Medienspiegel 4. April 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
– Wenn die Solidarität einen an die Grenzen bringt: Die Burgdorferin Marianne Gertsch wird mit Anfragen überhäuft, wie ihre Hilfsaktion übernommen werden könnte. Das wird fast zu viel. Doch der Drang zu helfen ist so gross: Gertsch hat bereits eine Idee für die Kinder aus der Ukraine.
– Die Kinder können in Burgdorf nicht so schnell eingeschult werden. Die Stadt erklärt, wo das Problem liegt und wie es bis zu den Frühlingsferien gelöst werden soll.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/was-die-jungfraubahnen-gegen-fehlende-chinesen-tun-koennten?id=12170481


Geflüchtete Kinder sollen in Berner Schulen integriert werden
Geflüchtete Kinder aus der Ukraine in die Schule integrieren, das ist ein grosses Ziel vom Kanton Bern. Die Integration bringt aber auch Herausforderungen mit, da die meisten Kinder kein Deutsch verstehen.
https://www.neo1.ch/artikel/gefluechtete-kinder-sollen-in-berner-schulen-integriert-werden


“Freeshops” für Flüchtlinge
In Biel können Flüchtlinge bereits kostenlos Ressourcen abholen und in Moutier baut ein Verein dieses Angebot auf.
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2022-04-04


+++AARGAU
Aargau macht Platz für weitere Ukraine-Flüchtlinge
Der Kanton Aargau eröffnet drei zusätzliche Asylunterkünfte. Diese sollen für bis zu 280 Personen Platz bieten. Auch die Gemeinden suchen zurzeit noch weitere Unterkünfte. Der Kanton wäre allerdings auch froh, wenn Privatleute Räume zur Verfügung stellen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aargau-macht-platz-fuer-weitere-ukraine-fluechtlinge?id=12170715
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/widerstandsorganisation-p-26-lagerte-waffen-im-aargau?id=12171831
-> https://www.telem1.ch/aktuell/platz-problem-im-aargau-bis-zu-100-ukraine-fluechtlinge-pro-tag-muessen-untergebracht-werden-146047898
https://www.telem1.ch/aktuell/platz-problem-im-aargau-bis-zu-100-ukraine-fluechtlinge-pro-tag-muessen-untergebracht-werden-146047898


+++BASELLAND
Flüchtlinge kommen in ehemaliges Spital
Im einstigen Kantonsspital Laufen hat eine Auffangherberge für Flüchtlinge aus der Ukraine ihren Betrieb aufgenommen. Es hat Platz für 150 Personen.
https://telebasel.ch/2022/04/04/fluechtlinge-kommen-in-ehemaliges-spital


+++FRIBOURG
Kanton Freiburg unterstützt den Transport von Flüchtlingen aus der Ukraine in die Schweiz mit 46’000 Franken. (ab 04:17)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/mutterschaftsentschaedigung-fuer-nationalraetin-zurecht-eingestellt?id=12170712


+++SCHAFFHAUSEN
Wie sich Schaffhausen und Winterthur auf Ukraine-Flüchtlinge vor.bereiten. (ab 12:24)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/hoehere-abzuege-fuer-krankenkassen-praemien-im-kanton-zuerich?id=12171900


+++SOLOTHURN
Private Unterbringung von Flüchtlingen: keine Entlöhnung für Gastfamilien, aber einen Beitrag an die Nebenkosten
Schutzsuchende im Solothurnischen würden primär durch den Kanton und Gemeinde betreut. Für ergänzende Unterbringung in Gastfamilien hat der Kanton Solothurn nun Rahmenbedingungen festgelegt. So gibt es künftig Entschädigungen für höhere Nebenkosten der Gastfamilien.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/solidaritaet-der-kanton-solothurn-unterstuetzt-die-unterbringung-von-fluechtlingen-bei-gastfamilien-ld.2272255


+++ST. GALLEN
Kanton St. Gallen schafft neues Integrationsangebot für geflüchtete Jugendliche aus der Ukraine.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/bodan-art-orchestra-und-der-jazz-in-der-ostschweiz?id=12171891
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/stgallen-plant-einschulung-von-ukrainischen-kindern-00180140/


«Die Integration ist keine Einbahnstrasse»: Fünf Brückenbauerinnen sind in Wil für Flüchtlinge aus der Ukraine am Werk
Immer mehr Flüchtlinge kommen in der Stadt Wil an. Damit sie sich möglichst schnell zurechtfinden, reichen Unterkunft und Dolmetschen allein nicht aus. Mit Brückenbauerinnen will die Migrantenfachstelle Wil den Flüchtlingen helfen, selbstständig zu werden.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/wil/krieg-in-der-ukraine-die-integration-ist-keine-einbahnstrasse-fuenf-brueckenbauerinnen-sind-in-wil-fuer-fluechtlinge-aus-der-ukraine-am-werk-ld.2272106


+++URI
Individuelle Flüchtlingsbegleitung leistet wertvollen Beitrag: Eine Schattdorferin erzählt
Cornelia Zopp begleitet im Rahmen des Projekts Mitenand des Hilfswerks der Kirchen eine Afghanin. Sie weiss, worauf es ankommt bei der Unterstützung von Flüchtlingen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/kanton-uri-individuelle-fluechtlingsbegleitung-leistet-wertvollen-beitrag-eine-schattdorferin-erzaehlt-ld.2271812


+++ZÜRICH
Winterthur schafft zusätzlichen Platz für Ukraine-Flüchtlinge
Die Stadt Winterthur hat 150 zusätzliche Plätze für Geflüchtete aus der Ukraine angekündigt: Sie sollen ab Mitte April in der Mehrzweckanlage (MZA) Teuchelweiher bereitstehen.
https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/winterthur-schafft-zusaetzlichen-platz-fuer-ukraine-fluechtlinge-00180141/


Zürcher Verein am Anschlag: Ukraine-Flüchtende stehen für Gratis-Essen über eine Stunde Schlange
Amine (24) organisiert jeden Samstag eine Essensausgabe für bedürftige Menschen. Seit Beginn der Ukraine-Krise hat die Nachfrage stark zugenommen.
https://www.20min.ch/video/es-kommen-immer-mehr-fluechtende-wir-stossen-an-unsere-grenzen-895446484169


+++DEUTSCHLAND
Deutschland und die Flüchtlingskrisen – Rendez-vous
Aufgrund des Ukraine-Krieges ist Deutschland erneut mit sehr vielen Flüchtlingen konfrontiert. Bereits 2015 und 2016 sind mehrere Hunderttausend Menschen nach Deutschland migriert. Was hat die deutsche Gesellschaft aus der Zuwanderung der letzten Jahre gelernt?
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/deutschland-und-die-fluechtlingskrisen?partId=12171144


+++POLEN
An den polnischen Grenzen herrscht Doppelmoral
Nein, die rechtsgerichtete polnische Regierung ist nicht plötzlich zu einer Truppe liberaler Menschenfreunde mutiert, nur weil sie so solidarisch mit der Ukraine ist. Die Pushbacks an der belarussischen Grenze gehen weiter – und die EU schaut zu.
https://www.sueddeutsche.de/meinung/meinung-polen-fluechtlinge-belarus-1.5558920


+++ITALIEN
13 Jahre Haft weil er Geflüchtete willkommen hiess
Es ist offensichtlich ein politisches Urteil: Der Bürgermeister des italienischen Städtchens Riace muss für 13 Jahre ins Gefängnis, weil er Geflüchteten eine neue Heimat bot. Domenico Lucano, genannt «Mimmo», hat während seinen 14 Jahren als Bürgermeister Hunderte Migrant*innen nach Riace geholt, ihnen Arbeit vermittelt und so dem sterbenden Städtchen neues Leben eingehaucht. «Es war ein schöner Anblick. Sie müssen sich dieses Dorf vorstellen, das plötzlich wieder zum Leben erwacht. Kleine Läden öffneten, die Plätze waren plötzlich wieder belebt. Die Menschen konsumierten und kurbelten so die Wirtschaft an. Es gab wieder Dienstleistungen in Riace», führt Federico Dolce aus, Sprecher der Bewegung Diem25.
https://rabe.ch/2022/04/03/13-jahre-haft-weil-er-gefluechtete-willkommen-hiess/


+++MITTELMEER
Mittelmeer: Viele Tote nach Untergang von Flüchtlingsboot im Mittelmeer
Ein Boot mit geschätzt 100 Menschen an Bord ist offenbar im Mittelmeer gesunken. Vier Menschen überlebten laut Ärzte ohne Grenzen auf einer Rettungsinsel.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-04/mittelmeer-untergang-fluechtlingsboot-tote-un-msf
-> https://www.tagesschau.de/ausland/tote-untergang-fluechtlingsboot-mittelmeer-uno-101.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/424015.t%C3%B6dliche-fluchtroute-aufschrei-bleibt-aus.html
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/198581/


+++EUROPA
spiegel.de 04.04.2022

Inhaftierte Migranten in der Ukraine: Gefangen im Krieg

Die EU hat in der Ukraine jahrelang Haftzentren für Migranten und Flüchtlinge finanziert. SPIEGEL-Recherchen zeigen nun, dass mindestens ein Gefängnis auch nach Beginn der russischen Invasion weiterbetrieben wurde.

Von Steffen Lüdke

Die Kamera lugt hinter den Gitterstäben hervor, sie ist auf den Hof des Haftlagers gerichtet. Mehr als 20 junge Männer stehen dort, einige haben die Kapuzen ihrer Winterjacken über den Kopf gezogen, um sich vor der Kälte zu schützen. Stacheldraht versperrt den Weg in die Freiheit.

Die Bilder stammen aus dem Haftlager von Schurawytschi, einem Dorf im Nordwesten der Ukraine, 50 Kilometer von der Stadt Luzk entfernt, in der Nähe der Grenze zu Belarus. Ein Inder, der im Haftlager einsaß, nahm sie auf und schickte sie nach Kriegsbeginn an seine Familie. Das weiß-grüne Gebäude im Hintergrund ist anhand von frei verfügbaren Bildern des Haftlagers eindeutig identifizierbar.

Ein Gefängnis, keine »Unterkunft«

Das Haftzentrum in Schurawytschi ist eine ehemalige Kaserne. 2007 verwandelten die ukrainischen Behörden es mithilfe der EU in ein Haftzentrum für Migrantinnen und Migranten, die man in Europa nicht wollte. Die Europäer finanzierten die elektronischen Türsperren und die Sicherungen an den Fenstern. 1,7 Millionen Euro gab Brüssel dafür aus. Im EU-Sprech heißt das Lager »Unterkunft«. In Wahrheit ist es ein Flüchtlingsgefängnis, das auch jetzt, mitten im Krieg, offenbar noch in Betrieb ist.

Mehr als vier Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind seit Beginn der russischen Invasion vor russischen Raketen und Truppen geflohen. Sie verlassen das Land, um ihr Leben zu retten. Migrantinnen und Migranten aber, die vor dem Krieg in der Ukraine ohne gültiges Visum aufgegriffen worden waren, wird die Flucht verwehrt.

Der SPIEGEL hat gemeinsam mit der Medienorganisation Lighthouse Reports zur Situation in dem Haftlager von Schurawytschi recherchiert. Die Rechercheure befragten Verwandte sowie andere Kontaktpersonen von Häftlingen und werteten Videos aus. Die Recherchen zeigen, dass auch Wochen nach Kriegsbeginn noch Menschen aus Indien, Afghanistan, Bangladesch, Sudan oder Pakistan in dem Haftlager festsaßen. Alles spricht dafür, dass das Gefängnis weiter in Betrieb ist. Ende März befanden sich noch Dutzende Gefangene in Haft – trotz der Gefahr eines russischen Raketenangriffs.

Europas Türsteher

Das Lager von Schurawytschi liegt in einer verlassenen Gegend, es ist umgeben von einem dichten Wald. In den vergangenen Jahren saßen hier bis zu 150 Ausländer ein. Meist hatten sie zuvor vergeblich versucht, über die Ostroute irregulär in die EU zu gelangen. Die Insassen bleiben bis zu 18 Monate in Abschiebehaft. Die hohe Strafe soll abschrecken.

Seit der Jahrtausendwende hat die EU die Ukraine nach und nach zu ihrem Türsteher gemacht. Sie investierte mehr als 30 Millionen Euro in insgesamt drei Haftzentren. In einem Abkommen regelte sie, dass Kiew Geflüchtete zurücknimmt, die über die Ukraine in die EU einreisen; im Gegenzug wurde ukrainischen Staatsbürgern die Einreise nach Europa erleichtert.

Noch kurz vor der russischen Invasion warb der außenpolitische Sprecher der SPD dafür, Flüchtlinge von der belarussisch-polnischen Grenze in die Ukraine zu bringen. Die Idee kam in Kiew damals nicht gut an. Die Sozialdemokraten sollten die Flüchtlinge doch im Bundestag aufnehmen, hieß es.

Die Haftbedingungen in den von der EU mitfinanzierten Flüchtlingsgefängnissen stehen schon lange in der Kritik. Doch im Krieg verstößt die Inhaftierung der Migranten gegen das Völkerrecht.

»Die Genfer Konvention verpflichtet alle Konfliktparteien, Zivilisten unter ihrer Kontrolle vor den Gefahren des Konflikts zu schützen«, sagt Michael Flynn vom Global Detention Project. Die Menschen müssten so schnell wie möglich entlassen werden. Eine Abschiebung in die Heimat sei unter den derzeitigen Bedingungen ohnehin nicht möglich. »Stellen Sie sich vor, Sie sind eingesperrt, werden keines Verbrechens beschuldigt und warten darauf, irgendwohin abgeschoben zu werden, während eine Invasionsarmee den Nachbarort bombardiert.«

Kaum Kontakt zur Außenwelt

Eine Mitarbeiterin der pakistanischen NGO Alight Pakistan hatte in den vergangenen Wochen mit mehreren Gefangenen Kontakt. Sie telefonierte mit einem Pakistaner, einem afghanischen Familienvater und einer Äthiopierin, die inzwischen entlassen worden ist. Dem SPIEGEL liegen die Ausweisdokumente der Häftlinge vor, zum Teil auch die Visa, mit der sie in die Ukraine kamen. Die Gefangenen berichteten von Dutzenden weiteren Häftlingen, unter anderem aus Indien, Bangladesch und Sudan. Gelegentlich kämen Häftlinge frei, offenbar vor allem weil sich die Botschaften ihres Heimatlandes für sie eingesetzt haben.

Der Kontakt zu den Gefangenen ist demnach nur sporadisch möglich. »Die Wärter nehmen den Gefangenen die Handys ab«, sagte die Frau eines weiteren Insassen, der erst am 28. März entlassen wurde, dem SPIEGEL. Die Steckdosen auf den Zimmern funktionierten nicht mehr. Die ganze Situation sei extrem gefährlich. Ihr Mann habe berichtet, dass die Wärter bei Luftalarm auf die Straße gelaufen seien und die Gefangenen in ihren Zellen zurückgelassen hätten. Luzk, die nächste größere Stadt, ist bereits mehrmals unter Beschuss geraten.

Die Insassen protestierten offenbar direkt nach Kriegsbeginn gegen ihre Inhaftierung. So erzählten es vier Gefangene Anfang März im Gespräch mit »Human Rights Watch«. Die Männer waren vor dem Krieg bei dem Versuch festgenommen worden, die polnische Grenze zu überqueren. Anschließend wurden sie ins Lager nach Schurawytschi gebracht. Die Wärter hätten den Aufstand demnach mit Schlagstöcken niedergeschlagen. Es habe Verletzte gegeben. Später habe man den Inhaftierten einen Deal angeboten: Falls sie sich zum Kriegsdienst verpflichteten, würde man sie freilassen.

Europaabgeordnete fordert Freilassung der Gefangenen

Den Angaben der Gefangenen zufolge nutzen ukrainische Truppen die ehemalige Kaserne seit Kriegsbeginn wieder als Basis. Darauf deuten auch Videos hin, die »Human Rights Watch« ausgewertet hat. Das erhöht die Gefahr, dass die Häftlinge zum Ziel eines russischen Raketenangriffs werden könnten.

Weder die ukrainischen Behörden noch die EU-Kommission haben bisher auf eine Anfrage des SPIEGEL geantwortet. Vor allem die EU-Kommission könnte die Migranten wohl relativ einfach aus dem Haftzentrum befreien. Die Politik der EU habe dazu geführt, dass die Menschen jetzt in dem Haftlager festsäßen, sagt Niamh Ní Bhriain, Menschenrechtlerin und Programmkoordinatorin am Transnational Institute. Sie trage Verantwortung für das Schicksal der Häftlinge. Die ukrainische Regierung ist im Krieg gegen Russland auf westliche Unterstützung angewiesen. Auf Kritik reagiert sie sensibel: Als internationale Organisationen die Benachteiligung von afrikanischen Studenten an den Grenzübergängen anprangerten, gelobte sie schnell Besserung.

Die niederländische Europaabgeordnete Tineke Strik drängt Brüssel deshalb, Druck auf die ukrainischen Behörden auszuüben. »Die EU-Kommission muss dafür sorgen, dass die Migranten und Flüchtlinge unverzüglich freigelassen werden«, sagt sie. Anschließend müsse man die Menschen sicher in die EU bringen. Angesichts der derzeitigen Lage im Land dürfte das an der ukrainischen Regierung kaum scheitern.
(https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-migranten-in-eu-finanzierten-haftzentren-gefangen-a-ea2ed6bc-9d46-4026-af5d-c58f9d1095f0)


+++GASSE
Wohnungen für Obdachlose Dank “Housing First”
Alle Menschen haben ein Recht auf eine eigene Wohnung. Auch Obdachlose. Das ist die Idee hinter “Housing First”. In Basel ist es eine grosse Herausforderung genügend günstigen Wohnraum zu finden. Wir sprechen mit einem Vermieter und einer Mieterin, die Dank “Housing First” wieder ein Dach über dem Kopf hat.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/wohnungen-fuer-obdachlose-dank-housing-first?partId=12171861


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Grösste Schweizer CO2-Quelle besetzt
Die ZAD Geissberg stellt sich der Klimazerstörung vom Zementkonzern Holcim entgegen
https://barrikade.info/article/5097


Rejoignez la ZAD du Geissberg
Une nouvelle Zad à vue le jour en Suisse dans le canton d’Argovie. Contre Holcim et son monde, des militante.x.s occupent le Geissberg.
Plus d’info sur https://wald-statt-beton.com/fr/ Texte en allemant, français et anglais.
https://renverse.co/infos-locales/article/rejoignez-la-zad-du-geissberg-3486



aargauerzeitung.ch 04.04.2022

40 Klimaaktivisten besetzten den Steinbruch Gabenchopf – so reagiert Holcim

Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten demonstrierten am Sonntag beim Steinbruch Gabenchopf gegen den Konzern Holcim. Das Protestcamp wurde durch die Polizei geräumt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Philipp Herrgen, Eva Berger

Für die einen ist es aktiver Widerstand gegen die weltweite Zerstörung durch den Zementriesen Holcim. Für die anderen ist es illegales Eindringen in Firmengelände mit erheblichem Sicherheitsrisiko.

Was war passiert?

In der Nacht von Samstag auf Sonntag besetzten einige Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten den Steinbruch Gabenchopf bei Villigen. Die Aktion «Wald statt Beton» richtete sich gegen den Holcim-Konzern, aus dem Steinbruch Kalkstein für das Zementwerk Siggenthal bezieht. Die Protestierenden richteten sich ein Camp im Wald ein. Nachdem sie teilweise auch auf Bäumen Stellung bezogen hatten, machten sie über soziale Medien auf die laufende Aktion aufmerksam.

Bereits am Sonntagabend war das Protestcamp durch die Kantonspolizei Aargau geräumt.

Worum geht es den Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten?

Der Holcim-Konzern sei die grösste CO2-Quelle in der Schweiz, schrieben die Aktivistinnen und Aktivisten. Die Zementindustrie sei weltweit für 8 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, was deutlich mehr als der Flugverkehr ist (2 Prozent). Mit der Aktion «Wald statt Beton» habe man einerseits gegen den Konzern Holcim protestiert, der für «mindestens 122 Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen in 34 Ländern verantwortlich» sei. Es brauche einen Wandel in der Baubranche – weg von Zement und Beton.

Andererseits habe man die Erweiterung des Steinbruchs im Naturschutzgebiet verhindern wollen. So fand der Protest dann auch in der Rodungszone statt. Durch die Anwesenheit der Besetzer könne Holcim keine Bäume roden oder Sprengungen durchführen. Das Gebiet sei aus dem Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN), hiess es weiter.

Wie reagierte die Polizei?

Die Kantonspolizei habe am Sonntagmittag die Nachricht erhalten, wonach mehrere Personengruppen in Richtung Steinbruch unterwegs seien, heisst es am Montag in einer Mitteilung. Sonntagnachmittag gegen 14 Uhr habe man dann kleinere Gruppen von Klimaaktivisten aus verschiedenen Orten der Schweiz und aus angrenzenden Nachbarländern im Raum Geissberg angetroffen.

Rund 40 Personen im Alter zwischen 17 und 40 Jahren seien im und rund um das Protestcamp angehalten und zur Kontrolle an einen Stützpunkt der Kantonspolizei gebracht worden. Anschliessend erhielten die Personen eine Wegweisung. Die unbewilligte Besetzung des Geländes sei aufgelöst worden. Nähere Details dazu gab die Polizei auch auf Nachfrage nicht bekannt.

Laut einem Medienbericht von ArgoviaToday sei die Polizei mit einem Grossaufgebot vor Ort gewesen. Es hätte sogar Personal aufgeboten werden müssen, das eigentlich freigehabt hätte.

Was sagen die Besetzerinnen und Besetzer zu der Räumung?

Die Aktivistinnen und Aktivisten kritisierten in ihrer Mitteilung das Vorgehen der Polizei. Medienschaffende seien abgedrängt und davon abgehalten worden, die Situation festzuhalten. Weiter hätte die Polizei Personen Kälteschutz verweigert, die laut eigenen Angaben bereits über sieben Stunden in den Bäumen ausgeharrt hätten. Unterkühlte Personen hätten die Bäume selbstständig verlassen müssen. Kletterspezialisten der Polizei seien nur für eine Person eingesetzt worden, die danach direkt ins Spital eingeliefert wurde.

Warum die Aktivistinnen und Aktivisten ohne ausreichenden Kälteschutz auf die Bäume gestiegen waren, ist nicht bekannt. Laut «Wald statt Beton»-Mitteilung am Montag hätten aber alle Beteiligten Gewahrsam und Spital mittlerweile verlassen. Die Kantonspolizei selbst wollte sich nicht zu den Vorwürfen äussern.

Was sagen die Klimaschützerinnen und Klimaschützer der Jungen Grünen?

Kein direkter Teil des Protests waren die Jungen Grünen Aargau. Sie haben mit dem Zofinger Grossrat Nicola Bossard aber einen der bekanntesten Aargauer Klimaschützer in ihren Reihen. Er hat am Protest nicht teilgenommen, sagt er auf Anfrage. Aber: «Es ist ein sympathischer Protest. Und er ist absolut gerechtfertigt.»

Mechthild Mus, Co-Präsidentin der Aargauer Jungen Grünen und aktive Klimaschützerin bestätigt diese Haltung ihrer Partei. «Wir befinden uns mitten in der Klimakrise und Holcim zerstört Wälder, um umweltschädlichen Zement zu produzieren», merkt sie an. Die Jungen Grünen unterstützten den Protest also, «angesichts der Krise und Holcims Verantwortungslosigkeit ist er das einzig richtige».

Dass das Protestcamp bereits nach wenigen Stunden von der Polizei wieder geräumt worden ist, sei derweil kein Rückschritt. Es sei einerseits nicht einfach, eine Waldbesetzung über Tage oder Monate aufrechtzuerhalten, sagt Mechthild Mus. Andererseits seien aber auch kurze Proteste wertvoll. «Wir versuchen alles und kämpfen weiter», so Mus. Die Besetzung beim Steinbruch habe trotz ihrer Kürze einiges an Aufmerksamkeit erreicht.

Was sagt Holcim zu der Aktion und den Vorwürfen?

«Illegales Eindringen in unser Gelände dulden wir nicht», schreibt Holcim auf Anfrage. Man sei zwar offen für einen Dialog und habe die Bereitschaft dazu mehrfach signalisiert, solche Aktionen würden aber ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Den Vorwurf der globalen Zerstörung und Ausbeutung weist Holcim dagegen entschieden zurück.

Die Anliegen der Umweltaktivisten nehme man aber sehr ernst, heisst es weiter. Holcim sei sich bewusst, dass die Zementherstellung energie- und ressourcenintensiv sei. Die Schweizer Zementindustrie habe aber in den letzten 30 Jahren die CO2-Gesamtemissionen bereits um 38 Prozent gesenkt. Die Holcim-Gruppe verfolge zudem das Ziel Netto-Null bis 2050. So würden auch am Standort Siggenthal nachhaltige Technologien getestet, wie etwa der Einsatz von autonomen elektrischen Dumpern.

Für die geplante Erweiterung des Steinbruchs hat Holcim anfangs 2022 eine Richtplanänderung beantragt. Ob diese mit den Schutzzielen eines BLN-Gebietes vereinbar ist, entscheidet die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission. Holcim zeigt sich zuversichtlich und verweist auf den Vorzeige-Steinbruch Kehrsiten am Vierwaldstättersee. Mit einem umfassenden Gestaltungskonzept könne das Gebiet auf dem Geissberg sogar ökologisch aufgewertet werden. Nähere Angaben hierzu machte Holcim nicht.

Wie geht es nun weiter?

Ob gegen die an der Protestaktion beteiligten Aktivistinnen und Aktivisten Anzeige erstattet wurde, wollte weder die Kantonspolizei noch Holcim direkt kommentieren. Holcim liess lediglich verlauten, dass es die Entwicklung in Zusammenarbeit mit der Polizei verfolge und sich rechtliche Schritte vorbehalte.

Für die Aktivistinnen und Aktivisten scheint die Sache ebenfalls noch nicht erledigt: «Der Widerstand geht weiter», heisst es ihrer Mitteilung. Holcim müsse gestoppt werden. Ein Konzern, der aufgrund seiner Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates in Frankreich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt sei, ein Milliardengeschäft in Ländern wie Russland unterhalte und in der Vergangenheit von engen Beziehungen zum NS-Regime profitierte, dürfe nicht länger existieren.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/villigen-40-klimaaktivisten-besetzten-steinbruch-gabenchopf-so-reagiert-holcim-ld.2272018)



Erweiterung verhindern: Klimaaktivisten besetzten Steinbruch Gabenchopf bei Brugg – Protestcamp geräumt
Seit Samstagabend demonstrieren Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten beim Steinbruch. Das dazugehörige Zementwerk Siggenthal sei eine der grössten CO2-Quellen der Schweiz, sie fordern darum einen sofortigen Abbau- und Produktionsstopp. Dafür steigen sie in die Bäume.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/klimastreik-erweiterung-verhindern-klimaaktivisten-besetzen-den-steinbruch-gabenchopf-bei-brugg-ld.2271742



Aktivisten machen mit riskanter Aktion in Bern auf sich aufmerksam
Aktivisten der Organisation «Strike for Future» sorgen heute in Bern für Aufsehen. In einer nicht ganz ungefährlichen Aktion kletterten sie über das Geländer der Kirchenfeldbrücke und seilen sich ab. Mit einem Transparent machen sie auf ihr Anliegen aufmerksam und fordern ein Umdenken in der Gesellschaft.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/aktivisten-machen-mit-riskanter-aktion-in-bern-auf-sich-aufmerksam-146047791
-> https://www.20min.ch/video/klima-aktivisten-seilen-sich-auf-sicherheitsnetz-ab-679544664321


+++KNAST
Kanton Freiburg: Das Gefängnis in Bellechasse wird ausgebaut
Heute ist der Bau gestartet – mehrere neue Gebäude sollen entstehen. Ziel ist, dass alle Gefangene des Kantons Freiburg am Standort Bellechasse untergebracht werden können. Der Gefängnis-Ausbau kostet den Kanton rund 30 Millionen Franken.  (06:159
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/kanton-freiburg-das-gefaengnis-in-bellechasse-wird-ausgebaut?id=12171879


+++POLIZEI CH
Noch nie wurden so viele Polizisten bedroht: «Wir mussten als Blitzableiter herhalten»
Die neuste Kriminalstatistik zeigt: Noch nie gab es so viel Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte. Johanna Bundi Ryser (59), Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter, hat eine Erklärung dafür.
https://www.blick.ch/schweiz/noch-nie-wurden-so-viele-polizisten-bedroht-wir-mussten-als-blitzableiter-herhalten-id17375925.html


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Rest in Power, Illusion in Afghanistan, Protest in Villmergen
https://antira.org/2022/04/04/rest-in-power-illusion-in-afghanistan-protest-in-villmergen/


Tanzen für den Widerstand
Am 25. März feierte die Tanzkompanie Le Cercle Essentiel auf dem BETA-Festival in Bern Premiere mit ihrem neuen Stück „RÉSISDANSE!“. Das Lamm hat das Stück gesehen und mit den Performer:innen über Kolonialismus und ihre eigenen Rassismuserfahrungen in der Schweiz gesprochen.
https://daslamm.ch/tanzen-fuer-den-widerstand/


+++RECHTSPOPULISMUS
Schweizer Putin-Versteher geben sich nach Massaker in der Ukraine kleinlaut
Der russischen Armee werden in der Ukraine Kriegsverbrechen vorgeworfen. Schweizer Politikerinnen und Politiker, die Putin bisher verteidigt haben, wollen keine Stellung nehmen.
https://www.20min.ch/story/schweizer-putin-versteher-geben-sich-nach-massaker-in-der-ukraine-kleinlaut-891637339863


Frontex-Referendum: Spannt die SVP mit Links-Grün zusammen?
Die SVP ist beim linken Frontex-Referendum gespalten. Nun kommts an der Delegiertenversammlung zum Showdown. Asylchef Andreas Glarner wirbt für ein Nein.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/frontex-referendum-spannt-die-svp-mit-links-grun-zusammen-66147564


«Wenn die Leute sehen, dass die falschen Leute kommen, nimmt die Solidarität massiv ab»: SVP-Nationalrätin Bircher über die Flüchtlingsthematik
Im ZT-Talk spricht die SVP-Nationalrätin und Aarburger Frau Vizeammann Martina Bircher über ihre Wut im Bauch, als sie vom Krieg in der Ukraine erfuhr. Die Hilfsbereitschaft der Schweizerinnen und Schweizer begrüsst sie – warnt aber gleichzeitig davor, dass mit dem Schutzstatus S Missbrauch getrieben werden könnte. Dass ihr Nationalratskollege Thomas Aeschi in der SRF-«Arena» mundtot gemacht wurde, wie sie sagt, ärgert sie.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/zt-talk-wenn-die-leute-sehen-dass-die-falschen-leute-kommen-nimmt-die-solidaritaet-massiv-ab-svp-nationalraetin-bircher-ueber-die-fluechtlingsthematik-ld.2272135


+++RECHTSEXTREMISMUS
Die Wichtigkeit, «Faschismus» korrekt zu benennen
Nicht nur im Zuge des Ukrainekrieges ist die Zuschreibung «Faschismus» in aller Munde. Quer durch die politischen Lager wird «faschistisch» als Kampfbegriff benutzt. Doch was bedeutet der Ausdruck eigentlich? Und was trennt beispielsweise «Rechtspopulismus» von «Faschismus»? Darüber hat das Radio Corax in Halle mit Mathias Wörsching gesprochen, er ist Politikwissenschaftler und Autor des Buches Faschismustheorien.
https://rabe.ch/2022/04/04/die-wichtigkeit-faschismus-korrekt-zu-benennen/


„Was wir heute über den Mord an Mehmet Kubaşık durch den #NSU wissen, haben seine Familie und ihre Anwält*innen im NSU-Prozess erkämpft. Dieses Wissen könnt ihr im wichtigen Buch “Kein Schlusswort” nachlesen, das es jetzt als Download gibt. https://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/kein-schlusswort/
(https://twitter.com/nsuwatch/status/1510988935492689927)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
tagesanzeiger.ch 04.04.2022

Krieg in sozialen Medien: Putins Online-Kämpfer fluten die Schweiz mit Propaganda

Exakt vor Kriegsbeginn wurden Tausende prorussische Twitter-Profile eröffnet – gezielt für den deutschsprachigen Raum. Wer steckt dahinter?

Alexandra Aregger, Svenson Cornehls

«Europa ist bis auf Russland zum Drecksloch verkommen. Ein Hoch auf Präsident Putin», postet Richard.

«Putin wird die Nato stürzen!», droht Anastasia.

Über den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski schreibt Simone, er sei ein «Versager und Nazi».

Und Karl postet gleich zehnmal in nur einem Tag: «Selenski dann sofort nach Sibirien ins Lager bringen!!!»

Das sind nur vier von Zehntausenden Kurznachrichten auf Twitter, die im deutschsprachigen Raum Propaganda für Putin und Russland machen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz steht die Bevölkerung mehrheitlich auf der Seite der Ukraine. Wie kann es sein, dass plötzlich so viele deutschsprachige Twitterer Putin unterstützen?

Schaut man sich diese Tweets genauer an, fällt sofort auf, dass die Konten brandneu sind. Auch jene von Richard, Anastasia, Simone und Karl, wie wir sie nennen, wurden wenige Tage vor Kriegsbeginn erstellt. Richard ist seit dem 1. Februar auf Twitter, hat aber bis heute bereits über 18’000 Posts für Putin und gegen den Westen verfasst. Simone hat ihr Profil einen Tag später erstellt und gegen 12’000 Tweets verschickt. Und sie sind keine Ausnahmen.

Pläne für Propaganda wohl lange im Voraus gemacht

Diese Zeitung hat in den vergangenen Wochen Hunderttausende Tweets mithilfe eines Computerprogramms ausgewertet. Untersucht wurden die seit Jahresbeginn neu erstellten Twitter-Profile, welche auf Deutsch zum Schlagwort «Putin» twittern, im deutschsprachigen Raum also Einfluss auf die Wahrnehmung Russlands nehmen.

Die Auswertung zeigt sofort: Schon Tage vor dem russischen Einmarsch – den selbst westliche Militärexperten nicht erwartet hatten – schnellt die Zahl der neu erstellten Accounts mit deutschsprachigen Putin-Tweets stark in die Höhe.

Allein zwischen dem 1. Januar und dem 24. Februar, dem Tag des Einmarsches der Russen in die Ukraine, entstanden 6256 neue deutschsprachige Twitter-Konten, die seither über Putin geschrieben haben. Betrachtet man die 100 Neukonten, die in den Tagen vor dem Angriff am aktivsten waren, fällt auf, dass mehr als ein Drittel davon Stimmung für Putin macht.

Allein diese 100 neuen Konten sind am Tag vor der Invasion für 29 Prozent aller deutschsprachigen Tweets zum Thema Putin verantwortlich.

«Diese Welle an neuen, sehr aktiven Accounts ist ein gutes Indiz dafür, dass es sich um eine koordinierte Propagandaaktivität handeln könnte», sagt Mykola Makhortykh. Der Ukrainer forscht – gemeinsam mit der russischen Wissenschaftlerin Aleksandra Urman – am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern zu Manipulation im Netz. Der Forscher analysiert Propagandaaktivitäten seit der Krim-Annexion.

Ob hier bezahlte Propagandisten versuchen, die Stimmung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu beeinflussen, lässt sich nicht beweisen. Klar ist jedoch, dass diese Twitterer dem Kreml in die Hände spielen.

«Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Pläne für Propagandaaktivitäten schon lange vor dem Einmarsch in die Ukraine gemacht wurden», so Makhortykh. Denn in den letzten Jahren waren sogenannte «Trollfabriken» mehrfach vor wichtigen Ereignissen wie Wahlen aktiv. Allen voran Putins bekannteste «Trollfabrik», die Internet Research Agency.

Dort arbeiten Hunderte sogenannte Trolle, Leute, die gegen Bezahlung soziale Medien oder Kommentarspalten mit prorussischer Propaganda fluten. Sie heizten beispielsweise vor der Bundestagswahl 2017 deutschsprachige Diskussionen an. Oder versuchten 2016, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zu beeinflussen.

Da rund 35 Prozent der neuen Profile prorussische Inhalte verbreiten, stellt sich die Frage: Sind auch diesmal wieder deutschsprachige Trolle am Werk? Womöglich gar Computerprogramme, sogenannte Bots, die automatisiert Putins Kriegspropaganda in den Westen tragen?

Beweise für Trolle oder Bots sind schwierig zu finden. Doch dank der Analyse der Tweets lassen sich im vorliegenden Fall einige Indizien finden, dass viele dieser neuen Konten gezielt Propaganda streuen.

1) Hyperaktive Nutzer

Die Benutzer, die ihre Twitter-Accounts kurz vor Kriegsbeginn angelegt haben, sind extrem aktiv. Sie twittern im Schnitt doppelt so oft wie der durchschnittliche Nutzer, der in dieser Zeit über Putin geschrieben hat. Es gibt Nutzer, die im Extremfall mehr als 1000 Kurznachrichten verfassen – pro Tag.

Ein solcher User müsste also 16 Stunden am Tag konstant jede Minute eine Kurznachricht verschicken. Klingt eher nach Bot oder Propaganda-Vollprofi als nach engagiertem Normalbürger, wie auch Forscher Mykola Makhortykh bestätigt. «Bei diesen Konten gibt es auch einen sehr hohen Anteil an Retweets mit eher wenig originellem Inhalt, was ebenfalls verdächtig ist.»

2) Wenig Follower

Zahlreiche der neuen User haben sehr wenig Follower und folgen auch kaum anderen Nutzern. Sie wollen also primär prorussische Propaganda verbreiten und nicht Informationen erhalten. Zudem seien sie untereinander zum Teil vernetzt, beobachtet Makhortykh: «Einige Konten werden von denselben anderen Nutzern gefolgt, die auch Teil einer Webbrigade sein könnten.» Also einer vom Kreml gesteuerten Trollfabrik oder Propagandakampagne.

3) Gleiche Formulierung

Viele ihrer Tweets sind exakt so formuliert, wie es aus der Propagandazentrale des russischen Regimes kommt. Sie beschimpfen die Ukrainer als «Nazis», sprechen von «Entnazifizierung». Sie untermauern die von Putin propagandierte «Friedensmission» mit teilweise abstrusen Verschwörungstheorien. Etwa, dass Putin die Welt vor dem dritten Weltkrieg rette, den US-Präsident Joe Biden angeblich planen soll.

4) Nutzer bleiben inkognito

Die User hinter den neuen Twitter-Accounts verstecken sich. Nur 2 dieser 100 aktivsten User haben in ihrem Profil einen vollständigen Namen aufgeführt. Wir haben versucht, mit vielen Besitzern dieser Konten ins Gespräch zu kommen. Meist ging die Kontaktanfrage ins Leere. Doch selbst bei dreien, die wir kontaktieren konnten, blieb unklar, ob sie wirklich normale prorussische Privatpersonen sind oder eher bezahlte Propagandisten.

Da ist als Erstes jemand, der sich Lisa nennt. Wie alle anderen Angefragten wollte die Person weder ein persönliches Treffen noch eine Skype-Einladung annehmen. Ihr Konto ist seit Februar auf Twitter aktiv und hat bereits über 7000 Tweets abgesetzt.

Die Person schreibt uns, sie sei Pensionärin. «Ich bin in der DDR aufgewachsen, der Russe war schon immer unser Freund!» Sie habe Russland bereist, besitze viele Freunde dort. «Ich ziehe meinen Hut und verneige mich tief vor Putin, was er aus dem kommunistischen Land gemacht hat», steht in einer Antwort an uns. Die Person schimpft über die «Lügenpresse». Dass ihr Konto in kürzester Zeit so viele Tweets abgesetzt hat, habe sie gar nicht realisiert, speist uns die angebliche Pensionärin ab.

Neben Lisa lässt sich noch eine zweite Person auf einen Austausch ein. Auch diese behauptet, pensioniert zu sein. Eine offenbar gängige Rechtfertigung dafür, Zeit für Tausende Tweets in einem Monat zu haben. Sie lebe in Österreich, schreibt die Person.

«Wissen Sie, dass die neue Ukrainische Regierung seit 8 Jahren die Menschen in Donbass terrorisiert?», steht in der Antwort an uns. Dann schickt sie uns lauter weitere Propagandatheorien aus dem Kreml. Auch, dass die Ukraine Biolabors betreibe. «Mit 1 Drone können sie infizierte Insekten irgendwo schicken, z.B. tausende Mücken. Bio-Waffe!» Das ist eine Verschwörungstheorie, die sich mittlerweile selbst in den USA breitmacht. Auf ein Telefongespräch lässt sich auch diese Person nicht ein. Sie antwortet schliesslich gar nicht mehr.

Eine dritte Person, angeblich ein Mann, schreibt uns, er lebe in der Schweiz. In seinen Posts droht er Politikern, beschimpft westliche Regierungen, verbreitet wilde Verschwörungstheorien und teilt immer wieder dasselbe Youtube-Video eines prorussischen Kanals. Der Ton ist stets aggressiv und abwertend. Uns schreibt er jedoch, er wolle einfach nur den «Weltfrieden». «Die Medien schaffen ein Bild das eben nicht immer ganz so treffend ist», begründet er seine auffällige Aktivität. Auf weitere Fragen reagiert er nicht mehr.

Alle drei betonen, sie würden von niemandem bezahlt.

Ob sich unter ihnen bezahlte Trolle befinden, bleibt ungewiss. Es ist auch für Forscher wie Mykola Makhortykh schwieriger geworden, Trolle zu entlarven. Sie wurden schlauer, verhalten sich zunehmend wie echte User, schreiben nicht nur über Putin, sondern auch über andere Themen, die ihr Zielpublikum bewegen. Auch gibt es heute mehrsprachige Propagandakampagnen, was es schwieriger macht, sie zu erkennen. Auch für Plattformen wie Twitter.

Der Kurznachrichtendienst hat lediglich zwei der auffälligen 100 Accounts während unserer Recherche gesperrt. Die anderen hauen weiterhin fleissig in die Tasten. Für Putin. Gegen die Ukraine. Und gegen den Westen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz-im-visier-von-putins-propagandisten-317365712087)


+++HISTORY
Berner Podcast «Gesprächsstoff»: «Wir haben im Kocher¬park bis zu 12’000 Spritzen pro Tag abgegeben»
Vor 30 Jahren wurde in Bern die offene Drogenszene im Kocherpark geschlossen. Wie sah es dort vorher aus? Und wie hat sich die Drogenpolitik seither verändert?
https://www.derbund.ch/ich-habe-im-kocherpark-bis-zu-12000-spritzen-pro-tag-abgegeben-368236345085


Eichmann und Co in Südamerika: Wie erwünscht waren die Nazis?
Ein Gespräch mit dem israelischen Historiker Raanan Rein über Nazis in Argentinien, über ihre Fluchthelfer, Peróns Politik und den Einfluss der Nazis auf ihre Gastländer
https://www.derstandard.at/story/2000134638136/eichmann-und-co-in-suedamerika-wie-erwuenscht-waren-die-nazis?ref=rss


Widerstandsorganisation P-26 lagerte Waffen im Aargau
Die Geheimorganisation P26 hat in Rüfenach AG Waffen, Sprengstoff, Gold und vieles andere gelagert. Dies wäre im Fall einer Besetzung der Schweiz eingesetzt worden. Nun kann die Öffentlichkeit dieses Lager besichtigen.  (ab 10:33)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/widerstandsorganisation-p-26-lagerte-waffen-im-aargau?id=12171831



aargauerzeitung.ch 04.04.2022

Vom Lager des geheimen Widerstands zum Museum: Der P-26-Bunker in Rüfenach ist jetzt für Besucher offen

Gebaut wurde die Festung zur Verteidigung im Zweiten Weltkrieg, danach nutzte sie die Widerstandsorganisation P-26 als Zentrallager. Jetzt ist der Bunker in Rüfenach ein Museum. Zur Eröffnung gabs Erzählungen aus der Zeit des geheimen Widerstands.

Dominic Kobelt

Die grosse Festung Rein wurde 1939/40 als Artilleriewerk «Adlerhorst» gebaut und sollte mit ihren Kanonen einen gegnerischen Vorstoss östlich der Aare ins Wasserschloss bei Brugg verhindern. 1988 wurde die Festung zu einem Zentrallager der geheimen Widerstandsorganisation P-26 umgebaut – ihr Deckname war fortan «Schloss».

Am Samstag wurde die Festungsanlage feierlich als Museum wiedereröffnet. In rund zweistündigen Führungen können Interessierte das aufwendig restaurierte Innenleben besichtigen und in die Geschichte eintauchen. Der dafür zuständige Verein Militär- und Festungsmuseum Full-Reuenthal hat viel Herzblut in die Restaurationsarbeiten gesteckt, und das spürt man in jedem Raum.

Mit 31 Jahren rekrutiert – weil sie Lehrerin war

Susi Noger war einst Mitglied der Geheimorganisation P-26 und berichtete anlässlich der Museumseröffnung von ihren Erlebnissen. Im Alter von 31 Jahren war sie vom Götti ihres Mannes angeworben worden – Mitglieder rekrutierten jeweils Leute, die in ihre Zelle passten. «Mein Job als Lehrerin war einer der Gründe, der mich für die Aufgabe qualifizierte», erzählte Noger nun, rund 30 Jahre später. «Durch meinen Job hatte ich die Möglichkeit, zwischendurch zu verschwinden, ich konnte etwa sagen, ich sei an einer Weiterbildung.» Das stimmte sogar in manchen Fällen, wobei Noger nicht als Lehrerin, sondern für die P-26 ausgebildet wurde.

«Ich wäre als Funkerin zum Einsatz gekommen. Wir waren nicht eine Geheimarmee, wie es manchmal in den Medien dargestellt wurde», machte die St. Gallerin klar. Wäre die Schweiz von einer fremden Macht besetzt worden, hätte die P-26 Nachrichten übermittelt und allenfalls Sabotageakte verübt. Attentate oder Ähnliches waren nie Teil des Auftrags.

Die Tasche in der linken Hand war eine Warnung

Trotzdem tönen die Erlebnisse von Noger wie aus einem James-Bond-Film: Ihr Einführungskurs fand im «Schweizerhof» statt, einem geheimen Felsbunker bei Gstaad. Der Raum wurde im Bunker in Rüfenach nachgebildet. «Es war immer eine Einzelausbildung, und wenn wir das Zimmer verlassen mussten, dann mussten wir Sturmhauben aufsetzen, sodass unsere Identität geschützt war, wenn wir anderen Mitgliedern begegneten.»

Wenn sie eine Ausbildung absolvieren musste, dann hatte ihr Vorgesetzter sie angerufen und sie in seine Firma bestellt. Nach der Vorbesprechung traf Noger jeweils einen unbekannten Mann, der sie mit einem Erkennungssatz ansprach: «Er fragte mich, ob ich Frau Gerster von der Firma Hügli bin, und ich musste dann antworten, diese sei krank, ich sei ihre Vertretung.» Und auch ein Sicherheitszeichen gab es: «Wenn ich zufällig einen Bekannten getroffen hätte, und mich dann ein fremder Mann angesprochen hätte, wäre das verdächtig gewesen», erklärt die Lehrerin. Um zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist, musste sie ihre Mappe rechts tragen – sollte ihr Kontaktmann sie nicht ansprechen, wechselte die diese auf die linke Seite.

Susi Noger, deren Deckname Tina war, wusste viele weitere spannende Details zu berichten und schloss mit den Worten: «Wenn Tina heute Susi anfunken könnte, und sie fragen würde, ob sie das nochmals machen würde, wäre die Antwort ja.»

Die Geschütze lassen die Anlage beben

1990 wurde vor der Anlage Rein ein «Centurionbunker» mit einer im Berg versteckten 10,5 Zentimeter-Kanone eines Centurion-Panzers gebaut. Die Anlage kann von Gruppen auf Voranmeldung besucht werden. Auf den Führungen wird gezeigt – unterstützt durch Tonbandaufnahmen und andere Effekte – wie von hier aus auf Panzer und andere feindliche Armee-Einheiten geschossen worden wäre.

Landammann und Kulturminister Alex Hürzeler überbrachte den Dank der Regierung: «Es gibt in unserem Kanton 1660 militärhistorische Anlagen – weder der Aargau noch der Bund könnten diese unterhalten.» Das grosse Engagement des Vereins Militär- und Festungsmuseum Full-Reuenthal sei deshalb von grosser
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/museumseroeffnung-vom-lager-des-geheimen-widerstands-zum-museum-der-p-26-bunker-in-ruefenacht-ist-jetzt-fuer-besucher-offen-ld.2271813)