Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
Biel: Solidemo und Kritik-Picknick
In Biel fand heute ein Aktionstag zur Forderung „Wir bleiben in Biel“ statt. Aufgerufen hatten „Stop Isolation Bözingen“ – eine Gruppe in der sich Bewohner*innen des Rückkehrcamps Bözingen organisieren – zusammen mit dem Migrant Solidarity Network. Am Mittag startete eine Solidemo in der Bieler Innenstadt und führte zum leerstehenden ehemaligen Altersheim „Oberes Ried“, wo ein „Kritik-Picknick“ stattfand. Der Ort könnte ein mögliches Zuhause bieten.
https://migrant-solidarity-network.ch/2022/05/29/biel-solidemo-und-kritik-picknick/
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derbund.ch 29.05.2022
Mekonens Marathon: Äthiopischer Spitzenläufer soll die Schweiz verlassen
Vor 10 Jahren flüchtete Mekonen Tefera. Hier gewann er einen Lauf nach dem anderen. Bis die Polizei seinen Rucksack mit 50’000 Franken fand.
Cedric Fröhlich
Das Bözingenfeld ist ein sonderbarer Ort. Hier, am Rand der zweitgrössten Stadt im Kanton, an der Bieler Ostpforte, pumpt ein Stück Autobahn den Verkehr vorbei an Jura, grüner Wiese und Industriebauten. Die Roger-Federer-Allee führt zu einem Koloss aus Stahl und Beton, in dem Eishockey und Fussball gespielt wird. In der Ferne prangt der Name einer Luxusuhr auf einem Dach. Mittendrin stehen ein paar Container, ganz so, als seien sie bei einer der Bauorgien auf diesem Flecken Erde vergessen gegangen.
In den Baracken leben Menschen, die in diesem Land unerwünscht sind. Unter ihnen ist einer, der Bergrennen und Stadtläufe gewinnt, die Glaciers 3000 Run heissen oder Sempacher Hellebardenlauf. Ein Mann, der sagt: «In diesen Flüchtlingscamps – dein Kopf hört dort auf zu funktionieren.»
Darum fing er damals an zu rennen.
Das Bözingenfeld droht zu Mekonens letzter Station in der Schweiz zu werden. Die Geschichte seiner Flucht begann mit einer Patrone, abgefeuert aus dem Lauf einer Kalaschnikow.
Ein Schuss, Blutrache
Mekonen kommt in Äthiopien zur Welt. Seine Familie baut auf den Hochebenen im Nordwesten des Landes Teff an, eine Hirseart. Er ist das zweitälteste Kind der Familie und besucht die Schule bis zur 7. Klasse, von da an arbeitet er auf den Feldern. Bis zu jenem Tag, an dem sein Bruder den Abzug des Maschinengewehrs drückt und einem Menschen das Leben nimmt.
Es ist ein alter Streit um Grenzverläufe und Land. Der Bruder tötet einen Nachbarssohn und verschwindet im Gefängnis. Mekonen hat seit zehn Jahren nichts mehr von ihm gehört. Die Nachbarn schwören Rache. Mekonen ist das Ziel. Seine Familie verkauft ihre Felder und kratzt für Mekonen 15’000 Franken zusammen. Sie verlassen ihr Dorf, er steigt in ein Flugzeug und flieht in die Schweiz. Es ist 2013.
Mekonen gerät in die Mühlen des schweizerischen Asylsystems – und wird zerrieben. Weil jede Flucht ihre Wahrheit hat, und er die seine nicht beweisen kann. Nicht in den Befragungen, nicht mit seinen Gesuchen. Sein Asylantrag wird abgelehnt. Fortan ist er eine von derzeit 559 Personen im Hauptstadtkanton, die einen «Wegweisungsentscheid» mit sich herumtragen. Ein Unerwünschter.
Er soll gehen
Es ist ein warmer Vormittag auf dem Bözingenfeld, Mekonen dreht Runden. Seine orangen Schuhe trommeln über die Tartanbahn, sein Oberkörper ist kerzengerade, auf seiner Jacke steht «20 km Genève». 3 Minuten und 20 Sekunden pro Kilometer, auslaufen, wieder von vorne. Zehnmal wird er das an diesem Morgen machen und dann in die Container zurückkehren.
Seit sieben Jahren lebt er nun von acht Franken am Tag für Essen, Kleider, Bahntickets. Sieben Jahre, in denen er von einer Flüchtlingsunterkunft in die andere verschoben wird, von Schüpbach nach Kirchlindach, über Worb bis Konolfingen, schliesslich aufs Bözingenfeld. Mekonen ist ein Langzeitnothilfeempfänger. Er darf nicht arbeiten, er wird nicht integriert, er soll gehen.
«Ich kann nicht», antwortet er, wenn man ihn fragt, ob in Äthiopien nicht doch ein Leben auf ihn warte. «Es ist einfach zu gefährlich.»
Mekonen, der Getriebene
Peter Mathys trainiert seit mehr als 50 Jahren Leichtathletinnen und Leichtathleten. Er ist 77 Jahre alt, hat eine feine Stimme und gehört beim Turnverein Länggasse fast zum Inventar. Wie viele Sportler er schon besser gemacht hat? Es müssen gegen 200 gewesen sein. Als er Mekonen Tefera zum ersten Mal trifft, unterhalten sie sich auf Englisch. Es ist das Jahr 2014.
Heute sagt Mathys über Mekonen: «Gewissenhaft, geradlinig, zuverlässig.» Und Mekonen über ihn: «Er ist wie ein Vater für mich.» Mekonen trainiert seit Jahren in Mathys’ Gruppe.
«Wenn er bei uns ist, dann wollen wir ihm Sicherheit geben», sagt Mathys. «Wir unterstützen ihn, aber reden natürlich nicht ständig über seine Probleme.» Er solle den Kopf auch einmal abschalten können.
Das mit dem Abschalten klappt gut. Mekonen wird zum Getriebenen. Ab 2015 steht er an so ziemlich jedem Lauf am Start, der in diesem Land stattfindet. Manchmal viermal die Woche. Er gewinnt die 4,7 Kilometer am GP von Bern, siegt am Münsinger, am Kerzers- und am Limmatlauf. Er schleppt seinen Körper aufs Stockhorn, geht manchmal auch grauenhaft ein.
Hendrik Engel ist 29 Jahre alt, Mekonens Trainingspartner, ein Freund. Mekonen erklärte ihm einmal: «Du musst versuchen, jedes Rennen zu gewinnen.» So läuft er auch. Laut Engel «bis zum Zusammenbruch». Das müsse man verstehen, denn: «Laufsport ist kein Zuckerschlecken. Du bist nicht jeden Tag gleich gut drauf.» Reich wird man damit nicht.
500 Franken hier, ein Paar Schuhe oder ein Gutschein da: 52’000 Franken verdient Mekonen im Lauf der Jahre an diesen Rennen. «Mit meinem Schweiss, meinem Blut», so sieht er es und spart jeden Rappen, versteckt das Geld in einem Rucksack, denn keine Bank würde einem Abgewiesenen ein Konto eröffnen. Vom Rucksack erzählt Mekonen nur ganz wenigen. Er hat einen Plan: «Etwas Eigenes, ein Restaurant. Hauptsache, ich bin nicht länger abhängig.»
Sie lernten sich im Camp kennen
Im September 2016 wird Mekonen zum ersten, im November 2017 zum zweiten Mal Vater. Die Kinder wohnen bei der Mutter. Er besucht sie, so oft er kann. Meistens gehen sie zusammen auf den Spielplatz.
Mekonen lernt die Mutter in einer Flüchtlingsunterkunft kennen. Sie kam aus Eritrea, vorläufig aufgenommen. Er stellt ein Wiedererwägungsgesuch, bittet um Aufnahme, um nicht von seinen Kindern getrennt zu werden. Die Beziehung zur Mutter ist da bereits gescheitert.
Sie und er, das hat nie funktioniert. Sie geraten aneinander, in der Kinderklinik – eines der Kinder hat einen geschwollenen Fuss – eskaliert die Situation. Sie soll ihm vorgeworfen haben, ein schlechter Vater zu sein, er sie daraufhin mit einer Fernbedienung geschlagen haben.
Die Behörden zweifeln am «gelebten Familienleben», wiederum an Mekonens Wahrheit. In der Antwort aus dem Staatssekretariat für Migration steht ausserdem, dass nichts gegen die Pflege dieses Familienlebens in Äthiopien spreche. Mekonens Gesuch ist chancenlos.
Das Geld verschwindet
Im März 2020 wird Mekonen zum vorläufig letzten Mal umquartiert. Er lebt ab jetzt in den Containern auf dem Bözingenfeld, im Rückkehrzentrum. Er hat keine Möglichkeit mehr, den Rucksack wegzuschliessen. Im Camp werde gestohlen, sagt er. Also gibt er ihn der Mutter seiner Kinder.
Am Abend des 23. Juli 2020 fährt Mekonen zur Wohnung seiner Ex-Partnerin. Es ist niemand zu Hause. Der Rucksack ist weg. Die Mutter hatte ihn einer Bekannten weitergereicht. Angeblich wollten sie das Geld nach Eritrea schicken.
Gleichzeitig ruft sie die Polizei, aus Angst vor Mekonens Reaktion. Er wird noch vor dem Haus festgenommen und muss sich von nun an von der Frau fernhalten. Am nächsten Tag verstösst er 18-mal gegen diese Auflage, indem er sie anruft und droht, er werde sie umbringen.
Mekonen landet erneut auf der Wache und erzählt den Beamten vom Geld. Sie finden den Rucksack noch am selben Tag. Darin befinden sich 49’800 Franken. Er wird das Geld nie mehr wiedersehen. Von nun an wird gegen ihn ermittelt.
Seine Partnerin zieht die Anzeige wegen Drohung und Tätlichkeiten zurück, er die seine wegen Diebstahls. Das Geld aber hat die Behörden hellhörig gemacht. Es war nirgends deklariert. Und so werden der Rucksack und das Preisgeld Mekonen zum Verhängnis.
Es droht die Ausschaffung
Am 13. April 2022 wird Mekonen Tefera wegen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen der Nothilfe zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einer Busse von 200 Franken verurteilt sowie mit einem fünfjährigen Landesverweis belegt.
1390 Tage lang hatte Mekonen den Staat Geld gekostet. 54’450 Franken insgesamt, so hat es das Regionalgericht in Bern ausgerechnet. Davon 1390-mal acht Franken: 11’120 Franken Nothilfe. Das alles stand ihm nicht zu, so sieht es das Gericht. Schliesslich verfügte er über ein Vermögen, den Inhalt seines Rucksacks. Ein Vermögen, das er wiederum gar nicht hätte verdienen dürfen.
Das Gericht schlägt das gesamte Preisgeld dem Kanton Bern zu. Als Ersatz.
Die Behörden haben Mekonen seither zum Gespräch «über seine Situation in der Schweiz» eingeladen. Noch rennt er Morgen für Morgen mit orangen Schuhen über die Tartanbahn, 3:20 pro Kilometer, dem Ende entgegen.
(https://www.derbund.ch/aethiopischer-spitzenlaeufer-soll-die-schweiz-verlassen-717924027361)
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Ukraine Krieg: Kinder an Berner Schule allein gelassen
Der Zustrom an geflüchteten Kindern aus dem Ukraine-Krieg stellt Mitschüler und Lehrpersonen vor Herausforderungen. Das zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Bern.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-kinder-an-berner-schule-allein-gelassen-66185490
+++LUZERN
So viel bekommen ukrainische Flüchtlinge in Luzern: 11.20 Franken pro Tag – der Selbstversuch: Ein Drama in mehreren Akten
Ukrainische Flüchtlinge kriegen in Luzern nicht mehr als 11.20 Franken pro Tag. Das soll für Essen, Kleider, Handy, ÖV und Co. reichen. Ein Selbstversuch scheitert bereits an Tag 1. Und auch an den meisten anderen Tagen. Verhüten liegt ebenfalls nicht drin.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/11-20-franken-pro-tag-der-selbstversuch-ein-drama-in-mehreren-akten-2378349/
+++ZÜRICH
Heilsarmee verteilt 30’000 Kleider an Flüchtlinge aus der Ukraine. (ab 02:03)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/meine-mutter-sieht-christoph-blocher-mehr-als-ich?id=12198686
+++SCHWEIZ
Ukraine-Krieg: Grosse Betroffenheit bei Juden in der Schweiz – Echo der Zeit
An der Delegiertenversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) war der Krieg in der Ukraine Thema. So traf sich auch die Flüchtlingshilfe des SIG, der Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen. Die Juden und Jüdinnen der Schweiz und der Ukraine verbindet eine lange Geschichte.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/ukraine-krieg-grosse-betroffenheit-bei-juden-in-der-schweiz?partId=12198659
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/juedische-solidaritaet-juden-in-der-schweiz-und-in-der-ukraine-verbindet-die-geschichte
+++GRIECHENLAND
Griechenland verlängert Grenzzaun zur Türkei um 80 Kilometer
Die Spannungen zwischen den beiden Ländern nehmen zu. Athen fürchtet nun, dass Ankara erneut Migranten als Druckmittel einsetzten könnte
https://www.derstandard.at/story/2000136124584/griechenland-verlaengert-grenzzaun-zur-tuerkei-um-80-kilometer?ref=rss
-> https://www.spiegel.de/ausland/migration-griechenland-verlaengert-grenzzaun-zur-tuerkei-um-80-kilometer-a-9b1cc7e6-ab5c-4d5d-a944-b451184ca8e1
-> https://taz.de/Tuerkisch-griechische-EU-Aussengrenze/!5857481/
+++MITTELMEER
Rettungsschiff „Ocean Viking“ sucht Hafen für 296 Menschen
Seit zehn Tagen wartet das Schiff, in einen italienischen Hafen gelassen zu werden. An Bord befindet sich auch ein erst drei Monate altes Baby
https://www.derstandard.at/story/2000136127002/rettungsschiff-ocean-viking-sucht-hafen-fuer-296-menschen?ref=rss
+++FREIRÄUME
bernerzeitung.ch 29.05.2022
Ferienlager ohne Hierarchie: Spiel und Spass mit selbst gewählten Pronomen
Einst ein Ort sozialistischer Erziehung, geht es bei den Roten Falken hundert Jahre später locker zu – aber nicht ohne politische Schlagseite.
Christoph Hämmann
Hoch steht die Sonne am Freitagmittag über dem Berner Flugplatz Belpmoos, es ist der nächste heisse Maitag. Beim Ferienhaus «Hüsi» der Kinderfreunde Bern, idyllisch gelegen neben Aare und Giesse, sitzen Kinder und Jugendliche im Schatten um einen grossen Tisch. Das selber erfundene Gesellschaftsspiel gibt viel zu lachen. Zwei, die ausgeschieden sind, stieben über die grosse Wiese davon.
Szenen, wie sie in jeder Landschulwoche und jedem Pfadi-Lager vorkommen. Doch bei den Roten Falken, die hier mit drei Erwachsenen und elf Jugendlichen zwischen 6 und 14 Jahren in den Auffahrtsferien sind, wie sie ihr Lager nennen, läuft einiges anders. Vor hundert Jahren wurden sie als «Übungsfeld der demokratischen Erziehung nach sozialistischen Werten» gegründet. Weil die bürgerliche Gesellschaft untertänig und egoistisch mache, so die damaligen Vordenkerinnen und -denker sozialistischer Erziehungskonzepte, müssten den Kindern der Arbeiterklasse Werte wie Solidarität, Klassenbewusstsein und Selbsttätigkeit ausserhalb dieser Institutionen vermittelt werden.
Josefine Marti ist seit dreieinhalb Jahren Leiter*in bei den Roten Falken.
Dabei bräuchten Kinder Hilfe durch Erwachsene, hiess es, jedoch keine Leitung oder Führung. Noch heute nennen sich die Erwachsenen bei den Treffen deshalb Helferinnen und Helfer. So wie Josefine Marti (25), Helfer*in seit dreieinhalb Jahren – mit Genderstern geschrieben, weil sich die Person aus Bern, die soziokulturelle Animation studiert, derzeit nicht auf ein eindeutiges Pronomen festlegen will.
Am Anreisetag der viertägigen Auffahrtsferien hat Marti deshalb «kein Pronomen» angegeben und beobachtet seither fasziniert, wie die anderen ihre Sprache entsprechend anpassen. Ein Kind, das im Vorjahr mit in die Auffahrtsferien kam und sich weder als Junge noch als Mädchen fühlt, veranlasste die Gruppe, Gender beieinander nicht mehr einfach «anzunehmen». Seither gibt es bei Treffen und gemeinsamen Ausflügen am ersten Tag eine «Pronomenrunde».
Ursprung im «Roten Wien»
Man dürfe sich dies ganz entspannt vorstellen, sagt Marti lachend: «Die Jüngsten checken es zwar zum Teil nicht ganz. Trotzdem gehen sie erstaunlich versiert damit um – wahrscheinlich sind sie einfach noch nicht so festgefahren wie Erwachsene.» Der lockere Umgang mit Sprache zeige, wie leicht sich diese verändern lasse. «Das ist doch toll, schliesslich prägt Sprache mega das Bewusstsein.»
Ihren Ursprung haben die Roten Falken im «Roten Wien» des frühen 20. Jahrhunderts und in der ersten österreichischen Kinderfreunde-Organisation dieser Zeit. In Bern war es die Frauenrechtlerin Anny Klawa-Morf, die 1922 die Kinderfreunde Bern als sozialistische Alternative zur Pfadfinderbewegung gründete. Ab 1925 hiessen die 12- bis 14-jährigen Kinder, die an den Anlässen teilnahmen, Rote Falken.
Bald gab es einen Landesverband, der zu seinen besten Zeiten 41 Ortsgruppen zählte. Dabei richtete sich das Engagement der Schweizer Kinderfreunde weniger als anderswo gegen die hierarchische Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern – wichtiger waren die Freizeit im Grünen und das Vermitteln von Gleichheit und Gerechtigkeit.
Alternative zum fremdbestimmten Alltag
Sozialismus sei heute kein Bezugspunkt mehr, sagt Josefine Marti beim Besuch in der Belpau, und es gebe auch keine direkte Linie von den Roten Falken zur SP oder zu anderen linken Parteien. Sowieso sei bei diesen «grossen Begriffen» Vorsicht geboten, gerade bei Kindern, die «nicht zu fest in eine Richtung gedrückt werden sollen», so Marti. «Aber ja, ‹queer-feministisch›, ‹antikapitalistisch› und ‹antifaschistisch› passen wohl schon.»
Diese Begriffe stünden vor allem für die Einstellungen, die den Helferinnen und Helfern generell in ihrem Leben wichtig seien. Im Falken-Alltag würden diese aber nicht ständig thematisiert, da gehe es vielmehr um Spiel und Spass.
Und: Im Gegensatz zur Zeit der einheimischen Pionierinnen und Pioniere gehört es heute zum Kern der Roten Falken, dass sie ohne Hierarchie organisiert sind. Der (vegane) Menüplan und die wichtigsten Programmpunkte werden deshalb vor den gemeinsamen Ferien basisdemokratisch festgelegt – Letztere können aber morgens auch wieder umgestossen werden. Dieses Mitbestimmen bei allen Fragen sei speziell für die Kinder, deren Alltag oft stark fremdbestimmt strukturiert sei.
Während es vor hundert Jahren fast schon revolutionär war, dass Mädchen und Jungen bei den Roten Falken gemischt waren, ist dies längst selbstverständlich. Anderes wandelte sich im Lauf der Zeit, etwa Sprache und Werte und mit ihnen die Falkenversprechen, eine Art Charta mit den wichtigsten Grundsätzen. Hiess darin der erste Punkt früher «Ich bin ein Kind des arbeitenden Volkes», lautet er heute: «Wir sind Kinder und Jugendliche, die sich für das Geschehen auf der Welt interessieren.»
Einerseits seien die Falkenversprechen gefestigte Positionen, die nicht leichtfertig geändert würden, sagt Marti. «Andererseits setzen wir uns alle immer wieder damit auseinander. Es ist gut, gemeinsame Werte immer wieder zu diskutieren.» Dazu gehören etwa ein respektvoller Umgang untereinander oder der Einsatz für Kinderrechte, Umweltschutz und eine friedliche, gerechte Welt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erodierten die Mitgliederzahlen bei den Roten Falken stetig. Anfang 1990er-Jahre verschwanden in Bern die aktiven Roten Falken, nur der Trägerverein blieb bestehen. Rechtzeitig vor dem 1.-Mai-Umzug 2009 formierte sich wieder eine kleine Gruppe als Rote Falken, seither lebt die Berner Sektion wieder.
Seit einiger Zeit seien wieder mehr Kinder dabei, freut sich Marti, dafür sei es gerade schwierig, junge Erwachsene als Helferinnen und Helfer zu finden. Dennoch zweifelt Marti keinen Moment an der Daseinsberechtigung der Roten Falken: «Solange regelmässig Neue dazustossen, solange es sich weiter verändert und primär einfach Spass macht: So lange soll es die Roten Falken unbedingt geben.»
Spass: Den gabs im Auffahrtslager etwa beim Sprayen von Transparenten, die an den Anlässen zum 100-Jahr-Jubiläum aufgehängt werden sollen. «Auf einem der coolsten Transpis in unserer Sammlung steht: ‹Weniger Schule, mehr Freizeit›», sagt Marti lachend.
Eines, das am Freitag gesprayt wurde, könnte exemplarisch dafür stehen, wie bei den Roten Falken Spass mit politischem Bewusstsein gepaart wird: «Wir wollen keine Grenzen – wir wollen lieber dancen.»
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100 Jahre Rote Falken Bern: Dienstag, 7. Juni, ab 18 Uhr, Kino Lichtspiel, Bern. Feier «Rote Falken heute und früher» mit Filmaufnahmen und einem Podium: Samstag, 11. Juni, ab 15 Uhr beim Chinderchübu im Berner Monbijoupark; grosses Spielfest, u.a. mit Mägic Hene. Mehr Infos auf bern.rotefalken.ch.
(https://www.bernerzeitung.ch/spiel-und-spass-mit-selbst-gewaehlten-pronomen-123465710304)
+++GASSE
Seit 30 Jahren ein wichtiger Ort für drogensüchtige Menschen
Das Drop-in in der Stadt Luzern gibt es seit ziemlich genau 30 Jahren. Anfangs waren viele Leute skeptisch und stellten in Frage, ob es diesen geschützten Ort für Süchtige braucht. Inzwischen gehört das Drop-in zur Luzerner Psychiatrie und ist etabliert. (ab 04:47)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/seit-30-jahren-ein-wichtiger-ort-fuer-drogensuechtige-menschen?id=12198677
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luzernerzeitung.ch 29.05.2022
Kanton Luzern will Bettelverbot lockern
Betteln ist im Kanton Luzern ohne Ausnahme verboten. Das widerspricht einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der Regierungsrat plant nun Anpassungen – und kann dabei auf zwei Zentralschweizer Nachbarkantone schielen.
Alexander von Däniken
Ob «e chli Münz» für die Gassenküche oder «e Stutz» für die Notschlafstelle, ob am Bahnhof oder vor dem Einkaufszentrum: Betteln ist im Kanton Luzern verboten. Ohne Ausnahme.
Auch wenn es die «Verordnung über das Sammeln von Gaben und den Verkauf von Abzeichen» etwas komplizierter ausdrückt. Demnach ist das Sammeln von Geld in der Öffentlichkeit bewilligungspflichtig. Die Bewilligung wird aber verweigert, «wenn eine natürliche Person für ihren Lebensunterhalt sammeln will, ohne eine Gegenleistung zu erbringen».
Ein solch absolutes Bettelverbot verletzt die Europäische Menschenrechtskonvention. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 19. Januar 2021 festgestellt. Der Fall bezog sich auf eine Roma, die in Genf Passanten um Almosen bat – und damit gegen kantonales Recht verstiess. Die Frau aus Rumänien wehrte sich gegen alle Bussen und Schweizer Gerichte, bis sie von den Strassburger Richterinnen und Richtern Recht erhielt.
Diese befanden, das Recht der Frau auf das Privatleben sei verletzt worden. Es beinhaltet den Anspruch, die eigene Notlage zum Ausdruck zu bringen und andere um Hilfe zu bitten. Seither haben Genf und weitere Kantone ihre Gesetze und Verordnungen angepasst. Nun will auch Luzern folgen, wie unsere Zeitung weiss. Demnächst wird sich der Regierungsrat über die Verordnung beugen. Konkrete Details sind deshalb noch nicht bekannt.
Regelungen in Zug und Schwyz gelockert
Ein Bettelverbot haben neben Luzern auch die Kantone Zug und Schwyz. Und beiderorts ist eine Lockerung der Regelung bereits beschlossen worden. In Zug entschied der Kantonsrat letzten November, dass gebettelt werden darf, allerdings ohne die «öffentliche Ordnung» zu stören.
Dabei vermied es das Parlament, die Formulierung zu konkretisieren, um der Polizei möglichst viel Ermessensspielraum einzuräumen. Fast zeitgleich beschloss in Schwyz der Kantonsrat, nur noch das organisierte respektive bandenmässige Betteln unter Strafe zu stellen.
Nidwalden und Uri kennen kein Bettelverbot. In Obwalden gilt nur als Übertretung, «wer aus Arbeitsscheu oder Gewinnsucht bettelt» oder «wer Kinder oder Personen, die von ihm abhängig sind, zum Betteln ausschickt».
Ein Grund für die fehlenden oder bereits zurückhaltenden Regelungen dürfte darin zu finden sein, dass sich Bettelnde überwiegend in Zentren aufhalten. Allerdings hat die Polizei selbst in der Stadt Luzern verhältnismässig wenig Bettelnde registriert. Im Jahr 2019 wurden 99, im Jahr 2020 80 und letztes Jahr 86 Straftaten wegen «unerlaubten Sammelns von Gaben» registriert. Zum Vergleich: Die Luzerner Polizei zählte letztes Jahr 320 Übertretungen bezüglich «Ruhestörung und unanständiges Benehmen».
Erst abgeschafft, dann wieder eingeführt
Den umgekehrten Weg ging der Kanton Basel-Stadt. Er schaffte das Bettelverbot ab – und führte es auf den 1. September 2021 wieder ein. Seither muss die Basler Polizei Bettelnde, die gegen die Regeln verstossen, mit einer Ordnungsbusse belangen.
Doch die Staatsanwaltschaft bleibt wenig überraschend auf den meisten Bussen sitzen, weil die Bettelnden nicht zahlen können, wie die BZ Basel im März berichtete. Etwas weitsichtiger schienen die Pläne der Regierung, zwei Projekte in Rumänien zu Gunsten der Roma-Bevölkerung zu unterstützen.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/auf-dem-verordnungsweg-kanton-luzern-will-bettelverbot-lockern-ld.2293237)
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Elsi Gerichtsprozesse & aktuelle Situation – Nieder mit dem Rechtstaat und den Eigentumsverhältnissen!
Zwei Personen stehen vor Gericht aufgrund willkürlicher Polizeikontrollen vor den besetzten Häuser der Elsi. Ein politisches Urteil wurde bereits gefällt, nun geht es an die nächste Instanz. Am Mittwoch publizierte die Eigentümerschaft ihr Bauvorhaben. Jetzt heisst es sich organisieren und kämpfen. Nieder mit dem Rechtstaat und den Eigentumsverhältnissen!
https://barrikade.info/article/5194
++++KNAST
Altstätten: Häftling zündet Matratze in seiner Zelle an – mehrere tausend Franken Schaden
Am Samstagnachmittag hat die Notrufzentrale St.Gallen eine Brandmeldung aus dem Regionalgefängnis Altstätten erhalten. Ein 28-jähriger algerischer Häftling hatte seine Matratze in Brand gesteckt. Der Mann konnte aus der Zelle gerettet werden. Er musste ins Spital überführt werden.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/rheintal/brand-altstaetten-haeftling-zuendet-matratze-in-seiner-zelle-an-mehrere-tausend-franken-schaden-ld.2297273
+++POLIZEI BS
Basler Zeitung 29.05.2022
Urteile gegen Polizisten: Basler Polizei geht Gewaltvorwürfe mit neuer Leitung und Workshops an
Drei verurteilte Basler Polizisten waren in derselben Einheit. Verfehlungen würden nicht geduldet, heisst es bei den Behörden. In der betroffenen Einheit seien die Beamten aber am häufigsten mit gewalttätigen Personen konfrontiert.
Mirjam Kohler, Isabelle Thommen
«Gewalttätige, strafrechtlich relevante Zwischenfälle» bei der Basler Polizei sorgten vergangenen Montag für Schlagzeilen. Wie SRF im «Regionaljournal Basel» berichtete, komme es beim Einsatzzug immer wieder zu Problemen. Die Truppe leistet Einsätze an Demonstrationen, Fussballspielen oder im Drogenmilieu. Im letzten halben Jahr wurden drei Urteile gegen ehemalige Angehörige dieser Truppe verhängt.
Unter den Verurteilten ist auch ein langjähriger Gruppenleiter: In einem internen Whatsapp-Teamchat habe dieser mehrere Nachrichten mit «drastischen» Darstellungen verschickt. Dafür wurde der frühere Gruppenleiter mittels Strafbefehl verurteilt. In diesem heisst es, dass im Video etwa zu sehen sei, wie einer Person wegen einer Detonation «die ganze Hand abgerissen wird» oder eine Frau von einem «Masseur im Genital- und Brustbereich massiert wird». Der Gruppenleiter wurde daraufhin entlassen.
Anfang Mai hatte das Basler Appellationsgericht einen Polizisten wegen Amtsmissbrauchs und einfacher Körperverletzung in zweiter Instanz verurteilt. Er soll 2016 einem Jugendlichen so stark ins Gesicht geschlagen haben, dass dieser mehrere Tage im Spital verbringen musste. Laut SRF-Recherchen war auch dieser Polizist zum Tatzeitpunkt beim Einsatzzug tätig. Ebenso ein dritter Polizist, der 2013 einem am Boden fixierten Studenten ins Gesicht getreten und dessen Kopf aufs Trottoir geschlagen hatte. Im Januar hat das Bundesgericht das frühere Urteil des Basler Appellationsgerichts wegen Amtsmissbrauchs gegen den Polizisten bestätigt.
Entlassung nach Verurteilung
Stefan Schmitt, Mediensprecher bei der Basler Polizei, bestätigt die Recherchen von SRF gegenüber der BaZ: «Die Kantonspolizei Basel-Stadt bestätigt, dass in den vergangenen zehn Jahren drei Mitglieder des Einsatzzugs aufgrund von Widerhandlungen in ihrer Tätigkeit rechtskräftig verurteilt worden sind», heisst es in der schriftlichen Stellungnahme. «Die Kantonspolizei akzeptiert kein Verhalten, das das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei schädigt, und reagiert entsprechend.»
Alle drei erwähnten Mitarbeiter seien sofort nach Bekanntwerden der Vorfälle mit personalrechtlichen Massnahmen belegt und nach der rechtskräftigen Verurteilung aus dem Polizeidienst entlassen worden. Der Einsatzzug habe zudem seit 2019 eine neue Leitung, die sich aktiv um einen Kulturwechsel bemühe. «Vorgefallenes wird in internen Workshops thematisiert und eine Kultur geschaffen, die solchen Verfehlungen keinen Raum gibt», sagt Schmitt.
Konfliktmanagement in der Ausbildung
«Der Einsatzzug ist aufgrund seines Auftrags täglich mit einer sehr unangenehmen und auch gewalttätigen Klientel konfrontiert», führt Schmitt weiter aus. «Es gibt dazu keine Statistik, aber der Einsatzzug ist auch am meisten betroffen von den seit Jahren steigenden Fällen von Gewalt gegen Beamte. Von daher ist der Einsatzzug am gefährdetsten für solche Fälle.» Die Anzahl dieser Verfehlungen sei «aber sehr klein», und die Mitarbeitenden des Einsatzzugs würden «sehr gute Arbeit» leisten.
Bereits in ihrer Grundausbildung an der Interkantonalen Polizeischule in Hitzkirch würden alle Polizistinnen und Polizisten der Kantonspolizei Basel-Stadt in Stress- und Konfliktmanagement sowie im Umgang mit Aggression unterrichtet. Diese Kenntnisse würden in internen Weiterbildungen immer wieder vertieft und erweitert, sagt Schmitt. «Haben Mitarbeitende trotz der umfangreichen Aus- und Weiterbildung Schwierigkeiten, mit Erlebtem umzugehen, können sie sich an die Fachstelle Einsatzpsychologie, wo ausgebildete Psychologinnen und Psychologen arbeiten, wenden.» Weiter stünden allen Mitarbeitenden der Kantonspolizei Basel-Stadt speziell in der Notfallpsychologie und Krisenintervention geschulte Kolleginnen und Kollegen, sogenannte Peers, zur Verfügung.
(https://www.bazonline.ch/basler-polizei-geht-gewaltvorwuerfe-mit-neuer-leitung-und-workshops-an-597255146977)
+++POLIZEI DE
Cop-Culture: Polizei als Forschungsobjekt
Die Polizei als Exekutivorgan des Staates wird immer wieder mit zwei Kritikpunkten konfrontiert: einem geringen Migrantenanteil und einer überholten Männlichkeitskultur. Mit diesen Themen befasst sich die Kriminologin Daniela Hunold in der empirischen Polizeiforschung.
https://www.inforadio.de/rubriken/wissen/wissenswerte/2022/05/polizei-empirische-polizeiforschung-polizist-rassismus-maennlichkeit.html
+++HISTORY
Traum von der freien Assoziation
Am 14. Mai jährte sich der Todestag von Emma Goldman. Die Anarchistin fand in den USA zum Anarchismus, wurde in Sowjetrussland von den Bolschewiki enttäuscht und engagierte sich im spanischen Bürgerkrieg. Ihre Ideen sind bis heute aktuell.
Sie fand in den USA zum Anarchismus, wurde in Sowjetrussland von den Bolschewiki enttäuscht und nahm teil am Spanischen Bürgerkrieg: Emma Goldman hat ein wechselhaftes Leben geführt und ihre Ideen sind bis heute aktuell
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1164130.emma-goldman-traum-von-der-freien-assoziation.html