Medienspiegel 19. April 2022

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+++BERN
hauptstadt.be 18.04.2022

Aus für Migrant*innen-Treffpunkt

Mit dem «Zentrum 5» im Breitenrain verschwindet Ende Jahr ein historischer Ort der kirchlichen Migrationsarbeit in der Stadt Bern. Die Trägerorganisation will sich aber weiter für Migrant*innen engagieren.

Von Jürg Steiner

Eine Flüchtlingsfamilie schiebt den Kinderwagen in den kleinen Empfangsraum des «Zentrums 5» an der Flurstrasse im Breitenrainquartier, sie braucht eine Informationen wegen einer allfälligen medizinischen Behandlung. Obschon die Verständigung nicht einfach ist, erhält sie im Büro des Zentrums Auskunft. Unangemeldet, hindernisfrei, bedingungslos.
-> https://zentrum5.ch

Eine Alltagsszene, die seit fast 40 Jahren typisch ist für den legendären Treffpunkt für Migrant*innen. Trotzdem sitzt Andri Kober, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen der Region Bern (AKiB), im Untergeschoss des Zentrums und bestätigt, was Vorstand und Delegierte beschlossen haben: Das «Zentrum 5» schliesst per Ende Jahr, wie die Zeitschrift reformiert berichtet hat.
-> https://reformiert.info/de/recherche/ein-pionierprojekt-verschwindet-lautlos-20468.html

Wegen der anstehenden Nachfolgeregelung der Leitung habe man das Angebot des Zentrums mit zwei externen Gutachten – je eines mit und ohne kirchlichen Hintergrund – kritisch durchleuchtet und setze die Empfehlungen der beiden Expertisen nun um: Das Zentrum am bisherigen Ort zu schliessen, gleichzeitig aber die freiwerdenden Mittel «für eine bessere Bündelung und Koordination» der migrationsspezifischen Aktivitäten einzusetzen.

«Wir bauen unsere Arbeit für die Migrant*innen nicht ab», sagt Kober, «wir versuchen aber, sie den realen Bedürfnissen und Angebotslücken besser anzupassen.» Vereinfacht ausgedrückt: Das «Zentrum 5», einst eine pionierhafte Institution, ist längst kopiert worden und hat im stark gewachsenen Angebotsmarkt für Migrant*innen das Alleinstellungsmerkmal verloren.

Einst eine visionäre Initiative

Als das «Zentrum 5», damals noch im Fischermätteli-Quartier, 1985 gegründet wurde, war kein Vorbild weit und breit: Die privaten Initiant*innen riefen einen Ort ins Leben, der Migrant*innen und Migranten und ihre Selbstbestimmung ins Zentrum stellt. Die Zahl 5 stand für die fünf Kontinente. Etwas Vergleichbares gab es in der Schweiz damals nicht.

Es war die Zeit, als die grosse und bis heute andauernde Debatte in der Schweiz über Asylpolitik gerade erst einsetzte. Die Kriege in Ex-Jugoslawien standen noch bevor. 1983 begann der Bürgerkrieg in Sri Lanka, in den folgenden Jahren flüchteten Zehntausende, vor allem Tamil*innen, in die Schweiz – und stiessen oft auf offene Ablehnung. Unter anderem, weil ihnen von einem Hilfswerk Lederjacken mit Produktionsfehlern abgegeben wurden, worauf sich mit Hilfe der Boulevardmedien das Bild festsetzte, in schicke Jacken gekleidete Tamil*innen seien ja gar nicht so bedürftig. (Höre zum Thema «Gute Flüchtlinge – schlechte Flüchtlinge» diesen Podcast von Curdin Vincenz, SRF).
-> https://www.srf.ch/audio/einfach-politik/gute-fluechtlinge-schlechte-fluechtlinge?id=12173946

In der ausländerkritischen Stimmung der 1980er-Jahre ein Begegnungszentrum mit Integration als Hauptzweck aufzubauen, war visionär.  Verschiedene Gruppen von Geflüchteten – etwa Tamil*innen, Lateinamerikaner*innen, Vietnames*innen, Afghan*innen oder Türk*innen – sollten eigenverantwortlich kulturelle, gesellschaftliche, aber auch kulinarische Veranstaltungen realisieren.

Mit dem Integrationspreis ausgezeichnet

Das «Zentrum 5» hatte den Anspruch, auch ein Begegnungsort für Schweizer*innen und Ausländer*innen zu sein, zwecks «Abbau von Vorurteilen». Die Initiant*innen wollten «der tristen und unmenschlichen Situation der Betroffenen etwas Konkretes entgegensetzen», schrieb die Nachrichtenagentur sda bei der Eröffnung im Herbst 1985. Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen der Region Bern übernahm Trägerschaft und Finanzierung des Betriebs.

Zu den innovativen Angeboten gehörte die «Schreibstube», die es bis heute gibt und die professionelle Hilfe beim Verfassen von Gesuchen an Behörden, Organisationen und Stiftungen bietet. Das «Zentrum 5» nahm den Aufbau einer heute reichhaltigen interkulturellen Bibliothek an die Hand und bot Sprach-, Computer- oder Tanzkurse an. Bis zu 200 Personen gingen pro Tag ein und aus, im Jahr 2007, als dem «Zentrum 5» der Integrationspreis der Stadt Bern verliehen wurde.

Von solchen Betriebszahlen ist das «Zentrum 5» heute weit entfernt. Zwar sei die Institution unter Migrant*innen als Anlaufstelle gut bekannt, Publikumsanlässe haben aber, erst recht seit der Zeit der Covid-Massnahmen, oft kaum noch Resonanz. 2021 erschien bei einem Anlass mit einem kurdischen Künstler kein*e Besucher*in.

Tatsache ist, dass es heute zahlreiche Angebote gibt, die dem des «Zentrums 5» ähneln. In allen Quartieren betreibt etwa die Vereinigung Berner Gemeinwesenarbeit (VBG) im Leistungsauftrag der Stadt Quartierzentren, die je nach Standort hauptsächlich Integrationsarbeit leisten und Services wie die «Schreibstube» oft ebenfalls anbieten. Nicht unwesentlich ist auch, dass neue Tools wie Online-Übersetzungsdienste auf dem Smartphone die Bedürfnisse der Migrant*innen verändern.

Wie genau die AKiB ihr migrationsspezifisches Engagment ausrichten will, sei noch nicht abschliessend festgelegt. Andri Kober schwebt eine Unterstützung für Migrant*innen in juristischen Fragen vor, jedoch ohne dass man zur Rechtsberatung werde.

«Der Geist des ‹Zentrum 5› soll weiterleben», sagt er. Am Herzen liegen Kober, wie er betont, Angebote wie das «Hiphop Center», ein «subkulturorientiertes Jugendzentrum» im Wylerquartier, an dem die reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn beteiligt ist. Migrationsfragen und Integration seien da selbstredend ein wichtiges Thema. Der Geist des «Zentrum 5» bleibt seiner Ansicht nach auch dem Haus an der Flurstrasse bis zu einem gewissen Grad erhalten: Die Räume übernimmt das Quartierzentrum Wylerhuus, das sein Domizil an der Wylerringstrasse wegen Umbaus vorübergehend verlassen muss.
(https://www.hauptstadt.be/article/zentrum-funf-schliesst)


+++AARGAU
Neue Fachstelle «Integration im Freiamt» – jetzt wissen Zuzüger, Asylsuchende und Freiwillige, wo sie sich melden können
Die Toolbox Freiamt und die Koordination der Freiwilligenarbeit im Flüchtlingswesen Freiamt haben sich zusammengeschlossen. Unter dem Dach des Vereins für Jugend und Freizeit (VJF) Wohlen sind sie die erste Anlaufstelle für Fragen rund um Integration.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/freiamt/wohlen-neue-fachstelle-integration-im-freiamt-jetzt-wissen-zuzueger-asylsuchende-und-freiwillige-wo-sie-sich-melden-koennen-ld.2276853


+++LUZERN
In Bunkern untergebracht: Das hält die ukrainische Regierung von Luzerns Umgang mit Geflüchteten
Luzern bringt geflüchtete Ukrainer lieber in Massenunterkünften anstatt in privaten Wohnungen unter. Zum Wohle der Geflüchteten verteidigt sich der Kanton. Eine Vertreterin der ukrainischen Regierung zeigt sich ob der Argumentation des Kantons irritiert.
https://www.20min.ch/story/das-haelt-die-ukrainische-regierung-von-luzerns-umgang-mit-gefluechteten-825083257704


+++THURGAU
«Frontex Ja, aber nicht so»
Im Abstimmungskampf um die Frontex-Vorlage nimmt auch die Thurgauer Regierung Stellung. Sie befürwortet die Vorlage, genauso wie die bürgerlichen Parteien. Gegen die Vorlage weibeln Grüne und SP – sie wollen eine Reform der europäischen Grenzschutzagentur.
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/frontex-ja-aber-nicht-so-00181476/


+++URI
Uri stellt neue Unterkünfte für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer zur Verfügung
Die Hilfe in Uri für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen ist breit abgestützt. Derzeit sind 121 Ukrainerinnen und Ukrainer in sieben Gemeinden untergebracht.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/kanton-uri-uri-stellt-neue-unterkuenfte-fuer-gefluechtete-ukrainerinnen-und-ukrainer-zur-verfuegung-ld.2277642


+++ZUG
Sie wollen ältere Flüchtlinge unterstützen – Ukraine: Zuger Seniorinnen zeigen sich solidarisch
Ältere ukrainische Flüchtlinge sind ganz besonders auf Unterstützung angewiesen. Der Kantonale Seniorenverband KSVZ will dabei helfen.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/ukraine-zuger-seniorinnen-zeigen-sich-solidarisch-2348673/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/ukraine-krieg-zuger-seniorenverband-sucht-aeltere-personen-fuer-die-betreuung-von-fluechtenden-ld.2277852


+++ZÜRICH
Stadt Zürich stimmt über umstrittene «City-Card» für Sans-Papiers ab: Ein Ausweis für Illegale?
In der Stadt Zürich sollen auch Sans-Papier eine ID bekommen. Die «Züri City-Card» ist allerdings nicht nur politisch, sondern auch rechtlich höchst umstritten. Nun entscheidet die Bevölkerung.
https://www.blick.ch/politik/stadt-zuerich-stimmt-ueber-umstrittene-city-card-fuer-sans-papiers-ab-ein-ausweis-fuer-illegale-id17418097.html


Zürcher Gemeinden müssen kurzfristig Unterkünfte schaffen
Jeden Tag kommen Geflüchtete aus der Ukraine in die Schweiz. Sie brauchen Platz zum Schlafen und Wohnen. Der Kanton Zürich erhöht die Aufnahmequote. Das fordert die Gemeinden heraus. Ein Augenschein in Neftenbach und Uster.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/zuercher-gemeinden-muessen-kurzfristig-unterkuenfte-schaffen?urn=urn:srf:video:58fa6461-362e-493c-9bba-bd6f17fb9808


Walliseller Firma beherbergt 50 Geflüchtete in leerstehenden Wohnungen
Die Familie Roiuk aus der Ukraine wohnt seit wenigen Wochen in einer ursprünglich leer stehenden Wohnung. Eine Walliseller Firma hat ihr ein Dach über dem Kopf gegeben und unterstützt die Familie zudem noch.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/walliseller-firma-beherbergt-50-gefluechtete-in-leerstehenden-wohnungen-00181477/


+++SCHWEIZ
«Wir möchten alle sofort arbeiten»
Viele Afghaninnen und Afghanen leben seit Jahren in der Schweiz mit einer vorläufigen Aufnahme, dem sogenannten F-Ausweis. Damit können sie sich beruflich kaum auf dem Schweizer Arbeitsmarkt etablieren und bleiben am Rand der Gesellschaft. Darunter leidet auch der ehemalige Übersetzer und kulturelle Mediator Muhammad Yaqoob Attal.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/wir-moechten-alle-sofort-arbeiten


Ukraine Krieg: Über 36’000 Flüchtlinge in der Schweiz registriert
In der Schweiz wurden bis heute Dienstag 36’488 Flüchtlinge aus dem Ukraine-Krieg registriert. Über die Ostertage wurden 617 Registrierungen verzeichnet.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-uber-36000-fluchtlinge-in-der-schweiz-registriert-66158468


Arbeitswillige Geflüchtete aus der Ukraine müssen auf Schutzstatus S warten
Viele Geflüchtete aus der Ukraine wollen in der Schweiz möglichst schnell einen Job antreten, um den Lebensunterhalt selbstständig zu bestreiten. Gerade gut ausgebildeten Ukrainerinnen und Ukrainer haben Chancen auf dem Arbeitsmarkt, aber es hapert bei den Behörden.
https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/arbeitswillige-gefluechtete-aus-der-ukraine-muessen-auf-schutzstatus-s-warten-00181412/


Sea-Watch-Kapitänin berichtet aus erster Hand: Carola Rackete kämpft in Luzern gegen Frontex-Gelder
Carola Rackete ist vor fast vier Jahren in Lampedusa verhaftet worden, weil sie mit verletzten Geflüchteten unbewilligt in den Hafen einfuhr. Nun tourt sie durch die Innerschweiz und ruft zu einem Nein gegen Frontex auf.
https://www.zentralplus.ch/politik/carola-rackete-kaempft-in-luzern-gegen-frontex-gelder-2348343/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/frontex-abstimmung-weltbekannte-aktivistin-carola-rackete-wirbt-in-luzern-fuer-ein-nein-am-15-mai-ld.2277622


Ukrainische Flüchtlinge sind gut ausgebildet und wollen arbeiten
In die Schweiz geflüchtete Ukrainerinnen haben oft einen Hochschulabschluss und sprechen gut Englisch. Das zeigt eine Analyse des Personalvermittlers Jobcloud.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/arbeitsmarkt-ukrainische-fluechtlinge-sind-gut-ausgebildet-und-wollen-arbeiten-ld.2277548


+++FRANKREICH
Frankreich: Polizei hindert 600 Migranten an Fahrt über Ärmelkanal
Calais. Die Polizei in Nordfrankreich hat am zurückliegenden Wochenende mehr als 600 Menschen an der verbotenen Überfahrt über den Ärmelkanal nach Großbritannien gehindert. Elf sogenannte Schleuser seien festgenommen worden, teilte die französische Nationalpolizei am Dienstag in Calais mit. Außerdem seien Boote sowie für die Überfahrten bestimmte Ausrüstung beschlagnahmt worden.
https://www.jungewelt.de/artikel/425238.frankreich-polizei-hindert-600-migranten-an-fahrt-%C3%BCber-%C3%A4rmelkanal.html


+++GROSSBRITANNIEN
UNHCR lehnt britische Pläne zur „Auslagerung“ von Asylverfahren ab
UNHCR spricht sich vehement gegen die vom Vereinigten Königreich angekündigten Pläne aus, seine Asylverpflichtungen auszulagern. Das Vereinigte Königreich wurde aufgefordert, von der Überstellung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zur Bearbeitung ihrer Asylanträge nach Ruanda abzusehen.
https://www.unhcr.org/dach/ch-de/76135-unhcr-lehnt-britische-plane-zur-auslagerung-von-asylverfahren-ab.html


+++EUROPA
derbund.ch 19.04.2022

Frontex an der Grenze zur Ukraine: Alarm am Grenz­fluss und die durch­trai­nier­ten Fron­tex-Leute stür­men los

Spezialisten der europäischen Grenzschutzagentur sind wegen des Ukraine-Kriegs in Rumänien im Einsatz. Ein Besuch zeigt, was sie dort tun.

Charlotte Walser

Das Patrouillenfahrzeug rollt langsam den Feldweg entlang, beschleunigt plötzlich, rast über die Wiese, stoppt abrupt. Dicht dahinter das Begleitfahrzeug. Fünf Grenzwächter stürmen aus den Fahrzeugen und laufen los: Die beiden durchtrainierten Frontex-Beamten voraus, die beiden etwas älteren rumänischen Grenzwächter und die Verbindungsoffizierin hinterher, durch das Gestrüpp in Richtung Ufer. Der rumänische Grenzwächter, der das Kommando hat, zieht im Laufen die Dienstwaffe: «Politia!»

Der Hinweis, dass hier irgendwo Geflüchtete sind, kam aus dem fernab parkierten Hightech-Frontex-Fahrzeug, dem «Vehicle for Migration Management». Die Wärmebildkamera mit einer Reichweite von mehreren Kilometern zeigte eine Personengruppe am anderen Ufer des Grenzflusses: dem ukrainischen Ufer. Das geschieht zurzeit täglich, manchmal mehrmals. Sofort wird die Patrouille alarmiert.

Jetzt suchen die Grenzwächter das Ufer ab, spähen auf den Fluss. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Nur das Rauschen des Wassers. Drüben am ukrainischen Ufer hat man die Aktion bemerkt. Auch dort eilt nun ein Grenzwächter ans Wasser. Doch die gesuchten Personen scheinen verschwunden zu sein. Rückzug, auf beiden Seiten des Flusses.

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex, an der sich seit 2011 auch die Schweiz beteiligt, ist zuständig für den Schutz der EU-Aussengrenzen. Am 15. Mai entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, ob die Schweiz den Ausbau von Frontex mitträgt. Bei einem Ja könnten künftig bis zu 40 Schweizer Grenzwächter an die EU-Aussengrenze entsandt werden statt wie heute ein halbes Dutzend. (Hier finden Sie unser Dossier zur Abstimmung)

Die EU-Aussengrenze, das ist zum Beispiel der Grenzfluss Theiss zwischen Rumänien und der Ukraine. An manchen Stellen ist er nicht sehr tief, aber eiskalt zu dieser Jahreszeit. In den nahen Bergen liegt noch Schnee. «Vier Minuten bis zur Hypothermie», sagt einer der Grenzschützer mit hellblauer Frontex-Armbinde. «Im kalten Wasser kann das Herz versagen.»

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine haben die Grenzwächter in dieser Region rund 400 Personen an der grünen Grenze aufgegriffen, die Hälfte davon am Wasser. Eine Person starb beim Versuch, den Fluss zu durchqueren. Das war am 9. März. Eine weitere Person ist am 4. April in den Bergen ums Leben gekommen. Der Rest dieser Gruppe konnte mit dem Helikopter gerettet werden.

Es sind laut Frontex Männer, die über die grüne Grenze kommen: Männer, die die Ukraine nicht verlassen dürfen. «Deserteure», sagt der rumänische Grenzwächter, noch etwas ausser Atem vom Rennen. Seine ukrainischen Kollegen am Ufer gegenüber versuchen, die Flüchtenden anzuhalten. «Ja, manchmal schiessen sie», sagt der Frontex-Grenzwächter, «aber sie schiessen nur in die Luft.»

Schafften es die Flüchtenden ans rumänische Ufer, hätten sie nichts zu befürchten. Sie erhielten Erste Hilfe und wärmende Decken. Je nach Zustand würden sie ins Spital gebracht, später könnten sie ein Asylgesuch stellen. Neben Ukrainern dürften auch Menschen darunter sein, die aus anderen Ländern kommen oder – wie viele Roma aus der Ukraine – keine Papiere haben.

Wer die Ukraine verlassen darf und auch sonst keinen Grund für eine heimliche Grenzüberquerung hat, erreicht über die Holzbrücke weiter flussabwärts den Grenzübergang von Sighetu Marmatiei. «Am Anfang haben wir geweint», sagt Iulia Stan von der rumänischen Grenzwache. Sie rückt ihre Uniformmütze zurecht. «Wenn du so viele verängstigte Menschen siehst, musst du weinen.»

Während sie davon erzählt, kommt eine Frau mit zwei Mädchen über die Brücke. Beide ziehen ein Köfferchen hinter sich her. Am Ende der Brücke, auf rumänischem Boden, dürfen sie sich ein Stofftier aussuchen. Das Rote Kreuz erwartet sie, die Feuerwehr, ein Priester. NGOs bieten Essen, Hygieneartikel sowie Beratung zu Unterkunft und Weiterreise an.

Doch zurzeit kommen nur wenige Flüchtlinge über die Brücke. Manche sind in die andere Richtung unterwegs: nach Hause. Sie wollten nachsehen, ob ihre Wohnung noch stehe, sagt ein rumänischer Militärpolizist. «Vielleicht bleiben sie auch, wenn es sich in ihrer Stadt gerade sicher anfühlt. Aber je nachdem, wie sich der Krieg entwickelt …» Er beendet den Satz nicht.

ine alte Frau stösst ihr Velo über die Brücke in Richtung Ukraine, beladen mit Einkaufssäcken. «Vor dem Krieg war es umgekehrt», sagt der Militärpolizist. «Wir gingen in die Ukraine einkaufen, weil dort alles billiger war. Jetzt kommen die Ukrainerinnen aus dem Grenzgebiet bei uns einkaufen. Wahrscheinlich haben sie Lieferprobleme drüben.»

Die Einkaufstouristinnen müssen am Zoll ihre Papiere zeigen. Auch hier ist ein Frontex-Beamter dabei, ein Spezialist für gefälschte Pässe. Es soll Menschen geben, die aus anderen Staaten in die Ukraine reisen, um von dort aus in die EU zu gelangen, zum Beispiel via Türkei. Menschen, die versuchen, sich als Ukrainer auszugeben. Wer keine Papiere hat, muss zur Befragung. «Es ist gut, dass Frontex hier ist», sagt der Militärpolizist. «Die Leute von Frontex haben die Erfahrung, das Wissen und die Technologie. Wir können jede Hilfe gebrauchen, die wir bekommen.»

Wie viele Frontex-Beamte in Sighetu Marmatiei im Einsatz stehen, ist geheim. Gesichter fotografieren oder Namen – auch nur Vornamen – nennen: nicht erlaubt. «Wir haben nichts zu verbergen, aber man muss verstehen, dass das hier ein Einsatzgebiet ist», sagt die Medienverantwortliche von Frontex. «Wir sind eine Strafverfolgungsbehörde.» Andere Akteure im Grenzgebiet berichten, es seien zehn Frontex-Beamte vor Ort.

Zwei sind soeben von einer Patrouille zurückgekehrt. Es sind Grenzwächter aus der Tschechischen Republik und aus Polen; ihr Einsatz hier wird mindestens zwei Monate und höchstens ein Jahr dauern. In Griechenland und in Ungarn waren sie auch schon. Der Job sei im Grunde überall der gleiche, sagt der tschechische Grenzwächter und setzt die Sonnenbrille auf. Mehr ist von ihm nicht zu erfahren.

Nach Ausbruch des Krieges hat Rumänien Frontex um Unterstützung ersucht – und zwar im grösseren Umfang als die anderen Nachbarstaaten der Ukraine. Frontex schickte rund 200 Grenzschützer. Sie sollen die lokalen Behörden unterstützen und dafür sorgen, dass die EU unter Kontrolle hat, wer sich auf ihrem Territorium aufhält.

Früher sei die Grenze zwischen EU-Ländern und der Ukraine für Alkohol- und Zigarettenschmuggel bekannt gewesen, sagte Frontex-Chef Fabrice Leggeri vor kurzem in einem Interview. Jetzt gehe es um Menschenhandel. Im Grenzgebiet operierten Kriminelle, die es auf die flüchtenden Frauen und Mädchen abgesehen hätten. Auch Schlepper hat Frontex im Visier. An der rumänisch-ungarischen Grenze entdeckten Grenzwächter vor einigen Tagen in einem Lastwagen 22 Flüchtlinge und Migranten aus Syrien und der Türkei.

Frontex ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und soll weiterwachsen: Bis 2027 soll die Grenzschutzagentur über eine Reserve von 10’000 Einsatzkräften verfügen. Heute sind es 1700. Kritiker sagen, die Agentur komme mit dem raschen Wachstum nicht zurecht. Andere sehen Frontex als Symbol für die Abschottung Europas. Frontex-Chef Leggeri steht unter Druck, weil die EU-Grenzschutzagentur illegale Pushbacks von Flüchtlingen nicht nur toleriert, sondern vertuscht haben soll. Darüber wollen und dürfen die Grenzschützer in Sighetu Marmatiei nicht sprechen. Am Grenzfluss Theiss, sagen sie, werde niemand zurückgeschickt.



Untersuchungsbericht belastet Frontex-Chef

Die EU-Antibetrugsbehörde Olaf hat ein Jahr lang gegen Frontex ermittelt. Der 200 Seiten lange Abschlussbericht wurde bisher nicht veröffentlicht, doch Europaabgeordnete erhielten eine mündliche Zusammenfassung. Gemäss dem «Spiegel» werden im Bericht drei Frontex-Führungskräfte beschuldigt, gegen EU-Gesetze verstossen zu haben – unter ihnen Frontex-Chef Fabrice Leggeri. Er soll menschenrechtswidrige Aktivitäten griechischer Grenzschützer vertuscht haben, gegen den Willen von Mitarbeitenden. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats warnt, dass sich die illegale Zurückweisung von Schutzsuchenden an den europäischen Aussengrenzen zu verfestigen drohe. (wal)
(https://www.derbund.ch/manchmal-schiessen-sie-643229801029)



Criminalization of Refugees: The dark Side of EU and UNHCR Policies in Tunisia
https://alarmphone.org/en/2022/04/19/criminalization-of-refugees-the-dark-side-of-eu-and-unhcr-policies-in-tunisia/


Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte legitimiert Pushbacks
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt, dass Zurückweisungen von Migranten nach Griechenland rechtmäßig sind. Was bedeutet das für den Kampf für die Menschenrechte und die Diskussion um den Begriff „Pushback“?
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/europaeischer-gerichtshof-fuer-menschenrechte-legitimiert-pushbacks


+++FREIRÄUME
Unterschiedliche Meinungen
Die Bieler Behörden reagieren auf die Partys, die das autonome Jugendzentrum Biel letztes Wochenende ohne Bewilligung veranstaltet hat. (ab  07:17)
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2022-04-19


+++GASSE
Notschlafstelle in Zürich: 230 obdachlose Menschen nutzen Zürcher Pfuusbus
In der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Übernachtungen für Menschen, die auf der Strasse leben, angestiegen.
https://www.tagesanzeiger.ch/230-obdachlose-menschen-nutzen-zuercher-pfuusbus-732819178024
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/notschlafstellen-230-obdachlose-menschen-nutzen-zuercher-pfuusbus-ld.2277651
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/trotz-krieg-in-europa-amerikanische-touristen-kommen-nach-zuerich?id=12178797
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/mehr-uebernachtungen-in-zuercher-notschlafstellen?id=12178932 (ab 04:11)
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/230-obdachlose-menschen-nutzen-zuercher-pfuusbus-00181439/
-> https://www.swsieber.ch/aktuell/detail/mehr-uebernachtungen-im-pfuusbus/


Aussteigerleben im Winter – Wiedersehen mit den Waldmenschen
Wenig Besitz, viel Freiheit – Das einfache Leben der Berner Waldmenschen fasziniert Reporter Donat Hofer. Zwei Tage verbringt er im Winter bei ihnen. Die Lebensform der Aussteiger wirft Fragen auf: Wie viel brauche ich wirklich zum Leben? Was mache ich mit meiner Zeit? Die Waldmenschen haben Antworten.
https://www.srf.ch/play/tv/rec-/video/aussteigerleben-im-winter—wiedersehen-mit-den-waldmenschen?urn=urn:srf:video:b2364b7d-7e3f-49e8-affc-9bc84add3b6e&aspectRatio=16_9


+++DROGENPOLITIK
Bund bewilligt erstes Gesuch für einen Cannabis-Pilotversuch in Basel-Stadt
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat den ersten Pilotversuch zur kontrollierten Abgabe von nicht-medizinischem Cannabis bewilligt. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt der Universität Basel, der Universitären Psychiatrischen Kliniken und dem Gesundheitsdepartement Basel-Stadt zum Verkauf von Cannabis in Apotheken. Der Versuch findet mit strengen Auflagen statt und wird wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse sollen Erkenntnisse liefern für die künftige gesetzliche Regelung von Cannabis.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-88047.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/joint-aus-der-apotheke-basel-sucht-kiffer-fuer-cannabis-studie
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/gesellschaft-pilotversuche-mit-cannabis-bund-bewilligt-erstes-gesuch-aus-basel-ld.2277630
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/drogen-erster-cannabis-versuch-bewilligt-wird-kiffen-bald-legal-ld.2277774
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/gruenes-licht-fuer-cannabis-abgabe-in-basler-apotheken?id=12178788
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/zu-studienzwecken-bald-duerfen-einige-basler-apotheken-legal-cannabis-abgeben-ld.2277602


+++SEXWORK
«Durch die Pandemie gerieten fast alle Sexarbeitenden in Existenznöte»
Eliane Burkart ist Sozialarbeiterin FH und seit Kurzem Co-Leiterin des Vereins LISA. Dieser setzt sich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeitenden ein. Ein Blick hinter die Kulissen und ein Gespräch über eine etwas andere Karriere.
https://www.watson.ch/blogs/work%20in%20progress/232320551-durch-die-pandemie-gerieten-fast-alle-sexarbeitenden-in-existenznoete


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
 «Ziviler Widerstand» im Wankdorf: Klima-Aktivisten blockieren Autobahnausfahrt in Bern
Mitten im Pendlerverkehr haben fünf Mitglieder der Bewegung Renovate Switzerland die Autobahnausfahrt Wankdorf blockiert. Die Polizei räumte die Blockade.
https://www.derbund.ch/klima-aktivisten-blockieren-kurzzeitig-autobahnausfahrt-in-bern-954184412632
-> https://www.20min.ch/story/klimaaktivisten-blockieren-autobahn-ausfahrt-wankdorf-in-bern-352963509214
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/protest-in-bern-fuehrt-zu-stau-klima-aktivisten-kleben-sich-in-autobahnausfahrt-wankdorf-fest-id17417037.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/klima-aktivisten-blockieren-autobahnausfahrt-in-bern?id=12178812
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/274415161-klima-aktivisten-blockieren-kurzzeitig-autobahnausfahrt-in-bern
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/klima-aktivisten-blockieren-kurzzeitig-autobahnausfahrt-in-bern-66158255
-> https://www.blick.ch/schweiz/klebe-aktivisten-ueber-blockier-aktion-schweizer-klebe-aktivisten-nerven-autofahrer-id17418570.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-strassenblockade-ziviler-ungehorsam-klimaaktivisten-gehen-aufs-ganze
-> https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/klimaaktivisten-blockieren-autobahn-bei-bern?urn=urn:srf:video:307e893e-0854-4b56-8734-2f10524a38a3
-> https://www.20min.ch/video/wir-alle-muessen-arbeiten-gehen-und-die-halten-den-verkehr-auf-426345645688
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-strassenblockade-ziviler-ungehorsam-klimaaktivisten-gehen-aufs-ganze
-> 10vor10:
-> https://renovate-switzerland.ch/2022/04/19/sympathisanten-von-renovate-switzerland-blockieren-eine-autobahnausfahrt-in-wankdorf-in-richtung-bern/



derbund.ch 19.04.2022

Autobahn-Blockade in Bern: Radikalisiert sich jetzt die Klimabewegung?

Die Autobahnausfahrt Bern-Wankdorf wurde am Dienstagmorgen blockiert. Solche Aktionen sorgen für Unverständnis – aber auch für Zuspruch.

Maurin Baumann

Für kurze Zeit ging gar nichts mehr. Klimaaktivistinnen und -aktivisten blockierten am frühen Dienstagmorgen die Autobahnausfahrt Bern-Wankdorf. Sechs Protestierende setzten sich direkt auf die Strasse, hielten Transparente und verhinderten die Durchfahrt. Einige hatten sich gar mit Klebstoff am Asphalt fixiert. Die Kantonspolizei Bern bot deshalb im Rahmen eines Grosseinsatzes vorsorglich auch eine Ambulanz auf – verletzt wurde aber niemand. Wie die Polizei auf Anfrage bestätigte, wurden insgesamt zwölf Personen für weitere Abklärungen auf eine Polizeiwache gebracht.

Laut eigener Medienmitteilung handelt es sich bei diesen um Sympathisantinnen und Sympathisanten der Bewegung Renovate Switzerland. Diese versteht sich als «zivile Widerstandskampagne» und fordert den Bundesrat auf, ein nationales Programm für energetische Gebäudesanierungen einzuführen. So sollen Heizkosten und -emmissionen gesenkt werden. Nach vergleichbaren Aktionen in Genf und Lausanne handelte es sich bei der Aktion in Bern bereits um ihre dritte Autobahn-Blockade.

Vermehrt ziviler Ungehorsam

Damit reihen sie sich in eine breite Palette von Klima-Aktionen in der Schweiz ein. Vorletztes Wochenende nahmen schweizweit rund 30’000 Menschen am «Strike for Future» teil, der eine klimagerechte Gesellschaft forderte. Ende März räumte die Polizei in der Waadt eine Anhöhe des Zementkonzerns Lafarge Holcim. Das Areal wurde zuvor zur Zone à défendre (ZAD) erklärt: Aktivistinnen und Aktivisten bauten Barrikaden und Baumhäuser, um den Ausbau des Steinbruchs in dieser Region zu verhindern.

Besetzte Bäume und blockierte Autobahnen – die Klimabewegung setzt vermehrt auf zivilen Ungehorsam. Befindet sie sich gar inmitten einer Radikalisierung?

«Wir würden das lieber nicht tun müssen», sagt Cécile Bessire von Renovate Switzerland. «Aber die Zeit drängt und die Politik hat noch immer keinen Plan, wie die Klimakrise angegangen werden soll.» Man sei zu solch drastischen Aktionen gezwungen. Arbeitet man dafür auch mit anderen klimapolitischen Organisationen wie etwa dem Klimastreik oder Extinction Rebellion zusammen? Bessire verneint. «Wir sind eine unabhängige Kampagne.» Doch selbstverständlich teile man die Sorgen der gesamten Klimabewegung.

Kritik, aber auch Verständnis

Doch führt die Blockade einer Autobahn zum gewünschten Ziel? GLP-Grossrat Tobias Vögeli bezweifelt dies. Er habe zwar Verständnis für den Frust der Protestierenden, doch «solche Massnahmen sind brutal kontraproduktiv», sagt er auf Anfrage. Es schade den klimapolitischen Anliegen eher, findet der grünliberale Vögeli. «Es ist wichtig, politische Mehrheiten für grüne Anliegen zu schaffen.» Diese bekomme man aber nicht, wenn man Menschen wütend mache, die aufs Auto angewiesen seien. «Das ist ein völlig falscher Ansatz.»

Bessire ist sich bewusst, dass Verkehrsblockaden unangenehm sind. «Doch die Tatsache ist: Die Klimakrise ist eine Notsituation.» Sie ist überzeugt, dass jemand Alarm schlagen und Aufmerksamkeit erregen muss. Denn sonst höre niemand zu und es geschehe gar nichts.

Doch nicht nur in der Politik sorgt die Aktion für Stirnrunzeln. Auch die Verkehrssicherheit wird dadurch gefährdet. Markus Brunner, Geschäftsführer der TCS-Sektion Bern, spricht auf Anfrage von einer «klar illegalen Aktion». Speziell bei einer Autobahnausfahrt kann ein Rückstau sehr gefährlich sein und etwa zu Auffahrunfällen führen. «Diese Leute realisieren oft nicht, wie sehr sie sich und andere gefährden.»

Nationalrätin Aline Trede (Grüne) zeigt indes Verständnis für die Autobahn-Blockade. «Dieser Protest ist friedlich und argumentiert mit Fakten», sagt sie auf Anfrage. Es könne schon sein, dass sich in der Klimabewegung eine gewisse Verzweiflung ausbreite – die kenne sie auch. Die Schweiz sei ein stabiles, aber auch ein sehr träges Land, und die Zeit werde knapp. Doch anstelle einer Radikalisierung erkennt Trede eher ein «Learning» bei den Protestierenden: Sie stellen realistische und sehr spezifische Forderungen.

Cécile Bessire von Renovate Switzerland sieht das ähnlich: «Vor einigen Jahren waren wir vielleicht noch idealistischer. Wir dachten: Die Regierung will etwas ändern.» Doch es sei nichts passiert.

Fabio Guldimann vom Klimastreik Bern spricht in diesem Kontext von einer «diverseren Bewegung». Während andere den Weg des zivilen Ungehorsams wählten, würde er eher auf eine breite Vernetzung der Bewegung abzielen: «Um wirklich etwas zu verändern, muss der Widerstand nicht radikaler, sondern breiter werden.»

Laut Aline Trede hat die Klimakrise nun auch mit dem Krieg in der Ukraine an Aktualität gewonnen. «Viele, die ich kenne, befassen sich deshalb das erste Mal damit, wie ihr Haus geheizt wird.» Trede erhofft sich davon eine gesellschaftliche Sensibilisierung, die eher über die Frage der Abhängigkeit – etwa von russischem Gas – geschieht anstatt über den herkömmlichen Klimaschutz.

Beunruhigender Klima-Bericht

Neben dem Krieg in der Ukraine sorgt auch der jüngste Bericht des Weltklimarates für Unmut. Das rund 3600-seitige Dokument liefert Daten und stellt Szenarien der Auswirkungen des Klimawandels auf – und es zeigt: Die Zeit drängt, die Erderwärmung muss so gut und so schnell wie möglich eingedämmt werden. Viele Klimagruppen verweisen auf den IPCC-Bericht.

Muss man sich nun also an subversive Aktionen und blockierte Autobahnen gewöhnen? «Das liegt in den Händen des Bundesrates», entgegnet Bessire. «Wir besetzen so lange weiter, bis er unserer Forderung entgegenkommt.»
(https://www.derbund.ch/radikalisiert-sich-jetzt-die-klimabewegung-528073494195)



Landbesetzung für den internationalen Tag der bäuerlichen Kämpfe
In der Nähe von Genf wurde am Sonntag, den 17. April, anlässlich des internationalen Tages der bäuerlichen Kämpfe, das seit 2017 leerstehende Feld les Charrotons mit einer Kartoffel-setz-Aktion besetzt.
https://barrikade.info/article/5122


+++PSYCHIATRIE
Erneut schwere Vorwürfe gegen Psychiatriezentrum Münsingen: Ehemalige Patienten klagen über Gewalt von Mitarbeitenden
Patienten ans Bett gebunden und erzwungene Einnahme von Medikamenten: Die Vorwürfe gegen die Münsinger Psychiatrie PZM häufen sich: Ein Mann und eine Frau, die als Patienten auf der stationären Anstalt waren, klagen über gewalttätige Mitarbeiter.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/erneut-schwere-vorwuerfe-gegen-psychiatriezentrum-muensingen-ehemalige-patienten-klagen-ueber-gewalt-von-mitarbeitenden-146222910


+++BIG BROTHER
Wie demokratische Staaten die Handys ihrer Bürgerinnen und Bürger ausspionieren
Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ist massiv und illegal von Spanien ausspioniert worden. Hackerangriffe auf Smartphones von Aktivisten gingen angeblich auch von der Schweiz aus.
https://www.watson.ch/international/schweiz/789929356-wie-demokratische-staaten-die-handys-ihrer-buerger-ausspionieren


Geheimdienst des griechischen Präsidenten spioniert Journalisten aus
Finanz-Reporter findet Spionageprogramm auf seinem Handy. Fachbehörde in Athen leugnet Ausspähung, Regierungssprecher will von nichts wissen
https://www.heise.de/tp/features/Geheimdienst-des-griechischen-Praesidenten-spioniert-Journalisten-aus-6733240.html


++++RECHTSEXTREMISMUS
Entführung von Lauterbach geplant: Beschuldigte schweigen
Sogenannte Reichsbürger wollten einen Umsturz in Deutschland herbeiführen. Bei den Verdächtigen wurden Waffen und Uniformen mit SS-Runen gefunden
https://www.derstandard.at/story/2000135034383/entfuehrung-von-lauterbach-geplant-beschuldigte-schweigen?ref=rss
-> https://www.br.de/nachrichten/bayern/geplante-lauterbach-entfuehrung-waffenlager-in-bayern-gefunden,T3T9oqO


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Wie die Corona-Leugner ein Netzwerk in Europa aufbauten
Sie reisen durch Europa, organisieren Demonstrationen, veranstalten auf Youtube Konferenzen und schließen sich zu Allianzen zusammen – seit Beginn der Pandemie versuchen einige schillernde Persönlichkeiten der Corona-Leugner-Szene aus Europa ein internationales Netzwerk aufzubauen, das eine verloren geglaubte Freiheit wieder erkämpfen will. Doch wie gut vernetzt sind sie wirklich? Wir zeichnen gemeinsam mit der spanischen Faktencheck-Redaktion Maldita die Internationalisierung des Netzwerks seit Pandemie-Beginn nach.
https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2022/04/06/wie-die-corona-leugner-ein-internationales-netzwerk-aufbauten-heiko-schoening-haintz-prego-coronaleugner-europa/


Alex Jones flieht in die Insolvenz
Der Betreiber der Website «Infowars» muss für die Verbreitung krimineller Verschwörungstheorien mit Millionen Dollar an Entschädigungszahlungen rechnen.
https://www.tachles.ch/artikel/news/alex-jones-flieht-die-insolvenz
-> https://www.zeit.de/kultur/film/2022-04/alex-jones-verschwoerungstheoretiker-infowars-insolvenz


„Viele Fehler gemacht“: Xavier Naidoo distanziert sich in Video von rechten Verschwörungstheorien
Der Sänger Xavier Naidoo hatte in den vergangenen Jahren vor allem durch die Verbreitung von rechten Verschwörungstheorien Schlagzeilen gemacht. Überraschend distanziert er sich jetzt in einem Video seinem Verhalten und bittet um Entschuldigung.
https://www.rnd.de/promis/xavier-naidoo-distanziert-sich-in-instagram-video-von-rechten-verschwoerungstheorien-WIZCQWDPHRFYTBD6JF3YW7ZNTY.html
-> https://kurier.at/stars/naidoo-entschuldigt-sich-war-von-verschwoerungserzaehlungen-geblendet/401978930
-> Video: https://www.youtube.com/watch?v=rbo9RrQ4V6w


+++HISTORY
«Wie Gegenstände behandelt:» Laufenburgerin dokumentiert das Leid der Schweizer Verdingkinder
Die Fricktaler Erziehungswissenschafterin Astrid Bieri arbeitet in ihrem 260 Seiten starken Buch das Verdingkinderwesen in der Schweiz auf. Sie hat dafür fünf Männer interviewt, denen die Kindheit mit behördlichem Segen geraubt worden war. Ihre Berichte haben die Forscherin sehr aufgewühlt.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/fricktal/laufenburg-wie-gegenstaende-behandelt-laufenburgerin-dokumentiert-das-leid-der-schweizer-verdingkinder-ld.2277084