Medienspiegel 19. März 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++AARGAU
Wie und wo die Fricktaler Gemeinden Unterkünfte für ukrainische Flüchtlinge bereitstellen
Hotels, ehemalige Schulen, unterirdische Spitäler, Wohnungen, Truppenunterkünfte – in den Fricktaler Gemeinden läuft die Suche nach Wohnraum. Vielerorts sind Privatpersonen bereits aktiv geworden, um Flüchtlinge aufzunehmen.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/fricktal/ukraine-krieg-wo-und-wie-die-fricktaler-gemeinden-unterkuenfte-fuer-ukrainische-fluechtlinge-bereitstellen-ld.2265128


+++ZÜRICH
Das Zürcher Hotel Olympia nimmt 70 ukrainische Flüchtlinge auf. (ab 04:42)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-gemeinderat-will-mehr-forschung-zur-buehrle-sammlung?id=12162632


+++SCHWEIZ
Ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz: Bund prüft nun doch eine Pauschale für Integration
Weil es Personen mit Schutzstatus S möglich ist, ohne Wartefrist einer Arbeit nachgehen zu können, braucht es gewisse Massnahmen wie Sprachkurse oder Kinderbetreuung. Das Staatssekretariat für Migration führt mit den Kantonen entsprechende Gespräche.
https://www.derbund.ch/bund-prueft-nun-doch-eine-pauschale-fuer-integration-659201465260
-> https://www.blick.ch/politik/ukrainische-fluechtlinge-bund-prueft-doch-noch-geld-fuer-sprachkurse-id17331304.html


Ukrainische Flüchtlinge: Staatssekretärin rotiert
Derzeit suchen tagtäglich 500 bis 1’000 ukrainische Flüchtlinge Schutz in der Schweiz. Das sind deutlich mehr als noch vor kurzem erwartet und bringt die Logistik an den Anschlag. Oberste Migrations-Verantwortliche Christine Schraner Burgener nimmt Stellung dazu, ob die Schweiz dem gewachsen ist.
https://www.srf.ch/audio/samstagsrundschau/ukrainische-fluechtlinge-staatssekretaerin-rotiert?id=12162134
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/krieg-in-der-ukraine-sem-chefin-fluechtende-sollen-zurueck-sobald-moeglich


+++GASSE
tagesanzeiger.ch 19.03.2022

Vorstoss im Zürcher Gemeinderat: «Hotel Suff» bleibt in Urania-Wache

Nach dem Tod eines 43-Jährigen wollten Grüne und AL die Zentrale Ausnüchterungs- und Betreuungsstelle von der Urania-Wache zu einem Spital hin verlegen – erfolglos.

Corsin Zander, Sabina Bobst(Foto)

Der Tod eines 43-Jährigen ist noch immer nicht restlos geklärt. Momentan läuft bei der Staatsanwaltschaft Zürich eine Strafuntersuchung gegen zwei Schweizer im Alter zwischen 30 und 50 Jahren wegen fahrlässiger Tötung. An einem Freitagnachmittag im Dezember 2020 war der 43-Jährige der Polizei aufgefallen, weil er parkierte Autos beschädigte. Da der Mann in seinem Zustand eine Gefahr für sich und andere darstellte, wurde er in die Zentrale Ausnüchterungs- und Betreuungsstelle (ZAB) in der Urania-Wache gebracht. Am späteren Abend erlitt der Mann einen Kreislaufstillstand, der herbeigerufene Notarzt musste den Mann reanimieren, woraufhin er ins Spital gebracht wurde. Dort starb er aus noch unbekannten Gründen.

Für die Fraktionen der Grünen und der AL im Gemeinderat ist klar: Beim Transport von der Urania-Wache ins Spital könne «wertvolle und unter Umständen lebensrettende Zeit verloren» gehen. Sie forderten vom Stadtrat deshalb, dass er die ZAB, im Volksmund «Hotel Suff» genannt, in die Nähe der Stadtspitäler rückt oder allenfalls dem Universitätsspital anschliesst. Polizeiliche Räumlichkeiten seien nicht der geeignete Ort, um intoxikierte Personen unterzubringen, sagte Luca Maggi (Grüne) in der Gemeinderatssitzung vom Samstag.

Andere Standorte wurden geprüft und verworfen

Es liege gar nicht in der Kompetenz des Gemeinderats, dies zu fordern, sagte die zuständige Stadträtin Karin Rykart (Grüne). Vor der Eröffnung der Ausnüchterungszelle in der Urania-Wache 2010 habe man andere Standorte geprüft – etwa das Waidspital. Aber dort wären die Baukosten sehr viel höher gewesen. Ausserdem komme es selten vor, dass Personen, die ins ZAB eingeliefert würden, in ein Spital überführt werden müssten: Zwischen 2017 und Mai 2021 lediglich 62-mal bei 3850 Menschen, die im «Hotel Suff» übernachteten.

Doch auch der Stadtrat wartet gespannt die Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft im Falle des verstorbenen 43-Jährigen ab: Sollte sich zeigen, dass die Abläufe innerhalb der ZAB den Tod mitverursacht hätten, würde man diese umgehend anpassen, sagte Rykart.

Die Grünen und AL blieben mit ihrer Forderung allein und scheiterten mit 24 zu 88 Stimmen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/hotel-suff-bleibt-in-urania-wache-701378164380)


+++ DEMO/AKTION/REPRESSION
Kundgebung auf Bundesplatz: Tausende lauschen Rede von Selenski | Kritik an Nestlé | Cassis hofft auf Waffenruhe
«Solidarität mit der Ukraine. Stoppt den Krieg jetzt!», lautet das Motto der Veranstaltung. Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wurde zugeschaltet.
https://www.derbund.ch/botschaft-kuendet-live-rede-von-selenski-an-cassis-macht-einfuehrung-742133932530
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/selenski-bedankte-sich-fuer-die-schweizer-sanktionen?partId=12162629
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/ukraine-krieg-selenski-spricht-zur-schweiz-und-kritisiert-nestle?urn=urn:srf:video:e359b0a7-0be5-4639-909b-32cca20128f3
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/ukrainischer-praesident-selensky-schaltet-sich-in-berner-kundgebung-145860444
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/ukrainischer-praesident-selensky-schaltet-sich-in-berner-kundgebung-145860939
.-> https://www.watson.ch/schweiz/ukraine/945202765-live-rede-ukraine-praesident-selenskyj-kritisiert-nestle-und-oligarchen
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/selenskyj-spricht-live-per-video-zu-ukraine-demo-in-bern-66135205
-> https://www.blick.ch/politik/selenskis-rede-im-wortlaut-warum-koennen-wir-nicht-auch-so-leben-wie-die-schweizer-id17332132.html
-> https://www.blick.ch/politik/frontal-angriff-in-bern-so-reagiert-nestle-auf-den-selenski-vorwurf-id17331791.html
-> https://www.20min.ch/story/ein-demonstrierender-bundespraesident-ist-das-letzte-was-es-braucht-530272016259


1000 Teilnehmer:innen an Friedensdemonstration in Winterthur. (08:56)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-gemeinderat-will-mehr-forschung-zur-buehrle-sammlung?id=12162632
-> https://www.landbote.ch/rund-1000-personen-demonstrieren-fuer-den-frieden-756271586781
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/rund-1000-personen-demonstrieren-in-winterthur-fuer-den-frieden-00178702/
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-1000-personen-demonstrieren-in-winterthur-zh-66135319


Ukraine-Friedenskundgebung in Basel mit 300 Menschen
Rund 300 Menschen haben sich am Samstagnachmittag in Basel versammelt. Gemeinsam demonstrieren sie “Gegen Krieg und Militarisierung” in der Ukraine.
https://telebasel.ch/2022/03/19/ukraine-friedenskundgebung-in-basel-mit-300-menschen
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-friedenskundgebung-in-basel-mit-300-menschen-66135432


Kundgebung in der Stadt Luzern: Demo prangert Rassismus in der Migrationspolitik an
«Alle heisst alle»: Am Freitagabend demonstrierten über 200 Menschen in Luzern für eine menschliche Schweizer Migrationspolitik. Sie wehren sich gegen eine Zweiklassengesellschaft im Umgang mit Flüchtlingen.
https://www.zentralplus.ch/news/demo-prangert-rassismus-in-der-migrationspolitik-an-2326847/
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/samstag-19-maerz-2022-ganze-sendung-145860113 (ab 04:22)
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zentralschweizer-ukraine-blog-hilfsgueter-fuellen-zwei-sattelschlepper-obwalden-schafft-kollektivunterkunft-in-giswil-ld.2256887
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/5065


+++KNAST
Häftling stirbt in Strafanstalt für psychisch Kranke
In der Haftanstalt Curabilis bei Genf ist ein 47-jähriger Insasse gestorben. Der Mann, der seit November 2019 inhaftiert war, wurde am Freitagabend erhängt in seiner Zelle aufgefunden.
https://www.aargauerzeitung.ch/news-service/vermischtes-people/trotz-reanimationsversuch-haeftling-stirbt-in-strafanstalt-fuer-psychisch-kranke-ld.2265325


+++POLIZEI ZH
tagesanzeiger.ch 19.03.2022

Tumult bei Frauendemo: Keine Verurteilung für Zürcher Prügelpolizist

Das Verfahren gegen den Polizisten, der an einer Frauendemo 2021 eine Demonstrantin geschlagen hat, ist eingestellt worden. Der Vorfall hat aber Auswirkungen auf die Polizeiausbildung.

Corsin Zander, Samuel Schalch (Foto)

Die Videobilder haben für viel Aufsehen gesorgt. Am 6. März 2021 verhaftete die Polizei bei einer Frauendemo an der Langstrasse mehrere Frauen. Dabei schlug ein damals 28-jähriger Polizist eine am Boden kauernde Frau zweimal wuchtig gegen den Kopf. Er habe durch seine Handschuhe mit Protektoren gespürt, wie sie ihn gebissen habe, und sich deshalb dazu entschieden, Ablenkungsschläge einzusetzen, sagte der Polizist später dazu.

Die Staatsanwaltschaft für besondere Untersuchungen, eine spezialisierte Abteilung, die sich auch mit Strafverfahren innerhalb der Polizei befasst, hat den Vorfall untersucht und ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch eröffnet. Dieses Verfahren ist nun eingestellt worden: Es scheine «nachvollziehbar und gerechtfertigt, dass der Beschuldigte auf den Biss zur Überwindung des andauernden Widerstands der Geschädigten mit Ablenkungsschlägen reagierte», schreibt der Staatsanwalt in der inzwischen rechtskräftigen Einstellungsverfügung, die diese Zeitung einsehen konnte.

Weiter steht darin, die Geschädigte – eine zum Zeitpunkt der Verhaftung 19-jährige Frau – müsse sich «vor dem Hintergrund ihres renitenten Verhaltens» den polizeilichen Einsatz von Gewalt vorhalten lassen. Gegen die Frau läuft noch immer ein Strafverfahren wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte. Dieses sei noch nicht abgeschlossen, heisst es bei der Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Der Polizist wird für seinen Anwalt mit 3000 Franken entschädigt, die Kosten des Verfahrens trägt der Staat.

Zürcher Polizei passt Ausbildung an

Obwohl das Strafverfahren gegen den Polizisten eingestellt worden ist, hat der Vorfall nun Auswirkungen auf die Ausbildung der Polizisten in Zürich und womöglich in der ganzen Schweiz. Die Zürcher Polizei nahm den Vorfall zum Anlass, die Ausbildungsunterlagen der Zürcher Polizeischule anzupassen. Darin heisst es neu: «Ablenkungsschläge gegen den Kopf sind nur in Fällen von Notwehr und Notwehrhilfe zulässig.»

In der Polizeiausbildung wird eine sogenannte Körperzielzonentafel verwendet. Diese teilt den Körper in eine grüne (minimale Verletzungsgefahr), eine gelbe (mittlere Verletzungsgefahr) und eine rote Zone (grosse Verletzungsgefahr) ein. Die obere Hälfte des Kopfes gehört dabei zur roten Zone. Befinden sich Zürcher Polizisten in keiner Notwehr- oder Notwehrhilfesituation, müssen sie ihre Ablenkungsschläge zuerst gegen eine grüne oder gelbe Zielzone vom Kopf an abwärts ausführen. Bringt das nicht den gewünschten Erfolg, sind solche Schläge mit der angepassten Regelung der Zürcher Polizei auch gegen den Kopf weiterhin erlaubt.

Ablenkungsschläge auch national ein Thema

Es ist gut möglich, dass auch das Schweizerische Polizei-Institut (SPI), das die national geltenden Lehrmittel für die Polizeiausbildung herausgibt, bei den Ablenkungsschlägen eine Lagebeurteilung durchführt. In den zuständigen Fachgremien werde regelmässig darüber diskutiert, Vorgaben anzupassen, sagt der SPI-Direktor Stefan Aegerter auf Anfrage. «Bis Mitte Jahr werden wir auch dieses Thema im normalen Turnus mit anderen Aktualisierungen aufnehmen und gegebenenfalls bereinigen.» Passt das SPI seine Lehrmittel nach dem Vorschlag der Zürcher Polizei an, gälte dies für die Ausbildung in der ganzen Schweiz.

Eine entsprechende Anpassung hatten auch Politikerinnen und Politiker wie der Gemeinderat Luca Maggi (Grüne) gefordert. Er begrüsst die Anpassung, gibt aber zu bedenken: «Von der Polizei erwarte ich, dass es gar nicht zu einer solchen Eskalation kommt.» Hätte die Polizei nicht einzelne Frauen aus der Menge heraus verhaftet, wäre es nicht zu solchen Tumulten gekommen, sagt Maggi. Diese Einschätzung stützt auch eine Äusserung des beschuldigten Polizisten im Strafverfahren. So werden seine Aussagen in der Einstellungsverfügung folgendermassen zusammengefasst: «Die Stimmung sei anfänglich nicht auffällig gewesen. Sobald sie mit den Kontrollen angefangen hätten, sei die Situation allerdings schlagartig gekippt und sehr aufgeheizt und aggressiv geworden.»

Kritik an «Aufrüstung» der Polizei

Für Politiker Maggi ist klar: «Die Polizei muss in erster Linie deeskalierend auftreten.» Doch die Entwicklung der vergangenen Jahre zeige in eine andere Richtung, sagt der Gemeinderat: «Ich stelle eine Aufrüstung der Polizei fest.» Maggi stört sich insbesondere auch daran, dass Mitglieder der Sondereinheit Skorpion, die eigentlich für Geiselnahmen oder schwere Gewaltverbrechen zuständig sind, bei Demonstrationen oder Sportanlässen eingesetzt werden.

Dort sind Skorpion-Polizisten öfter Teil der sogenannten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), die sogar polizeiintern als «Rambo-Truppe» bezeichnet wird. Zusammen mit der ehemaligen AL-Gemeinderätin Christina Schiller reichte Maggi zwei Postulate ein, welche die BFE abschaffen beziehungsweise Einsätze von Skorpion-Polizisten bei Demonstrationen und Sportanlässen unterbinden möchten. Die beiden Vorstösse sollen an der Gemeinderatssitzung heute Samstag behandelt werden.
(https://www.tagesanzeiger.ch/keine-verurteilung-fuer-zuercher-pruegelpolizist-727225362620)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-gemeinderat-will-mehr-forschung-zur-buehrle-sammlung?id=12162632 (ab 08:24)


+++FRAUEN/QUEER
“Freiheits- und Emanzipationsdiskurs auf ‘Pädos’ übertragen”
Bis in die 90er konnten sich “Pädo”-Aktivist*innen in queeren Räumen bewegen. Über diese bedrückende Zeit sprach queer.de mit Birgit Bosold vom Schwulen Museum und dem Aktivisten Matthias Katsch.
https://www.queer.de/detail.php?article_id=41413
-> Teil 2: https://www.queer.de/detail.php?article_id=41477


+++RASSISMUS
Stadt Bern organisiert eine Aktionswoche gegen Rassismus
Mit mehr als 40 Veranstaltungen startet heute die Aktionswoche gegen Rassismus, welche von der Stadt Bern organisiert wird. Bei der Aktionswoche wird der strukturelle Rassismus ins Zentrum gestellt. Ein Thema welches auch YB beschäftigt. So beteiligen sich die Fussballer an der Aktion.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/stadt-bern-organisiert-eine-aktionswoche-gegen-rassismus-145860429


+++RECHTSPOPULISMUS
Die Blitz-Bekehrung der Putin-Fans
Nach dem Angriff auf die Ukraine tun die Diktatoren¬verehrer in der Schweiz, Europa und den USA, was sie immer tun: sich geschmeidig aus der Verantwortung stehlen.
https://www.republik.ch/2022/03/19/die-blitz-bekehrung-der-putin-fans


+++RECHTSEXTREMISMUS
tagesanzeiger.ch 19.03.2022

Verdeckte Aufnahmen zeigen den gefährlichen Aufstieg einer jungen Neonazigruppe

Eine 40-minütige Tamedia-Dokumentation zeigt erstmals, wie die Neonazigruppe «Junge Tat» den Corona-Frust von Jugendlichen ausnutzte, um Anhänger zu rekrutieren und sich an die Spitze der Schweizer Neonaziszene zu setzen.
-> Video: -> Video: https://dev-interaktiv.tagesanzeiger.ch/2022/_film_rechte_szene/rechte-szene-1080p30.mp4

Kurt Pelda, Adrian Panholzer, Nicolas Fäs, Sarah Sbalchiero, Boris Gygax, Sebastian Broschinski, Dariush Mehdiaraghi

Jahrelang hat die kleine rechtsextreme Szene in der Schweiz stagniert. Doch die Corona-Krise verlieh ihr nun ausgerechnet bei den Jungen grossen Auftrieb. Obwohl an den Demonstrationen der Massnahmengegner anteilsmässig nur wenig Rechtsradikale vertreten waren, nutzte eine Gruppe von Neonazis die günstige Gelegenheit, neue Anhänger zu rekrutieren – vor allem junge Männer.

Während rund 18 Monaten hat diese Zeitung die Szene offen und verdeckt beobachtet und vieles davon auf Video festgehalten, an Demonstrationen der Impfskeptiker ebenso wie bei rechtsradikalen Veranstaltungen. Im Zentrum des Interesses stand die Junge Tat und ihre Mentoren aus der alten Garde der Neonazis. Sie ist die derzeit dynamischste und am schnellsten wachsende rechtsextreme Gruppierung.

Aktion vor der Tamedia-Redaktion

Am 22. Januar zum Beispiel konnte die Junge Tat an einer Corona-Demonstration in Bern etwa 30 Mitglieder und Anhänger mobilisieren und mit ihnen die Spitze des Umzugs übernehmen. Dies ist bemerkenswert, denn zwei Jahre zuvor hatte es diese Gruppierung noch gar nicht gegeben. Wie konnte es zu so einem Aufstieg kommen?

Den Anfang machte im Februar und März 2020 eine Handvoll Jugendlicher teils aus Winterthur und von der Zürcher Goldküste. Sie klebten unter anderem rassistische Sticker an Laternenpfähle. Der Winterthurer Kunststudent Manuel C. verklebte in einer Nachtaktion auch das Eingangsportal der Tamedia-Redaktion mit antisemitischen Pamphleten, wie Überwachungsvideos belegen. Begleitet wurden solche Strassenaktionen von einer virulenten nationalsozialistischen Propaganda in den sozialen Medien, vor allem auf Telegram.

Zunächst nannten sich diese Neonazigruppen noch Eisenjugend und Nationalistische Jugend Schweiz (NJS). Die Stadt Winterthur schätzte die Grösse der Szene 2020 auf bloss 5 bis 10 Personen. Aus einer Handvoll Personen ist heute eine bedeutende Gruppe geworden. Mitglieder sind es wohl nur wenige Dutzend, doch die Zahl der Sympathisanten ist grösser geworden, und das ist heute entscheidend.

«Durch das Internet ist es nicht mehr so wichtig, ob man Mitglied einer Gruppierung ist», sagt Damir Skenderovic, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg und Experte für Rechtsradikalismus in der Schweiz. «Es reichen ein paar wenige Propagandisten und Ideologen, die eingeschworen sind und im Internet auf sich aufmerksam machen und damit eine Anlaufstelle bilden.»

Drei Faktoren haben zum Aufstieg der Jungen Tat beigetragen: erstens die Unterstützung durch ältere Neonazigruppen wie Blood & Honour oder Eisern Luzern; zweitens die zumindest oberflächliche Abkehr der Gruppe von direkt nationalsozialistischen Parolen, die mögliche neue Mitglieder vor den Kopf stossen würden. Und drittens die Corona-Massnahmen, unter denen Jugendliche überproportional litten.

Nationalsozialismus mit Deckmäntelchen

Ein Teil der Rekrutierung besteht darin, belastete Begriffe zu vermeiden und durch neue zu ersetzen, die aber das Gleiche meinen. Wie in Deutschland und Österreich vermeiden moderne Schweizer Neonazis zum Beispiel den Begriff «Rasse» und ersetzen ihn durch «Kultur». Es ist dann nicht mehr von «Andersrassigen» die Rede, sondern zum Beispiel von «kulturfremden» Ausländern, die man am liebsten in ihre Heimatländer zurückschicken würde. Sie sprechen diesen «Kulturfremden» nicht grundsätzlich das Existenzrecht ab, sondern möchten einfach, dass die verschiedenen Kulturen – sprich Rassen – für sich in getrennten Gebieten leben. Also eine Art Apartheid hinter Landesgrenzen.

Auch wenn moderne Neonazis noch manchmal Tätowierungen und Glatzen tragen, hat sich ihr Äusseres stark verändert. Bei der Jungen Tat und anderen Gruppen sind zum Beispiel Turnschuhe der Marke New Balance beliebt. Ausserdem schwarze Jacken von North Face. Rechtsradikale lieben den Anfangsbuchstaben N dieser Marken, weil sie es mit den Begriffen National oder Nationalsozialistisch verbinden. Als Logo verwendet die Junge Tat eine Rune, die in der Hitlerjugend vor 80 Jahren als Leistungsabzeichen diente. Sogar ihre Frisuren gleichen oft jenen der Hitlerjugend.

Allerdings machen bei der Jungen Tat auch vereinzelte Langhaarige mit. Da wäre zum Beispiel ein 27-jähriger Schwyzer, der eine kaufmännische Lehre bei einer Vermögensverwaltungsbank in Zürich absolviert hat und heute unter anderem Hobbymusiker und Gitarrist einer Death-Metal-Band ist. Die meisten Sympathisanten kommen aus der Deutschschweiz, doch hat diese Zeitung auch schon Westschweizer sowie Deutsche und Franzosen aus dem grenznahen Ausland bei der Jungen Tat beobachtet.

Die neue Hoffnung der Altnazis

Bei ihrem Aufstieg haben der Jungen Tat auch die Vernetzung mit anderen Gruppen geholfen. Zum Beispiel mit der bisher weitgehend unbekannten Neonazigruppierung Eisern Luzern. Recherchen und Videoaufnahmen belegen nun erstmals, dass die Junge Tat im letzten Sommer an einem Seilziehturnier von Eisern Luzern teilnahm. Im Herbst stellte ihnen dann ein Bauer und Mitglied der kleinen Innerschweizer Neonazitruppe einen Raum für einen Vortrag zur Verfügung, wie ein Zuhörer dieser Zeitung erklärte. Thema: Kann Parteipolitik dazu beitragen, die von den Neonazis gewünschten politischen Veränderungen herbeizuführen?

Videoaufnahmen zeigen nun auch, wie die Junge Tat an Corona-Demonstrationen gemeinsam mit Eisern Luzern auftrat. Zusammen mit ihren Videos und Transparentaktionen ist es diese öffentliche Präsenz, die der Gruppe einen derartigen Auftrieb gab.

Gruppierungen wie die Junge Tat versuchen die Wut, die in der Pandemie entstanden ist, für ihre eigenen Zwecke zu nutzen, sagt Experte Skenderovic. «Dass diese Debatte in der Schweiz kaum stattfindet, zeigt einmal mehr das fehlende Sensorium für Rechtsextremismus in unserem Land.»

So setzen rechtsextreme Gruppierungen, die jahrelang mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hatten, nun plötzlich ihre Hoffnungen in die Jugend-Truppe. Die neue Videodoku zeigt das mit einer Aufnahme von der traditionellen Schlachtfeier in Sempach im Sommer 2021: Dabei nahmen 80 meist wesentlich ältere Neonazis teil. Doch als Hauptredner trat Manuel C. auf, der Anführer der Jungen Tat.



Das ist das Netzwerk der Neonazis in der Schweiz

Eisern Luzern

Eisern Luzern ist eine bislang unbekannte rechtsextreme Gruppierung aus der Innerschweiz. Sie hat 2020 das letzte grössere Rechtsrockkonzert in der Schweiz im Raum Luzern veranstaltet. Auf dem alljährlichen Seilziehturnier der Gruppierung trafen sich im Sommer 2021 auf einem Luzerner Bauernhof viele wichtige Köpfe der rechtsextremen Szene der Schweiz.

Junge Tat

Die Junge Tat ist die derzeit bekannteste rechtsextreme Gruppierung der Schweiz. Sie steht für den “modernen” Rechtsextremismus: Ihre Mitglieder posten hochwertig produzierte Propagandavideos im Internet und sind auf Social Media aktiv. Im Januar 2022 versuchten sie, eine Corona-Demonstration in Bern zu kapern und setzten sich an deren Spitze. Bei einer weiteren unbewilligten Demonstration in Zürich waren sie an Ausschreitungen mit Linksextremen beteiligt und wurden von der Polizei vorläufig festgenommen. Die Junge tat gilt als Jugendorganisation der Nationalen Aktionsfront.

Nationale Aktionsfront

Die NAF ist die Dachorganisation mehrerer rechtsextremer Gruppierungen in der Schweiz. Sie wurde 2014 gegründet und dient als Plattform für den Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen. Viele Mitglieder haben enge Verbindungen zu Blood & Honour und erhalten Beziehungen zu führenden Rechtsextremen im Ausland, wie dem deutschen Holocaust-Leugner Nikolai Nerling.

Blood & Honour

Blood & Honour ist ein internationales rechtsextremes Netzwerk, das in den 1980er-Jahren in Grossbritannien gegründet wurde. Die Gruppierung hat weiltweit mehr als 10’000 Mitglieder. Ihr Ziel ist es auch, die nationalsozialistische Ideologie unter Jugendlichen zu verbreiten. Für die Vernetzung organisiert die Gruppierung vor allem Konzerte und Festivals. In der Schweiz gibt es sowohl in der Deutschschweiz als auch in der Romandie mehrere Sektionen. Vor allem die Zürcher Sektion von Blood & Honour hat in den vergangenen Jahren wiederholt Konzerte mitorganisiert. Der Nachrichtendienst des Bundes stuft das Gefahrenpotential von Blood & Honour als “erhöht” ein. In Deutschland wurde die Gruppierung im Jahr 2000 verboten.

Combat 18

Combat 18 ist eine bewaffnete Unterorganisation von Blood & Honour. Die Zahlen stehen für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets: AH, die Intitialen von Adolf Hitler. In ihrer Ideologie berufen sich die “Kameraden” von Combat 18 auf die rassistische Vorstellung einer Herrschaft der “weissen Rasse”. In Deutschland ist die Gruppierung seit 2020 verboten.

Hammerskins

Die Hammerskins sind ein weltweites rechtsextremes Netzwerk, das sich 1988 in Dallas, Texas, formiert hat. Die erste Schweizer Sektion, genannt “Chapter”, wurde 1990 in Luzern gegründet. Die Hammerskins verstehen sich als elitäre Bruderschaft. Mitglieder müssen deshalb ein langjähriges Aufnahmeverfahren durchlaufen.
Unerwünschte Personen, zum Beispiele Alkohlsüchtige oder “Maulhelden”, sind davon ausgeschlossen. Die Hammerskins organisieren regelmässig europaweite und internationale Treffen und Konzerte, an denen sich Delegierte aller Hammerskin-Chapter zusammenfinden. Der Nachrichtendienst des Bundes stuft das Gefahrenpotential der Hammerskins als “erhöht” ein.

Pnos

Die Pnos war eine rechtsextreme Partei, die im Jahr 2000 gegründet wurde. Abgesehen von einigen Sitzen in einzelnen Lokalparlamenten, gelang es ihr nicht, die Wähler für sich zu gewinnen. Stattdessen fielen ihre MItglieder immer wieder mit rassistischen und antisemitischen Äusserungen auf. 2021 wurden ihr Präsident und ihr Vizepräsident von der Staatsanwaltschaft wegen Rassendiskriminierung verurteilt, weil sie im Parteimagazin “Harus” das antisemitische Pamphlet “Die Protokolle der Weisen von Zion” abdrucken liessen. Ende Januar 2022 hat sich die Pnos aufgelöst.

Miran S.*

Miran S.* ist der mutmasslich erste Rechtsterrorist der Schweiz. Die Behörden werfen ihm vor, dass er einen Anschlag auf eine Ostschweizer Moschee geplant hat. Er konnte aus einer Massnahmenanstalt fliehen und hält sich inzwischen in Kroatien auf. Er ist international zur Fahndung ausgeschrieben.
(https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2022/das-rechtsextreme-netzwerk-der-schweiz)



tagesanzeiger.ch 19.03.2022

Experte zum Erfolg der Neonazis: «Die Szene in der Schweiz hat ein bedeutendes Potenzial»

Eine Videoreportage der Redaktion Tamedia zeigt erstmals auf, wie sich Schweizer Neonazis im In- und Ausland vernetzen und dank Corona neue Anhänger gewinnen. Experte Damir Skenderovic erklärt, wie das möglich ist.

Adrian Panholzer, Nicolas Fäs

Recherchen der Redaktion Tamedia, präsentiert in einem 40-minütigen Film, zeigen erstmals ein Netzwerk von Neonazis, das sich durch die ganze Schweiz zieht und enge Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen im Ausland pflegt. Für Damir Skenderovic, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg und Experte für Rechtsextremismus, passt das ins historische Bild: Im Vergleich zum Ausland habe die Neonazi-Szene in der Schweiz viel mehr Freiheiten und sei dadurch immer wieder eine Drehscheibe für den internationalen Rechtsextremismus gewesen.

Recherchen der Redaktion Tamedia, präsentiert in einem 40-minütigen Film, zeigen erstmals ein Netzwerk von Neonazis, das sich durch die ganze Schweiz zieht und enge Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen im Ausland pflegt. Für Damir Skenderovic, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg und Experte für Rechtsextremismus, passt das ins historische Bild: Im Vergleich zum Ausland habe die Neonazi-Szene in der Schweiz viel mehr Freiheiten und sei dadurch immer wieder eine Drehscheibe für den internationalen Rechtsextremismus gewesen.

Recherchen der Redaktion Tamedia zeigen, dass rechtsextremes Gedankengut besonders von jungen Gruppen wie der Jungen Tat mit Erfolg verbreitet wird.

Rechtsextreme müssen sich nicht mehr physisch treffen, um sich zu vernetzen. Durch das Internet ist es auch nicht mehr so wichtig, ob man Mitglied einer Gruppierung ist. Früher kam man nur so an Treffen der Szene. Man kann sich rechtsextreme Ideen heute auf ganz anderen Wegen aneignen. Das geht über Propaganda und Sprache, im Internet und in den sozialen Medien. In den letzten zwei, drei Jahren ist in der Schweiz die Junge Tat mit ihren Videos und inszenierten Aktionen in den sozialen Netzwerken ein Beispiel dafür.

Es geht also nicht mehr um die Zahl der Mitglieder?

Mit ihren Auftritten, Demonstrationen und Inszenierungen will die Junge Tat den virtuellen, öffentlichen Raum besetzen. Es reichen ein paar wenige Propagandisten und Ideologen, die eingeschworen sind und im Internet auf sich aufmerksam machen und damit eine Anlaufstelle bilden.

Welche Rolle spielt die Schweiz international in der rechtsextremen Szene?

Die Schweiz war schon in der Vergangenheit immer wieder eine Drehscheibe für den Rechtsextremismus. Ich denke dabei zum Beispiel an die Schweiz als Konzertort. 2016 hat im Toggenburg ein Konzert mit über 5000 Besuchenden stattgefunden. Das ist eine sehr hohe Zahl und zeigt, dass die Szene in der Schweiz ein bedeutendes Potenzial hat und auch logistisch dazu in der Lage ist, solche Events auf die Beine zu stellen.

In welchen Ländern bauten Schweizer Rechtsextreme Kontakte auf?

Schweizer Rechtsextreme vernetzten sich mit Gleichgesinnten in den USA, in Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und so weiter. Die Internationalisierung ist ein zentrales Kennzeichen des Rechtsextremismus nach 1945. Und die Schweiz hat in diesem Netzwerk immer auch eine Rolle gespielt.

Welche Rolle spielte die Schweiz dabei in Bezug auf die Verbreitung rechtsextremer Ideologie?

Die Schweiz wurde zum Beispiel nach 1945 zu einer Drehscheibe für Holocaust-Leugner. Sie konnten von hier aus relativ ungestört ihre Propaganda verbreiten. Diese Rolle nehmen einige im globalen Netzwerk übrigens auch heute noch ein, wobei sie inzwischen meist in anderen Ländern, in Russland oder dem Iran, wohnen.

Wie müsste man dieser Internationalisierung begegnen?

Es bräuchte in Bezug auf Anti-Rassismus-Gesetze, das Verbot nationalsozialistischer Symbolik oder in der Frage der Holocaust-Leugnung eine viel stärkere internationale Zusammenarbeit der Behörden, um dagegen vorzugehen. Denn dieser transnationale Austausch von Propaganda hält den Rechtsextremismus am Leben. Aber die Schweiz ist dabei nicht sehr aktiv.

Seit 2020 spielt ein neuer Faktor eine Rolle: die Pandemie. Unsere Recherche zeigt, dass Rechtsextreme von Anfang an gezielt die Corona-Demonstrationen unterwandert haben.

Diese Diskussion wird in Deutschland seit Beginn der Pandemie sehr intensiv geführt. In der Schweiz findet diese Debatte aber kaum statt. Dabei ist es deutlich, dass Rechtsextreme versuchen, diese Situation auszunutzen, indem sie antisemitische und andere Verschwörungstheorien in die Diskussion bringen, die ja bereits viel älter sind als die Pandemie. Es zeigt sich auch in Deutschland oder in den USA, dass die extreme Rechte damit versucht, die Unzufriedenheit und die Wut, die in der Pandemie entstanden ist, für ihre eigenen Zwecke zu nutzen.

Die Schweiz wurde in Bezug auf Rechtsextremismus von Forschenden schon als «Insel des Friedens» bezeichnet.

Der Rechtsextremismus wurde in der Vergangenheit in der Schweiz oftmals unterschätzt. Man siedelte ihn an den Rändern der Gesellschaft an und übersah, dass gerade in jüngeren Generationen rechtsextreme Ideen immer wieder auf Anklang gestossen sind.

Warum ist das so?

Man hat der Schweiz auch eine Sonderrolle zugesprochen, weil sie in den 1930er- und 1940er-Jahren kein faschistisches Regime hatte. Man sah und sieht den Rechtsextremismus daher als ein Problem von Deutschland, Frankreich oder Österreich, nicht aber der Schweiz. Und nicht zuletzt wird der Rechtsextremismus in der Schweiz auf Gewalt reduziert. Es fehlt das Sensorium für andere, ideologisch geprägte Formen des Rechtsextremismus.

Worin zeigt sich das?

Das war zum Beispiel bei den rechtsextremen Aufmärschen auf dem Rütli in den 2000ern deutlich zu sehen. Rechtsextreme skandierten dort im Jahr 2000 während einer Rede von Bundesrat Kaspar Villiger ihre Parolen. Villiger antwortete danach in Interviews, dass er nicht wisse, was für Leute das seien und welche politischen Positionen sie verträten. Das war gewissermassen das Eingeständnis von offizieller Seite, dass man auf behördlicher Seite nicht viel weiss über den Rechtsextremismus in der Schweiz.

Was ist seither passiert?

Es gab in der Folge zwar ein Forschungsprogramm des Schweizerischen Nationalfonds, das sich der Thematik annahm. Aber seither ist in der Forschung nur sehr wenig passiert. Heute widmen die Behörden dem Rechtsextremismus wenig Aufmerksamkeit. Das zeigt sich auch in den offiziellen Berichten, etwa des Schweizer Nachrichtendienstes, in welchen spärlich Informationen zum Rechtsextremismus vorhanden sind.

Kann man das rechtsextreme Potenzial in der Schweiz trotzdem irgendwie einschätzen?

Wie gesagt, gibt es dazu kaum aktuelle, präzise Daten von den Behörden. Es gibt aber eine Studie aus dem Jahr 2006. Damals wurde eine Umfrage unter Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren gemacht. Zehn Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit rechtsextremen Ideen oder Gruppierungen sympathisieren. Das ist eine enorme Zahl. Aktuellere Jugendstudien in anderen europäischen Ländern deuten auf ähnliche Zahlen hin.

Wie wirkt sich dieses Potenzial auf die Gefährlichkeit der Szene aus?

Auch hierzu gibt es kaum aktuelle Einschätzungen. Es gibt aber Hinweise aus der Vergangenheit. In den 1980er- und 1990er-Jahren gab es regelmässig rechtsextreme Gewalt in der Schweiz. Im europäischen Vergleich gab es sogar sehr viele rechtsextreme Gewalttaten. Für die Gegenwart kann man einen Blick auf andere Länder und die weltweite Entwicklung des Rechtsextremismus in den letzten Jahren werfen.

Zum Beispiel?

Länder wie Norwegen oder Neuseeland, die nicht als rechtsextreme Hotspots galten, standen in den vergangenen Jahren durch die Attentate in Utöya und Christchurch plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Solche «Einzeltäter» haben durch die mediale Wirkung ihrer Taten auch eine Art «Vorbildfunktion» in der globalen, rechtsextremen Szene. Und auch die Schweiz ist Teil des globalen Phänomens. Sie ist keine Insel in dieser rechtsextremen Landschaft.

Der Nachrichtendienst der Schweiz sieht gerade in Einzeltätern die grösste Gefahr. Weil sie meist keinen Gruppierungen angehörten, seien sie kaum zu kontrollieren.

Es gibt in den letzten Jahren dieses Bild der «Einsamen Wölfe», also Personen, die als Einzeltäter agieren und völlig unabhängig Gewalt ausüben. Ich bin sehr skeptisch gegenüber dieser These. Denn auch Attentäter, die sich so radikalisiert haben, bewegen sich – durch das Internet und die sozialen Medien – in einem rechtsextremen kommunikativen und sozialen Netz. Sie tauschen sich dort mit Kontakten aus und radikalisieren sich – auch ohne dass sie formell einer Gruppierung angehören.

Die exklusive Videodokumentation der Redaktion Tamedia über das rechtsextreme Netzwerk der Schweiz finden Sie hier.



Damir Skenderovic – zur Person

Damir Skenderovic ist ordentlicher Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte der radikalen Rechten, historische Migrationsforschung, 68er-Bewegung, Gegenkulturen, Inklusion und Exklusion.



Rechtsextreme Gewalt in der Schweiz in den 1980ern und 1990ern

In den 1980er- und 1990er-Jahren schlossen sich vor allem junge, rechtsextreme Skinheads zu Gruppen zusammen und traten vermehrt in der Öffentlichkeit auf. Diese Jahre waren geprägt von extremen Gewalttaten. Allein zwischen 1988 und 1993 wurden in der Schweiz 378 Gewalttaten registriert. Dabei wurden 13 Menschen getötet und 145 Personen verletzt.
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-szene-in-der-schweiz-hat-ein-bedeutendes-potenzial-764112867107)



Sie kämpfen in Mariupol gegen Putins Truppen: Wie nationalistisch ist das Asow-Regiment?
Rund 2000 Mitglieder gehören dem hochumstrittenen ukrainischen Asow-Regiment an. In Putins Narrativ spielen sie eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, die Propaganda der «Entnazifierung» voranzutreiben. Aber was ist das für eine Truppe?
https://www.blick.ch/ausland/sie-kaempfen-in-mariupol-gegen-putins-truppen-wie-nationalistisch-ist-das-asow-regiment-id17329269.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Ukraine Krieg: Expertin warnt vor Russen-Propaganda auf Social Media
Russland versucht, auf Instagram den Ukraine-Krieg zu relativieren. Eine Expertin spricht eine Warnung aus.
https://www.nau.ch/news/europa/ukraine-krieg-expertin-warnt-vor-russen-propaganda-auf-social-media-66133292


Corona-Massnahmengegner ziehen durch die Innenstadt
Die Kund¬gebung bewegt sich vom Bahnhof in Richtung Klein¬basel und störte dabei den Tramverkehr der Linien 2 und 15.
https://primenews.ch/news/2022/03/corona-massnahmengegner-ziehen-durch-die-innenstadt


+++FUNDIS
Freikirchen empfangen Flüchtende mit offenen Armen – warum das problematisch sein kann
Religiöse Gruppen empfangen Flüchtende aus der Ukraine mit offenen Armen. Doch gerade bei radikalen Evangelikalen verbirgt sich hinter der Hilfsbereitschaft oftmals eine missionarische Absicht.
https://www.watson.ch/international/ukraine/122177149-sekten-und-freikirchen-wollen-fluechtlinge-aus-der-ukraine-aufnehmen


+++HISTORY
Zwangsarbeit für Bührle – Zürcher Stadtparlament gibt weitere Bührle-Forschungen in Auftrag
Der Kunstsammler Emil Bührle soll Nutzniesser von Zwangsarbeit gewesen sein. Nun folgen weitere Untersuchungen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/zwangsarbeit-fuer-buehrle-zuercher-stadtparlament-gibt-weitere-buehrle-forschungen-in-auftrag
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-gemeinderat-will-mehr-forschung-zur-buehrle-sammlung?id=12162632
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-gemeinderat-gibt-weitere-buehrle-forschungen-in-auftrag-00178680/
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/der-waffen-haendler-und-kunst-sammler-emil-buehrle-kommt-nicht-aus-den-schlagzeilen-145860947



nzz..ch 19.03.2022

War er «Rüstungsindustrieller» oder «Waffenproduzent»? Das Zürcher Stadtparlament streitet über Emil Bührle und seine Kunstsammlung

Die rot-grünen Parteien erwirken zusätzliche historische Forschungsarbeiten zu Emil Bührle. Die Stadtpräsidentin Corine Mauch begrüsst es, gibt sich sonst aber kurz angebunden.

Daniel Fritzsche

Zu Emil Georg Bührle und dem Kunsthaus ist alles gesagt. Nur nicht von jedem. Dieses Credo hat sich das Zürcher Stadtparlament am Samstag zu Herzen genommen. Über nicht weniger als fünf Vorstösse haben Politiker von links bis rechts ausgiebig debattiert.

Im Kern ging es dem rot-grün dominierten Rat darum, die Schattenseiten des Waffenproduzenten und Bildersammlers stärker auszuleuchten und im neuen Kunsthaus-Erweiterungsbau zu präsentieren. Eine Forderung, die mit den neu verhandelten Leih- und Subventionsverträgen eigentlich bereits erfüllt ist.

Der Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) merkte man an, dass sie das Thema möglichst rasch vom Tisch haben wollte. Sie werde sich nur einmal zu allen Vorstössen äussern, machte sie gleich zu Beginn klar. Mauch wurde aus den eigenen Reihen vorgeworfen, in der Causa Bührle keine gute Falle gemacht und Verantwortung abgeschoben zu haben.

Die Stadtpräsidentin räumte ein, dass in dieser Sache nicht alles so gelaufen sei, wie sie sich es im Nachhinein gewünscht hätte. «Nun ziehen wir die Lehren daraus.» Man sei an jeder weiteren Forschung rund um Bührles Wirken und seiner Sammlung interessiert. Und man habe unterdessen wichtige Schritte in diese Richtung unternommen.

Unzufrieden mit dem Annexraum

Bis auf einen Vorstoss fanden alle Anliegen Mehrheiten. Die grösste Zustimmung – von AL bis FDP – erhielt ein Postulat, das den Stadtrat auffordert, den Dokumentationsraum im zweiten Obergeschoss des Erweiterungsbaus zu ergänzen. Das Thema Raub- und Fluchtkunst soll stärker gewichtet werden. Die Besucher müssten nachvollziehen können, wie die Sammlung Bührle entstanden sei und den Weg ins Kunsthaus gefunden habe. Dafür gebe es eine «demokratische und moralische Verpflichtung», sagte Ernst Danner (EVP). Auch soll die Bedeutung von früheren, jüdischen Besitzern, die ihre Kunstschätze zum Teil unter Zwängen veräussern mussten, gewürdigt werden.

Willi Wottreng (AL) sprach davon, den Dokumentationsraum von «Beschönigungen» zu befreien. Statt «Rüstungsindustrieller» müsse Bührle etwa als «Waffenproduzent» benannt werden. «Das rosa Make-up muss abgeschminkt werden», sagte er. Die Ausstellung sei für ihn auf dem Niveau einer langweiligen Maturarbeit gehalten: «Bleiwüsten, keine bewegten Bilder, keine Farbe, nichts.» Wottreng ortete eine gewisse Lustlosigkeit oder gar aktiven Widerwillen bei der Gestaltung.

Ronny Siev (GLP) ärgerte sich ebenfalls über den heutigen Annexraum. Dass die Stadt und insbesondere Corine Mauch, die bei anderen Themen – Stichwort «Mohrenköpfe» – fast schon hypersensibel seien, hier nicht genauer hingeschaut hätten, sei unverständlich. Die kurz gehaltenen Worte der Stadtpräsidentin während der Debatte bezeichnete Siev im Anschluss als «schwache Leistung».

Die «selektive Ethik» der linken Parteien

Mehrheiten gab es für zwei historische Forschungsarbeiten, die der Stadtrat nun in Auftrag geben soll, um «Forschungslücken zu schliessen», wie Ursula Näf (SP) sagte: Zum einen sollen die Vorgänge im «Marienheim», einem Mädchenheim im Toggenburg, näher untersucht werden. Fürsorgebehörden aus der ganzen Deutschschweiz, darunter auch jene der Stadt Zürich, sollen dort über die Jahre mindestens 300 Mädchen gegen ihren Willen untergebracht haben. Diese sollen in einer Spinnerei, die Emil Bührle gehörte, «Zwangsarbeit» verrichtet haben.

Die zweite Forschungsarbeit soll sich der Geschichte der Frauen des Arbeitslagers Velten in Deutschland widmen. Unter Zwangsarbeit hätten viele Jüdinnen, Sinti und Roma während des Zweiten Weltkriegs in einer Fabrik Flügelkanonen herstellen müssen, führte Markus Knauss (Grüne) aus. Bührle habe daran mitverdient.

Die SVP lehnte beide Vorstösse ab, die FDP enthielt sich. Frank Rühli (FDP) sprach sich für eine «konstruktive und objektive Geschichts- und Provenienzforschung» aus – jedoch nicht für «Cancel Culture oder einseitige Geschichtsverklärung». Gute Forschung sei ergebnisoffen und kenne nicht schon zu Beginn das Resultat, sagte der Universitätsprofessor.

Es sei zwar richtig, dass man zu Bührle weiter forsche, meinte auch Stefan Urech (SVP). Aber das sei die Aufgabe von unabhängigen Hochschulen und solle nicht im Auftrag der Stadt geschehen. Der Gemeinderat erinnere ihn immer mehr an eine «Fakultät für historische Aufarbeitung», da regelmässig solche Berichte veranlasst würden.

Urech warf Rot-Grün zudem «Heuchelei» vor. Dem Architekten Le Corbusier, der eine «antisemitische Ader» gehabt habe, werde in einem Pavillon am Zürichhorn gewürdigt, ohne dass die dunklen Seiten gross thematisiert würden. Es sei eine «sehr selektive Ethik», der die linken Parteien folgten. Beim Waffenhändler Bührle lege man einen viel strengeren Massstab an. Die «linken Moralaposteln» würden wohl erst ruhen, wenn die Sammlung Bührle ganz aus dem Kunsthaus verschwinde.

Genau das hielte Willi Wottreng für kein Drama, wie er offen sagte. «Wir können uns Zürich ohne Bührle vorstellen», meinte der AL-Politiker. Sein Vorschlag, die Stiftung Bührle zu einer Schenkung ihrer Bilder an die Stadt zu bewegen, erlitt deutlich Schiffbruch. Neben inhaltlichen Gründen sprachen grosse juristische Bedenken gegen ein solches Vorhaben. Nur die AL votierte am Ende dafür, SP und Grüne enthielten sich.
(https://www.nzz.ch/zuerich/kunsthaus-zuerich-sammlung-buehrle-gibt-im-gemeinderat-zu-reden-ld.1675358)