Medienspiegel 30. April 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++GRAUBÜNDEN
Dringend Lehrer gesucht: Ukrainische Kinder bringen Gemeinden ans Limit
Die Schulpflicht von geflüchteten Kindern aus der Ukraine ist eine organisatorische Herausforderung. Und verschärft den Lehrermangel. Die höchste Lehrerin der Schweiz fordert nun Hilfe vom Bund.
https://www.blick.ch/politik/dringend-lehrer-gesucht-ukrainische-kinder-bringen-gemeinden-ans-limit-id17447937.html
-> https://www.blick.ch/politik/hilferuf-an-gemeinden-graubuenden-hat-zu-wenig-betten-fuer-ukrainische-fluechtlinge-id17449223.html


+++SOLOTHURN
Warum die «Scheinflüchtlings-Initiative» im Kanton Solothurn nicht zum Fliegen kommt
Die Steuersenkungs-Initiative und der Ukraine-Krieg durchkreuzen die SVP-Pläne, Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen weniger Geld zu zahlen.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/abstimmung-warum-die-scheinfluechtlings-initiative-im-kanton-solothurn-nicht-zum-fliegen-kommt-ld.2282790


+++ZÜRICH
Zürich stimmt ab – alt Bundesräte machen sich für Vorlage stark: Sans Papiers sollen lokale ID erhalten
In der Stadt Zürich sollen Sans-Papiers eine lokale ID bekommen: die Züri City Card. Bald stimmt die Bevölkerung ab. Nun schalten sich Politgrössen in den Abstimmungskampf ein.
https://www.blick.ch/schweiz/zuerich-stimmt-ab-alt-bundesraete-machen-sich-fuer-vorlage-stark-sans-papiers-sollen-lokale-id-erhalten-id17447358.html


+++SCHWEIZ
Unterbringung von Geflüchteten – Flüchtlinge: Kantone wollen Heft wieder in die Hand nehmen
Die Kantone möchten Geflüchtete wieder stärker selber an Gastfamilien vermitteln. Welcher Kanton wie viele Menschen aufgenommen hat und wie diese nun proportional auf die Kantone verteilt werden – ein Überblick.
https://www.srf.ch/news/schweiz/unterbringung-von-gefluechteten-fluechtlinge-kantone-wollen-heft-wieder-in-die-hand-nehmen
-> https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/probleme-bei-der-fluechtlingsverteilung?urn=urn:srf:video:0856fb1c-0722-4346-ac4b-6f7b9cfb7173


Carola Rackete zur Frontex-Abstimmung: «Eine Grenze ist nichts Schützenswertes»
Anstatt das Frontex-Budget aufzustocken, wollen die Aktivistinnen Carola Rackete und Selam Habtemariam die Grenzschutzagentur am liebsten gleich ganz abschaffen.
https://www.watson.ch/schweiz/interview/697506918-carola-rackete-im-interview-zur-frontex-abstimmung


Carola Rackete setzt sich für ein Nein zum Frontex-Ausbau ein
Vor drei Jahren hat Carola Rackete international für Schlagzeilen gesorgt. Die junge deutsche Kapitänin hat damals auf dem Mittelmeer Flüchtlinge in Seenot gerettet und trotz einem Verbot nach Italien gebracht. Jetzt mischt sich sie in den Schweizer Abstimmungskampf ein. In Zürich hat sie sich heute stark gemacht für ein Nein zum Frontex Ausbau.
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/carola-rackete-setzt-sich-fuer-ein-nein-zum-frontex-ausbau-ein-146345666


Maurer geht in der Frontex-«Arena» in den Frontal-Angriff: «Das ist doch keine Haltung!»
Bundesrat Ueli Maurer und seine Mitstreiter legten in der Frontex-Arena einen starken Auftritt hin. Die Gegnerinnen konnten nur teilweise überzeugen. Für allgemeine Verwirrung sorgte ein Gast, als er plötzlich die Sprache wechselte.
https://www.watson.ch/!637002117
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/arena-zum-frontex-referendum-ueli-maurer-verteidigt-schengen-66166086
-> https://www.blick.ch/politik/ueli-maurer-in-srf-arena-zu-frontex-angriffig-bei-einem-nein-sind-wir-aus-schengen-draussen-id17449401.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/arena-zur-frontex-vorlage-migrant-streitet-mit-bundesrat-ueber-eu-grenzschutzagentur



hauptstadt.be 29.04.2022

Geflüchtet, aber vergessen

Geflüchtete aus der Ukraine, die keinen ukrainischen Pass haben, erhalten in der Schweiz nicht automatisch den Schutzstatus S – selbst wenn sie lange dort gelebt und einen legalen Aufenthaltsstatus haben. Die Bernerin Nadra Mao kämpft mit der «Society Moko» für die «vergessenen Geflüchteten».

Von Jürg Steiner

Sie habe einen Moment gebraucht, sagt Nadra Mao. Dann erst habe sie realisiert, wie sich die Schweiz verhalte. Und was das für Menschen wie sie bedeute. Nadra Mao ist empört – und nun nicht mehr zu bremsen: «Das darf nicht sein. Wir sind unglaublich enttäuscht.»

Mit wir meint die Berner Kommunikationsspezialistin Mao Schweizer Secondos: Menschen, die seit Jahrzehnten in der Schweiz leben oder sogar hier geboren sind, mit einem legalen Aufenthaltsstatus aber teilweise ohne Schweizer Pass. Müssten sie aus der Schweiz fliehen, würden sie für die Migrationsbehörden in einem anderen Land als «Schutzsuchende aus Drittstaaten» gelten.

Nun treffen genau solche «Schutzsuchende aus Drittstaaten» aus dem Kriegsgebiet der Ukraine in der Schweiz ein – Menschen, oft aus afrikanischen Ländern wie Nigeria oder Ghana, die in der Ukraine studiert oder gearbeitet haben, mitunter jahrzehntelang. Viele von ihnen, sagt Nadra Mao, hätten sich sprachlich, kulturell und intellektuell in der Ukraine integriert. Und auch sie hätten Familienmitglieder, Verwandte oder Freund*innen, die sich noch in der Ukraine befinden. Als Heimat empfänden sie eher die Ukraine als ihr Herkunftsland.

Trotzdem haben Geflüchtete aus der Ukraine, die ursprünglich aus Drittstaaten stammen, geringe Chancen auf den Schutzstatus S, den Ukrainer*innen automatisch erhalten.

Verklausulierte Behördensprache

Wer verstehen will, wie die schweizerischen Behörden in der aktuellen Ukraine-Krise mit Geflüchteten aus Drittstaaten umgehen, ist gezwungen, komplizierte Behördensprache zu entschlüsseln. Auf Anfrage erläutert ein Mediensprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM) die Bedingungen.

Im O-Ton liest sich das so: «Schutzsuchende aus Drittstaaten wie Nigeria oder Ghana sowie ihre Familienangehörigen müssen mit einer gültigen Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung belegen können, dass sie über eine gültige Aufenthaltsberechtigung in der Ukraine verfügen. Sofern sie zudem nicht in Sicherheit und dauerhaft in ihre Heimatländer zurückkehren können, erhalten sie den Schutzstatus S.»

Aus der administrativen Schreibe übersetzt heisst das: Ukraine-Flüchtlinge aus Drittstaaten, die legal in der Ukraine gelebt haben, aber als in ihrem Herkunftsland nicht gefährdet eingestuft werden, erhalten in der Schweiz den Schutzstatus S nicht. Ihnen bleibt nur die Option, anstatt in die Schweiz zu flüchten in ihr ursprüngliches Land zurückzukehren, in dem sie jedoch möglicherweise kaum mehr Anknüpfungspunkte haben.

Das SEM ergänzt zum Umgang mit Geflüchteten aus Drittstaaten: Gesuchsteller*innen, die den Status S nicht erhalten, könnten diesen Behörden-Entscheid anfechten. «Jeder Fall wird einzeln geprüft, und es ist durchaus möglich, dass in einem Fall alle Voraussetzungen erfüllt sind und in einem anderen nicht», hält der SEM-Sprecher fest.

Zudem: Wer die Voraussetzungen für den Status S nicht erfülle, «kann ein Asylgesuch stellen und erhält den Schutz der Schweiz, falls er oder sie als Flüchtling anerkannt wird oder eine Rückführung in die Heimat nicht möglich, zulässig oder zumutbar ist».

Die verklausulierten Formulierungen helfen Geflüchteten aus Drittstaaten nicht, zu verstehen, ob sie in der Schweiz erwünscht sind oder nicht. Auf jeden Fall dürfte die Chance auf einen positiven Asylentscheid gering sein, wenn zuvor der Schutzstatus S abgelehnt wurde.

Brief an Karin Keller-Sutter

Nadra Mao zeigt den vor wenigen Tagen gefällten Abweisungsentscheid eines Aserbaidschaners, der 24 Jahre in der Ukraine lebte und in dieser Zeit gemäss eigenen Angaben nur zweimal in Aserbaidschan war. Die Schweiz verweigert ihm den vorübergehenden Schutz, er wird weggewiesen.

Lassen sich Geflüchtete aus Drittstaaten auf ein Asylverfahren ein, riskieren sie die Ablehnung – und damit eine Einreisesperre in den Schengenraum für drei Jahre. Das würde nach dem Krieg die Rückkehr in die Ukraine erschweren, obschon Geflüchtete aus Drittstaaten dort teilweise Wohnungen oder Firmen besitzen.

«Alle flüchten vor dem gleichen Krieg», sagt Nadra Mao, «ich verstehe nicht, warum sie in der Schweiz nicht gleich behandelt werden.» Die Attestierung des Zugehörigkeitsgefühls und das Bedürfnis der Wiedervereinigung mit Freund*innen und Familie in der Ukraine auf das Vorhandensein eines Passes zu beschränken, könne nicht im humanitären Sinn unseres Landes sein. Nadra Mao fordert in einem Schreiben an Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) und an das Staatssekretariat für Migration, auch allen Drittstaatenflüchtlingen aus der Ukraine den vorübergehenden Schutz zu gewähren, damit sie sich in Ruhe neu orientieren könnten.

Kritik an der Schweiz

Mao tut das nicht allein, sondern als Mitglied der schweizweiten Freiwilligenorganisation «Society Moko», die sie mit Meriam Mastour, Jean Noël Sese, Chancel Soki und Dony G. Tutonda vor wenigen Wochen gegründet hat. «Society Moko» – übersetzt bedeutet es: eine Gesellschaft — ist Teil des internationalen Netzwerks «Global Black Coalition», das die kanadische Aktivistin Gwen Madiba initiiert hat.

Die schwarze Community will ihren vulnerablen Mitgliedern in der Ukraine gegen Diskriminierung beistehen. Madiba selber war eben einen Monat in Europa unterwegs, um aus der Ukraine geflüchtete schwarze Studierende dabei zu unterstützen, einen Ersatzstudienplatz an einer europäischen Uni zu finden.

Für die Schweiz und ihren Umgang mit Drittstaatenflüchtlingen fand Madiba kritische Worte. Sie habe in der Schweiz auch eine Rassismus-Episode erlebt. Als sie einen Studierenden aus der Ukraine am Bahnhof einer Gastfamilie übergeben wollte, habe diese kurzerhand abgelehnt, als sie sah, dass der Gast Schwarz war.

Madibas Kritik deckt sich teilweise mit Erfahrungen der «Society Moko», die von verschiedenen Fällen behördlicher Willkür berichtet. So seien etwa einigen Ukraine-Flüchtlingen aus Ghana bei der Anmeldung für den Status S die Pässe abgenommen worden, anderen nicht.

Vor vielen Ausschaffungen?

Der «Society Moko» haben sich bis jetzt über 70 Freiwillige angeschlossen, sie kümmern sich laut Mao um derzeit rund 40 Geflüchtete aus Drittstaaten in der ganzen Schweiz. Sie stellen ihnen Verpflegung und Wohnraum zur Verfügung, unterstützen sie mit juristischer und psychologischer Beratung.

Dank Nadra Maos Initiative und der entsprechenden Anregung von Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne) in der Fragestunde des Nationalrats willigte der Bund immerhin ein, Geflüchtete aus Drittstaaten für 90 Tage ab Kriegsbeginn (24. Februar) visumfrei zu akzeptieren. Sofern sie ein Gesuch um Erteilung des Status S einreichen.

Diese Frist läuft am 24. Mai ab. Wenn sich bis dann an der Bewilligungspraxis nichts ändert, «werden wir sehr viele Ausschaffungen erleben», sagt Nadra Mao. Studierende aus Afrika oder Asien ohne abgeschlossene Ausbildung, Arbeiter*innen, die ihre Familien nicht mehr ernähren können, sowie Menschen, die ohnehin entwurzelt seien, fänden sich in Ländern wieder, die ihnen weder Alternativen noch Hilfe bieten könnten.

Nadra Mao macht nun den Vergleich, der sie aufwühlt. In der Schweiz leben über zwei Millionen Menschen ohne Schweizer Pass. Würde die aktuelle Drittstaatenregelung auf Schweizer*innen angewandt, hiesse das, dass einem Viertel der Schweizer*innen, wenn sie flüchten müssten, nicht der gleiche Schutz gewährt würde wie der Mehrheit. Sind diese zwei Millionen Schweizer*innen im Fall eines Kriegs als «nicht schutzbedürftig» zu betrachten?

Diese Frage wirft die «Society Moko» auf. Für Nadra Mao ist die Antwort klar. Und deshalb kämpft sie mit ihren Verbündeten weiter.
(https://www.hauptstadt.be/article/gefluchtete-aus-drittstaaten)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
„Vordemo zum 1. Mai heute in #Thun. Rund 60-80 Leute nahmen teil und zogen durch die Stadt. Dieses Jahr gab es nach vielen Jahren eine eigenständige revolutionäre Demo ohne Gewerkschaften, weil in der dortigen Organisation kein Platz war für feministische Perspektiven. #1mai“
(https://twitter.com/ag_bern/status/1520424874203914240)


„#Aarau. Nach starkem Regen sagte das 1. Mai – Komitee den offiziellen Umzug ab. Eine Demonstration gab es dann trotzdem, angeführt vom revolutionärem Block. #1mai“
(https://twitter.com/ag_bern/status/1520438846705577984)
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/wetterwarnung-stroemender-regen-und-hagel-in-aarau-1-mai-demo-wurde-abgesagt-und-doch-zogen-einige-durch-die-bahnhofstrasse-ld.2282963


Kundgebung im Vögeligärtli: 1. Mai- Demo für Frieden, Freiheit und Solidarität in Luzern
Im Vögeligärtli hat am Samstag eine kleine 1. Mai-Demo in Luzern stattgefunden. Eine Rede hielt – unter anderen – die Luzerner Kulturschaffende Nina Halpern.
https://www.zentralplus.ch/politik/1-mai-demo-fuer-frieden-freiheit-und-solidaritaet-in-luzern-2357103/
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/erst-mai-demo-in-luzern-146345194
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/1-maidemonstration-1-mai-demonstration-ganz-im-zeichen-der-demokratie-und-solidaritaet-ld.2282977


Angriff gegen US-Konsulat in Zürich
10 Tage nachdem die Türkei eine neue Offensive gegen die Guerilla-Gebiete Süd-Kurdistans gestartet hat und 4 Tage vor dem 1.Mai haben wir heute, 27.4.22, die Eingagnstür des US-Konsulats in Zürich mit Hämmern attackiert und einen «Smash NATO» Schriftzug hinterlassen.
https://barrikade.info/article/5144


Credit Suisse in Solidarität mit Rojava markiert!
Solidarität heisst Kriegsprofiteure angreifen. Der Feind sitzt auch hier, im eigenen Land. Deshalb haben wir die Credit Suisse als Kriegsprofiteur markiert. Schauen wir nicht tatenlos zu, wie der türkische Faschismus mit seinen Partnern hier versucht, das Projekt Rojava anzugfreifen. Verteidigen wir die Revolution!
https://barrikade.info/article/5145


Demonstration gegen die Ausschaffung einer Frau aus dem Baselbiet
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/trotz-pannen-beim-umbau-nutzer-sind-zufrieden-mit-neuer-kaserne?id=12184458


Kämpferische Maifeier in St.Gallen: Kampfansage an Kapitalisten, Patriarchen, Rassisten und Frauenrentenalter 65
Rund 350 Personen haben am Samstag an der Kundgebung zum Tag der Arbeit in St.Gallen teilgenommen. Unter anderem sagte die Berner SP-Nationalrätin Tamara Funiciello der Anhebung des Rentenalters für die Frauen auf 65 den Kampf an. Es sei eine Frechheit und ein Affront, die AHV auf dem Buckel der Frauen sanieren zu wollen, sagte sie.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/tag-der-arbeit-kaempferische-maifeier-in-stgallen-kampfansage-an-kapitalisten-patriarchen-rassisten-und-frauenrentenalter-65-ld.2282967


1. Mai im Zeichen des Krieges in der Ukraine
Zum Tag der Arbeit gehen wieder Hunderte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf die Strasse. In der ganzen Schweiz finden Feierlichkeiten und Kundgebungen statt. Gewerkschaften und linke Parteien rufen zur Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen auf.
https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/tag-der-arbeit-1-mai-im-zeichen-des-krieges-in-der-ukraine-ld.2282928


Conférence Transphobe à l’Uni Bastions
Les transphobes ne sont pas les bienvenu·es à l’université. C’est le message qu’a fait passer un groupe de personnes trans et d’allié·es en interrompant une conférence autour d’un livre transphobe qui devait se tenir le 29 avril 2022 à Uni Bastions. Le livre en question, présenté devant une assemblée composée notamment de psychiatres, assimile les transidentités à un “scandale sanitaire”. Pour le groupe organisé spontanément qui a interrompu la conférence, ce discours ouvertement transphobe n’a pas sa place entre les murs de l’université.
https://renverse.co/infos-locales/article/conference-transphobe-a-l-uni-bastions-3528


L’hébergement d’urgence transitoire et autogéré est installé !
Aujourd’hui, le 30.04.2022, le mouvement 43m2 a installé un hébergement d’urgence autogéré et transitoire à Beaulieu, dans la Ville de Lausanne. Ce lieu est une réponse à la fermeture des hébergements d’urgence.
https://renverse.co/infos-locales/article/l-hebergement-d-urgence-transitoire-et-autogere-est-installe-3532


1. Mai, FCZ, ZSC: Am Sonntag könnte Zürich zum Tollhaus werden – die Polizei ist vorbereitet
Die Stadtpolizei Zürich ist am Sonntag gefordert: Mit den 1.-Mai-Demonstrationen und möglichen Titelgewinnen von FCZ und ZSC könnte die Stadt zum Schauplatz von gleich drei Grossereignissen werden.
https://www.20min.ch/story/am-sonntag-koennte-zuerich-zum-tollhaus-werden-die-polizei-ist-vorbereitet-256439324442


+++BIG BROTHER
Zoff im Berner Diplomatenquartier: Stören die Russen illegal das Funknetz?
Die russische Vertretung in Bern soll sich mit Störsendern abschirmen und ihre diplomatischen Nachbarn abhören. Doch der Nachweis ist schwierig, die Botschaft dementiert.
https://www.blick.ch/ausland/zoff-im-berner-diplomatenquartier-stoeren-die-russen-illegal-das-funknetz-id17448785.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
(Inklusive Junge Tat)
„Aktivistenwochenende“ der Identitären in Baden-Württemberg
Am 11. März 2022 kündigten die „Wackren Schwaben“, ein Label der extrem rechten „Identitären Bewegung Schwaben“, in den Sozialen Netzwerken ein „Aktivistenwochenende“ an. Die Veranstaltung sollte am 7. und 8. Mai stattfinden. Der Veranstaltungsort: geheim. Ein Monat nach der Ankündigung, am 14. April, posteten die „Wackren Schwaben“ via Telegram, das „Aktivistenwochenende“ habe bereits am 9. und 10. April stattgefunden. Der Veranstaltungsort sei „in Schwaben“ gewesen. Eine exklusive Recherche zeigt: Das „Aktivistenwochenende“ fand nicht in Schwaben, sondern im Domizil des völkischen „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.” in Hohenlohe (Baden-Württemberg) statt.
https://www.belltower.news/exklusiv-aktivistenwochenende-der-identitaeren-in-baden-wuerttemberg-130519/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Russischer Propagandasender: Wie RT in Südamerika Erfolg hat
Viele Staaten und Plattformen ziehen dem russischen Propagandaprogramm den Stecker. In Südamerika positioniert sich „Actualidad RT“ als linksalternatives Medium – und findet ein breites Publikum, das ihm glaubt.
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/rt-suedamerika-101.html


+++HISTORY
«Verdachtsmomente»: Eine Aufarbeitung der Basler Überwachungsgeschichte
Ausgewählte Original-Unterlagen aus den Akten des basel-städtischen Staatsschutzes werden im Buch «Verdachtsmomente» in einen Kontext gerückt und erzählen die Geschichte der Schweizer Staatsschutzbehörden.
https://www.bzbasel.ch/kultur/basel/zur-publikation-verdachtsmomente-ld.2282856


Fichen: Bereits ein Abonnement bei einer kommunistischen Zeitung war genug
Die geheimdienstliche Überwachung traf alle, ob sie nun Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren oder lediglich eine linke Zeitung abonniert hatten.
https://www.bzbasel.ch/basel/dokumente-des-misstrauens-ld.2282868



bzbasel.ch 30.04.2022

Striptease-Tänzerin und Spionin? Wie eine junge Frau die Schweizer Staatsschutzorgane auf Trab hielt

War sie nun eine ernst zu nehmende Spionin oder bloss eine Stripteasetänzerin mit fragwürdigen Kontakten? Die Geschichte von Maria Yurkow, wie sie in der Publikation «Verdachtsmomente» anhand von Originalakten nacherzählt wird, bietet Einblick in die Ära des Kalten Kriegs.

Daniel Hagmannn

Diese Geschichte würde sich gut als Filmvorlage eignen: Eine schöne junge Frau mit vielen Herrenbekanntschaften betätigt sich als Stripteasetänzerin und Spionin. Abendliche Treffen in Bars, verliebte Männer aus gutem Hause, aufdringliche Informanten, undurchsichtige Geschäfte im Ausland, ein eifersüchtiger Verlobter. Die Bundespolizei schöpft Verdacht, hört Telefone ab, überwacht den Postverkehr und die Bewegungen der Verdächtigen kreuz und quer durch die Stadt.

Maria Yurkow (ihr wahrer Name muss aus Datenschutzgründen geheim bleiben) sorgte 1959 in Basel, Bern und Zürich für ganz schön viel Aufregung. Es begann Anfang Oktober mit einem anonymen Schreiben an die Eidgenössische Fremdenpolizei. Die Schwestern Maria und Nelly Yurkow, die unter ihren Künsterinnennamen Cora-Nova und Mally Collej als Tänzerinnen aufträten, seien mit einem geheimen Auftrag unterwegs.

Vor allem Maria gebe sich als naives Mädchen aus und versuche damit, Zugang zu prominenten Kreisen zu erhalten. Nun begannen die Mühlen der Polizeibürokratie zu mahlen, Korrespondenzen wurden ausgetauscht, telefonisch Informationen eingeholt. Laut Fremdenpolizei gastierte Maria Yurkow, 1935 in Polen geboren, seit einigen Monaten abwechslungsweise in Dancings in Zürich, Genf, Lugano, Aarau und Basel. Zudem reiste sie rege zwischen Belgien, Frankreich und Deutschland – wo sie ihren ständigen Wohnsitz angemeldet hatte – umher.

Das Einreisevisum in die Schweiz habe sie dabei unter Angabe falscher Gründe erhalten. Das könne, so die Schlussfolgerung der Bundespolizei, als Indiz dafür gewertet werden, dass ihre Aufenthalte in der Schweiz auch «subversiven Charakter» hätten. Sofort wurde Beschattung angeordnet sowie die Kontrolle von Post- und Telefonverkehr.

Schritt für Schritt überwacht

Die Überwachung von Maria Yurkow, die zu diesem Zeitpunkt im Singerhaus in Basel engagiert war und in der Pension Bianca an der St.Johannsvorstadt 33 wohnte, ergab wenig Belastendes. Der Spezialdienst, die politische Polizei von Basel, rapportierte: «Im ‹Singerhaus› ist ‹Cora-Nova› in der Zeit vom 1. bis 31.10.1959 jeden Abend zwischen 2100 und 0100 bzw. 0200 und ausserdem Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag nachmittags zwischen 1600 und 1800 aufgetreten. Vor, zwischen und nach ihren Darbietungen hat sie sich gewöhnlich an einer der beiden Bars aufgehalten. In der Pension Bianca konnten keine Erhebungen durchgeführt werden, weil dort keine Gewähr für eine diskrete Behandlung bestand.

‹Cora-Nova› ist zuerst sporadisch, dann aber vom 25. bis 31.10.1959 durchgehend von morgens bis abends überwacht worden. Sie hat sich immer und zwar selbst bei stärkstem Regen zu Fuss und allein von der Pension direkt zum ‹Singerhaus› begeben; desgleichen auch auf ihrem Rückweg. Wenn sie nachmittags nicht aufzutreten hatte, ist sie mit einer Ausnahme den ganzen Tag über nicht festgestellt worden und offenbar in der Pension geblieben, um diese erst zwischen 2030 und 2100 Uhr zu verlassen. Am 28.10.1959 hat ‹Cora-Nova› nachmittags das Historische Museum beim Barfüsserplatz aufgesucht und während einer halben Stunde darin verweilt.»

Arbeitgeber dementieren Verdacht

Seitens Singerhausklub war auch nur Entlastendes zu hören: Cora-Nova sei ausserhalb ihres Auftrittes alles andere als eine Stripteasetänzerin, von denen man doch allerhand gewohnt sei. Man habe anfänglich geglaubt, eine Bauerntochter engagiert zu haben. Auch sonst habe man das Gefühl, sie könne kein Wässerlein trüben, spreche keine Sprachen. Die Frau sei seriös und gehe ihren eigenen Weg. Die Stripteasenummern seien ausgezeichnet.

Als Maria Yurkow im November 1959 während ihres Engagements in Zürich beschattet wurde, fanden die Staatsschutzbeamten ebenfalls keine Hinweise auf nachrichtendienstliche Kontakte. Minuziös rapportiert wurden hingegen die männlichen Begleiter. Verschiedene ältere Geschäftsmänner ausländischer Herkunft suchten erfolglos die Nähe zu Maria Yurkow: «Es dürfte sich aber ausschliesslich um käufliche Liebe handeln, wofür die beiden Schwestern Yurkow anscheinend nicht zu haben sind.» Yurkows ständiger Begleiter war ein circa 30-jähriger Student aus angeblich rechtschaffenem Haus, der auf Kosten seiner Eltern lebe, aber harmlos sei.

Doch ein Doppelspiel?

Was der anonyme Brief Anfang Oktober 1959 angedeutet hatte, dass nämlich Maria Yurkow ein doppeltes Spiel trieb, liess sich offenbar durch die Beschattung nicht bestätigen. Wenigstens erhellte die Post- und Telefonüberwachung die Situation von Maria Yurkow ein bisschen. Mehrere Briefe von einem gewissen «Rudi» erwähnen, dass Maria Yurow offenbar seit längerem plante, in Deutschland einen Motelbetrieb zu errichten. Als Dauermieter sollten «Amis», vermutlich dort stationierte amerikanische Soldaten, gewonnen werden.

Rudi stellte Maria eine eigene Wohnung in Aussicht und fragte, ob er ihr auf Ende 1960 eine gute Anstellung in Frankfurt verschaffen solle. War Yurkow also weniger unstete Abenteuerin als vielmehr auf dem Sprung in eine neue berufliche Zukunft? Eine Anfrage der schweizerischen Bundespolizei bei den deutschen Kolleginnen und Kollegen brachte im Dezember 1959 plötzlich den Spionageverdacht wieder ins Spiel. Denn aus Hessen verlautete es: «Ein gewisser Kurt Mayer*, Frankfurt a/M, hatte angegeben, dass seine Freundin Maria Yurkow, Dörnigheim a/Main im März 1958 plötzlich verschwunden sei. Vorher hatte sie in Frankfurt in verschiedenen Nachtlokalen gearbeitet.

Mayer stelle nun plötzlich fest, dass Maria Yurkow einen zweiten Wohnsitz in Dörnigheim a/Main hat, wo sie im Fotogeschäft des Rudolf Gross* beschäftigt ist.» Mayer, so der Polizeirapport aus Deutschland, habe vergeblich versucht, Kontakt mit seiner Freundin aufzunehmen, die stark verängstigt wirkte. Im Haus von Gross habe er unter einer Tischplatte ein Mikrofon, im Nachbarzimmer ein Radiogerät und auf dem Dach Funkantennen entdeckt. «Aufgrund dieser Feststellungen vermutet nun Mayer, dass Gross nachrichtendienstlich für die Russen tätig sei und Yurkow Maria angestellt habe, weil sie perfekt Russisch und Englisch spreche.»

Weitere Belege für diese Vermutung finden sich keine im Dossier, das die Staatsschutzbehörden von Basel-Stadt führten.

Agent provocateur

Die einzigen direkten Belege für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit der Tänzerin Maria Yurkow stammen von einem gewissen «Marchand». Seine Identität wird im Staatsschutzdossier über Maria Yurkow nicht gelüftet. Dort sind bloss fünf aufeinanderfolgende Besprechungen zum «Fall Singer» dokumentiert. Marchand führte aus, er habe am 19. Oktober 1959 im Singerhaus eine Frau kennen gelernt, die Deutsch mit deutlich erkennbarem slawischem Akzent spreche, angeblich auch perfekt Russisch könne. Zu seiner grossen Überraschung sei sie dann als Stripteasetänzerin aufgetreten. Ihr Künstlername sei Cora-Nova.

Er sei in Offiziersuniform gewesen. Die Frau, mit welcher er sich dann auch am 20. Oktober am gleichen Ort und wiederum in Uniform unterhalten habe, sei wahrscheinlich eine Agentin eines ausländischen Nachrichtendienstes. Er habe ihr gezielt angeboten, Informationen über seine militärische Stellung zu liefern.

Bei einem weiteren Treffen habe Maria Yurkow erzählt, «ihre Tätigkeit habe nicht direkt mit Spionage zu tun. Sie habe vielmehr allgemeine Eindrücke über ‹Land und Leute› zu schildern. Die Berichte gingen über Paris und die DDR nach Moskau, oder aber von Paris direkt nach Moskau. Man habe schon oft versucht, sie dazu zu bringen, eigentliche Spionage zu betreiben.» Zu einem Austausch kam es in der Folge aber nicht, Maria Yurkow wich ­wiederholt aus und reiste dann nach Zürich ab.

Wer dieser Informant namens Marchand war, ob er von sich aus mit dem Basler Staatsschutz Kontakt aufgenommen hatte oder ob er von diesem als Lockspitzel eingesetzt worden war, lässt sich mangels Unterlagen nicht klären. Aufhorchen lässt aber die Randnotiz eines Bundespolizisten zuhanden der Registratur: «Der beiliegende Bericht betr. Fall ‹Singer› bezieht sich auf Yurkow Maria, 35, C.12.6064. Dieser Bericht ist lediglich als solcher, d.h. ohne die Ausfertigung von Karteikarten auf die Namen ‹Singer› oder ‹Marchand›, zu fichieren. Es handelt sich dabei nur um interne Deckbezeichnungen.»

Offenes Ende

1962 ersuchte Maria Yurkow erneut um ein Visum, für einen Auftritt in Genf. Es sei ihr zu bewilligen, hiess es seitens Bundespolizei, und sie sei einer «sachdienlichen Kontrolle» zu unterziehen. Falls keine neuen Hinweise auf nachrichtendienstliche Tätigkeit gefunden würden, solle das Dossier geschlossen werden. Was blieb: Verdachtsmomente. Vielleicht war dieser Fall gar kein Spionagefall, sondern bloss ein klassischer Verdachtsfall, wie immer, wenn Milieu und Ostkontakte ins Spiel kamen. Strafbare Handlungen waren den beiden Schwestern Yurkow in der Schweiz nicht nachzuweisen.

Dabei interessierten sich aber nicht nur die Behörden in Bern und Basel für den Fall. Auch Polizeibehörden in anderen Staaten schienen ein Auge auf Maria Yurkow geworfen zu haben. Diese Vermutung legt jedenfalls das seltsame Vorkommnis nahe, dass ein Brief aus Deutschland schon mehrfach geöffnet und wiederverschlossen worden war, bevor ihn die Basler Polizei erstmals kontrollierte. Informant Marchand rapportierte zudem eine Bemerkung Yurkows, Interpol sei auf sie aufmerksam geworden. Also doch eine internationale Spionageaffäre?
(https://www.bzbasel.ch/basel/eine-frau-mit-vielen-gesichtern-ld.2282864)



tagblatt 30.04.2’022

«Dass man das Leid anerkennt und es öffentlich transparent macht, ist enorm wichtig»: Auch in Appenzell Ausserrhoden wurden Mädchen ausgebeutet

Rund 2000 junge Frauen wurden in der Nachkriegszeit im «Töchterheim Sonnenberg» in Walzenhausen interniert, um zu «sittsamen» Ehefrauen umerzogen zu werden. Von dort lieh sie der Heimleiter in umliegende Fabriken aus, wo sie Zwangsarbeit verrichten mussten.

Janina Gehrig

Manche hatten uneheliche Kinder, andere kamen aus ärmlichen Verhältnissen, waren missbraucht worden oder waren lesbisch. Dies reichte in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aus, um als Mädchen zwangsweise in ein Heim eingeliefert zu werden. So legte eine Recherche des «Beobachter» im vergangenen August offen, wie Hunderte von jungen Frauen zwischen 16 und 20 Jahren aus der ganzen Schweiz von Fürsorgeämtern nach Dietfurt im Toggenburg geschickt wurden. Dort wurden sie zwangsweise im «Fabrikkloster» Marienheim untergebracht und mussten in der Spinnerei und Weberei Dietfurt AG arbeiten. Von der Zwangsarbeit der entrechteten Mädchen profitierte der Grossindustrielle Emil G. Bührle, dem die Fabrik gehörte und der auch dank Waffenlieferungen an die Nazis zu einem der reichsten Schweizer aufgestiegen war.

Nun zeigt sich: Es handelte sich dabei nicht um einen Einzelfall. In seiner neusten Ausgabe berichtet der «Beobachter» über ein weiteres Beispiel von Zwangsarbeit von Heimmädchen für mehrere Industriebetriebe in der Schweiz. So waren zwischen 1957 und 1975 rund 2000 minderjährige Frauen im «Töchterheim Sonnenberg» in Walzenhausen interniert und mussten in den umliegenden Fabriken, etwa in der Nastuchstickerei Kleinberger, dem Kunststoffwerk Weiss-Buob im Nachbarsdorf Wolfhalden oder auch in mindestens zwei Kartonbetrieben im Rheintal Zwangsarbeit leisten.

Weil sie sich als uneheliche Tochter aus armem Haus mit einem gleichaltrigen Mann getroffen hatte

Auch sie hatten nichts verbrochen, wichen aber von den vorherrschenden Moralvorstellungen ab, etwa, weil sie angeblich vorehelichen Geschlechtsverkehr gehabt hatten, als uneheliches Kind geboren worden waren oder aus ärmlichen Verhältnissen stammten. Vor allem die Fürsorgebehörden der Stadt Zürich oder der Westschweiz überliessen ihre Klientinnen gern dem Heim, da es gratis war. Der «Beobachter», der nach dem Artikel im August einen Zeugenaufruf startete, beschreibt auch den Fall einer Frau aus Bern. Sie wurde administrativ versorgt, weil die Behörden ihr unterstellten, sie werde «vielleicht bald schwanger», hatte sie sich doch am Abend nach der Arbeit mit halbstarken Burschen auf einen Schwatz getroffen.

Im «Sonnenberg »habe ein Klima der Angst und wie in anderen Heimen das Motto «Maul halten, Ordnung halten und Durchhalten» vorgeherrscht. Wer flüchten wollte, landete in der Arrestzelle. Der Heimleiter, Pierre V., ein Freikirchler aus der Westschweiz, der dank dem Mädchenhandel das Heim ausbauen konnte, spielte die Frauen gegeneinander aus, hörte sie ab oder zwang ihnen seine Predigten auf. Die Mädchen wurden ausgebeutet und ausgenutzt und standen nach ihrer Entlassung ohne Lehrabschluss und Geld da, zumal sie mit ihrem Fabriklohn, der direkt ans Heim ging, ihre eigene Freiheitsberaubung zu finanzieren hatten.

Die Behörden schauten weg oder rechtfertigten sich

Zwar weckte der private Geschäftserfolg mit staatlichen Internierten bereits 1961 den Argwohn im Appenzellerland. So fragten sich die Walzenhauser Behörden, ob es im «Sonnenberg» in finanzieller Hinsicht mit rechten Dingen zugehe. Die örtliche Gesundheitskommission beantragte eine administrative Aufsicht über das Mädchenheim. Doch der Kanton verbot das mit der Begründung, es gebe keine gesetzliche Grundlage dafür. Auch im Ausserrhoder Kantonsrat gab der «Sonnenberg» 1964 zu reden: «Vor allem sollte man das Heim auch materiell etwas kontrollieren; es ist unbehaglich. Scheint ein gutes Geschäft zu sein.»

Im Juli 1970 sah sich der Ausserrhoder Regierungsrat mit dem Vorwurf der Zwangsarbeit konfrontiert. Als das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement wegen der Heiminternierungen ohne Gerichtsprozess eine Gesetzesänderung verlangte, wehrten die Ausserrhoder Behörden jedoch abermals ab. Auch schrieben sie nach Bern, man unterhalte keine Arbeits- und Konzentrationslager.

Später, 1973, legte ein Bericht der Arbeitsgruppe für Strafreform der Hochschule St.Gallen (HSG) die menschenunwürdigen Bedingungen in den Heimen offen und schlug Reformen vor. Doch die Ausserrhoder Regierung sah erneut keinen «unmittelbaren Anlass zum Einschreiten» und schlug eine behördliche Untersuchung aus. Das Heim von Pierre V. wurde schliesslich zwei Jahre später freiwillig geschlossen und an eine Freikirche verkauft, wohl wegen sinkender Nachfrage, wie der «Beobachter» schreibt.

Aufgearbeitet wurde die Ausbeutung der Frauen von Walzenhausen bis heute nicht. Heime und Fabriken hatten ihre Akten nach abgelaufener Aufbewahrungsfrist fortgeworfen. Die Textilfirma Kleinberger & Co. stellte den Betrieb 1985 ein, die Stickerei Alfred Hausammann & Co. AG in den 1990er Jahren. «Es ist, als ob die Zusammenarbeit zwischen der Fürsorge und der Schweizer Industrie nie stattgefunden hätte», heisst es im Artikel. Nachfahren der Firmen bezweifeln zudem, dass die Patrons davon gewusst hätten, wie wenig den Mädchen vom Lohn übrig blieb.

Die Regierung ist ambivalent, die SP fordert eine Aufarbeitung

Und was sagt die Ausserrhoder Regierung zu den neuesten Recherchen zum Arbeitsheim «Sonnenberg»?

«Wir haben die Recherchen unterstützt und das Staatsarchiv in Herisau half bei der Herausgabe von Dokumenten», sagt SP-Regierungsrat Yves Noël Balmer. «Dass in mehreren Heimen im Kanton Missstände herrschten, ist für uns nichts Neues. Was geschah, ist grässlich.»

Die Regierung habe bereits bei der Aufarbeitung zur Zwangsarbeitsanstalt Gmünden über den Tellerrand hinausgeschaut und die Problematik der administrativen Versorgung angeschaut. Ob es einer weiteren Aufarbeitung bedürfe, werde die Regierung entscheiden. Persönlich habe er eine ambivalente Haltung dazu. Einerseits sei es wichtig, als Behörde Verantwortung zu übernehmen, andererseits habe er Mühe damit, seine Amtsvorgänger zu kritisieren, zumal damals völlig andere Wertvorstellungen vorgeherrscht hätten.

Eine wissenschaftliche Aufarbeitung könne zudem nicht nur durch den Staat erfolgen, sondern auch die Industrie müsse ihren Teil dazu beitragen, sagt Balmer. Schliesslich hätten die Betriebe in grossem Ausmass von den günstigen Mitarbeiterinnen profitiert. Dass der Kanton sich lange gegen die Installierung einer Heimaufsicht gewehrt habe, sei Ausdruck der damaligen liberalen Haltung in Ausserrhoden gewesen, den Staat möglichst klein zu halten. «Heute weiss man, dass eine angemessene Kontrolle wichtig ist.»

Für seinen Parteikollegen Jens Weber, Präsident der SP Appenzell Ausserrhoden, ist hingegen klar: «Es braucht eine Aufarbeitung dieses Kapitels.»

Dabei hätten sowohl die Industrie als auch die Regierung ihren Beitrag zu leisten. Dass die Betriebe teilweise nicht mehr existieren, deren Nachfolger nichts sagen und Register verschwunden sind, erschwere die Arbeit zwar. Dennoch sei sie nicht unmöglich. «Dass man das Leid anerkennt und es öffentlich transparent macht, ist enorm wichtig, um überhaupt ein Bewusstsein für das Unrecht entstehen zu lassen, das diesen Frauen widerfahren ist», sagt Weber, der sich mit seiner St.Galler Kollegin Bettina Surber ausgetauscht hat. Surber hatte im Nachgang zu den Recherchen über Dietfurt einen Vorstoss eingereicht und von der St.Galler Regierung die Lancierung einer eigenen Forschungsarbeit zum Thema gefordert. Auch die SP Appenzell Ausserrhoden überlege sich, einen Vorstoss einzureichen, sagt Weber – insbesondere, um die Frage zu klären, inwiefern der Kanton in den Mädchenhandel involviert gewesen sei.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/zwangsarbeit-dass-man-das-leid-anerkennt-und-es-oeffentlich-transparent-macht-ist-enorm-wichtig-auch-in-appenzell-ausserrhoden-wurden-maedchen-ausgebeutet-ld.2282146)