Medienspiegel 3. Mai 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++AARGAU
AG/SO: Wenige Arbeitsgesuche von Ukrainerinnen
3000 ukrainische Flüchtlinge sind im Aargau bis jetzt angekommen. Im Kanton Solothurn sind es 1200. Bisher seien jedoch erst wenige Gesuche eingetroffen. Die Behörden rechnen damit, dass dies bald ändert und sie vor allem in der Gastronomie oder Landwirtschaft arbeiten wollen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/ag-so-wenige-arbeitsgesuche-von-ukrainerinnen?id=12185295


Aargauer Parlament krebst zurück: Sozialhilfe wird doch nicht umgekrempelt
Die Sozialhilfe im Kanton Aargau wird nicht umgebaut. Nach dem Regierungsrat hat sich auch der Grosse Rat am Dienstag einstimmig gegen Änderungen ausgesprochen. Der von der bürgerlichen Mehrheit im Parlament zunächst unterstützte Systemwechsel sei nicht umsetzbar, hiess es.
https://www.watson.ch/schweiz/aargau/622213076-aargauer-parlament-sozialhilfe-wird-doch-nicht-umgekrempelt
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aargau-die-sozialhilfe-bleibt-wie-sie-ist?id=12185646


+++BASEL
Ukrainische Flüchtlinge auf Stellensuche
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/mobilisk-der-bvb-ist-gut-angelaufen?id=12185514
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/ukrainische-fluechtlinge-finden-meist-keine-arbeitsstellen?id=12185673


+++BASELLAND
Gemeinden sollen Flüchtlings-Gastfamilien entschädigen
Die Baselbieter Gemeinden sollen künftig Gastfamilien, die „Personen aus dem Asylbereich“ aufnehmen, finanziell entschädigen. Die Regierung hat dies im Entwurf zur Teilrevision der Asylverordnung verankert. Allerdings werden die Gemeinden dazu am 24. Mai noch angehört.
https://www.onlinereports.ch/News.117+M5969c4b178e.0.html
-> https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/regierungsrat-wer-im-baselbiet-gefluechtete-unterbringt-erhaelt-neu-220-franken-pro-person-ld.2284679



Basler Zeitung 03.05.2022

Regierung entwirft Verordnung: Baselland unterstützt Gastfamilien ukrainischer Flüchtlinge

Mit einer revidierten Verordnung hat die Baselbieter Regierung die Grundlage in die Vernehmlassung geschickt, gemäss der Gastfamilien von Geflüchteten finanziell entschädigt werden können.

Thomas Dähler

1500 Franken beträgt die monatliche Pauschale pro Flüchtling aus der Ukraine, die der Bund den Kantonen überweist. Sie soll die Kosten für den Lebensunterhalt, die Krankenversicherung, die Unterkunft und die administrativen Kosten der öffentlichen Hand decken. Nicht darin enthalten sind die Kosten für die Deutschkurse und weitere Integrationsangebote. Dafür bezahlt der Bund einen jährlichen Beitrag von 3000 Franken. Die Kosten für den Schulunterricht von Kindern im schulpflichtigen Alter müssen Gemeinden und Kanton aus dem ordentlichen Haushalt begleichen.

Die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine sind privat untergebracht. Bisher wurde die Unterbringung nicht entschädigt. Der Baselbieter Finanzdirektor hat vor dem Parlament angekündigt, Gastfamilien auf der Grundlage einer Verordnung zu entschädigen. Das will die Regierung jetzt umgesetzen. Damit will sie ein Handlungspostulat von Landrätin Caroline Mall (SVP) umsetzen. Ihren dringlich erklärten Vorstoss hatte der Landrat diskussionslos überwiesen. Damit werden die Gemeinden einen Teil der Flüchtlingspauschale des Bundes an Private weitergeben, die Ukraine-Flüchtlinge beherbergen. Nach wie vor sind die Gemeinden von der Hilfsbereitschaft Privater abhängig.

Für «angemessene Unterkunft»

Die Entschädigungen an Gastfamilien sind gemäss der geplanten Verordnung an festgelegte Bedingungen geknüpft. Damit werden – so erklärt es der Regierungsrat in seinem Communiqué – einerseits die Wohnnebenkosten gedeckt und andererseits allfällige Einschränkungen entschädigt, die Gastfamilien durch die Unterbringung von Geflüchteten erfahren. Für den Entschädigungsanspruch muss «eine angemessene Unterkunft» vorliegen. Es darf kein Verwandtschaftsverhältnis und keine Schwägerschaft vorliegen, und die Aufnahme muss mindestens 14 Tage dauern. Die Gemeinde ist zuständig für die Prüfung der Bedingungen.

Bis Ende April wurden dem Kanton Basel-Landschaft vom Bund offiziell 1735 geflüchtete Personen aus der Ukraine zugewiesen. Davon haben rund 80 Prozent eine private Unterkunft. Die Entschädigung für die Gastgeber beträgt pro Monat für eine Person 220 Franken, für die zweite und dritte Person zusätzlich 150 Franken und ab vier Personen insgesamt 670 Franken. Dies entspricht der Empfehlung der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos).

Auch Grundbedarf neu geregelt

Geregelt wird auch das Mass des Grundbedarfs zugunsten der Geflüchteten, die in einer Privatunterkunft wohnen. Für bedürftige Personen, die in einer Gastfamilie wohnen und nicht mit dieser verwandt oder verschwägert sind, wird der gleiche Betrag wie für eine Wohngemeinschaft in der Sozialhilfe ausgerichtet. Mit der Neuregelung spielt für die Berechnung des Unterstützungsansatzes die Grösse des Haushalts keine Rolle mehr, sondern nur noch die Anzahl der untergebrachten Gäste.

Die veränderte Asylverordnung soll rückwirkend per 1. März 2022 in Kraft treten. Damit erhielten Gastfamilien im Kanton Baselland rückwirkend die bescheidene Entschädigung auch für ihr Engagement in den vergangenen Wochen.
(https://www.bazonline.ch/baselland-unterstuetzt-gastfamilien-ukrainischer-fluechtlinge-781035486483)


+++SOLOTHURN
Im Kanton Solothurn ist neu eine Hotline in Betrieb im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsstrom aus der Ukraine. Die Hotline informiert über psychosoziale Angebot für Flüchtlinge. Aber nicht nur diese dürfen anrufen. Das Angebot gilt für alle, die irgendwie im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise Probleme haben. (ab 06:05)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aargau-die-sozialhilfe-bleibt-wie-sie-ist?id=12185646


+++ZÜRICH
«Züri City Card»: Was bringt ein Stadtausweis?
Im Studio diskutierten die SVP-Gemeinderätin Susanne Brunner und der Gemeinderat der Grünen, Luca Maggi. Die Vorlage, über die am 15. Mai in der Stadt Zürich abgestimmt wird, beantragt einen Kredit von 3,2 Millionen Franken, um die Einführung einer «Zürich City Card» vorzubereiten. Mit dieser Karte soll das Leben der gut 10 000 Sans Papier, die in der Stadt Zürich leben, verbessert werden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zueri-city-card-was-bringt-ein-stadtausweis?partId=12185703


+++SCHWEIZ
Eritrea-Rückkehrer erzählt von seinen Misshandlungen – 10vor10
Eritrea wird seit Jahrzehnten von einem Diktator beherrscht, gilt als Nordkorea des afrikanischen Kontinents. Dennoch schickt die Schweiz eritreische Asylbewerber seit einigen Jahren wieder zurück. «10 vor 10» zeigt in Zusammenarbeit mit dem Recherche-Kollektiv «Reflekt» und dem Magazin «Republik», welches Schicksal ein Rückkehrer durchlitten hat.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/eritrea-rueckkehrer-erzaehlt-von-seinen-misshandlungen?urn=urn:srf:video:0e2c9d01-1f80-417a-9907-f0231bd4d71a
-> https://reflekt.ch/recherchen/eritrea/
-> https://www.republik.ch/2020/04/08/zurueck-in-die-diktatur


Erstaunliche Wende: Kommission will Zugang von Sans-Papiers zur Ausbildung erleichtern
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats will jugendlichen Sans-Papiers einen besseren Start ins Leben ermöglichen. Aber das Vorhaben ist umstritten.
https://www.tagesanzeiger.ch/kommission-will-zugang-von-sans-papiers-zur-ausbildung-erleichtern-194173061131


Sozialhilfe: Weitere Verschärfungen sind unverhältnismässig und unnötig
Der Bundesrat will die Sozialhilfeleistungen für Personen aus Drittstaaten während der ersten drei Jahre nach der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung senken. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) lehnt das Vorhaben entschieden ab. Aus ihrer Sicht ist der Vorschlag weder zielführend noch verhältnismässig. Gleichzeitig würden prekäre Verhältnisse weiter gefördert und ein kantonales Willkürsystem für die Betroffenen geschaffen.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/sozialhilfe-weitere-verschaerfungen-sind-unverhaeltnismaessig-und-unnoetig


Ukraine-Krieg: Gehörlose Flüchtlinge – Schweiz Aktuell
Unter den Geflüchteten aus der Ukraine gibt es auch rund 300 Gehörlose. Der Austausch mit Behörden, ein neues Zuhause finden und sich integrieren, das läuft bei ihnen ein wenig anders ab. Verschiedene Gehörlosen-Organisatonen helfen mit. «Schweiz aktuell» hat eine gehörlose ukrainische Familie in Zürich getroffen.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/ukraine-krieg-gehoerlose-fluechtlinge?urn=urn:srf:video:c7d98957-bde9-41cf-9d3f-0bacc134202f


No Frontex formiert sich in St.Gallen
Die Grenzschutzorganisation Frontex soll mehr Geld erhalten. Die Institution, welche die Europäischen Grenzen schützt soll laut dem Referendumskomitee «NO Frontex» ganz abgeschafft werden. Das kommt nicht überall gut an.
https://www.toponline.ch/news/detail/news/no-frontex-formiert-sich-in-stgallen-00182713/


Worauf es beim Frontex-Entscheid ankommt
Viele Fragen. Unterschiedliche Antworten. Ein schwieriges Abwägen für ein klares Ja oder Nein.
https://beobachtungsstelle.ch/news/worauf-es-beim-frontex-entscheid-ankommt/



landbote.ch 03.05.2022

Carola Rackete in Winterthur«Wir sind die Ersten, die die Seenotrettung abschaffen wollen»

Die Kapitänin und Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete hat Winterthur besucht und sich für das Frontex-Referendum starkgemacht.

Deborah von Wartburg

Am 15. Mai 2022 stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über den Ausbau von Frontex, der Agentur für europäische Grenz- und Küstenwache, ab. Gegen die EU-Übernahme wurde das Referendum ergriffen. Carola Rackete ist eine deutsche Aktivistin, die 2019 geflüchtete Menschen aus ihrer Seenot im Mittelmeer rettete und mit diesen trotz Verbots im italienischen Lampedusa anlegte. Dabei rammte sie ein Schiff der Finanzpolizei, worauf Rackete in Untersuchungshaft kam. Das Verfahren gegen sie wurde mittlerweile wieder eingestellt.

Rackete weibelt derzeit überall in der Schweiz zusammen mit dem Referendumskomitee für ein Nein bei der Abstimmung. Am Montagabend besuchte sie mit Lorenz Naegeli vom Referendumskomitee eine Filmvorführung im Saal Einviertel auf dem Winterthurer Lokstadt-Areal. Mit dem «Landboten» sprachen die beiden über Alternativen zu Frontex und den viel diskutierten «Pull-Effekt».

Aktuell ist die Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine gross. Ist das unfair gegenüber anderen Flüchtlingen?

Carola Rackete: Es zeigt, dass eine andere Migrationspolitik möglich ist. Es wurde in den letzten Jahren viel über die angeblich so grossen Zahlen von Geflüchteten gesprochen. Jetzt sehen wir, dass die europäischen Staaten es schaffen, sich innert sehr kurzer Zeit zu einigen und schnell grosse Mengen an Menschen wohlwollend aufzunehmen. Gleichzeitig macht die Solidarität auf dramatische Weise den Rassismus der Abschottungspolitik klar. Das hat sich auch sehr offensichtlich an den afrikanische Studenten gezeigt, die an der ukrainischen Grenze teils direkt in Abschiebeknäste gebracht wurden.

Lorenz Naegeli: Im Jahr 2015 hatte man ja teilweise denselben Aggressor. In Syrien waren es letztendlich auch russische Kräfte, die die Leute bombardiert und zur Flucht gezwungen haben.

Rackete: Es ist fast ein bisschen zynisch, wenn den Leuten erst jetzt bewusst wird, wie aggressiv die russische Politik gegen die Zivilbevölkerung vorgeht.

Es gibt immer wieder Berichte darüber, dass Schlepper auf die Seenotrettung bauen. Ist das ein notwendiges Übel, das man in Kauf nehmen muss?

Naegeli: Es wurde dutzendfach bewiesen, dass es den sogenannten «Pull-Effekt», also eine Zunahme von Flüchtenden durch die Rettungsaktionen, nicht gibt. Es ist die Abschottungspolitik, für die Frontex steht, die den Markt für Schlepperei überhaupt erst schafft. Wir sind die Ersten, die die Seenotrettung abschaffen wollen. Nur braucht es dafür sichere Fluchtrouten.

Frontex wird zu Recht hart kritisiert. Aber gibt es Alternativen?

Naegeli: Es ist ein grundsätzliches Problem, dass die Abschottungspolitik als alternativlos dargestellt wird. Ein gutes Beispiel ist die italienische Operation Mare Nostrum von 2014. Mare Nostrum war ein aktives staatliches Seenotrettungsprojekt bis vor die libysche Küste. Das zeigt: Man hätte das Geld und die Einsatzmittel, die Seenotrettung sofort anders zu gestalten. Frontex ist alles andere als alternativlos.

Wenn die Schweiz die Vorlage ablehnt, müssen sich die EU und die Schweiz innerhalb von 90 Tagen einigen, sonst wird die Schweiz aus Schengen ausgeschlossen. Sehen Sie Chancen für eine solche Einigung?

Rackete: Ja. Verschiedene EU-Politiker und Juristen haben gesagt, dass die EU kein Interesse daran hat, die Schweiz aus Schengen auszuschliessen. Es passiert immer wieder, dass sich die Übernahme von Gesetzen verzögert, auch bei EU-Staaten.

Carola Rackete, Sie sind als Deutsche mit dem No-Frontex-Komitee auf Schweiz-Tournee. Warum?

Rackete: Die Kampagne in der Schweiz ist Teil des europäischen Netzwerks Abolish Frontex, das 115 Gruppen quer durch Europa und auch in Nordafrika einschliesst. Das Referendum in der Schweiz ist ein Baustein in einer grösseren Organisation, die sich gegen Frontex zusammenschliesst. Wir fordern Bewegungsfreiheit, Gleichberechtigung und eine solidarische Migrationspolitik.
(https://www.landbote.ch/wir-sind-die-ersten-die-die-seenotrettung-abschaffen-wollen-524835786531)


+++ITALIEN
Verfahren gegen Flüchtlingshelfer: Schikane gegen Engagement
Flüchtlingshelfer Andrea Costa steht in Italien als Schleuser vor Gericht. Er hat für Afrikaner getan, wofür er bei Ukrainern gefeiert wird.
https://taz.de/Verfahren-gegen-Fluechtlingshelfer/!5847529/


+++GASSE
Nicht die Polizei, sondern die Firma Delta Security soll am Rheinufer für Ruhe und Ordnung sorgen – ein Novum für Schaffhausen. Was dürfen private Sicherheitsleute?
«Durchsetzung der Polizeiverordnung im Gebiet Salzstadel-Lindli» forderten Anwohnerinnen und weitere Unterzeichner mit ihrer Petition. Gemeint ist vor allem die in dieser Verordnung festgeschriebene Ruhezeit ab 22 Uhr abends – und zuständig für die Durchsetzung ist die Kantonspolizei.
https://www.shaz.ch/2022/05/03/ruhe-fuer-38-000-franken/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Feministischer Streik 2020: Busse erfolgte zu Unrecht
Das Strafgericht Basel hat heute in einem ersten Fall entschieden, dass die Ausstellung der Busse am 14. Juni 2020 zu Unrecht erfolgt ist. Damit bestätigt das Gericht juristisch im wesentlichen, was das Streikkomitee bereits zwei Jahre zuvor in seiner Petition “Keine Kriminalisierung am feministischen Streiktag” politisch forderte.
https://frauenstreik-bs.ch/2022/05/03/feministischer-streik-2020-busse-erfolgte-zu-unrecht/
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/basel-stadt-praezedenzfall-busse-am-feministischen-streik-2020-erfolgte-zu-unrecht-ld.2284609
-> https://telebasel.ch/2022/05/03/strafgericht-befreit-frauenstreik-teilnehmerin-von-der-busse/
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/basel-stadt-praezedenzfall-busse-am-feministischen-streik-2020-erfolgte-zu-unrecht-ld.2284609



Basler Zeitung 03.05.2022

Unbewilligte Demo in Basel: Strafgericht hebt Frauenstreik-Busse auf

Rund 280 Bussen stellte die Basler Polizei am 14. Juni 2020 aus. Das Gericht sprach nun eine der Angeklagten frei.

Isabelle Thommen

Der Frauenstreik 2020 schlug hohe Wellen: Die Demonstration am 14. Juni war unbewilligt und wurde auf der Johanniterbrücke von der Basler Polizei aufgelöst. Ein Video, das zeigt, wie Nationalrätin Sibel Arslan von der Polizei abgeführt wird, sorgte für Schlagzeilen. Es hagelte Bussen. Es folgte ein politisches Nachspiel: Eine Petition forderte, dass die ausgeteilten Bussen zurückgezogen werden und die Daten der Angeschuldigten nicht an die Basler Staatsanwaltschaft weitergegeben werden. Im Januar beauftragte der Grosse Rat die Regierung, einen Bericht zum Polizeieinsatz vorzulegen.

In einem ersten Fall hat das Basler Strafgericht nun am Dienstag entschieden, dass die Ausstellung der Busse zu Unrecht erfolgt sei, wie «Frauen*streik Basel» mitteilt. Die Angeklagte wurde freigesprochen. Insgesamt wurden auf der Johanniterbrücke 280 Bussen à 100 Franken ausgestellt. Dies wegen Verstosses gegen die Corona-Verordnung: Die Zahl von Teilnehmenden an Veranstaltungen war damals auf 300 begrenzt.

Mangelnde Beweise

Verteidiger Christian von Wartburg argumentierte, dass kein Verstoss möglich gewesen sei, da der Bundesrat an einem vorgängigen Point de Presse am 18. Mai 2020 explizit erklärt hatte, dass Demonstrationen nicht mehr als Veranstaltungen zählen würden. Der Freispruch erfolgte laut Mitteilung aber vor allem wegen fehlender Beweise.

«Die Strafverfolgungsbehörden haben zu Unrecht Bussen von gesamthaft rund 28’000 Franken ausgerechnet zulasten derer ausgesprochen, die zum Thema machten, dass sie mehr Krisenlast getragen haben und doppelt so viel Gratisarbeit leisten», sagt Franziska Stier vom feministischen Streik Basel. «Es wäre nur gerecht, wenn dieses eingesammelte Geld nun dorthin fliesst, wo es gebraucht wird: in feministische Projekte», fordert sie.
(https://www.bazonline.ch/strafgericht-hebt-frauenstreik-busse-auf-809806333170)



Die Aufarbeitung der 1. Mai Demo in Basel (ab 02:01)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/strafgericht-beschaeftigt-sich-mit-vergewaltigung-an-der-heuwaage?id=12185289


Linke streiten auf Facebook über «Tag der Vollidioten»
Am Tag der Arbeit verschmierte eine kleine Gruppe Demonstrant*innen Wände und schlug Scheiben ein. Der ehemalige Sozialdemokrat Roland Stark wirft seinen Ex-Genoss*innen vor, sie hätten zu wenig dagegen unternommen.
https://bajour.ch/a/EwxLKxe2d6SkuW7o/linke-streiten-uber-1mai


Polizist Hochuli: «Wir können doch nicht einfach zuschauen»
Nach der Demo vom Sonntag übt Polizeivorsteherin Stephanie Eymann ungewöhnlich deutliche Kritik – an der Polizei. EVP-Grossrat Christoph Hochuli, selbst Polizist, findet das gut.
https://bajour.ch/a/iRQy17tQgqDBtzOk/wir-konnen-doch-nicht-einfach-zuschauen



Basler Zeitung 03.05.2022

Stephanie Eymann zu den 1.-Mai-Krawallen: «Das Vermummungsverbot gehört durchgesetzt»

Die Basler Sicherheitsdirektorin will, dass die Straftaten an der 1.-Mai-Demonstration Konsequenzen haben. Doch was tut sie dafür?

Dina Sambar

Am 1. Mai demonstrierten in Basel über tausend Menschen für eine gerechtere Welt. Was jedoch in Erinnerung bleibt, sind die Taten von rund hundert gewaltbereiten Vermummten. Sie versprayten Wände, schlugen Scheiben ein und griffen sogar einen BaZ-Fotografen tätlich an. Die mit einem grossen Aufgebot anwesende Polizei verhinderte die Straftaten nicht. Nun nimmt die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann Stellung.

Frau Eymann, in der Schweiz herrscht ein Vermummungsverbot. Weshalb wurde dieses an der 1.-Mai-Demo beim Schwarzen Block nicht durchgesetzt?

Meine Meinung ist klar: Das Vermummungsverbot gehört durchgesetzt. Es stört mich, wenn das nicht geschieht. Wenn wir Regeln haben, besteht auch der Anspruch, dass Verstösse dagegen geahndet oder verhindert werden. Weshalb dies in diesem Fall nicht geschah, ist eine Frage, die man der Polizei stellen muss. Als Vorsteherin gebe ich die strategischen Leitlinien vor.

Und wie sahen die Leitlinien im Fall von Sachbeschädigungen aus? Die Polizei hat tatenlos zugesehen, wie Wände versprüht und Fensterscheiben eingeschlagen wurden.

Dass man bei Sachbeschädigungen nicht eingreift, gehört sicher nicht zu meinen Vorgaben. Ich bin nicht zufrieden, wenn der Eindruck zurückbleibt, dass die Missachtung von Regeln keine Konsequenzen hat. Und das war bei dieser Demonstration der Fall. Das Bild, das die Stadt Basel abgibt, ist nicht schön. Ich verstehe den Ärger. Ich ärgere mich auch.

Sie sind die Polizeidirektorin. Was werden Sie konkret unternehmen?

Dieser Einsatz muss aufgearbeitet werden, und zwar nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit den Organisatoren der gestrigen Demonstration. Was am Sonntag geschehen ist, hat mit dem Recht zu demonstrieren nichts mehr gemeinsam: Ich verurteile, dass sich die Linken im Vorfeld nicht von diesen Gewalt anwendenden Gruppierungen distanzieren. Im Nachhinein kommt das zu spät und schadet auch deren Anliegen massiv.

Gab es bei all den begangenen Straftaten tatsächlich keine Verhaftungen? Es waren doch sicher viel mehr Polizisten vor Ort als Vermummte.

Von Verhaftungen habe ich keine Kenntnis. Ich kenne solche Situationen aber aus meiner früheren Tätigkeit als Chefin der Baselbieter Verkehrspolizei. Die Bevölkerung sieht viele Polizisten und denkt, dass es für diese doch kein Problem sein müsste, eingreifen zu können. Doch dieses Umfeld ist sehr gewaltbereit. Jede Reaktion der Polizei erzeugt eine Gegenreaktion. Die Polizisten müssen vor Ort entscheiden, ob sie diese Gegenreaktion im Griff haben würden. Durch den Verzicht einzugreifen kann allenfalls verhindert werden, dass Schlimmeres, zum Beispiel ein Angriff auf Leib und Leben, passiert. Es ist nicht ganz so einfach, wie es aussieht.

Es ist immer von Deeskalation und Verhältnismässigkeit die Rede. Kann man noch von Verhältnismässigkeit sprechen, wenn, wie geschehen, ein Pressefotograf angegriffen wird?

Es schockiert mich, dass ein Medienschaffender angegriffen wurde – auch weil es tief blicken lässt, was die Angreifer von der Medienfreiheit halten. Die Deeskalationsstrategie besteht aus drei D: Dialog, Deeskalation und Durchgreifen. Im Vorfeld steht schon der Dialog. Doch wenn etwas geschieht, muss nicht mehr diskutiert werden, dann braucht es das D für Durchgreifen. Da habe ich noch nie einen Hehl daraus gemacht. Es braucht keine schärferen Regeln. Wir müssen die bestehenden konsequenter anwenden.

War die Polizei personell am Limit, weil am gleichen Tag auch noch das Risikofussballspiel zwischen dem FCB und dem FCZ stattfand?

Das ist nicht die Rückmeldung, die ich erhalten habe. Man wusste ja, dass diese Veranstaltungen stattfinden, und war vorbereitet. Es lag sicher nicht an einer personellen Unterbesetzung, dass nicht eingegriffen wurde.

Mit dem Umgang mit heiklen Demonstrationen sind alle unzufrieden.

Die Linken finden, wir sind zu streng, die Rechte findet, wir sind zu lasch. Und das Gewerbe ist auch nicht glücklich. Die Unzufriedenheit ist auf allen Ebenen riesig. Ich wünsche mir beim Demo-Thema mehr Konsequenzen und mehr Schärfe. Wir müssen einen Gesamtkonsens anstreben.

Die Demonstration war bewilligt. Werden die Veranstalter für die Sachbeschädigungen zur Verantwortung gezogen?

Der Bewilligungsnehmer haftet nicht automatisch. Allerdings ist es nun die Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaft, herauszufinden, was den Veranstaltern im Vorfeld bekannt war. Es wird untersucht, ob es eine Haftungsfrage gegenüber den Bewilligungsnehmern gibt.
(https://www.bazonline.ch/das-vermummungsverbot-gehoert-durchgesetzt-742791227016)



Basler Zeitung 03.05.2022

Leitartikel zur Gewalt am 1. Mai: Basel ist auf dem linken Auge blind

Die lokalen Politiker sind geübt im Ignorieren der wiederkehrenden linksextremen Gewalt an Demonstrationen. Das Schönreden muss endlich ein Ende haben.

Alexander Müller

Einmal mehr hat der Stadtkanton am 1. Mai vor ein paar Dutzend Kriminellen kapituliert. Wie üblich nach Demonstrationen, wenn der Schwarze Block in der Innenstadt wütet, geben sich danach die Politikerinnen und Politiker der linken Parteien zerknirscht. Man verurteilt die Gewalt und die Sachbeschädigungen offiziell, ärgert sich aber vor allem darüber, dass die eigenen Botschaften der Demo beim Publikum durch die linksextreme Gewalt überlagert werden.

Exemplarisch gibt Basta-Grossrätin Tonja Zürcher gegenüber der BaZ ihrem Bedauern Ausdruck, dass viele Medien den Sachbeschädigungen in ihrer Berichterstattung jeweils so viel Platz einräumen «und damit das Spiel mitspielen».

Schuld sind also jene, die darüber berichten. Selber schuld ist auch der BaZ-Fotograf. Er hätte halt nicht fotografieren sollen, dann wäre er auch nicht verprügelt worden. So äussert sich unter anderem ein Sympathisant des Schwarzen Blocks auf Twitter. «Victim blaming» nennt man dieses Verhalten in linken Kreisen sonst gern und lautstark. Dem Opfer die Schuld am Verbrechen geben also.

Im Wegsehen, im Ignorieren der Probleme, ist die Basler Politik, zumindest im Fall der ewig wiederkehrenden linksextremen Gewalt an Demonstrationen, geübt. Das grösste Problem sitzt allerdings im Spiegelhof. Seit Jahrzehnten ist die Justiz- und Sicherheitsdirektion fest in bürgerlicher Hand.

Bereits FDP-Regierungsrat Hanspeter Gass hat das Schönreden der Probleme perfektioniert. Jahrelang liess er die linksextreme Szene in einer Art rechtsfreiem Raum der damals besetzten Villa Rosenau gewähren. In diese Zeit fielen Saubannerzüge, Brandanschläge auf Polizeiposten oder die Verwüstung des damaligen alten Kinderspitals – die Schadensumme ging in die Millionen.

Auch Gass’ Nachfolger Baschi Dürr, ebenfalls ein Freisinniger, glänzte in seiner Amtszeit nicht mit harten Ansagen gegenüber linken Gewalttätern. Ihm war es wichtiger, dass seine Polizeiautos die Luft nicht verschmutzen. Bei Demonstrationen bemühte er hingegen regelmässig das Mantra der Deeskalation.

Mit Stephanie Eymann scheint nun das Appeasement nahtlos fortgesetzt zu werden. Seit die Liberale als Polizeidirektorin im Amt ist, hat sich ihre Polizei immerhin einmal getraut, an einer Demo zum Internationalen Frauentag eine 14-Jährige in Handschellen zu legen. Am vergangenen Sonntag hingegen glänzte die Polizei in der Innenstadt mit demonstrativem Wegsehen. Dass ein BaZ-Fotograf angegriffen wurde, weiss die Polizei nur aus den Medien. Wer sich selbst in einer Seitenstrasse in Deckung hält, um der Konfrontation auszuweichen, kann halt die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt nur schwer garantieren.

Befremdlich sind die Antworten, die Eymann auf Fragen der BaZ gibt. Ja, es störe sie, wenn das Vermummungsverbot nicht durchgesetzt würde, beteuerte sie. Derselben Meinung dürfte auch ein Grossteil der Basler Bevölkerung seit vielen Jahren sein. Geändert hat sich trotzdem nie etwas an diesem Missstand. Und Eymann behauptet auch: «Dass man bei Sachbeschädigungen nicht eingreift, gehört sicher nicht zu meinen Vorgaben.» Doch mit Verlaub: Wer führt eigentlich die Basler Polizei? Entweder spricht Eymann mit gespaltener Zunge, oder aber sie hat ihren Laden nicht im Griff.

«Durch den Verzicht, einzugreifen, kann allenfalls verhindert werden, dass Schlimmeres, zum Beispiel ein Angriff auf Leib und Leben, passiert», sagt Eymann. Doch gerade der Verzicht, einzugreifen, hat die Sicherheit verringert, wie der Angriff auf unseren Fotografen gezeigt hat. Es sei nicht ganz so einfach, wie es aussehe, rechtfertigt die Polizeivorsteherin die Fortsetzung der Appeasement-Politik ihrer Vorgänger. Gerade das langjährige Nichtstun der Polizei ist aber für die Chaoten eine Einladung.

Dabei übersieht sie: Die linken Gewalttäter sind unbewaffnete Jugendliche und junge Erwachsene – keine Elitesoldaten. Ihnen wäre eine Überzahl an hochgerüsteten und erfahrenen Spezialkräften der Basler Polizei gegenübergestanden. Eine Polizei aber, die nicht einmal in der Lage ist, ein paar Dutzend junge Männer und Frauen vom Verschmieren der Wände abzuhalten und wenigstens ein paar von ihnen zu verhaften, ist bestimmt nicht im Sinne eines Grossteils der Bevölkerung.

Den lauwarmen Worten müssen Taten folgen

Das Wegsehen bei Sachbeschädigungen und Ausschreitungen rund um Demonstrationen muss endlich ein Ende haben. Gefordert sind einerseits die linken Demonstranten selbst, die den Schwarzen Block nicht länger in ihren Reihen tolerieren dürfen.  Wenn rund einhundert Vermummte direkt vorne weg marschieren, glaubt den lokalen Politikerinnen niemand, dass sie «erst später» den Vandalismus bemerkt haben sollen. Und auch dass sie keine Ahnung haben wollen, wer diese Chaoten sind, ist wenig plausibel.

Gefordert sind aber auch die Polizei und deren Vorsteherin Stephanie Eymann selbst: Ihren lauwarmen Worten müssen endlich einmal Taten folgen. Vielleicht tut das Durchgreifen beim ersten Mal weh. Langfristig hilft gegen die Chaoten aber nur kompromissloses Handeln. Geben wir ihnen endlich zu verstehen: Wir lassen uns nicht mehr länger auf der Nase herumtanzen! Ob das mit oder ohne Stephanie Eymann passiert, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen.
(https://www.bazonline.ch/basel-ist-auf-dem-linken-auge-blind-777561947378)



Communiqué Revolutionärer 1. Mai ZH
Am internationalen Arbeiter*innenkampftag haben sich verschiedene revolutionäre Kräfte unter der Parole „Ihre Krise – Unsere Kämpfe!“ auf den Strassen von Zürich vereint. Am Morgen im lautstarken revolutionären Block des 1. Mai Umzugs mit 2000 Menschen und am Nachmittag an der selbstbestimmten Demonstration im Kreis 4 mit bis zu 2000 Teilnehmer:innen.
https://barrikade.info/article/5158


Der wachsender Widerstand in St. Gallen am 1. Mai
Am Samstag, dem 30. April, fand in St. Gallen eine revolutionäre Demonstration von etwa 30 Personen statt.
https://barrikade.info/article/5162



aargauerzeitung.ch 03.04.2022

Verhaftungen, Wegweisungen und eine Person im Spital: Der Waldprotest der Klimaaktivisten wird Thema in der Politik

Der Polizeieinsatz beim Steinbruch Villigen zur Räumung eines Protestcamps von Anfang April sei unverhältnismässig gewesen, sagen die Aktivistinnen und Aktivisten. Grossrat Nicola Bossard (Grüne) hat Fragen an den Regierungsrat.

Eva Berger

Am Morgen des 3. April richteten Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten im verschneiten Wald am Geissberg bei Villigen ein Protestcamp ein. Sie wollten verhindern, dass der Steinbruch Gabenchopf erweitert wird. Denn dieser liefert Kalkstein an das Zementwerk Siggenthal, das wiederum zum Holcim-Konzern gehört. Und Holcim ist, laut den Aktivistinnen und Aktivisten, der grösste CO2-Produzent der Schweiz. Darauf wollten sie aufmerksam machen.

Polizei: 40 Personen wurden kontrolliert

Die Protestaktion «ZAD Geissberg» (ZAD steht für Zone à défendre, eine Verteidigungszone) war indes nur von kurzer Dauer. Noch am gleichen Tag wurde das Camp geräumt. Rund 40 Personen im Alter zwischen 17 und 60 Jahren seien zwecks Kontrolle einem Stützpunkt der Kantonspolizei zugeführt und danach weggewiesen worden, teilte die Polizei mit. Der Holcim-Konzern sei offen für einen Dialog, dulde aber kein illegales Eindringen auf sein Gelände, hielt sie weiter fest. Solche Aktionen stellten ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Damit war der Protest beendet.

Genau einen Monat später aber kommt die Demonstration – und vor allem die Rolle der Polizei dabei – aufs politische Tapet. Grossrat Nicola Bossard (Grüne) hat in der Parlamentssitzung vom Dienstag eine Interpellation zum Polizeieinsatz beim Steinbruch eingereicht, mitunterzeichnet von seiner Fraktion. Er listet eine Reihe von Vorkommnissen auf, zu denen es an jenem Sonntag im Wald gekommen sein soll.

Gewaltsam zu Boden geworfen, Kälteschutz verweigert

Aktivistinnen und Aktivisten seien verhaftet, in einem Fall sogar gewaltsam zu Boden geworfen, in Handschellen gelegt und abgeführt worden. Jenen, die in den Bäumen protestierten, sei Kälteschutz verweigert worden, eine Person musste ins Spital eingeliefert werden, nachdem sie von den Kletterspezialisten der Polizei vom Baum geholt worden war.

Weiter seien Medienschaffende aufgefordert worden, das Camp zu verlassen, worin Bossard eine klare Missachtung der Pressefreiheit ausmacht. In den umliegenden Dörfern seien weiter Wanderer und Journalistinnen kontrolliert, Autos und Busse angehalten und durchsucht und verdächtige Personen verhaftet worden. Wenige Tage nach der Räumung hätten zudem verschiedene Demonstrierende versucht, bei der Polizei ihr beschlagnahmtes Eigentum zurückzufordern. Dieses sei bereits zerstört worden, habe die Polizei geantwortet.

Angesichts der Klimakrise legitim

Nicola Bossard hat selber nicht am Protest teilgenommen, aber er ist Klimaaktivist und er hält den Einsatz der Polizei für völlig überspannt: «Nach dem Einsatz stellen sich brisante Fragen punkto Verhältnismässigkeit, Pressefreiheit und des Umgangs mit beschlagnahmtem Eigentum», schreibt er. Derartige politische Proteste seien schliesslich legitim und Ausdruck einer gesunden Demokratie – vor allem angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise.

Vom Regierungsrat will Bossard wissen, wie viele Wegweisungen effektiv eröffnet wurden, ob die Räumung des Camps durch Holcim selber initiiert wurde, warum die Polizei überhaupt im Voraus von der Aktion wusste und wie Beschlagnahme von Privatbesitz und Einschränkung der Medienfreiheit gerechtfertigt werden. Denn: Der gesamte Einsatz habe die Medienfreiheit verletzt, die gesetzlichen Rechte der Aktivistinnen und Aktivisten gefährdet, die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung in der Region eingeschränkt und die Gesundheit der Aktivistinnen in den Bäumen in Gefahr gebracht.

Antwort durch den Regierungsrat gibt es voraussichtlich in drei Monaten.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/polizeieinsatz-verhaftungen-wegweisungen-und-eine-person-im-spital-der-waldprotest-der-klimaaktivisten-wird-thema-in-der-politik-ld.2284530)


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Zwischenerfolg für die Allianz «Armut ist kein Verbrechen»
Ende April nahm die staatspolitische Kommission des Nationalrates den Vorstoss «Armut ist kein Verbrechen» an. Dieser kommt nun ins Parlament.
https://beobachtungsstelle.ch/news/zwischenerfolg-fuer-die-allianz-armut-ist-kein-verbrechen/


+++MENSCHENRECHTE
Art. 266 – Schweizer Medienfreiheit in Gefahr
«Der kritische Qualitätsjournalismus ist in Gefahr», warnt eine breite Allianz von Schweizer Medien am heutigen, internationalen Tag der Pressefreiheit. Eindringlich fordert der Verband der Schweizer Medien das Parlament auf, die Medienfreiheit nicht weiter einzuschränken.
https://rabe.ch/2022/05/03/art-266-schweizer-medienfreiheit-in-gefahr/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/reporter-ohne-grenzen-urteil-schweiz-faellt-in-der-rangliste-der-pressefreiheit-auf-platz-14


Angriffe auf Medienschaffende nehmen zu – Rendez-vous
Die Medienfreiheit gerät weltweit immer weiter unter Druck. Eine Untersuchung im Auftrag des Europarates zeigt nun eine alarmierende Entwicklung – auch in Europa.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/angriffe-auf-medienschaffende-nehmen-zu?partId=12185529


+++POLIZEI BS
Mildere Strafe für verurteilten Basler Polizisten
Das Appellationsgericht hat die Berufung eines Polizisten teilweise gutgeheissen. Er ist nur der einfachen Körperverletzung und des Amtsmissbrauchs schuldig.
https://telebasel.ch/2022/05/03/mildere-strafe-fuer-verurteilten-basler-polizisten
-> https://www.bazonline.ch/appellationsgericht-mildert-strafe-fuer-verurteilten-basler-polizisten-720039565697
-> https://www.blick.ch/schweiz/basel/er-schlug-einen-jugendlichen-mildere-strafe-fuer-verurteilten-basler-polizisten-id17457155.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/basel/887380289-jugendlichen-verletzt-mildere-strafe-fuer-verurteilten-basler-polizisten
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/urteil-appellationsgericht-heisst-berufung-eines-basler-polizisten-teilweise-gut-ld.2284646


+++POLIZEI LU
Luzerner Polizei soll Kameras für Fahndung einsetzen dürfen
Die Luzerner Polizei will technisch aufrüsten im Kampf gegen die Kriminalität. Dazu lässt der Regierungsrat die rechtliche Grundlage für eine automatische Fahrzeugfahndung schaffen. Neu sollen die dafür nötigen Kamerastandorte veröffentlicht werden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzerner-polizei-soll-kameras-fuer-fahndung-einsetzen-duerfen?id=12185307


+++POLIZEI DE
Tödlicher Polizeieinsatz in Mannheim: Bisher nur Bruchstücke bekannt
In der Mannheimer Innenstadt starb ein offenbar psychisch kranker Mann nach Schlägen der Polizei. Das LKA ermittelt zu den Hintergründen des Falls.
https://taz.de/Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Mannheim/!5847659/
-> https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mannheim-tod-nach-polizeieinsatz-leiche-soll-bald-obduziert-werden-a-7502164c-ddb5-4105-98e9-6896774b62ef
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-05/mannheim-polizei-kontrolle-tod-reaktionen
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163464.polizeigewalt-tod-nach-polizeikontrolle.html
-> https://www.blick.ch/ausland/empoerung-in-deutschland-mann-stirbt-nach-brutalo-verhaftung-in-deutschland-id17456668.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/425804.brutaler-einsatz-tod-durch-polizeigewalt.html


+++FRAUEN/QUEER
Kommissarin für Menschenrechte zu den Vergewaltigungen im Krieg: «Die Soldaten vergewaltigen öffentlich Frauen und Kinder»
Die Menschenrechtskommissarin Lyudmila Denisova berichtet von den Gräueltaten der russischen Armee in der Ukraine. Die sexuelle Gewalt spielt da eine zentrale Rolle, denn die sei taktisch vorgegeben von Wladimir Putin.
https://www.blick.ch/ausland/menschenrechtskommissarin-zu-den-vergewaltigungen-im-krieg-soldaten-wollen-frauen-verunmoeglichen-dass-sie-kinder-bekommen-id17457159.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Moskau legt nach Hitler-Vergleich nach: Russland wirft Israel Unterstützung von Kiewer «Neonazi-Regime» vor
Äusserungen des russischen Aussenministers Lawrow haben in Israel für Empörung gesorgt. Sie kämen einer Umkehrung des Holocausts gleich. Nun kommt Moskau mit neuen Anschuldigungen.
https://www.tagesanzeiger.ch/russland-wirft-israel-unterstuetzung-von-kiewer-neonazi-regime-vor-592927507240
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/harsche-kritik-lawrow


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Drohungen gegen Angestellte der öffentlichen Hand haben während Corona massiv zugenommen. Das spürt auch der bernische Sicherheitsdirektor Philippe Müller. Er rechnet trotz Ende der Pandemie nicht mit einem Ende der Drohungen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/100-jaehrige-dampflok-kehrt-zurueck?id=12185292


Google verharmlost Verschwörungstheore¬tiker und Kriegsverbrecher
Google-Algorithmen versehen prominente Verschwörungstheoretiker mit unverfänglichen Untertiteln, die die Öffentlichkeit in die Irre führen und extremistische Ansichten verstärken.
https://www.higgs.ch/google-verharmlost-verschwoerungstheoretiker-und-kriegsverbrecher/51033/


+++FUNDIS
Anhänger der esoterischen ¬Anastasia-Bewegung sehnen sich nach Russland
Wurzeln schlagen gegen die Dämonkratie
Anhänger der sogenannten Anastasia-Bewegung träumen von der Überwindung der Zivilisation – oder zumindest von der Flucht aus dem dekadenten Westen. Kürzlich sprach ihr Guru auf Youtube zu seiner Anhängerschaft.
https://jungle.world/artikel/2022/17/wurzeln-schlagen-gegen-die-daemonkratie


+++HISTORY
Écologies quelles histoires ? #4 L’affaire Firmenich
Les Archives contestataires proposent tout au long du mois d’avril des matériaux pour contribuer à inscrire les mouvements écologistes dans l’histoire des luttes sociales. Nous revenons ici sur la fuite de quelque 600 kilos de brome dans une usine de la Jonction et les tensions que cette fuite a provoqué dans le monde syndical genevois.
https://renverse.co/analyses/article/les-archives-contestataires-proposent-tout-au-3525



bzbasel.ch 03.05.2022

Baselland tut sich weiterhin schwer mit seiner Heimatdichterin Helene Bossert

Streng formalistisch lehnt die Regierung eine neuerliche Rehabilitierung der als Kommunistin verunglimpften Baselbieterin ab. Das letzte Kapitel in dieser Frage ist damit aber noch nicht geschrieben.

Bojan Stula

Es war bloss eine dreiwöchige Tour im Herbst 1953: Als Teil einer zwölfköpfigen Frauenreisegruppe fuhr die Sissacher Mundartdichterin Helene Bossert quer durch die Sowjetunion. Doch dieser Trip hält noch heute das offizielle Baselbiet auf Trab – und gewinnt erst noch durch den Ukraine-Krieg und die Frage nach dem Umgang mit den «Russland-Verstehern» ungeahnte Aktualität.

Jedenfalls lehnt die Baselbieter Regierung einen Vorschlag des Laufner SP-Landrats Linard Candreia ab, Helene Bossert zu rehabilitieren oder ihrer anderweitig, etwa mit einer Schulbroschüre oder einer Inschrift am Regierungsgebäude, zu gedenken. In seiner vor wenigen Tagen publizierten Stellungnahme sieht der Regierungsrat mit Verweis auf die Vorgeschichte «keinen Handlungsbedarf».

Die Vorgeschichte geht so: Als Helene Bossert am 3. Oktober 1953 von ihrer «Bildungsreise» aus dem Sowjetreich wieder im heimischen Sissach ankommt, schlagen ihr und ihrer Familie jahrzehntelanger Hass und gesellschaftliche Ächtung entgegen. Selbst das Schweizer Radio belegt seine zuvor populäre freie Mitarbeiterin mit einem mehrjährigen Sendeverbot – wahrscheinlich auf Zutun der Baselbieter Kantonspolizei, welche die vermeintliche Kommunistin phasenweise beobachtet und fichiert.

NZZ geisselt Bossert als falsche Märtyrerin

Umfangreich und ziemlich kompliziert ist seither der Umgang mit dem historischen Andenken an die Baselbieter Mundartpoetin. Jedenfalls viel umfangreicher als mit ihrem eigentlichen literarischen Werk. In biografischen Darstellungen gilt die 1999 verstorbene Bossert mit der offiziellen Publikation einer Werkauswahl 1971 durch die Baselbieter Literaturkommission sowie der Verleihung des Literaturpreises des Baselbieter Kulturpreises 1988 als rehabilitiert.

Auf politischer Ebene fehlt jedoch ein entsprechender Akt, nachdem 1999 ein erster Rehabilitierungsvorstoss im Landrat ergebnislos geblieben ist. Darum fordern schon seit Jahren kultur- und geschichtsinteressierte Kreise in zahlreichen Publikationen eine weitere öffentliche Anerkennung oder gar ein Denkmal.

Dies wiederum hat erst vor Monatsfrist den Zorn der «Neuen Zürcher Zeitung» erregt, die jegliche Rehabilitierungsbemühungen geisselt: Bossert werde als Märtyrern und schuldloses Opfer von antikommunistischer Hetze «verklärt», obschon sie sich zum Propagandainstrument des massenmordenden Sowjetregimes habe machen lassen. Wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle heutigen Putin-Versteher.

Es fehlt ein entsprechendes Gesetz

Das vorerst letzte Ausrufezeichen in dieser Debatte setzt die Baselbieter Regierung. In ihrer ablehnenden Haltung argumentiert sie streng formalistisch: Aus den historischen Quellen gingen zu Bosserts Lebzeiten gar keine juristischen Verurteilungen oder negativen amtlichen Beschlüsse hervor, die man nachträglich annullieren könnte. Zudem fehle eine gesetzliche Grundlage, aufgrund derer man Wiedergutmachung an den Opfern antikommunistischer Hetze üben könne.

Wenn sich etwa, vergleicht die Baselbieter Regierung, Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer bei einstigen Verdingkindern entschuldigt, so geschehe dies auf Basis des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen.

Der Rehabilitierung von Schweizer Spanienkämpfern oder Flüchtlingshelfern wie Paul Grüninger im Zweiten Weltkrieg seien ebenfalls spezifische Bundesgesetze vorausgegangen. Für die Zeit des Antikommunismus in der Schweiz und ihre Opfer gebe es aber noch nichts dergleichen.

Das Staatsarchiv hat recherchiert

Interpellant Linard Candreia zeigt sich wenig überrascht von der offiziellen Ablehnung. Gleichzeitig befürwortet er den letzten Teil der Regierungsantwort sehr. Denn dort regt der Regierungsrat, zumindest indirekt, eine historische Aufarbeitung des Themas an.

Eine erste Recherche des Baselbieter Staatsarchivs im Auftrag der Regierung hat die Namen von mindestens sieben weiteren Baselbieter Personen ergeben, die ähnlichen Repressalien wie Bossert ausgesetzt waren; darunter Bosserts Ehemann Ulrich Fausch. Mit Kosten von 50’000 bis 60’000 Franken könnte laut Interpellationsantwort in Zusammenarbeit mit der Uni Basel ein breit angelegtes Forschungsprojekt finanziert werden, was vom Staatsarchiv ausdrücklich begrüsst würde.

Für Candreia beweist der Aufwand, den sich die Verwaltung mit der Beantwortung seiner Interpellation gemacht hat, dass der Regierung «bei diesem Thema irgendwie nicht ganz wohl» sei: «Eine Geste der Anerkennung wäre für viel weniger Aufwand zu haben gewesen. Nicht für jede Geste braucht es eine gesetzliche Grundlage.»

Alternativ könnte sich die Regierung, schlägt Candreia vor, an den Bemühungen des Sissacher Gemeinderats beteiligen. Dieser will seinerseits Bossert in einem Themenweg verewigen, wie die «Volksstimme» vergangene Woche schrieb.

Mit dem NZZ-Vorwurf des falschen Personenkults kann Candreia nichts anfangen: «Bossert fuhr ganz bestimmt nicht nach Moskau, um anschliessend das Baselbiet mit kommunistischer Propaganda einzudecken.» Vielmehr stehe der Kanton ihr gegenüber in der Verantwortung, «und eine Wiedergutmachung würde auf fruchtbaren Boden fallen».

Für die Dichterin selber war der Fall ebenso klar, wie sie 1988 festhielt: «Man hat mit mir Weltpolitik gemacht, obwohl ich ein völlig apolitischer Mensch bin.»
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/vergangenheitsbewaeltigung-baselland-tut-sich-weiterhin-schwer-mit-seiner-heimatdichterin-helene-bossert-ld.2283679)