht-in-belp-be-id17533729.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/ausschreitungen-in-bern-verfeindete-rocker-gangs-bewerfen-sich-mit-steinen-id17533852.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/anwalt-des-hauptangeklagten-der-fall-ist-nicht-so-kompliziert-wie-man-glaubt-id17534385.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/ausschreitungen-bei-prozess-polizei-setzt-wasserwerfer-und-gummischrot-ein-id17534484.html
-> https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=2642258a-8846-4a53-a63a-a9d6df9eefeb
-> https://twitter.com/PoliceBern
-> https://twitter.com/UEltern/status/1531173845280952320
-> https://www.telebaern.tv/news/gummischrot-und-wasserwerfer-berner-polizei-muss-verfeindete-motorradgangs-mit-gewalt-trennen-146682393
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/sig-9-mm-sturmgewehr-pump-action-diese-waffen-beschlagnahmte-die-polizei-beim-rockerkrieg-von-belp-be-id17535856.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/hells-angels-vs-bandidos-so-lief-der-tag-1-im-rocker-prozess?id=12199385 (ab 04:52)
-> https://www.telebaern.tv/tele-barn-news/motorradgangs-gehen-vor-amtsgericht-aufeinander-los-22-bandidos-broncos-und-hells-angels-sind-angeklagt-146686631
-> https://www.telebaern.tv/tele-barn-news/monsterrockerprozess-146686655
-> https://www.telebaern.tv/tele-barn-news/er-hat-mutmasslich-mehr-als-ein-dutzend-braende-gelegt-verdaechtiger-feuerteufel-vom-wasseramt-ist-angeblich-feuerwehrmann-146686620
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/-/video/-?urn=urn:srf:video:86304313-02bb-4183-8548-5cf7dcb6093c
-> https://www.neo1.ch/artikel/steinwuerfe-und-gummischrot-zum-start-des-berner-rockerprozesses
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/200103/
-> https://www.derbund.ch/rockerbanden-sind-eine-gefahr-fuer-die-schweiz-425402089556
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/rockerprozess-in-bern—krawalle-auf-der-strasse?urn=urn:srf:video:99f3ba8b-b5f0-46c0-b69d-48d2856ee7a9



derbund.ch 30.05.2022 (Stand 19.50 Uhr)

Rockerprozess in BernKrawalle auf der Strasse, leise Töne im Gericht

Vor dem Amthaus gehen Hells Angels und Bandidos aufeinander los. Vor dem Richter geben sich die zwei hauptbeschuldigten Bandidos zugeknöpft.

Michael Bucher, Hans Ulrich Schaad

Von einem Monsterprozess war im Vorfeld die Rede. Von einer brenzligen Ausgangslage auch. 22 Mitglieder von verfeindeten Motorradgangs würden sich vor dem Regionalgericht in Bern einfinden müssen. Sie, die vor drei Jahren in Belp bei einer blutigen Fehde mit Holzlatten, Eisenstangen und Messern aufeinander losgegangen sind, würden im selben Saal sitzen.

Trotz dieser unheilvollen Vorzeichen hätte wohl niemand mit dem gerechnet, was sich am Montagmorgen vor dem Amthaus abgespielt hat. Beim Prozessbeginn um 8.30 Uhr fliegen faustgrosse Steine durch die Luft – geworfen aus einer Menge von über 100 schwarz gekleideten Hells-Angels-Mitgliedern. Ihr Ziel: eine ähnlich grosse Anzahl Angehöriger des verfeindeten Bandidos MC. Ein massives Polizeiaufgebot kann dank Gummischrot, Reizgas und Hunden die aufgebrachten Rivalen auseinanderhalten.

Eine andere Welt im Innern

Während rund um das Amthaus die Post abgeht, bleibt es im grossen Gerichtssaal gesittet. Von draussen dringt nur ab und zu Hundegebell und Gebrüll in gedimmter Form in den Saal. Was vor dem Gerichtsgebäude abgeht, wirkt drinnen ziemlich surreal.

In fünf Reihen sind die Pulte für die Angeklagten sowie ihre Verteidigerinnen und Verteidiger aufgestellt. Drei Reihen für die Bandidos, je eine Reihe für die Broncos und die Hells Angels.

Die «Höllenengel», sie sind die Platzhirsche in der Motorradszene der Schweiz. Sie waren es, die im Mai vor drei Jahren mit den befreundeten Berner Broncos nach Belp fuhren, um den nicht anerkannten Bandidos einen Einschüchterungsbesuch abzustatten.

Hells Angels demonstrieren Stärke

Wie damals in Belp wird auch im Gerichtssaal deutlich, wer in der Schweiz das Sagen hat unter den Motorradclubs. Die drei beschuldigten Hells Angels werden je von einer Vertrauensperson begleitet –darunter auch die beiden Club-Chefs aus Zürich. Mit breitem Rücken sitzen sie da in ihren Westen mit dem Logo.

Von den beschuldigten 15 Bandidos ist am Morgen nur eine Handvoll anwesend, am Nachmittag gerade noch zwei. Der Rest hat sich dispensieren lassen und muss nur bei der eigenen Befragung sowie beim Urteil an der Verhandlung teilnehmen. Von Insignien ist nichts zu sehen.

Zeugin hat diesen Tag verdrängt

Das Gericht hat eine Zeugin vorgeladen, die ihren damaligen Freund an die Geburtstagsparty der Bandidos in Belp begleitet hatte. Sie habe nicht mitbekommen, was genau an diesem Samstagabend vor sich gegangen ist, sagt sie.

Es sei zu lange her, sie könne sich nicht mehr erinnern, wiederholt sie. «Ich habe diesen Tag verdrängt.» Warum es zu dieser Schlägerei gekommen sei, will der Gerichtspräsident wissen. Die Frau zuckt mit den Schultern: «Das müssen Sie die da hinten fragen.»

Belastete Vergangenheit

Als erster Beschuldigter wird ein Bandido befragt. Dem Mann wird vorgeworfen, bei der Auseinandersetzungen auf ein Mitglied der Hells Angels geschossen zu haben. Das Opfer wurde lebensbedrohlich verletzt. Der 37-jährige Beschuldigte muss sich wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verantworten, sitzt im vorzeitigen Strafvollzug und wird in Handschellen in den Saal geführt.

Der beleibte Mann trägt einen langen Bart, die Haare sind zurückgebunden. Als Erstes geht es um Persönliches. Im Gefängnis gehe es ihm gut. «Es gibt dreimal am Tag zu essen», sagt er und lacht zynisch.

Seine Vergangenheit ist kein Ruhmesblatt: zwei abgebrochene Lehren, Betreibungen, Verlustscheine, ein langes Vorstrafenregister. Warum er immer wieder kriminell geworden ist, kann er sich selbst nicht erklären.

Insgesamt zwölf Jahre sass der Mann wegen schwerer Delikte bereits im Gefängnis. Während vorbestrafte Angeklagte in der Regel ihre Vergangenheit beschönigen, denkt der einstige Rocker nicht daran. Als einmal bloss von neun Jahren die Rede ist, korrigiert er die Zahl: «Es sy chli meh gsy.» Er habe «jeden Tag in der ‹Kiste› verdient», meint er in breitestem Berndeutsch.

Das grosse Schweigen zum Vorfall

Auf die Fragen des Gerichtspräsidenten zum Vorfall in Belp gibt sich der Beschuldigte einsilbig. 89-mal lautet seine Antwort entweder «Ich mache keine Aussage dazu», «Ich kann mich nicht erinnern» oder «Ich kann meine früheren Aussagen weder bestätigen noch dementieren».

Nur einmal wird er konkret. Auf die einzige Frage seines Verteidiger sagt er: «Ich habe nicht einmal auf einen Menschen gezielt.» Dementsprechend kurz gestaltet sich die Einvernahme des Mannes, der angeblich Sicherheitschef der Bandidos werden sollte.

Am Nachmittag findet noch eine Befragung satt. Der Protagonist ist ein 42-jähriger gebürtiger Spanier. Er ist ein Bandidos-Mitglied und ebenfalls wegen versuchter vorsätzlicher Tötung angeklagt. Der Mann soll bei der Auseinandersetzung einem Bronco ein Klappmesser in den Rücken gerammt haben. Ihm droht neben einer langen Freiheitsstrafe ein Landesverweis.

Äusserlich könnte man den Mann der Anwaltsriege zuordnen. Er tritt in feinem Anzug auf, trägt Hornbrille und hat die Haare akkurat gestutzt. Zwei Vorstrafen sind bei ihm registriert, eine davon 24 Monate Gefängnis bedingt. Nach eigenen Aussagen ist er heute nicht mehr bei den Bandidos aktiv.

Wie sein Kollege am Vormittag schweigt auch er eisern. Er hält lediglich fest, dass er den Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung bestreitet. Ansonsten verweist er auf die bei der Staatsanwaltschaft gemachten Aussagen.

Kurz nach 14 Uhr ist der erste Prozesstag bereits vorüber. Am Dienstag folgen weitere Einvernahmen. Nach Pfingsten sind die Plädoyers angesetzt, das Urteil ist am 30. Juni vorgesehen.
(https://www.derbund.ch/hauptbeschuldigter-wird-einvernommen-379928435328)




derbund.ch 30.05.2022 (Stand 18.00 Uhr)

Nach Rocker-Ausschreitungen: Für Nause hätte es «weitaus schlimmer» kommen können

Während dem ersten Prozesstag gegen 22 Rocker in Bern kam es vor dem Amthaus zu Ausschreitungen. Sicherheitsdirektor Nause zieht dennoch eine positive Bilanz.

Sarina Keller, Maurin Baumann

Zum Schluss des turbulenten Prozess-Tages zieht der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) Bilanz: «Man hätte mit weitaus Schlimmerem rechnen müssen, wären die beiden gewaltbereiten Gruppen aufeinandergetroffen.» Er zieht damit eine positive Bilanz über den Polizeieinsatz vor dem Amthaus, welcher fast den ganzen Tag gedauert hatte.

Dass es kein normaler Prozess wird, war am Montagmorgen schon früh klar. Etliche Kastenwagen und Dutzende Polizisten in Vollmontur sicherten das Gelände. Der Grund: Etwa 150 Hells Angels und 100 Bandidos waren aus der ganzen Schweiz und über die Landesgrenze hinaus angereist, um für ihre Kollegen ein Zeichen zu setzen.

Steine, Flaschen, Gummischrot

Die Kantonspolizei Bern trennte die Mitglieder der verfeindeten Gruppen mittels Gittern. Kurz vor Prozessbeginn flogen plötzlich Flaschen und Steine zwischen den beiden Gruppierungen. «Fuck you Bandidos»- Rufe waren zu hören. Die Situation drohte zu eskalieren, bis die Polizei mit Hunden, Gummischrot und Schlagstöcken dazwischen ging. Nause lobt diesen Einsatz: «Die Polizei hatte heute zwei Hauptaufgaben: Eine geordnete Verhandlung sicherzustellen, und zu verhindern, dass die beiden Gruppierungen aufeinandertreffen.» Beides sei gelungen, auch wenn es einen Mitteleinsatz erfordert habe.
-> Viedo: https://unityvideo.appuser.ch/video/uv445118h.mp4

Während die Hells Angels Richtung Schützenmatte zurückgedrängt wurden, verblieben die Bandidos beim Amtshaus – von Einsatzkräften umstellt. Bei Vermittlungsversuchen wurden die Beamten bedroht und beleidigt. Um Wildpinkeln zu vermeiden, stellte die Kapo Toitois auf.

Die Polizei sperrte den Verkehr rund ums Bollwerk für mehrere Stunden grossräumig ab. Auf der Lorrainebrücke fuhren Kastenwagen und ein Wasserwerfer auf. Nause räumt ein, dass die Ausschreitungen im Verkehr «ein Chaos» verursacht hätten. Das sei aber auch der Lage des Gerichts geschuldet, welches an einem Verkehrsknotenpunkt liege.

Nause hat «Bauchweh»

Am Mittag kam es erneut zu Zusammenstössen zwischen den beiden Gruppen. Die Polizei riegelte das Bollwerk zwischen Schützenmatte und Amthaus ab, um den Bandidos via Lorrainebrücke den Abzug zu ermöglichen. Dabei flogen wieder Steine und Glasflaschen, die Polizei setzte den Wasserwerfer und Gummischrot ein.

Kurz vor Mittag fuhren die Bandidos über den Nordring weg. Die Polizei blieb am Nachmittag mit einem grossen Aufgebot vor Ort.  Gegen 14.30 Uhr zogen auch die Hells Angels davon.

Auf die Frage, ob sich Bern jetzt für die Dauer des Prozesses auf einen Rockerkrieg einstellen müsse, meint Nause, die Situation mache ihm «schon etwas Bauchweh». Deshalb ginge es nun darum, «wachsam zu bleiben, die nötige Vorkehrungen zu treffen und nicht zimperlich zu sein.»
(https://www.derbund.ch/100-hells-angels-vor-gericht-eingekesselt-959802757412)




derbund.ch 30.05.2022 (Stand 13.00 Uhr)

Rockerprozess in Bern: Zwischen Hells Angels und Bandidos fliegen Steine

Zum Auftakt des Prozesses gegen 22 Rocker in Bern kommt es bereit am Morgen zu Ausschreitungen zwischen den verfeindeten Hells Angels und den Bandidos.

Michael Bucher

Da sich die Lage vor dem Amthaus weiter zuspitzt, führen wir die Berichterstattung in diesem Ticker fort: Zwischen Hells Angels und Bandidos fliegen Steine

Am Berner Regionalgericht findet ab heute ein aussergewöhnlicher Prozess statt. Während der nächsten 30 Tage müssen sich 22 Mitglieder von verschiedenen Motorradclubs verantworten. Es geht um die blutige Fehde von 2019 in Belp zwischen den Hells Angels und den Bandidos. Auch Mitglieder der Berner Broncos stehen vor Gericht.

Dass es kein normaler Prozess wird, ist am Montagmorgen schon früh zu sehen. Rund um das Amthaus ist ein riesiges Polizeiaufgebot präsent. Etliche Kastenwagen und Dutzende Polizisten in Vollmontur und mit Hunden sichern das Gelände ab. Der Grund: Die Hells Angels sind offenbar aus der ganzen Schweiz angereist, um für ihre Kollegen ein Zeichen zu setzen.

Die Kantonspolizei Bern hat die rund 100 Hells Angels in der Genfergasse gleich neben dem Amthaus eingekesselt. Sie alle sind schwarz gekleidet. Die meisten tragen zudem Sonnenbrillen und Hüte, um sich nicht gänzlich zu erkennen zu geben. Die Stimmung ist ruhig. Doch Journalisten sind offenbar nicht gerne gesehen. Eine Reporterin wurde von einem Hells Angels angeschnauzt, als sie mit der Gruppe das Gespräch suchte.

Eine Viertelstunde vor Prozessbeginn (8:30 Uhr) werden die Vorzeichen nochmals brenzliger. Von Richtung Schützenmatte her tauchen zahlreiche Mitglieder der verfeindeten Bandidos auf. Auch sie müssen in einem von der Polizei abgesperrten Bereich ausharren. Sichtkontakt haben die beiden verfeindeten Gruppen damit nicht.

Nur ein paar Minuten später fliegen jedoch bereits Flaschen und Steine zwischen den beiden Gruppierungen. «Fuck you Bandidos»- Rufe sind zu hören. Die Polizei schreitet ein und setzt Gummischrot und Schlagstöcke ein. Die Hells Angels werden von den Einsatzkräften Richtung Kapitel zurückgedrängt und formieren sich auf der Schützenmatte. Die Bandidos ihrerseits sind nach wie vor beim Amtshaus von Einsatzkräften umstellt.

Die Polizei hat inzwischen eine Barrikade bei der Busstation Bollwerk erstellt und versucht, zwischen den beiden Gruppierungen zu vermitteln. Die Hells Angels beleidigen und bedrohen die Beamten.
(https://www.derbund.ch/100-hells-angels-vor-gericht-eingekesselt-959802757412)



derbund.ch 30.05.2022 (Stand 13.00 Uhr)

Rockerprozess in Bern: Hauptbeschuldigter wird einvernommen

Während draussen Steine fliegen, geht im Amthaus der Prozess gegen 22 Rocker gesittet vonstatten. Am ersten Tag kommt sogleich der Hauptbeschuldigte zu Wort.

Michael Bucher

Es sind aussergewöhnliche Szenen, die sich am Montagmorgen im Berner Amtshaus abspielen. Im stattlichen Assisensaal sitzen Mitglieder der drei Motorradclubs Hells Angels, Bandidos MC und der Broncos vor Gericht. Inklusive Anwälten und Journalisten sind rund 60 Personen anwesend. Trotz des konfliktbeladenen Falls ist die Stimmung gesittet.

Ganz anders vor dem Amthaus: Dorthin sind die beiden verfeindeten Gruppierungen Hells Angels und Bandidos bereits über eine Stunde vor Prozessbeginn gepilgert. Die Stimmung ist äusserst angespannt. Es fliegen Beleidigungen und Steine zwischen den Rivalen hin und her. Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot präsent und muss die beiden Gruppen trennen. Zwischenzeitlich dringt Lärm der Scharmützel in gedimmter Form in den Gerichtssaal.

Hauptbeschuldigter schweigt

Zurück zum Prozess: Von den 22 Angeklagten ist am ersten Tag bloss die Hälfte geladen. Als Erstes wird ein Mitglied der Bandidos befragt. Dem Mann wird vorgeworfen, 2019 bei den wüsten Auseinandersetzungen in Belp auf ein Mitglied der Hells Angels geschossen zu haben. Das Opfer wurde lebensbedrohlich verletzt. Der 37-jährige Beschuldigte muss sich wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verantworten und sitzt bereits im vorzeitigen Strafvollzug.

Der beleibte Mann trägt einen langen Bart, die Haare sind zurückgebunden. Als Erstes geht es nur um Persönliches. Im Gefängnis gehe es ihm so weit gut. «Es gibt dreimal im Tag zu essen», sagt er und lacht.

Seine Vergangenheit ist kein Ruhmesblatt: Zwei abgebrochene Lehren, Betreibungen, langes Vorstrafenregister. Warum er immer wieder kriminell geworden ist, kann er sich selbst nicht erklären. Zehn Jahre sass der Mann, der einen 20-jährigen Sohn hat, bereits im Gefängnis. Er habe «jeden Tag in der ‹Kiste› verdient», meint er selbstkritisch.

Auf die Fragen des Gerichtspräsidenten zum Vorfall in Belp gibt sich der Beschuldigte einsilbig. 89 Mal lautet seine Antwort entweder «Ich mache keine Aussage dazu» oder «Ich kann mich nicht mehr erinnern».  Demensprechend kurz gestaltet sich die Einvernahme des Mannes, der angeblich Sicherheitschef der Bandidos werden sollte.

Nach der Mittagspause ist für den heutigen Tag bloss noch eine Einvernahme vorgesehen. Der Protagonist ist ein 42-jähriger gebürtiger Spanier. Ein Bandidos-Mitglied und ebenfalls wegen versuchter vorsätzlicher Tötung angeklagt. Der Mann rammte einem Mitglied der Berner Broncos ein Klappmesser in den Rücken.

Rockerkrieg eskaliert

Das geschah vor drei Jahren in Belp: Am 11. Mai 2019 ging es beim Motel in Belp Steinbach drunter und drüber. Mitglieder der Motorradclubs Bandidos, Hells Angels und Broncos lieferten sich eine blutige Auseinandersetzung. Es flogen nicht nur die Fäuste. Auch Messer und Schusswaffen waren im Spiel.

Hintergrund des Streits: Hells Angels wollten verhindern, dass die Bandidos einen Ableger in der Schweiz gründen. An jenem Samstagabend feierten Bandidos-Sympathisanten in Belp eine Geburtstagsparty, die von Hells Angels und den befreundeten Broncos gestürmt wurde. Mehrere Beteiligte wurden dabei verletzt.

Die Fehde zwischen den Hells Angels – sie gelten als Platzhirsche in der Schweiz – und dem sich neu niedergelassenen Bandidos MC spitzt sich immer mehr zu. Erst am vorletzten Wochenende schossen zwei Mitglieder der rivalisierenden Clubs mitten im Genfer Ausgehviertel Plainpalais mit Pistolen aufeinander. Nur mit viel Glück wurde bei der Schiesserei in der belebten Bar niemand verletzt.
(https://www.derbund.ch/hauptbeschuldigter-wird-einvernommen-379928435328)



derbund.ch 30.05.2022 (Stand 13.00 Uhr)

Rockerprozess in BernPolizei setzte Wasserwerfer ein | Beide Rockergruppen abgezogen | Verkehr war mehrere Stunden lahmgelegt

Zum Auftakt des Prozesses gegen 22 Rocker in Bern kam es bereits am Morgen zu Ausschreitungen zwischen den verfeindeten Hells Angels und den Bandidos.

Michael Bucher, Maurin Baumann, Hans Ulrich Schaad, Sarina Keller

Hiermit beenden wir die Live-Berichterstattung. Eine Zusammenfassung des ganzen Tages finden Sie in diesem Artikel: Für Nause hätte es «weitaus schlimmer» kommen können

15:48 Uhr
Reto Nause: «Die Situation macht mir schon etwas Bauchweh»

Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) gibt sich am Montagabend zufrieden mit dem Einsatz der Polizei. «Wir wussten im Vorfeld, dass ein heikler Prozess auf Bern zukommt. Allein die Tatsache, dass dieser stattfindet, zeigt, dass diese Gruppierungen nicht eben zimperlich miteinander umgehen.»

Diesem Umstand habe man mit dem «erheblichen Polizeiaufgebot» Rechnung getragen, sagt Nause und verweist unter anderem auf den Einsatz des Wasserwerfers.

«Die Polizei hatte heute zwei Hauptaufgaben», sagt Nause: «erstens einen geordnete Gerichtsverhandlung sicherzustellen, und zweitens zu verhindern, dass die beiden Gruppierungen aufeinandertreffen. Beides ist gelungen, auch wenn es einen Mitteleinsatz erfordert hat.»

Nause räumt ein, dass die Ausschreitungen vor dem Amthaus im Verkehr «ein Chaos» verursacht hätten. Das sei aber auch der Lage des Gerichts geschuldet, welches an einem Verkehrsknotenpunkt liege. Und: «Man hätte mit weitaus Schlimmerem rechnen müssen, wären die beiden gewaltbereiten Gruppen aufeinandergetroffen.»

Auf die Frage, ob sich Bern jetzt für die restliche Dauer des Prozesses auf einen Rockerkrieg einstellen müsse, meint Nause, die Situation mache ihm «schon etwas Bauchweh». Deshalb ginge es im Fortgang des Prozesses darum, «wachsam zu bleiben, die nötige Vorkehrungen zu treffen und nicht zimperlich zu sein.»

14:38 Uhr
Die Hells Angels sind abgezogen

Die beschuldigten Hells Angels und ihre Anwälte haben den Gerichtssaal verlassen und wurden von der Gruppe auf der Schützenmatte mit Rufen in Empfang genommen. Kurz darauf zogen die Hells Angels, welche den ganzen Tag auf der Schützenmatte ausgeharrt hatte, mit Autos und auf Motorräder davon.
-> Video: https://unityvideo.appuser.ch/video/uv445126h.mp4


14:06 Uhr
Polizei beobachtet Lage, Wasserwerfer bleibt in Nähe

Auch nach Prozessbeginn ist die Gruppierung der Bandidos nicht wieder vors Amthaus zurückgekehrt. Die Polizei ist weiterhin vor Ort und beobachtet die Lage. Auch der Wasserwerfer befindet sich noch in der Nähe: er ist auf dem Parkplatz am anderen Ende der Lorrainebrücke geparkt.

Man analysiere die Lage laufend, und passe die Massnahmen notfalls laufend an, sagte Polizeisprecherin Isabelle Wüthrich auf Anfrage. Auch für die restliche Dauer des Prozesses habe die Polizei ein Sicherheitsdispositiv.


12:37 Uhr
Aufräumarbeiten und Gesprächsversuche

Das Tiefbauamt räumt am Mittag die Scherben zusammen. Die Polizisten suchen das Gespräch mit den Hells Angels auf der Schützenmatte. Der Verkehr läuft inzwischen wieder. Unklar ist, ob sich die Bandidos definitiv zurückgezogen haben, oder nach dem Mittag wieder vors Amthaus zurückkehren wollen. Der Prozess sollte um 13 Uhr weitergehen.

11:52 Uhr
Polizei riegelt Amthaus weiter ab

Die Hells Angels verbleiben auf der Schützenmatte. Die Polizei hat das Amthaus weiterhin abgeriegelt. Der Wasserwerfer ist in Richtung Wankdorf weggefahren.

11:43 Uhr
Erneute Ausschreitungen, Bandidos ziehen ab

Vor dem Mittag kam es in der Nähe des Gerichts erneut zu einem kurzen, aber heftigen Zusammenstoss. Die Polizei riegelte das Bollwerk zwischen Schützenmatte und Amthaus ab und schleuste die Bandidos in Richtung Lorrainebrücke an den Hells Angels vorbei. Dabei flogen erneut Steine von den Hells Angels in Richtung Bandidos. Die Polizei setzte den Wasserwerfer gegen die Hells Angels ein. Der Wasserwerfer prallte beim Rückwärtsfahren in eine Ampel.

Die Bandidos hatten offenbar ihre Autos und Motorräder beim Parkplatz am Ende der Lorrainebrücke parkiert und fuhren mit diesen davon.
-> Video: https://unityvideo.appuser.ch/video/uv445118h.mp4

11:20 Uhr
Toitois für die Rocker

Etwa 150 Hells Angels und 100 Bandidos harren weiter beim Gericht aus. Inzwischen haben die Behörden für sie mobile Toiletten herangeschafft.
10:36 Uhr
Wasserwerfer auf der Lorrainebrücke

Die Polizei steht mit Kastenwagen und einem Wasserwerfer auf der Lorrainebrücke. Die Hodlerstrasse ist komplett abgeriegelt.

10:14 Uhr
Erneute Provokation

Etwa ein Dutzend Hells Angels hat sich kurzzeitig auf der Schützenmatte wieder vis à vis vom Amthaus postiert. Die Einsatzkräfte zogen ihre Helme wieder an, aber die Rocker wurden von Leuten aus der eigenen Gruppe gleich wieder zurückgepfiffen.
Laut Polizei keine Anhaltungen

Polizeisprecherin Isabelle Wüthrich bestätigt auf Anfrage den Einsatz von Mitteln. Dadurch sei es gelungen, zwischen den beiden Gruppen Distanz zu schaffen. Bisher habe die Polizei keine Personen angehalten.

Das Bollwerk und alle umliegenden Strassen sind immer noch gesperrt, die Polizei bleibt vor Ort. Wie lange der Einsatz und die Verkehrsbehinderungen noch dauern, ist laut Wüthrich nicht absehbar.

09:59 Uhr
Weiterhin beide Gruppen vor Ort

Weiterhin sind beide Gruppen vor Ort – die Hells Angels auf der Schützenmatte und die Bandidos in den Gitterabschrankungen vor dem Amthaus. Dazwischen liegen etwa hundert Meter Luftlinie. Es ist aber verhältnismässig friedlich, Alkohol ist keiner im Spiel.

09:25 Uhr
Lage entspannt sich

Inzwischen ist es ist etwas ruhiger vor dem Amthaus. Die Hells Angels haben sich zum Rand der Schützenmatte bei der Neubrückstrasse zurückgezogen. Der Verkehr ist weiterhin lahmgelegt, auch die Busse verkehren nicht, wie Bernmobil twittert.

09:07 Uhr
Lorrainebrücke gesperrt

Die Polizei baut Gitter auf und sperrt die Lorrainebrücke für den Verkehr. Laut einem Reporter vor Ort fährt im ganzen Perimeter kein Auto mehr. Offenbar wurden auch auf der Hodler- und Neubrückstrasse Verkehrsblockaden aufgestellt.

08:53 Uhr
Barrikaden und Bedrohnungen

Die Polizei hat inzwischen eine Barrikade bei der Busstation Bollwerk erstellt und versucht, zwischen den beiden Gruppierungen zu vermitteln. Die Hells Angels beleidigen und bedrohen die Beamten.

08:30 Uhr
Flaschen und Steine

Eine Viertelstunde vor Prozessbeginn werden die Vorzeichen nochmals brenzliger. Von Richtung Schützenmatte her tauchen zahlreiche Mitglieder der verfeindeten Bandidos auf. Auch sie müssen in einem von der Polizei abgesperrten Bereich ausharren. Sichtkontakt haben die beiden verfeindeten Gruppen damit nicht.

Nur ein paar Minuten später fliegen jedoch bereits Flaschen und Steine zwischen den beiden Gruppierungen. «Fuck you Bandidos»- Rufe sind zu hören. Die Polizei schreitet ein und setzt Gummischrot und Schlagstöcke ein. Die Hells Angels werden von den Einsatzkräften Richtung Kapitel zurück gedrängt.

Ausgangslage

Am Berner Regionalgericht findet ab heute ein aussergewöhnlicher Prozess statt. Während der nächsten 30 Tage müssen sich 22 Mitglieder von verschiedenen Motorradclubs verantworten. Es geht um die blutige Fehde von 2019 in Belp zwischen den Hells Angels und den Bandidos. Auch Mitglieder der Berner Broncos stehen vor Gericht.

Dass es kein normaler Prozess wird, ist am Montagmorgen schon früh zu sehen. Rund um das Amthaus ist ein riesiges Polizeiaufgebot präsent. Etliche Kastenwagen und Dutzende Polizisten in Vollmontur und mit Hunden sichern das Gelände ab. Der Grund: Die Hells Angels sind offenbar aus der ganzen Schweiz angereist, um für ihre Kollegen ein Zeichen zu setzen.

Die Kantonspolizei Bern hat die rund 100 Hells Angels in der Genfergasse gleich neben dem Amthaus eingekesselt. Sie alle sind schwarz gekleidet. Die meisten tragen zudem Sonnenbrillen und Hüte, um sich nicht gänzlich zu erkennen zu geben. Die Stimmung ist ruhig. Doch Journalisten sind offenbar nicht gerne gesehen. Eine Reporterin wurde von einem Hells Angels angeschnauzt, als sie mit der Gruppe das Gespräch suchte.
(https://www.derbund.ch/zwischen-hells-angels-und-bandidos-fliegen-steine-899041161689)