Medienspiegel 21. April 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Viel Effort für die Willkommensklassen in den Gemeinden
Ab Montag starten in vielen bernischen Gemeinden die Willkommensklassen für ukrainische Flüchtlingskinder. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, vor allem gesucht: Lehrpersonen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/viel-effort-fuer-die-willkommensklassen-in-den-gemeinden?id=12180048


Geflüchtete aus der Ukraine: Sozialhilfe und Schulangebote
Geflüchtete Personen aus der Ukraine mit Schutzstatus S erhalten bei Bedürftigkeit von der Stadt Bern Asylsozialhilfe und ihre Kinder haben Anspruch auf Schulbildung. Derzeit werden rund 900 Personen finanziell unterstützt und 79 Kinder sind bereits eingeschult oder besuchen jetzt oder demnächst einen Deutsch-Intensivkurs.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/gefluechtete-aus-der-ukraine-sozialhilfe-und-schulangebote
-> https://www.neo1.ch/artikel/sozialhilfe-fuer-900-kriegsfluechtlinge-in-der-stadt-bern
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/berns-sozialamt-betreut-rund-900-gefluechtete?id=12179838
-> https://www.derbund.ch/stadt-bern-leistet-sozialhilfe-fuer-900-gefluechtete-168821297257
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/900-ukrainische-fluechtlinge-erhalten-bereits-sozialhilfe-146245208
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/199010/


Blindenstiftung kritisiert Kanton Bern
Die gemeinnützige Blindenstiftung «David Dienst Schweiz» hilft momentan hauptsächlich blinden Ukraine-Flüchtlingen. Die Stiftung kritisiert, dass die blinden Flüchtlinge komplett vergessen werden.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/blindenstiftung-kritisiert-kanton-bern-146245240


Die Suche geht weiter: Im Berner Oberland mangelt es an Plätzen für Geflüchtete.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bekanntes-und-neues-am-stadtrundgangfestival-bern?id=12179694



derbund.ch 21.04.2022

Wohnung statt Asylzentrum: Gastfamilien tragen Hauptlast der Flüchtlingsbetreuung

Dank der Hilfsbereitschaft der Berner Bevölkerung konnten unterirdische Unterkünfte bislang vermieden werden. Doch wie lange noch?

Andres Marti

In der riesigen Zivilschutzanlage unterhalb des Berner Eishockeystadions bleiben die Geflüchteten aus der Ukraine derzeit nur wenige Tage. Die allermeisten haben danach eine Wohnung oder Gastfamilie gefunden und können den Bunker ohne Tageslicht wieder verlassen. Neben der Anlage in Bern, die notfalls mehr als 500 Personen Unterschlupf bietet, betreibt der Kanton auch in Burgdorf eine Zivilschutzanlage mit der gleichen Funktion. Auch sie ist derzeit nicht voll ausgelastet.

In Bern hat sich inzwischen ein fragiles Gleichgewicht eingestellt: Abgänge und Neueintritte halten sich laut der Stadt die Waage, aktuell sind es rund 100 Personen, die täglich an- und weiterreisen. Die Hilfsbereitschaft der Berner Bevölkerung hält also an.

Das bestätigen die neusten Zahlen der zuständigen kantonalen Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion: Von den 5400 im Kanton Bern registrierten Ukraineflüchtlingen sind bereits über 3500 in Wohnungen untergekommen. Andere wohnen bei Bekannten, in Hotels oder Ferienwohnungen. Die Übrigen in einer der 16 Kollektivunterkünften des Kantons.

Die Privaten übernehmen also die Hauptlast der Flüchtlingsbetreuung. Doch wie lange noch? Ein Ende des Kriegs ist nicht in Sicht. Wie sich die Fluchtbewegung entwickelt, bleibt entsprechend spekulativ. Der Kanton rechnet jedenfalls nach wir vor mit bis zu 30’000 Geflüchteten, welche ihm bis Ende Jahr vom Bund zugewiesen werden. Ob eine solch grosse Zahl mehrheitlich bei Privaten untergebracht werden kann, darf bezweifelt werden.

10’000 freie Betten?

Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), die landesweit Gastfamilien vermittelt, haben im Kanton Bern rund 4400 Gastfamilien über 10’000 Betten angeboten. Um Missbrauch und unpassende Angebote auszuschliessen, muss jede Offerte überprüft werden. Gemäss dem Kanton bringt die SFH aber nur einen Bruchteil der privat untergebrachten Personen unter. Ein grosser Teil wird über andere Kanäle, insbesondere private Initiativen und Organisationen, bei Gastfamilien untergebracht.

Zwar hat der Kanton mehrmals betont, dass er unterirdische Unterbringungen unbedingt vermeiden will. Dennoch liess er über Ostern vorsorglich eine Zivilschutzanlage in Köniz für die Aufnahme von Geflüchteten vorbereiten. In der Anlage in Niederscherli übernachteten auf dem Höhepunkt der letzten Flüchtlingskrise bis zu 100 Asylsuchende. Die geflüchteten Männer aus Syrien und Afghanistan teilten sich zu 20 ein Zimmer und schliefen auf dreistöckigen Betten aus Metall.

Als der Könizer Gemeinderat die Anlage 2015 eröffnete (unterhalb eines Schulhauses), musste er bei der Bevölkerung einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Eine Anwohnerin verlangte damals etwa einen separaten Fussgängerstreifen, damit sich Flüchtlinge und Schulkinder nicht begegnen. Die Anlage war bis 2017 in Betrieb. Seitdem gehört der Bunker zur strategischen Reserve des Kantons. Die Aussicht auf eine Wiedereröffnung hat bei Flüchtlingshelfern vor Ort bereits für Empörung gesorgt.

Auch die Unterbringung in Kollektivunterkünften soll nur für kurze Zeit notwendig sein. Das Containerdorf, welches der Kanton derzeit auf dem Berner Viererfeld eilig erstellen lässt, soll in erster Linie dazu dienen, unterirdische Unterkünfte zu vermeiden. Die ersten Bewohnenden sollen dort bereits in der zweiten Maihälfte einziehen können. Wie lange sie dann dort wohnen werden, ist derzeit noch völlig unklar.
(https://www.derbund.ch/gastfamilien-tragen-hauptlast-der-fluechtlingsbetreuung-487035821484)



derbund.ch 21.04.2022

«Es ist wenig Geld»: Teuscher fordert Erhöhung der Sozialhilfe für Geflüchtete

Menschen aus der Ukraine in Geldnot erhalten Asylsozialhilfe. Diese reiche kaum für den Lebensunterhalt, kritisiert Berns Sozialdirektorin Franziska Teuscher.

Andres Marti, Brigitte Walser, Franziska Rothenbühler(Fotos)

Olya und Tanya sind zwei Schwestern aus der Ukraine. Mit ihren Kindern sind sie in der Wohnung von Marianne Gertsch-Schoch in Burgdorf untergekommen. Um den Schutzstatus S zu erhalten, stand Olya vor dem Bundesasylzentrum in Bern sechs Stunden in der Schlange. Tanya hat sich online angemeldet und wartet seit fünf Wochen auf ihren Schutzstatus. Mit einer Bestätigung, dass sie den Antrag gestellt hat, kann sie aber bereits jetzt Asylsozialhilfe beziehen.

In Burgdorf ist für die Auszahlung der Asylsozialhilfe die Asylorganisation ORS zuständig. Laut Gertsch-Schoch verläuft das unkompliziert: Mutter und Kind erhalten zusammen pro Monat 800 Franken ausbezahlt. Die Schwestern sagen, solange sie gratis reisen könnten – für Personen mit Schutzstatus S ist der ÖV vorerst bis Ende Mai kostenlos –, sei dieser Betrag ausreichend für das Leben hier. Die Schweiz sei aber sehr teuer.

Soforthilfe in bar

Die Asylsozialhilfe werde «unkompliziert geleistet», betonte am Donnerstag auch Claudia Hänzi vor den Medien. Sie ist Sozialamtsleiterin der Stadt Bern. Der Asylsozialdienst Bern unterstützt Geflüchtete in Notlage in der Stadt und fünf umliegenden Gemeinden. Dabei werde auch Soforthilfe in bar ausbezahlt, erzählte Hänzi. In den vergangenen vier Wochen hat der Dienst Barauszahlungen von knapp einer Viertelmillion Franken getätigt und leistet im Moment für rund 900 Personen mit Status S Asylsozialhilfe.

Bevor der Asylsozialdienst für die Geflüchteten ein individuelles Budget erstellt, prüft er, ob diese tatsächlich in finanziellen Nöten sind. «Wir machen diese Prüfung aber nicht so vertieft wie sonst in der Sozialhilfe», sagte Hänzi. Man merke den Menschen an, dass sie in einer Notsituation seien. Teilweise bräuchten sie auch lediglich eine Überbrückungshilfe.

«Schnell aufgebraucht»

Alexandra von Arx hat ihre Wohnung in Bern vor einem Monat einem geflüchteten Mann aus der Ukraine zur Verfügung gestellt und wohnt seitdem bei ihrem Partner. Ihr Gast (er spricht weder Deutsch noch Englisch, kommuniziert wird mit GoogleTranslate) hat sich inzwischen gut organisiert und fährt zweimal in der Woche nach Zürich, um dort Essenspakete abzuholen. Für den tief religiösen Mann sei das ein willkommener Zustupf. Nie käme er auf die Idee, sich zu beklagen.

«Das wenige Geld der Asylsozialhilfe braucht er nicht nur für Lebensmittel, sondern etwa auch für Sommerkleider», sagt von Arx. Zudem sei kürzlich sein Handy-Bildschirm kaputtgegangen und müsse repariert werden. Die rund 600 Franken, die er monatlich bekomme, seien da schnell aufgebraucht.

Wie hoch die Asylsozialhilfe ist, legen die Kantone fest. Miete, Krankenkasse und spezielle Leistungen werden separat bezahlt. Gemäss der bernischen Verordnung liegt der Grundbedarf bei 696 Franken pro Monat für eine Person allein in einem Haushalt. In manchen Kantonen ist der Betrag deutlich tiefer.

«Es ist wenig Geld», sagte die Berner Sozialdirektorin Franziska Teuscher am Donnerstag an der Medienorientierung. Die Asylsozialhilfe reiche kaum für den Lebensunterhalt. Das werde jetzt im Zusammenhang mit den geflüchteten Menschen aus der Ukraine vielen deutlich vor Augen geführt.

Die Ansätze im Kanton Bern sind hoch umstritten. Ende 2020 ging eine Beschwerde dagegen ein mit der Forderung nach höheren Beträgen, inzwischen befasst sich das kantonale Verwaltungsgericht damit. Auch Teuscher, Politikerin des Grünen Bündnisses, fordert, dass die Asylsozialhilfe erhöht wird. «Ich erachte den Unterschied von 30 Prozent zwischen Sozialhilfe und Asylsozialhilfe als nicht gerechtfertigt», sagt sie.

Gastfamilie hilft

Dass die vier Geflüchteten in Burgdorf mit der Hilfe über die Runde kommen, hat gemäss der Gastgeberin auch damit zu tun, dass sich die Frauen für Kleider bei speziellen Börsen bedienen könnten.

Die Gastfamilie ist aber auch in der Lage, die vier Geflüchteten längere Zeit ergänzend zu unterstützen, etwa für Geburtstagsgeschenke, Velos und Helme für die Kinder oder Pizzaessen, sagt Gertsch-Schoch. Man vertraue zudem darauf, dass die Behörden rückwirkend etwas für die drei Zimmer vergüten. Die Gastfamilie liess extra eine Küchenzeile einbauen – das Kochen in der kleinen Küche wurde mit der Zeit zu beschwerlich.

Gastfamilien, die Geflüchtete mit Sozialhilfe für mindestens drei Monate beherbergen, können mit 195 Franken pro Person und Monat als Mietkostenentschädigung rechnen. Claudia Hänzi vom Berner Sozialamt bezeichnet diesen Ansatz als fair. Im Vergleich zu anderen Kantonen sei er gut.



Die Schule beginnt

Das sei das grösste Geschenk für die beiden Gastkinder, sagt Gastgeberin Marianne Gertsch-Schoch aus Burgdorf: Die soeben 14-jährig gewordene Anya und ihr 9-jähriger Cousin Kolja würden ab nächster Woche von der Volksschule aufgenommen. Endlich Schule!

In der Stadt Bern sind 79 Kinder aus der Ukraine schon eingeschult oder besuchen aktuell oder demnächst einen Deutsch-Intensivkurs. Im Schulalltag könnten die Kinder Ruhe finden, sagte am Donnerstag die Berner Bildungsdirektorin Franziska Teuscher.

Kinder, die bereits Deutsch sprechen oder im Kindergartenalter sind, kommen in der Stadt Bern direkt in eine Regelklasse. Die anderen besuchen zuerst einen Intensivkurs. An sechs Standorten in der Stadt Bern gibt es Intensivkurse, drei weitere seien in Planung.

Insbesondere die Personal- und Raumsuche für diese Intensivkurse seien eine Herausforderung, sagte Luzia Annen, Leiterin des Schulamts, vor den Medien. Bis vor den Frühlingsferien wurden 32 Kinder in einen solchen Kurs eingeteilt, 30 weitere können nach den Frühlingsferien starten.

Jedes Kind soll in die Schule gehen, aber der Fernunterricht aus der Ukraine wird anerkannt. Dieser sei vor allem bei Jugendlichen kurz vor dem Examen ein Thema und als Übergangsphase möglich, hiess es an der Medienorientierung der Stadt Bern. Werde die Schule nicht besucht, erschwere dies allerdings die Integration. (bw/ama)
(https://www.derbund.ch/wie-gefluechtete-ueber-die-runden-kommen-379402405019)


+++APPENZELL
Ein Besuch auf Zeit in Teufen: Flüchtlinge haben privat in einer Familie Unterschlupf gefunden (ab 05:50)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/1962-hat-knies-kinderzoo-als-streichelzoo-angefangen?id=12180111


+++BASELLAND
Baselbieter Gemeinden müssen mehr Geflüchtete aufnehmen
Die Baselbieter Gemeinden müssen per sofort mehr Asylsuchende aufnehmen. Die Regierung hat die Aufnahmequote von 1,4 auf 2,6 Prozent erhöht.
https://telebasel.ch/2022/04/21/baselbieter-gemeinden-muessen-mehr-gefluechtete-aufnehmen/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%204&channel=105100


+++LUZERN
Luzerner Verein eröffnet ukrainisches Kulturzentrum
Ukrainische Kinder, Jugendliche und ihre Mütter erhalten einen Ort, an dem sie Kunst, Musik und Sport erleben können. Ein Luzerner Verein eröffnet dazu in Reussbühl ein Kulturzentrum mit dem Namen «Prostir».
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzerner-verein-eroeffnet-ukrainisches-kulturzentrum?id=12179835
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/luzern-gefluechtete-aus-der-ukraine-erhalten-in-reussbuehl-einen-treffpunkt-ld.2278654


Zug ist leicht über dem Soll: Luzern hat zu wenig Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen
Kurz nach Kriegsausbruch haben manche Kantone mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen als sie müssten. Nun will der Bund die Aufnahmen besser regulieren. Luzern ist in der Pflicht.
https://www.zentralplus.ch/politik/luzern-hat-zu-wenig-ukraine-fluechtlinge-aufgenommen-2349957/


+++SOLOTHURN
Hier wird gemeinsam Friedensbrot gebacken: Entsteht im Kapuzinerkloster Solothurn bald ein Treffpunkt für Geflüchtete aus der Ukraine?
Im Kapuzinerkloster in Solothurn wollen die Verantwortlichen ein Raum für Geflüchtete schaffen. Ein Treffen mit Ukrainerinnen und den Zuständigen in den historischen Gemäuern.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/stadt-solothurn/solidaritaet-hier-wird-gemeinsam-friedensbrot-gebacken-entsteht-im-kapuzinerkloster-solothurn-bald-ein-treffpunkt-fuer-gefluechtete-aus-der-ukraine-ld.2278985


+++ZUG
Sozialgelder für Flüchtlinge aus der Ukraine – Hostettler: «Der Kanton Zug ist keine Suppenküche»
Kürzlich empörten sich Gastfamilien von ukrainischen Geflüchteten in Zug. Dies, weil die Auszahlung von Sozialhilfegeldern nicht funktioniert hat. Nun scheint das Problem gelöst. Der Ansturm auf Lebensmittel und Kleider zeigt jedoch: Die Not ist nach wie vor gross.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/andreas-hostettler-der-kanton-zug-ist-keine-suppenkueche-2348383/


+++ZÜRICH
tagesanzeiger.ch 21.04.2022

Abstimmung zur Züri-City-Card: Sie hoffen, nicht mehr unsichtbar sein zu müssen

Drei Sans-Papiers erzählen, warum sie den umstrittenen städtischen Ausweis möchten. Die Gegner sprechen von einer Täuschung.

Beat Metzler

Sans-Papiers sind Champions der Unauffälligkeit. Ihr Dasein in Zürich hängt davon ab, dass niemand in einer Uniform sie wahrnimmt.

Das führt zu absurden Situationen. Als Juan, der sich ohne Erlaubnis in der Schweiz aufhält, eines Abends sein Velo holen wollte, erwischte er ein paar Jugendliche, die gerade hineinkickten. Einfach so, aus Spass. Juan, so erzählt er es, ging dazwischen. Zwei Frauen, die alles beobachteten, boten an, die Polizei zu rufen. Die meisten Menschen würden solche Hilfe dankbar annehmen. Juan hingegen brachte die Frauen mit aller Überzeugungskraft von der Alarmierung ab. Keine Polizei. Nicht nötig. Alles ist gut.

Den wahren Grund konnte er nicht erwähnen. «Die Polizei hätte meinen Ausweis sehen wollen. Ich wäre aufgeflogen.» Und das Velo? Juan winkt ab. Kaputt. Am Ende sei er trotzdem extrem erleichtert gewesen. Wieder einmal kam er davon.

Dank der Züri-City-Card, über welche die Stadt Zürich am 15. Mai abstimmt, sollen solche Situationen nicht mehr passieren. So versprechen es die Initiantinnen und Initianten.

Was aber erhoffen sich die Betroffenen selbst? Diese Zeitung hat drei Sans-Papiers zu einem Gespräch getroffen. Vermittelt hat sie Bea Schwager, Gründerin und Leiterin der Zürcher Sans-Papiers-Anlaufstelle Spaz. Sie ist auch beim Interview anwesend. Alle drei sind als Touristinnen und Touristen in die Schweiz gekommen und hiergeblieben. Die Migrationsbehörden wissen nichts von ihrer Anwesenheit.

Juan wohnt am längsten der drei in Zürich: seit 18 Jahren. Der 44-Jährige jobbt vor allem als Gärtner. Alexandra, die in Kolumbien aufgewachsen ist, arbeitet seit drei Jahren in der Schweiz. Sie hütet Kinder und putzt. Von solchen Jobs lebt auch Maria, die vor vier Jahren aus Paraguay eingereist ist. Juan spricht und versteht Mundart, Alexandra und Maria reden kaum Deutsch. Alle drei haben sich ihre Namen für den Artikel selbst gegeben. Mit der richtigen Identität riskierten sie ihre Ausschaffung.

Draussen haben sie ständig Angst

Als Juan die Velogeschichte erzählt, lachen alle. Bis Maria einwendet: «Eigentlich ist es nicht lustig.»

Die drei haben verschiedene Strategien, um sich in der Öffentlichkeit unsichtbar zu machen. Maria bewegt sich am liebsten zu Fuss durch die Stadt. Ins Tram wagt sie sich nicht wegen der Kontrollen.

Alexandra und Juan hingegen nutzen den öffentlichen Verkehr. Solange man ein Ticket habe, sei das in Ordnung. Beide haben noch nie erlebt, dass Billettkontrolleure ihren Ausweis verlangten.

Juan fährt gern Velo. Das bedeute ein gewisses Risiko, sagt er. «Man bricht schnell eine Regel.» Einmal sei er aufs Trottoir geraten. Prompt habe ihn ein Polizist angehalten. Er habe den Fehler gestanden und Besserung versprochen, sagt Juan. Der Beamte liess ihn ziehen ohne Ausweiskontrolle. Sein Herz habe wild gehämmert. «Aber ich gab alles, um mir nichts anmerken zu lassen.»

Sich nichts anmerken lassen. Das versucht auch Alexandra, wenn sie an einem Polizeiauto vorbeigeht. Das heisst: nicht beschleunigen, nicht wegschauen. Wenn sie gut drauf sei, nicke sie den Polizisten sogar zu. «Man wird zur Schauspielerin.»

Das traut sich Maria nicht zu. Sie dreht ab, sobald sie ein Polizeiauto entdeckt. Auch wenn es irgendwo nach Ärger riecht, entfernen sich die drei. Ja nirgends reingezogen werden.

Vor kurzem arbeitete Juan an einem Ort, den er jeweils erst um halb zwölf Uhr verlassen konnte. «Das war nicht optimal. In der Nacht gibt es mehr Stress.» Einmal habe sich ein verwahrloster Mann an der Bushaltestelle neben ihn gesetzt. Prompt bremste ein Streifenwagen, Polizisten filzten den Sitznachbarn. «Ich starrte ohne Unterbruch in mein Telefon, bis der Bus kam.»

Städtische Dienstleistungen wie Badis nutzen die drei kaum. Zu offiziell sind diese. Oft auch zu teuer. Sie habe einmal eine Kollegin im Spital besucht, sagt Maria. «Das hat viel Mut gebraucht.» In ihrer Freizeit spaziere sie am liebsten im Wald. Dort bleibe sie für sich. Parks besuche sie nur in Begleitung einer Freundin, die eine Aufenthaltsbewilligung habe. «Allein fühle ich mich nicht sicher.»

Mit der Züri-City-Card, das hoffen die drei, könnten sie sich sorgenfreier in Zürich bewegen. Die Stadtpolizei, so das Versprechen des Stadtrats, würde die City-Card als Identitätskarte akzeptieren – solange die Beamtinnen und Beamten in einer Kontrolle nicht gezielt den Aufenthaltsstatus prüfen.

Momentan hätten Sans-Papiers keine Chance, sich an die Polizei zu wenden, sagt Bea Schwager. «Weder wenn sie selbst Opfer werden, zum Beispiel bei häuslicher Gewalt, noch wenn sie ein Vergehen beobachten.»

Krankenkasse und AHV-Nummer sind möglich

Manche Staatskontakte funktionieren bereits, auch weil sich Sans-Papiers-Organisationen dafür eingesetzt haben. So können sich Sans-Papiers bei einer Krankenkasse anmelden, ohne Enttarnung befürchten zu müssen. Doch Alexandra, Maria und Juan haben das nicht getan. Zu viel koste der monatliche Beitrag. Wenn sie krank sind, gehen sie in die Meditrina im Kreis 4. Dieses Ambulatorium des Schweizerischen Roten Kreuzes behandelt unversicherte Menschen. Meditrina vermeldete letztes Jahr 1986 Konsultationen für 483 Menschen, was dem höchsten Wert seit Bestehen entspricht.

Auch eine AHV-Nummer dürfen Sans-Papiers beantragen. Das ermöglicht ihnen, gemeinsam mit dem Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Die meisten Arbeitgeber verzichteten aber auf eine solche Anmeldung, erzählen die drei. Den Lohn – meist 15 bis 25 Franken auf die Stunde – zahlten sie lieber in bar. Gemäss einer kantonalen Studie arbeiten Sans-Papiers unter «in jeder Hinsicht prekären Bedingungen».

In der Schweiz ist es verboten, Sans-Papiers zu beschäftigen. Wer es trotzdem tut und dies nicht korrekt anmeldet, macht sich doppelt strafbar. Daran würde die City-Card nichts ändern.

Wenig bringen würde der städtische Ausweis auch bei der Wohnungssuche. Vermieterinnen müssen ihre Mieter bei den Gemeinden anmelden – samt Aufenthaltsstatus. Alexandra, Maria und Juan wohnen alle in Untermietverhältnissen, die Bekannte vermittelt haben. Dies dürfte auch mit der City-Card so bleiben.

Trotzdem hoffen die drei auf ein Ja in der Abstimmung. Das Sich-unsichtbar-Machen sei anstrengend und frustrierend, sagt Alexandra. Die ständige Anspannung mache krank. «Die City-Card wäre ein Zeichen, dass wir existieren. Das würde schon viel verbessern.»

SVP-Gemeinderat Stefan Urech vom Referendumskomitee hält die Hoffnungen der drei für übertrieben. «Die City-Card bietet nur eine Scheinsicherheit.» Nach deren Einführung würden entweder Zürcher Linke oder Sans-Papiers eine City-Card auf sich tragen. «Diese Gruppen lassen sich gut unterscheiden», sagt Urech. Bei einer Kontrolle merkten Polizisten rasch, mit wem sie es zu tun haben. Dadurch sei bei Sans-Papiers der Verdacht auf illegalen Aufenthalt gegeben. «Also müssen Polizisten nach einem richtigen Ausweis fragen.»

Das bürgerliche Nein-Komitee will den Sans-Papiers das Leben nicht leichter machen. Im Gegenteil. «Das Ziel muss sein, solche illegalen Arbeitsverhältnisse auf beiden Seiten konsequent juristisch zu verfolgen», sagt Stefan Urech. Dies würde bedeuten, dass Menschen wie Alexandra, Maria und Juan ausgeschafft würden.

Freiwillig gehen die drei nicht zurück, trotz allen Widrigkeiten in Zürich. Er habe kaum mehr Kontakte in seine Heimat, sagt Juan. «Ich bin mittlerweile mehr von hier als von El Salvador.»

Er schiebt die Hose hoch. Auf einem Unterschenkel leuchtet ein Schweizer-Kreuz-Tattoo. Es ist das weitaus Auffälligste an Juans Aussehen.



Darum geht es bei der Vorlage

Mit der Züri-City-Card soll die Stadt Zürich einen offiziellen Ausweis für alle Städterinnen und Städter einführen – unabhängig ihres Aufenthaltsstatus. Gegenüber städtischen Behörden wie der Stadtpolizei wäre die Züri-City-Card als Ausweis gültig. Auf ihr sollen auch alle städtischen Karten wie Badi-Abos oder Bibliotheksausweise gebündelt werden. Möglichst viele Zürcherinnen sollen die City-Card benutzen. So würden Menschen, die sie vorzeigen, nicht als Sans-Papiers auffallen.

SP, Grüne und AL forderten die City-Card in einer gemeinsamen Motion: Der Ausweis sorge für einen besseren Schutz der Sans-Papiers, die mit ihrer Arbeit entscheidend zum Funktionieren der Stadt beitrügen. Der Stadtrat liess zwei Rechtsgutachten erstellen. Diese kamen zum Schluss, dass die Züri-City-Card weder gegen kantonales noch Bundesrecht verstösst. Darauf stellte sich auch der Stadtrat hinter die Idee.

FDP, SVP, Mitte und EVP haben das Referendum ergriffen gegen den Kredit von 3,2 Millionen Franken. Sie finden, dass die City-Card eine Legalisierung vortäusche, und verweisen auf den Bundesrat, der sie als rechtswidrig bezeichnet. Das Projekt sei reine Geldverschwendung, sagen die Gegnerinnen. Die GLP hat sich enthalten.

Gemäss einer vom Kanton beauftragten Studie lebten im Kanton Zürich im Jahr 2020 rund 19’000 Sans-Papiers, die Mehrheit davon in der Stadt Zürich. Geschätzte zwei Drittel von ihnen sind Frauen, viele stammen aus Lateinamerika. Fast alle haben einen Job. Eine Mehrheit der Frauen ist in Privathaushalten angestellt. Männer sind unter anderem auf dem Bau beschäftigt, als Küchenhilfen oder im Transport. (bat)
(https://www.tagesanzeiger.ch/sie-hoffen-nicht-mehr-unsichtbar-sein-zu-muessen-599157795859)


+++SCHWEIZ
Kehrtwende des Bundes: Ukrainische Flüchtlinge werden künftig nach Verteilschlüssel platziert
Ab Montag werden aus der Ukraine geflüchteten Menschen nach dem Asyl-Verteilschlüssel an die Kantone zugewiesen. Individuelle Wünsche sollen nur in Einzelfällen berücksichtigt werden.
https://www.derbund.ch/ukrainische-fluechtlinge-werden-kuenftig-nach-verteilschluessel-platziert-822680843659
-> Medienkonferenz Behörden: https://youtu.be/_PAVd9L1eak
-> Medienmitteilung Behördfen: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-88105.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/ukraine/480269418-stark-belastete-kantone-jetzt-sollen-fluechtende-besser-verteilt-werden
-> https://www.20min.ch/story/ab-14-uhr-informiert-das-sem-zur-fluechtlingssituation-873620411955
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/ukraine-krieg-bund-kantone-informieren-uber-lage-der-gefluchteten-66160016
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/bund-fuehrt-neue-zuweisungspraxis-fuer-ukraine-gefluechtete-ein?urn=urn:srf:video:48e7aa26-9bf6-4423-9ff7-88ba6c5434ac
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/nicht-alle-fluechtlinge-koennen-zu-den-gewuenschten-gastfamilien-146245225
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/nicht-alle-fluechtlinge-koennen-zu-den-gewuenschten-gastfamilien-146244896
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/aktueller-stand-im-ukraine-krieg-146244774
-> https://www.tagblatt.ch/international/krieg-in-der-ukraine-ab-14-uhr-live-experten-informieren-zur-lage-rund-um-das-thema-ukraine-in-der-schweiz-ld.2278678


Ukraine Krieg: Schweizer Gastfamilien wegen Behörden am Limit
Täglich wächst die Flüchtlingsanzahl durch den Ukraine-Krieg in der Schweiz um Tausend an. Gastfamilien kommen wegen überforderten Behörden an ihr Limit.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-schweizer-gastfamilien-wegen-behorden-am-limit-66159110
-> https://www.blick.ch/schweiz/wegen-behoerden-frust-schweizer-gastfamilien-bereuen-aufnahme-von-fluechtlingen-id17424528.html


„Es braucht nicht nur Grenzschutz, sondern auch legale Fluchtrouten“
Am 15. Mai kommt das Frontex-Referendum an die Urne. SP-Nationalrat Fabian Molina spricht sich gegen die Erhöhung des Schweizer Beitrags für Frontex in dieser Form aus. Die Vorlage müsse überarbeitet werden, sagt er im Interview.
https://www.swissinfo.ch/ger/frontex-referendum-abstimmung-15–mai_-es-braucht-nicht-nur-grenzschutz–sondern-auch-legale-fluchtrouten-/47509196


+++GROSSBRITANNIEN
Flüchtlingspolitik in Großbritannien: Aus Ruanda kein Zurück
Migranten, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen, sollen künftig nach Ruanda geschickt werden. Der Plan ist selbst im britischen Innenministerium umstritten.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-04/grossbritannien-fluechtlingspolitik-ruanda-asylbewerber-abschiebung/komplettansicht


+++EUROPA
Zurückgedrängt, ausgesetzt, ins Wasser geworfen
Im vergangenen Jahr gab es in der Ägäis über 10 000 Pushbacks von Geflüchteten – Konsequenzen fehlen
Von einem »Dauerzustand der Menschenrechtsverbrechen« spricht Mare Liberum in ihrem Pushback Report 2021. Dokumentiert sind illegale Zurückweisungen, Gewalt und Folter. Die Organisation fordert Konsequenzen für griechische Behörden.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163160.asylpolitik-zurueckgedraengt-ausgesetzt-ins-wasser-geworfen.html


+++IRAN
Flucht aus Afghanistan – Endstation Iran – Echo der Zeit
Seit der Machtübernahme der Taliban versuchen immer mehr Afghaninnen und Afghanen ihr Land zu verlassen. Vor allem die wirtschaftliche Not treibt sie in die Flucht. Viele flüchten ins Nachbarland Iran. Die Reportage vom Grenzübergang und die Einschätzung des Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Teheran.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/flucht-aus-afghanistan-endstation-iran?partId=12180120


+++DROGENPOLITIK
Gras für Basel
Ab Herbst dürfen in Basel 400 Leute legal THC-haltige Cannabisprodukte beziehen. Dies im Rahmen eines wissenschaftlichen Pilotprojektes. Der Stoff für diesen Versuch kommt aus dem Aargau von der Pure Holding AG. Ab Herbst beliefert die Firma Basler Apotheken mit Gras. Ein Besuch auf dem Campus.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/gras-fuer-basel?partId=12180102


Fricktaler Firma baut legal Gras an
Eine Aargauer Firma darf als erste legal Drogenhanf anbauen. In Zeiningen ist das Kifferparadies zu Hause. Warum ist es hier erlaubt und im Rest der Schweiz nicht?
https://www.telem1.ch/aktuell/fricktaler-firma-baut-legal-gras-an-146245067


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
bzbasel.ch 21.04.2022

Knatsch um 1.-Mai-Fest in Basel: Darum endet die Demo zum ersten Mal auf der Kaserne

Neben den Gewerkschaften und Parteien wollen dieses Jahr auch kleine Gruppen mitreden, wie der Tag der Arbeit ablaufen soll. Das sorgte für Diskussionen und Veränderungen.

Silvana Schreier

Der 1. Mai und die damit verbundenen Feierlichkeiten sind für gewöhnlich in den Händen der Gewerkschaften und linken Parteien. In den vergangenen Jahren lud der Basler Gewerkschaftsbund jeweils zum Vorgespräch ein. SP, Basta, Grüne sowie die Gewerkschaften wie Unia, VPOD und Syndicom legten sodann die Eckpunkte der Kundgebung fest.

In diesem Jahr lief alles anders. Aufgrund der Coronapandemie gab es in den vergangenen beiden Jahren keinen traditionellen 1.-Mai-Umzug. 2021 zogen zwar rund 1000 Demonstrierende durch Basel, organisiert wurde der Anlass vorrangig von kleineren Gruppierungen wie der Kurdenvereinigung oder der Anlaufstelle für Sans-Papiers beider Basel. Die Gewerkschaften und Parteien reihten sich am Ende des Demonstrationszuges ein.

Offizielle Bewilligung steht noch aus

Eben jene kleineren Vereine und Gruppierungen wollten nun auch beim diesjährigen 1.-Mai-Fest den Takt angeben. Wie die bz weiss, sorgte das für Knatsch zwischen ihnen und den professionell aufgestellten Gewerkschaften und Parteien. Bis jetzt sind keine konkreten Veranstaltungsinformationen auf den Websites von SP, Basta, Unia oder VPOD aufgeschaltet.

Die offizielle Bewilligung von Seiten der Basler Kantonspolizei für die Kundgebung wurde am Donnerstag erteilt.

Wie viel soll ein Bier kosten?

Doch warum lief die Organisation der traditionellen Feierlichkeiten so holprig? Franziska Stier, Parteisekretärin der Basta, sagt: «Wir hatten nach Corona die Routine verloren. Darum hat der Prozess erst spät begonnen.» Zudem sei das Komitee dieses Jahr deutlich breiter aufgestellt: Neben Gewerkschaften und Parteien gehören 2022 auch der Feministische Streik, die kommunistische Jugend, die Gruppen DemKurd, Cologna Libera oder der Klimastreik dazu. Über 24 teilnehmende Gruppen sind es laut Stier.

Benjamin Plüss, Gewerkschaftssekretär des VPOD Region Basel, spricht für das Komitee. Er sagt, früher sei die Organisation stark über den Basler Gewerkschaftsbund gelaufen. Jetzt sei man näher bei den Bedürfnissen der einzelnen Gruppierungen. «Wir gehen nun mehr in Richtung Bewegung», sagt Plüss. Da sei es normal, dass unterschiedliche Ansprüche geäussert würden. Wie viel soll ein Bier am 1. Mai kosten? Wer tritt als Rednerin oder Redner auf? Welche künstlerischen Darbietungen sind gewünscht?

Demo endet auf dem Kasernenareal

Zudem wurde die Route der 1.-Mai-Demonstration überarbeitet: Bisher fanden die Reden und Auftritte der Politikerinnen und Politiker jeweils mitten in der Stadt auf dem Barfüsserplatz statt. Bei den Diskussionen über die Durchführung ergaben sich zwei Lager: Plüss erzählt, es habe die einen gegeben, die den 1. Mai möglichst zentral feiern wollten.

Den anderen sei der Barfi zu ausgestellt, nicht hindernisfrei und für Standbetreibende zu schwierig erreichbar gewesen. So sei die Wahl schliesslich auf das Kasernenareal gefallen. Plüss: «Wir mussten vieles neu verhandeln, aber es wird dafür ein umso spannenderer
1. Mai.»



Terminkollision mit FC Basel-Spiel

Die Bewilligung für den 1.-Mai-Umzug vom De-Wette-Park bis zur Kaserne ist also erteilt. Aber es stellt sich die Frage, wie die Kantonspolizei mit dem gleichzeitig stattfindenden Fussballspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich im St.-Jakob-Park umgeht. Treten die beiden Vereine gegeneinander an, ist es jeweils ein Hochrisikospiel. Weiter wurde der Gästesektor um mehr Plätze erweitert. Zudem stellen die SBB aufgrund der grossen Nachfrage nicht nur einen, sondern vier Extrazüge von Zürich nach Basel bereit. Der FC Basel hat den Online-Ticketverkauf unterdessen gestoppt.

Auf Anfrage erklärt Polizeisprecher Brucker, die Polizei beurteile die Lage laufend und werde alle nötigen Massnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Bevölkerung auch am 1. Mai zu gewährleisten. Zum Polizeiaufgebot an jenem Sonntag wird keine Angabe gemacht.

Bezüglich der Bewilligung der Demonstration am 1. Mai wurde der Artikel am 21. April 2022 um 11:27 Uhr verändert.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/gewerkschaften-knatsch-um-1-mai-in-basel-darum-endet-die-demo-zum-ersten-mal-auf-der-kaserne-ld.2278337?mktcid=smch&mktcval=twpost_2022-04-21)



Klima-Aktivistin Selina Lerch (27) klebte sich in Bern auf die Autobahn: «Frau Lerch, was bringt das?»
Wegen ihr drehten diese Woche Autofahrerinnen und Autofahrer im roten Bereich: Klimaaktivistin Selina Lerch erklärt im Gespräch mit Blick-TV-Chefredaktor Sandro Inguscio, welche Forderungen hinter der Aktion stecken.
https://www.blick.ch/video/specials/klima-aktivistin-selina-lerch-27-klebte-sich-in-bern-auf-die-autobahn-frau-lerch-was-bringt-das-id17425189.html


+++FREE NEKANE
Stellungnahme: «Haftbefehl und Auslieferungsgesuch gegen Baskin Nekane Txapartegi aufgehoben»
Nach der Verurteilung in einem politischen Prozess und schweren Folterungen durch die Guarda Civil flüchtete Nekane Txapartegi 2007 aus dem Baskenland. Anfang April 2022 hob nun das spanische Sondergericht Audiencia Nacional den internationalen Haftbefehl und das Auslieferungsgesuch auf. Nach 15 Jahren Exil konnte Nekane Txapartegi nun im Baskenland ihre Familie in die Arme schliessen.
http://www.freenekane.ch/haftbefehl-und-auslieferungsgesuch-gegen-baskin-nekane-txapartegi-aufgehoben/
-> Nekane: «Wir haben die politische Verfolgung gestoppt!»: http://www.freenekane.ch/nekane-wir-haben-die-politische-verfolgung-gestoppt/


+++POLIZEI DE
Performance „Das Revier“ in Hamburg: Sorry für die Polizeigewalt
Die Gruppe SV Szlachta lädt auf dem Hamburger Hansaplatz in die Installation „Revier“. In Workshops werden Vergehen der Polizei aufgearbeitet.
https://taz.de/Performance-Das-Revier-in-Hamburg/!5846504/


Vorgehen auf Anti-Corona-Demos Uno-Menschenrechtler sieht »Systemversagen« bei Polizeigewalt in Deutschland
Gegner der Coronamaßnahmen dürfen in Deutschland demonstrieren. Nach Ansicht des Uno-Sonderberichterstatters für Folter gingen Polizisten dabei oft unmenschlich vor. Noch härter urteilt er über die zuständigen Behörden.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/deutschland-uno-menschenrechtler-sieht-systemversagen-bei-polizeigewalt-a-79ff544b-d49c-4652-a236-7b1557f24588?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss
-> https://www.sueddeutsche.de/politik/demonstrationen-un-experte-systemversagen-bei-polizeigewalt-in-deutschland-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220421-99-983796?s=09
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-04/polizeigewalt-deutschland-un-systemversagen?utm_referrer=https%3A%2F%2Ft.co%2F


+++RECHTSEXTREMISMUS
«Ich gehe ein paar Muslime töten» – Schweizer Bombenbastler verhaftet
Die kroatischen Behörden haben den Verdächtigen Miran S. anfangs März im Land verhaftet. Der mutmassliche Rechtsterrorist gab in der Vergangenheit mehrere Interviews, während er zur Verhaftung ausgeschrieben war.
https://www.20min.ch/story/schweizer-bombenbastler-verhaftet-er-drohte-mit-anschlaegen-auf-moscheen-912296927583
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/terrorverdaechtiger-miran-s-in-kroatien-verhaftet-00181678/



derbund.ch 21.04.2022

Schweizer TerrorverdächtigerEr drohte mit Anschlägen auf Moscheen – nun wurde er in Kroatien verhaftet

Die Behörden halten den 20-Jährigen für den ersten Rechtsterroristen der Schweiz. Vom Exil aus beteuerte er öffentlich seine Unschuld – nun sitzt er in Untersuchungshaft. Die Hintergründe.

Roland Gamp

Seit Oktober 2020 war Miran S. (Name geändert) auf der Flucht. Der Mann, den die Behörden für den ersten Rechtsterroristen der Schweiz halten, war international zur Verhaftung ausgeschrieben. Doch wirklich versteckt hielt er sich nicht. Stattdessen gab der Ostschweizer dieser Zeitung ein Interview, trat danach auch im Schweizer Fernsehen auf. Und führte die Strafverfolger so öffentlich vor.

Damit ist nun Schluss. Die kroatischen Behörden haben Miran S. verhaftet, wie Recherchen dieser Zeitung und des Schweizer Fernsehens belegen. Das Bundesamt für Justiz will sich auf Anfrage nicht zur Festnahme äussern. In Kroatien jedoch bestätigt die zuständige Staatsanwaltschaft: «Der Beschuldigte wurde am 1. März 2022 verhaftet, nachdem mehrmonatige Ermittlungen durchgeführt worden waren.»

Neue Vorwürfe in Kroatien

Miran S. befinde sich in Untersuchungshaft. Der lokale Staatsanwalt ermittelt nun einerseits zum laufenden Verfahren in der Schweiz, unter anderem wegen Verdachts auf öffentlichen Aufruf zu Terrorismus. Hinzu kommen laut Angabe der Behörden aber auch verschiedene mutmassliche Delikte, die der heute 20-Jährige während seiner Flucht in Kroatien begangen haben soll – nämlich unerlaubter Besitz, Herstellung und Erwerb von Waffen und Sprengstoffen, schwerer Diebstahl sowie Vorwürfe wegen Drogen.

Verurteilt wurde der Beschuldigte bisher noch nie. Er bestritt in der Vergangenheit öffentlich, dass er je einen Anschlag verüben wollte, gab aber andere Delikte zu.

Sicher ist, dass die Liste der Anschuldigungen somit noch länger wird, als sie ohnehin schon war. Denn Miran S. geriet bereits als Teenager auf die schiefe Bahn.

Da war einerseits seine Faszination für Sprengstoffe. Der Elektrikerlehrling experimentierte anfangs mit Feuerwerk, baute irgendwann auch kleinere Sprengkörper, die er in einem Wald explodieren liess. Auf der anderen Seite driftete der Jugendliche online in rechtsextreme Gruppen ab. Chats zeigen, wie er gegen Muslime hetzte und mit Anschlägen drohte. «Werde ein paar Gebetshallen zusammenschiessen», schrieb er auf Englisch. Oder: «Geh ein paar Muslime töten.»

Noch konkreter wurde es nach dem Attentat von Christchurch. Im März 2019 ermordete ein Rassist in der neuseeländischen Stadt Dutzende Muslime. Er filmte sich mit einer Helmkamera und übertrug das Massaker direkt ins Internet. Es waren verstörende Aufnahmen. Doch Miran S. haben sie offenbar inspiriert. Er lud einen Ausschnitt des Videos auf Instagram hoch und schrieb dazu: «Irgendwann werde ich das Gleiche tun.» Jemand fragte nach: «Wo?» Die Antwort: «Irgendwo in der Schweiz.»

Der Beitrag gelangte zum amerikanischen FBI, ging an die Schweizer Bundesbehörden und landete schliesslich bei der kantonalen Jugendanwaltschaft. Denn Miran S. war damals erst 17 Jahre alt. Er sass danach eine Woche in Haft.

Ein Fall für den Bundesrat

Wieder in Freiheit, bestellte sich der Jugendliche in einer Online-Drogerie kiloweise Chemikalien, die zur Herstellung eines hochexplosiven Sprengstoffs verwendet werden können. Es folgte die zweite Verhaftung. Der Nachrichtendienst des Bundes stufte den Jugendlichen mittlerweile als «gefährlich» ein. Das Risiko eines rechtsextrem motivierten Terroranschlages sei hoch, heisst es in einem Bericht von damals. «Es muss davon ausgegangen werden, dass er direkt Menschenleben beeinträchtigen will.»

Trotzdem kam der Verdächtige nach knapp zwei Wochen erneut frei. Nun versuchte er, bei einem Waffenhändler eine Schusswaffe und zwei Handgranaten zu kaufen. Die Behörden werteten dies als mögliche Vorbereitung einer Gewalttat. Sie verhafteten den Ostschweizer zum dritten Mal und wollten nun durchgreifen. Also entschied sich der Jugendanwalt für eine geschlossene Schutzmassnahme.

In der Folge wurde Miran S. zu einer nationalen Figur. Bundesrätin Karin Keller-Sutter weibelte mit seiner Geschichte, als es im Frühling 2021 um das Anti-Terror-Gesetz ging. Was sie nicht sagte: Der Verdächtige war zu jenem Zeitpunkt auf der Flucht. Er war aus dem Massnahmenzentrum Uitikon im Kanton Zürich getürmt. Und wandte sich später im Gespräch mit dieser Zeitung an die Öffentlichkeit.

Verschiedene Vorwürfe gestand er dabei ein. Zum Beispiel, dass er im Wald kleinere Bomben gezündet habe. Dass er versuchte, eine Pistole und Handgranaten zu kaufen. Oder mehrere Kilogramm Chemikalien bestellte, mit denen man Sprengstoffe herstellen kann. Er bestritt auch nicht, gegen Muslime gehetzt zu haben. Und dass er mehrmals ein Attentat auf Moscheen angekündigt hatte.

Jedoch verneinte Miran S. vehement, dass er wirklich einen Anschlag planen und durchführen wollte. «Nie. Nie. Nie. Ich wäre nicht fähig dazu», sagte er damals. Er habe «viele, sehr viele Fehler» gemacht. «Ich bereue wirklich, verdammt fest.» Von Rechtsextremismus distanzierte er sich im Gespräch. «Ich möchte das eigentlich am liebsten alles vergessen.»

Diesen März trat Miran S. erneut öffentlich auf. Nach wie vor auf der Flucht, gab er auch gegenüber dem Schweizer Fernsehen ein Interview. Man sah den Doppelbürger, wie er in seiner zweiten Heimat Kroatien auf dem Bau arbeitet, scheinbar unbehelligt von den Behörden. Er versuche, «zurück in die Normalität zu finden», sagte er. Kurz nach den Aufnahmen erfolgte die vierte Verhaftung.
(https://www.derbund.ch/er-drohte-mit-anschlaegen-auf-moscheen-nun-wurde-er-in-kroatien-verhaftet-785435723696)

«Ich bin kein Terrorist»: Der 19-jährige Miran S. meldete sich im letzten Jahr während der Flucht per Videoanruf. – Video: Tamedia
https://unityvideo.appuser.ch/video/uv438162h.mp4


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
So weit verbreitet sind QAnon-Thesen unter deutschen Impfgegnern
Eine neue Studie hat außerdem untersucht, welche Parteien Anhänger des QAnon-Verschwörungsglaubens wählen.
https://www.vice.com/de/article/bvn4k8/so-weit-verbreitet-sind-qanon-thesen-unter-deutschen-impfgegnern


Anhänger glauben an Fälschung, Musik-Experte rechnet mit einem Comeback: Wilde Spekulationen um Xavier Naidoos Entschuldigung
In einem Video distanzierte sich Xavier Naidoo von seinen verschwörerischen Aussagen. Einige seiner Fans glauben nun, dass dieses eine Fälschung sei.
https://www.blick.ch/people-tv/international/anhaenger-glauben-an-faelschung-musik-experte-rechnet-mit-einem-comeback-wilde-spekulationen-um-xavier-naidoos-entschuldigung-id17423628.html


Xavier Naidoos Musikerkarriere: Mannheims verlorener Sohn
Xavier Naidoo wollte ein auf Deutsch singender Soulinterpret werden. Aber dann ging in seinem Kopf zu viel durcheinander.
https://taz.de/Xavier-Naidoos-Musikerkarriere/!5846617/
-> https://www.spiegel.de/psychologie/xavier-naidoo-er-hat-sich-alle-tueren-offengehalten-expertin-ueber-das-laeuterungsvideo-des-musikers-a-58de57b4-b39c-4527-96f2-fc2b6ff7141c?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss
-> https://taz.de/Laeuterungsvideo-von-Xavier-Naidoo/!5846745/



nzz.ch 21.04.2022

Hype um das Wurmmittel Ivermectin: Wie eine abgebrochene Studie zur Wirkung gegen Covid-19 missbraucht wird

In sozialen Netzwerken wird millionenfach verbreitet, eine Studie zeige die Wirksamkeit des Wurmmittels. Doch ein genauer Blick offenbart: Hier wurde eine fehlerhafte Zusammenfassung instrumentalisiert.

Martin Angler

Es ist ein gefundenes Fressen für all diejenigen, die das Wurmmittel Ivermectin zur Behandlung von Covid-19 bewerben: Wie Forscher Mitte März in einem Beitrag im Fachblatt «International Journal of Infectious Diseases» schreiben, lässt sich Ivermectin mit einer niedrigeren Sterberate in Verbindung bringen als das Virostatikum Remdesivir. Der Beitrag wurde auf Facebook 5000-mal geteilt, auf Twitter 15 000-mal. Der US-Psychologe Jordan Peterson tweetet, es handle sich um einen «Paukenschlag», der Lungenfacharzt Pierre Kory bezeichnet den Beitrag als «wichtige Studie». Sie erreichen damit Hunderttausende Follower. Aber sie liegen falsch.

Die Studie existiert gar nicht

Denn es handelt sich um keine Studie, sondern lediglich um eine Kurzzusammenfassung, in Fachkreisen «Abstract» genannt. Ein Team von Medizinstudenten und einem Infektiologen der Universität Miami hatte diesen Abstract verfasst, nachdem es auf einer Konferenz eine laufende Forschungsarbeit per Poster vorgestellt hatte. Die Sammlung aller Konferenzbeiträge landete schliesslich in dem Fachmagazin. Es ist ein üblicher Weg, wissenschaftliche Konferenzen zu dokumentieren.

Eine publizierte Studie entstand dazu aber nicht, die berichteten Resultate sind also nicht aussagekräftig. Zwar hätten die Abstract-Autoren ein Manuskript verfasst und dieses zur Veröffentlichung eingereicht, sagt der Erstautor des Abstracts, der Medizinstudent Iakov Efimenko, in einer öffentlichen Klarstellung. Aber unabhängige Begutachter hätten den Fachbeitrag aufgrund fachlicher Mängel zurückgewiesen. Daraufhin habe Efimenkos Betreuer entschieden, die Studie abzubrechen.

Den Abstract verschickten die Autoren dennoch an das oben erwähnte Fachmagazin, das ihn ungeprüft veröffentlicht hat. Auch das ist – leider – üblich. Allerdings wären die wissenschaftlichen Fehler des Abstracts bei einer ordentlichen fachlichen Begutachtung wohl aufgefallen.

Von den Fehlern des Teams aus Miami sei einer besonders gravierend, betont der Intensivmediziner Nicholas Mark vom Swedish Medical Center in Seattle auf Anfrage. So sei die Auswahl der Stichproben verzerrt. Denn dafür hätten die Autoren Patientendaten aus einer grossen nationalen Datenbank ausgewählt und das Sterberisiko von Ivermectin-behandelten Patienten mit jenem von Remdesivir-behandelten Patienten verglichen. Aus solch einer unzulässigen Stichprobe könnten jedoch keine zuverlässigen Aussagen abgeleitet werden.

«Kein Arzt verschreibt Ivermectin bei Covid-19-Erkrankungen, weil es keine belastbaren Studien dazu gibt. Wer mit Ivermectin behandelt wird, hat das Spital schon verlassen. Wer aber Remdesivir erhält, ist in der Regel hospitalisiert und in schlechtem Zustand», sagt Mark. Es sei also ein Vergleich zwischen einer Gruppe mit milden und einer mit schweren Symptomen. Dass die letztere ein höheres Sterberisiko aufweise, liege auf der Hand.

Die abgebrochene Studie sei ein Musterbeispiel dafür, wie ein statistischer Zusammenhang mit Kausalität verwechselt werde, sagt Mark. «Angenommen, eine Gruppe von Menschen hält sich gerade in einem McDonald’s-Restaurant auf und eine zweite Gruppe in einem Spital. Vergleichen Sie sie miteinander, und Sie werden feststellen, dass mehr Spitalinsassen sterben als McDonald’s-Besucher. Das heisst aber nicht, dass Ihnen die Fast-Food-Kette guttut.»

Ein weiteres Manko sei die sehr ungleiche Grösse der gewählten Gruppen in der Stichprobe. Von 41 000 untersuchten Patienten enthielten nämlich mehr als 1000 eine Behandlung mit Ivermectin. Demgegenüber waren etwa 40 000 mit Remdesivir behandelt worden. Ein solches Ungleichgewicht verunmöglicht eine solide statistische Auswertung.

Falschbehauptungen auch nach Widerlegung

Allen Fehlern zum Trotz lobt Nicholas Mark die Courage des Abstract-Autors Efimenko. Der trat per Twitter den Falschnachrichten entgegen, die aus dem Abstract gestrickt worden waren. «Ich bin der Erstautor und glaube, Sie stellen unsere Ergebnisse falsch dar. Lassen Sie uns darüber sprechen», schreibt Efimenko als Antwort auf einen Tweet des Wissenschafts-Youtubers John Campbell. Dieser hatte kurz nach der Abstract-Publikation ein Video über die angebliche Ivermectin-Sensation auf Youtube hochgeladen. Damit hatte er ein Publikum von mehr als 2,2 Millionen Zuschauern erreicht. Aber im Gegensatz zu den Falschmeldungen geht Efimenkos Entgegnung im Netz unter.

Campbell und eine Reihe weiterer Ivermectin-Befürworter zogen ihre Videos zwar bereits wenige Tage nach dem Hochladen wieder zurück. In «Korrektur»-Videos wiesen sie aber den Vorwurf, Falschinformationen verbreitet zu haben, von sich. Man gab nur zu, auf die «Abfall-Studie» hereingefallen zu sein. Die Aussage, dass Ivermectin gegen Covid-19 wirke, wurde hingegen nicht zurückgenommen.

Einer der Youtuber rechtfertigte sich zudem damit, dass auch ein Faktencheck der Nachrichtenagentur Associated Press nicht erkannt habe, dass es sich um eine widerrufene Studie handele. Doch dies ist eine Lüge, denn die Nachrichtenagentur hat sehr genau dargelegt, dass nie eine echte Studie existierte.

Auch diese Falschbehauptung der Youtuber ist wohl Kalkül. Denn die Motive für die Instrumentalisierung sind leicht zu erkennen. Der Lungenarzt Kory verdient Geld mit der Verschreibung von Ivermectin-Behandlungen, Wissenschafts-Youtuber wie Campbell erzielen über hohe Klickzahlen ihr Einkommen.

Schlechte Studien werden mitunter widerrufen, Konferenz-Abstracts hingegen nicht. Aber hätte ein Widerruf des fehlerhaften Abstracts Kory zur Einsicht gebracht? Davon ist nicht auszugehen. Bereits zwei von Korys Publikationen aus den Jahren 2020 und 2021, die scheinbar die Wirksamkeit von Ivermectin bei der Behandlung von Covid-19-Erkrankungen zeigten, wurden wegen Fehlern zurückgenommen. Kory veröffentlichte daraufhin eine dieser Studien in veränderter Form in einem anderen Journal. Dessen Redaktoren haben mittlerweile ebenfalls Bedenken geäussert. Ein Widerruf dürfte folgen.

Doch das wird Rosinenpicker wie Kory genauso wenig von ihren Theorien abbringen wie der breite Konsens seriöser Studien, der zeigt, dass Ivermectin gegen Covid-19-Erkrankungen nicht wirkt. Eine neue klinische Studie, die dem Wurmmittel keine bessere Wirksamkeit bescheinigt als einem Placebo, reiht sich ein. In der Ivermectin-affinen Internetblase wird man aber auch das ignorieren.
(https://www.nzz.ch/wissenschaft/serioese-studien-finden-keine-wirkung-von-ivermectin-gegen-covid-19-ld.1677444)


+++FUNDIS
«Ich wollte nicht mehr»: Ivo Saseks Söhne erzählen vom Ausstieg aus seiner Sekte
Verräter, Aussätzige und Deserteure: So bezeichnet der Walzenhauser Sektenführer Ivo Sasek diejenigen, die aus seiner Sekte austreten. Unter ihnen sind auch drei seiner eigenen Kinder – zwei von ihnen erzählen im SRF-Format «Reporter», wie es ist, die eigene Familie zu verlieren.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/organische-christus-generation-ich-wollte-nicht-mehr-ivo-saseks-soehne-erzaehlen-vom-ausstieg-aus-seiner-sekte-ld.2278685


+++HISTORY
»Ich wünschte, dass wir über unsere Kolonialgeschichte offen sprechen«
Der Schriftsteller Jürgen Leskien will mit seinem neuen Werk »Orlog*« zur Diskussion anregen. Im Interview spricht er über die Aufarbeitung des Völkermords an die Herero und Nama und die weiterhin ungeklärte Landfrage in Namibia.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163159.versoehnung-in-namibia-ich-wuenschte-dass-wir-ueber-unsere-kolonialgeschichte-offen-sprechen.html