Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
Reportage: So lebt man in Berns grösster Flüchtlingsunterkunft
Bereits sind über 100 Flüchtlinge aus der Ukraine in die Zivilschutzanlage unter dem Eishockeystadion auf der Allmend eingezogen. Mit 550 Betten ist es die grösste Flüchtlingsunterkunft der Stadt Bern. Unsere exklusive Reportage zeigt, wie es den Frauen und Kindern im Untergrund ergeht. (ab 03:20)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/reportage-so-lebt-man-in-berns-groesster-fluechtlingsunterkunft?id=12162305
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/immer-mehr-ukrainische-fluechtlinge-kommen-in-der-schweiz-an-145850530
Stadt stellt kurzzeitige Unterbringung für Schutzsuchende sicher
Die Stadt Bern hat für die Schutzsuchenden aus der Ukraine bisher 550 Plätze in Zivilschutzanlagen in Betrieb genommen. Diese dienen der kurzzeitigen Unterbringung für Menschen, die noch keine Unterkunft haben. Die Stadt Bern ist auch bereit, über eine zusätzliche Anlaufstelle den Ausweis S für Schutzbedürftige aus der Ukraine auszustellen.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/stadt-stellt-kurzzeitige-unterbringung-fuer-schutzsuchende-sicher
-> https://www.derbund.ch/stadt-bern-stellt-550-plaetze-fuer-schutzsuchende-aus-der-ukraine-bereit-534903574940
Der Kanton Bern setzt zur Krisenbewältigung den Sonderstab Ukraine ein. (ab 02.47)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/stadt-freiburg-tueftelt-an-der-beleuchtung-der-zukunft?id=12162029
Grosshöchstetten – Militärunterkunft für Ukraine-Flüchtlinge
Der Gemeinderat Grosshöchstetten hat beschlossen, die ehemalige Militärunterkunft im Gemeindehaus für Flüchtende aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen.
https://www.bern-ost.ch/Grosshoechstetten—Militaerunterkunft-fuer-Ukraine-Fluechtlinge-652217
Motion Grüne, SP, EVP, GLP, Mitte, AL: Menschenwürdige Bedingungen auch für abgewiesene Asylsuchende
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=3f987821542342a8b3fc26c4ed0fca59
Postulat EDU SP, Mitte, Grüne: Prüfung einer kantonalen Immobilienstrategie für den Asyl- und Flüchtlingsbereich
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=704104b1223a4a6eb013d3be0609f2df
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bernerzeitung.ch 18.03.2022
Leeres Schulhaus in Kirchlindach: Gemeinde prüft eine Bildungsstätte für Flüchtlinge
Das Schulhaus Herrenschwanden steht leer. Nun prüft die Gemeinde Kirchlindach, ob es eine regionale Bildungsstätte für Kinder aus der Ukraine werden könnte.
Sandra Rutschi, Nicole Philipp(Foto)
Eigentlich wollte die Gemeinde Kirchlindach das Schulhaus Herrenschwanden abreissen und durch Wohnungen ersetzen. Doch die Gemeindeversammlung machte diesen Plänen im Dezember vorerst einen Strich durch die Rechnung. Sie wies das Vorhaben zurück.
Das könnte nun ukrainischen Flüchtlingen zugutekommen, wie die Gemeinde am Freitag mitteilt. Sie prüft, ob das leer stehende Gebäude zu einer regionalen Bildungsstätte für Flüchtlingskinder werden könnte. «Da das Schulhaus in einer Zone für öffentliche Nutzung steht, kommt es als Unterkunft auf die Schnelle nicht infrage», sagt Marc Aeberhard, Gemeinderat für Soziales, Kultur und Sport. «Aber für den Unterricht und die Betreuung von Flüchtlingskindern wäre das Schulhaus geeignet.»
Lehrkräfte aus der Ukraine
Der Kanton Bern rechnet bis Ende 2022 mit der Einreise von 5000 bist 30’000 Flüchtenden aus der Ukraine. «Bislang steht vor allem die Frage nach einer Unterkunft im Fokus aller Behörden», sagt Aeberhard. «Doch die Menschen werden rasch Tagesstrukturen und die Kinder Unterricht benötigen.»
Aktuell befinden sich bereits über 100 Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter im Kanton Bern. Im Zentrum stehen für die Kinder und Jugendlichen Deutschkurse und nicht das Vermitteln des Schulstoffs (lesen Sie dazu auch: Die Schule soll Ruhe in ihr Leben bringen).
Die Flüchtlingskinder in Regelklassen zu integrieren, sei wegen der Anzahl und der Sprache schwierig. «Unser Bildungssystem würde das wohl kaum bewältigen», sagt Aeberhard. In einer Bildungsstätte wie zum Beispiel in Herrenschwanden könnten aber Lehrkräfte aus der Ukraine angestellt werden, die ebenfalls in die Schweiz flüchten mussten. «Vielleicht hat es auch Schulleitende darunter», so Aeberhard.
Mit Kanton und Region koordinieren
Möglich wäre es laut Aeberhard auch, in Herrenschwanden Betreuungsstrukturen wie eine Tagesschule oder einen Mittagstisch anzubieten. «Unsere Küche ist zwar bescheiden eingerichtet, aber in der Not wird man kreativ», sagt er.
Die Gemeinde wolle rasch und sinnvoll helfen, aber nicht in «Aktionitis oder Hilfitis» verfallen, betont Aeberhard. Deshalb sei eine Koordination mit dem Kanton und in der Region wichtig. «Es ist sicher sinnvoll, wenn mehrere Gemeinden zusammenspannen.»
Deshalb diskutiere Kirchlindach über dieses Thema zusammen mit den Gemeinden Bremgarten, Wohlen, Meikirch und Frauenkappelen innerhalb der Regionalen Sozial- und Generationenbehörde (RSGB). Auch mit dem Kanton hat sie Kontakt aufgenommen. Je nach Auflagen des Kantons und dem Zusammenspiel der Behörden könnte die Schule bereits im Mai bereitstehen, wünscht sich Aeberhard.
Keine starren Vorgaben
Der Kanton mache keine starren Vorgaben, ob Kinder in die Regelklassen integriert werden oder andere Lösungen gesucht werden sollen, schreibt die kantonale Bildungsdirektion auf Anfrage. Die bestehenden Angebote und die Situation vor Ort müssten berücksichtigt werden. «In Regionen mit wenig Kindern erfolgt die Integration in die Regelschulen mit zusätzlichen Lektionen ‹Deutsch als Zweitsprache›. Je nach Anzahl der Kinder erfolgt ein Ausbau der Intensivkurse Deutsch oder das Eröffnen von regionalen Willkommensklassen.»
Das Schulhaus Herrenschwanden als Bildungsstätte für Flüchtlingskinder zu nutzen, liege in der Entscheidungshoheit der Gemeinden. «Die Bildungs- und Kulturdirektion begrüsst es, wenn möglichst gute Lösungen für Flüchtlingskinder gefunden werden.» Grundsätzlich würden sich für Willkommensklassen alle Liegenschaften eignen, die sich mit geringem Aufwand in Schulräume umfunktionieren liessen.
(https://www.bernerzeitung.ch/gemeinde-prueft-eine-bildungsstaette-fuer-fluechtlinge-427182342316)
+++AARGAU
Immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine kommen zu uns. Der Aargau rechnet mit 200 bis 400 Personen pro Woche. Im Gespräch erzählen die Regierungsräte Jean-Pierre Gallati (Aargau/SVP) und Susanne Schaffner (Solothurn/SP) wie unsere Region vorbereitet ist. (ab 06:519
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/ueber-300-millionen-plus-statt-100-millionen-minus?id=12162326
Flüchtlinge aus Ukraine ziehen in kantonaler Asylunterkunft ein – Einsprachen gegen Neubau machen das möglich
Drei Mehrfamilienhäuser in Neuenhof stehen vor dem Abriss. Hier sollen drei neue Liegenschaften mit doppelt so vielen Wohnungen entstehen. Weil sich das Projekt verzögert, finden hier nun Flüchtlinge Platz. Für wie lange, ist aber unklar.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/baden/neuenhof-fluechtlinge-aus-ukraine-ziehen-in-kantonaler-asylunterkunft-ein-einsprachen-gegen-neubau-machen-das-moeglich-ld.2264778
+++BASEL
Schulen bereiten sich auf Geflüchtete vor
Hauptsächlich handelt es sich bei den Geflüchteten aus der Ukraine um Frauen und Kinder. Die Kinder werden hier in die Schule gehen.
https://telebasel.ch/2022/03/18/schulen-bereiten-sich-auf-gefluechtete-vor/?utm_source=lead&utm_medium=grid&utm_campaign=pos%200&channel=105100
+++LUZERN
Der Kanton Luzern eröffnet in Wikon ein weiteres Asylzentrum für Geflüchtete aus der Ukraine. (ab 01:16)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/investor-puehringer-eroeffnet-neues-restaurant-in-vitznau?id=12162374
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/krieg-in-der-ukraine-kanton-luzern-ruft-wegen-ukraine-fluechtlingen-den-notstand-aus-ld.2265062
Unterbringung für Flüchtlinge: Ukraine-Krieg: Kanton Luzern erklärt Notlage
Um die Flüchtlingskrise besser bewältigen zu können, erklärt der Kanton Luzern die Notlage und bietet den Zivilschutz auf. Regierungsrat Guido Graf erklärt die Hintergründe und sagt, wo weitere 120 Menschen aus der Ukraine Platz finden werden.
https://www.zentralplus.ch/politik/ukraine-krieg-kanton-luzern-erklaert-notlage-2326377/
+++SCHAFFHAUSEN
Schaffhausen sucht Unterkünfte für ukrainische Flüchtlinge und bittet die Bevölkerung um Hilfe. (ab 10:10)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/300-millionen-fuer-guenstige-wohnungen-in-zuerich?id=12162296
-> https://www.toponline.ch/news/schaffhausen/detail/news/privatpersonen-bieten-unterkuenfte-fuer-ukraine-fluechtlinge-an-00178579/
+++ZUG
Ukrainische Flüchtlinge beziehen Unterkunft in Menzingen
https://www.tele1.ch/nachrichten/ukrainische-fluechtlinge-beziehen-unterkunft-in-menzingen-145850143
Gefahr durch Tollwut: So geht Zug mit den Haustieren der Geflüchteten um
Die Schweiz empfängt flüchtende Menschen aus der Ukraine mit offenen Armen. Der «Schutzstatus S» ermöglicht eine unbürokratische Einreise. Doch was für Regeln gelten eigentlich für die mitgebrachten Haustiere?
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/so-geht-zug-mit-den-haustieren-der-gefluechteten-um-2326269/
+++ZÜRICH
Ukraine-Flüchtlinge: Kirchen öffnen Pfarrhäuser
Die vielen geflüchteten Menschen aus der Ukraine können im Kanton Zürich auf grosse Unterstützung zählen. Auch die Kirchen engagieren sich, organisieren Deutschkurse, Treffpunkte und öffnen ihre Pfarrhäuser und Zentren, um Geflüchtete aufzunehmen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/ukraine-fluechtlinge-kirchen-oeffnen-pfarrhaeuser?id=12162062
Winterthur und Küsnacht stellen 200 Plätze für ukrainische Flüchtlinge zur Verfügung. (ab 02:14)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/kritik-und-lob-joseph-bonnemains-erstes-jahr-als-churer-bischof?id=12162185
-> https://www.landbote.ch/stadt-stellt-im-adlergarten-100-plaetze-fuer-fluechtlinge-bereit-485731624430
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/ehemaliges-personalhaus-in-winterthur-wird-fluechtlingsunterkunft-00178571/
-> https://www.landbote.ch/stadt-stellt-im-adlergarten-100-plaetze-fuer-fluechtlinge-bereit-485731624430
+++SCHWEIZ
So erleben syrische und afghanische Geflüchtete die Ankunft der Ukrainer in der Schweiz
Die Schweiz öffnet ihre Tore für Flüchtende aus der Ukraine. Andere Geflüchtete aus Syrien oder Afghanistan beobachten das argwöhnisch. Sie fühlen sich ungleich behandelt.
https://www.watson.ch/!552566208
Beurteilung der Transportfähigkeit im Rahmen des Wegweisungsvollzuges
Der Bundesrat legt auf Verordnungsstufe die organisatorischen Abläufe bei der Weitergabe medizinischer Daten im Rahmen des Wegweisungsvollzuges fest. Diese Abläufe werden bereits in der heutigen Praxis angewendet und tragen den Anliegen der involvierten Stellen Rechnung. Dazu hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 18. März 2022 eine Änderung der Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung (VVWAL) von ausländischen Personen beschlossen. Die Änderung tritt am 1. Mai 2022 in Kraft.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-87670.html
Flüchtlinge aus der Ukraine – Nicht alle Kantone greifen den Gastfamilien unter die Arme
Wer Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnimmt, muss mit Mehrkosten rechnen. Ob man diese selbst zahlen muss, hängt vom Wohnort ab.
https://www.srf.ch/news/schweiz/fluechtlinge-aus-der-ukraine-nicht-alle-kantone-greifen-den-gastfamilien-unter-die-arme
-> https://www.bzbasel.ch/schweiz/ukraine-krieg-bekommen-gastfamilien-geld-fuer-die-unterbringung-von-gefluechteten-so-unterschiedlich-sind-die-regeln-in-den-kantonen-ld.2264883
Putin-Kritikern droht Verfolgung: Erhalten Flüchtlinge aus Russland in der Schweiz Asyl?
Auch Russinnen und Russen sind seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine als Flüchtlinge in die Schweiz gelangt. Den Schutzstatus S erhalten sie allerdings nicht, obwohl Putin-Kritikern bei der Rückkehr Repressionen drohen. Was passiert nun mit diesen Menschen?
https://www.tagblatt.ch/schweiz/ukraine-krieg-putin-kritikern-droht-verfolgung-erhalten-fluechtlinge-aus-russland-in-der-schweiz-asyl-ld.2263678
Ignazio Cassis: «Es können auch Kriminelle unter Flüchtlingen sein»
Auch Bundespräsident Ignazio Cassis beschäftigt der Ukraine-Krieg. Er stehe in engem Kontakt mit Präsident Selenskyj. Nach Kiew reisen wird er aber nicht.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/ignazio-cassis-es-konnen-auch-kriminelle-unter-fluchtlingen-sein-66134268
Herausforderung Menschen auf der Flucht
Die jüdische Schweiz zeigt grosse Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen in unzähligen Initiativen – ein Überblick.
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/herausforderung-menschen-auf-der-flucht
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bzbasel.ch 18.03.2022
Frontex-Leaks: Skandal um EU-Grenzschutzbehörde erreicht Schweizer Abstimmungskampf
Am 15. Mai stimmt die Schweiz über die Beteiligung am Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex ab. Ihr Direktor Fabrice Leggeri ist unter Druck. Er soll illegale Machenschaften griechischer Grenzschützer vertuscht haben.
Othmar von Matt
Die Bilder von jenem 19. April 2020 aus der griechischen Ägais haben es in sich. Es war das Frontex-Überwachungsflugzeug, das sie in der Nacht live in das Frontex-Lagezentrum in Warschau streamte.
Gegen 23 Uhr hatten griechische Grenzschützer nördlich von Lesbos ein Flüchtlingsboot gestoppt und die Schutzsuchenden an Bord genommen. «Nach geltendem Recht hätten sie den Geflüchteten nun einen Asylantrag ermöglich müssen», schreibt der «Spiegel». Das deutsche Magazin und die Medienorganisation Lightouse Reports hatten die Bilddokumente aus dem Innern von Frontex zugespielt erhalten – und «zum ersten Mal veröffentlicht», wie Lighthouse schreibt.
We obtained internal documents, incl satellite images taken by Frontex aircraft, now published for the first time with @Spiegel. They denied but they knewhttps://t.co/3h2y5H4hCd
— Lighthouse Reports (@LHreports) March 17, 2022
Die griechischen Grenzschützer taten aber etwas ganz anderes. Sie setzten die Flüchtenden wieder auf das Schlauchboot – und schleppten sie dann in Richtung Türkei (siehe Bild oben). Das ist ein klarer Pushback, eine illegale Rückweisung.
Der Frontex-Pilot nahm um 3:21 Uhr sein letztes Bild auf. Es zeigte die Flüchtlinge alleine auf dem Meer. Und zwar in einem Schlauchboot ohne Motor, wie Frontex-Beamte feststellten. Um 6:32 Uhr wurden die Menschen doch noch gerettet, von der türkischen Küstenwache. Darunter waren auch vier Kinder.
«Spiegel»-Recherchen und Ermittlungen der EU-Antibetrugsbehörde
Damit gerät Frontex-Direktor Fabrice Leggeri massiv in Bedrängnis. Noch nie sei ein griechischer Pushback detaillierter aufgezeichnet worden, schreibt der «Spiegel». Er sieht die Bilder als Beweis dafür, dass die Frontex-Führung schon Wochen nach Beginn der Pushbacks von den Vorfällen in der Ägais wusste.
Die Recherchen des «Spiegels» decken sich offenbar mit den Erkenntnissen, welche die EU-Antibetrugsbehörde Olaf gewann. Sie ermittelte ein Jahr lang gegen Frontex, der immer wieder Menschenrechtsverletzungen und Pushbacks vorgeworfen worden waren. Dafür durchsuchte sie gemäss «Spiegel» selbst das Büro von Frontex-Direktor Leggeri und eines engen Vertrauten.
Gegen den Willen der eigenen Mitarbeiter vertuscht
Der Abschlussbericht ist über 200 Seiten lang – und geheim. Selbst die Europaabgeordneten, die Frontex kontrollieren, konnten ihn bisher nicht einsehen. Immerhin erhielten sie aber eine mündliche Zusammenfassung von Ville Itälä, dem Chef von Olaf.
Im Olaf-Bericht werden gemäss «Spiegel» drei Frontex-Führungskräfte beschuldigt, gegen EU-Gesetze verstossen zu haben. Leggeri selbst soll die menschenrechtswidrigen Aktivitäten griechischer Grenzschützer vertuscht haben – und zwar gegen den Willen seiner eigenen Mitarbeiter.
Im Frontex-Verwaltungsrat sitzen zwei Schweizer
Das dürfte Konsequenzen haben. Das Antibetrugsamt empfiehlt offenbar Disziplinarmassnahmen. Ende März ist ein Treffen des Frontex-Verwaltungsrats geplant, der darüber beraten soll.
Im Frontex-Verwaltungsrat sitzen auch zwei Schweizer: Marco Benz, Vizedirektor des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) und Chef Grundlagen. Medea Meier, Chefin Sektion Schengen, Frontex und Internationale Sicherheitszusammenarbeit.
Benz war als Experte anwesend, als die Regierungsmitglieder Ueli Maurer und Karin Keller-Sutter am 2. März an einer Medienkonferenz zum Frontex-Referendum auftraten. «Die beiden Vertreter der Schweiz werden durch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit gestellt», heisst es im Bundesamt. «Sie wurden aufgrund ihrer thematischen und strategischen Verantwortlichkeiten ausgewählt.»
Komitee gegen Frontex schreibt einen offenen Brief an den Bundesrat
Damit ist klar: Die Schweiz trägt eine gewisse Mitverantwortung an den Menschenrechtsverletzungen von Frontex. Das Komitee von Bürgerinnen und Bürgern gegen Frontex reagiert nun mit einem offenen Brief an den Bundesrat auf die Enthüllungen. Die Regierung müsse sich umgehend dafür einsetzen, dass der Olaf-Bericht noch vor der Abstimmung über das Frontex-Gesetz publiziert werde, ist eine der Forderungen.
Gleichzeitig will das Komitee, dass sich der Bundesrat öffentlich für eine Entlassung von Frontex-Direktor Leggeri ausspricht. Und es verlangt eine lückenlose Aufklärung darüber, ob die beiden Schweizer Frontex-Verwaltungsräte Bundesrat, Behörden und Parlament über die Vorfälle informierten – und was die Behörden wussten.
Frontex ist für den Bundesrat sehr wichtig
Für den Bundesrat ist es gerade in der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine wichtig, dass er den Beitrag zur Weiterentwicklung von Frontex leisten kann. So wäre der Verbleib im Schengener Sicherheitssystem gewährleistet. Das sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter an der Medienkonferenz zum Frontex-Referendum deutlich.
«Wir wollen die gute Zusammenarbeit in Europa im Bereich von Sicherheit und Migration nicht aufs Spiel setzen – gerade jetzt nicht», betonte sie. «Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit im Schengen-Raum ist.»
Finanzminister Ueli Maurer sprach an derselben Medienkonferenz aber auch Klartext zu den Menschenrechtsverletzungen von Frontex. «Da gibt es nichts zu beschönigen», sagte er. «Es gab Verstösse, die wir nicht akzeptieren können. Es gibt Handlungsbedarf.» Gerade deshalb müsse die Schweiz stärker in Frontex vertreten sein – um deren Qualität verbessern zu können. «Damit unsere Werte auch an der EU-Aussengrenze umgesetzt werden.»
Die Schweiz habe die verschiedenen Berichte zu Frontex zur Kenntnis genommen, schreibt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit. Daraus gehe hervor, dass Agentur wie Verwaltungsrat den Vorwürfen konsequenter nachgehen müssten. «Deshalb forderte und fordert die Schweiz im Verwaltungsrat eine gründliche, zeitnahe und transparente Untersuchung aller Push-Back-Vorwürfe.» Im Abstimmungsbüchlein ist sogar von «Nulltoleranzpolitik gegenüber illegalen Zurückweisungen» die Rede.
Recherchen zeigen zudem: In der EU scheint man erkannt zu haben, dass Frontex mit Fabrice Leggeri an der Spitze ein Problem hat. Indizien deuten darauf hin, dass er nicht mehr allzu lange Frontex-Direktor bleibt.
(https://www.bzbasel.ch/schweiz/migration-frontex-leaks-skandal-um-eu-grenzschutzbehoerde-erreicht-schweizer-abstimmungskampf-ld.2265068)
+++DEUTSCHLAND
Jutta Ditfurth: „Ukrainer hinderten sie mit Gewalt daran, in Züge zu steigen“
Die Frankfurter Stadtverordnete Jutta Ditfurth spricht im FR-Interview über ihre Erwartungen an die Stadtregierung und strukturellen Rassismus gegen Geflüchtete ohne ukrainischen Pass.
https://www.fr.de/frankfurt/ukraine-krieg-jutta-ditfurth-frankfurt-viele-gefluechtete-bleiben-russland-91418614.html
+++BELARUS/POLEN/EU
Wieder mehr Flüchtlinge an polnisch-belarussischer Grenze – Echo der Zeit
Nicht nur aus der Ukraine flüchten Menschen nach Polen. In diesen Tagen versuchen wieder vermehrt Menschen von ausserhalb Europas über die polnisch-belarussische Grenze zu gelangen, wie der polnische Grenzschutz gegenüber Radio SRF bestätigt. Die Grenze zu Belarus wird aber streng abgeriegelt.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/wieder-mehr-fluechtlinge-an-polnisch-belarussischer-grenze?partId=12162410
+++MITTELMEER
Migrant resistance against yet another new level of brutality
Alarm Phone – Central Mediterranean Analysis, July to December 2021
In the second half of 2021, Alarm Phone was alerted to 214 boats in the central Mediterranean region. Together with the 193 boats that Alarm Phone had supported in the first half of the year, in 2021 we assisted a total of 407 boats in distress in the central Mediterranean only. This is by far the highest number of distress cases reported to us in this region within a year. In 2019, Alarm Phone had assisted 101 cases. In 2020, we supported 173 distressed boats. This considerable increase in distress cases reflects both a significant increase of precarious crossings over the past years, as well as a greater knowledge of the Alarm Phone network among migrant communities.
https://alarmphone.org/en/2022/03/02/migrant-resistance-against-yet-another-new-level-of-brutality
+++EUROPA
Nach illegalen Pushbacks: Alaa Hamoudi verklagt Frontex
Der aus Syrien geflohene Alaa Hamoudi verklagt die Grenzschutzagentur beim Europäischen Gerichtshof auf eine halbe Million Euro Schadensersatz.
https://taz.de/Nach-illegalen-Pushbacks/!5842608/
EU beruft Sondertreffen zu Ukraine-Flüchtlingen ein
Bei den Beratungen am 28. März in Brüssel wird es laut einer ersten Tagesordnung um materielle und finanzielle Unterstützung für Aufnahmestaaten gehen.
https://www.nau.ch/politik/international/eu-beruft-sondertreffen-zu-ukraine-fluchtlingen-ein-66134812
+++LIBANON
«Zeichnen schafft eine Vertrauensbasis»
Die Schweizer Illustratorin Samira Belorf besuchte im Februar 2022 mehrere Projekte von Ärzte ohne Grenzen im Libanon. Die humanitäre Hilfsorganisation bietet dort Geflüchteten und Libanes:innen medizinische und psychologische Unterstützung. Samira war zwei Wochen lang Teil des Teams. Auf ihrer Reise sprach sie mit Haushälterinnen, die ausgebeutet wurden, traf Geflüchtete aus Syrien und erhielt einen Einblick in den Alltag der Menschen im Land. Ein illustrierter Erfahrungsbericht:
https://www.msf.ch/de/neueste-beitraege/artikel/zeichnen-schafft-eine-vertrauensbasis
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Interpellation FDP: Wenn ausländische Fahrende (teil)sesshaft werden – Fragen zu Rechten und Pflichten
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=aa11c26009a84e6d8c67f523f74015a8
+++GASSE
«Die ganze Gesellschaft konsumiert»: In St.Gallen explodiert der Kokainkonsum – nur in Antwerpen wird mehr gekokst
Der Konsum von Kokain hat sich in St.Gallen 2021 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. St.Gallen überholt damit Zürich wieder – und ist erneut die Kokshochburg der Schweiz. Experten sind alarmiert.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/bericht-drogenanalyse-in-abwasser-zeigt-kokainkonsum-in-stgallen-explodiert-nur-in-antwerpen-wird-mehr-gekokst-ld.2264767
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/st-gallen-ist-kokainhochburg-der-schweiz?id=12162206
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/ausserrhoder-spitaeler-schreiben-rote-zahlen?id=12162362 (ab 02:17)
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bzbasel.ch 18.03.2022
Bund öffnet Notreserve für Opioide: In Basel müssen Spitäler und Suchtkliniken auf Alternativen ausweichen
Weil das Substitutionsmedikament Sevre Long nur noch schwer lieferbar ist, steigen Basler Suchtkliniken auf Kapanol um, das seit vergangenem Jahr in der Schweiz zugelassen ist. Bei Betroffenen führt das zu Unsicherheiten.
Zara Zatti
Gegen Ende des vergangenen Jahres erreichte die ESTA, die Klinik für Suchtbehandlung der Suchthilfe Region Basel, eine besorgniserregende Nachricht: Das Schmerzmittel Sevre Long, das als Substitutionsmedikament für Heroinabhängige gebraucht wird, wird künftig nicht mehr geliefert. Die Lieferungen setzten dann zwar nicht völlig aus, dennoch waren zu wenige Dosen vorhanden, um alle Patientinnen und Patienten weiterhin mit dem bewährten Mittel behandeln zu können, erzählt Regine Christmann, die Teamleitung Pflege und Betreuung, am Telefon. In der Folge mussten einige Betroffene auf das Alternativmedikament Kapanol umsteigen. Dieses wurde in der Schweiz erst im Oktober des vergangenen Jahres zugelassen und ist momentan die einzige gleichwertige Alternative zu Sevre Long.
Sevre Long ist ein Morphinpräparat und diese sind momentan ein rares Gut. Schon seit etwa einem Jahr kommt es in der Schweiz immer wieder zu Versorgungslücken. Betroffen sind nicht nur Suchtkranke, sondern auch Schmerzpatienten, etwa nach einer Operation. Aufgrund der «gravierenden Mangellage» hat das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) diese Woche seine Notreserven für Opioide freigegeben, wie es in einer Medienmitteilung schreibt.
«Viele hatten Angst, dass es ihnen nicht gleich gut helfen wird»
Das Ersatzpräparat Kapanol, das Suchtkranken zurzeit häufig verschrieben wird, hat pharmakologisch zwar nahezu die identischen Eigenschaften wie Sevre Long. Trotzdem birgt eine Umstellung einige Schwierigkeiten. «Die Wahl des Medikaments ist für Suchtkranke eine enorme Vertrauenssache. Viele hatten Angst, dass es ihnen nicht gleich gut helfen wird», sagt Christmann. Diese Skepsis könne dazu führen, dass sich die Wirkungswahrnehmung bei den Patienten subjektiv verändert, sagt auch Hannes Strasser, Leitender Arzt und stellvertretender Leiter des Zentrums für Abhängigkeitserkrankungen an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK).
Auch wenn es bei keinem der Patienten und Patientinnen in der ESTA der Fall war, schwingt bei einer Umstellung auch immer die Sorge mit, dass die Betroffenen rückfällig werden und wieder zum Heroin greifen. Im Moment kann die Suchtfachklinik ESTA wieder mehr Sevre Long beziehen. Christmann geht davon aus, dass das mit der Öffnung der Notreserven durch den Bund zu tun hat.
Grosser zeitlicher Aufwand für das Unispital Basel
Für die Schmerzbehandlung nach Operationen gibt es laut Enea Martinelli, Chefapotheker der Berner Spitalgruppe FMI, zwar auch andere Produkte, diese hätten aber Nachteile. Etwa, dass es Patientinnen und Patienten davon eher schlecht wird. Ein grösseres Problem sieht er bei einer länger andauernden Schmerztherapie: «Ein Wechsel kann zu Ängsten und Schmerzzuständen führen und die Neueinstellung ist aufwendig.»
Das Universitätsspital Basel (USB) kann die Versorgung der Patienten zwar sicherstellen, allerdings nur mit einem grossen zeitlichen Aufwand: «Zum einen werden die Präparate von Mundipharma teilweise kontingentiert ausgeliefert, zum anderen Teil decken wir die Versorgungslücken durch Präparate anderer Firmen», schreibt das USB auf Anfrage. Nicht betroffen sei das Kantonsspital Baselland: «Bislang haben wir bei den Schmerzmitteln noch nichts gespürt. Dies wahrscheinlich auch deshalb, weil der Bund gewisse Pflichtlager geöffnet hat.»
Brexit als Ursache der Lieferengpässe
Bei der Versorgung mit Opioiden sei die Schweiz stark abhängig vom Unternehmen Mundipharma mit Sitz in Basel, sagt Enea Martinelli. Als einer der Hauptgründe für die herrschende Knappheit sieht er die Folgen des Brexit, denn das Unternehmen produziert in Grossbritannien. «Sie haben aktuell Schwierigkeiten, genügend Fachkräfte zu finden und auch der Transport ist eingeschränkt.»
Mundipharma gehört, wie auch die Firma Purdue aus Conneticut, der amerikanischen Familie Sackler. Das Schmerzmittel Oxycontin von Purdue führte bei vielen Patienten zu einer starken Abhängigkeit. Das Unternehmen wurde für die Opioidkrise in den USA mitverantwortlich gemacht, in der Folge musste sie Schadensersatz in Milliardenhöhe leisten und meldete Insolvenz an. Gegenüber der NZZ betonte Mundipharma vergangene Woche die Unabhängigkeit der beiden Firmen, die Lieferschwierigkeiten stünden in keiner Verbindung mit den Geschehnissen in den USA.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/schmerzmittel-bund-oeffnet-notreserve-fuer-opioide-in-basel-muessen-spitaeler-und-suchtkliniken-auf-alternativen-ausweichen-ld.2264237)
++++DEMO/AKTION/REPRESSION
Wegen fehlerhafter Verurteilung einer Journalistin: Fall Gundula kommt den Kanton Luzern teuer zu stehen
Jana Avanzini ist keine Hausfriedensbrecherin. Das hat das Bundesgericht entschieden, nachdem die Journalistin 2016 eine Villa an der Obergrundstrasse in Luzern betreten hatte, um über die dortige Besetzung zu berichten. Jetzt hat das Kantonsgericht im Fall Gundula entschieden, wer die Gerichts- und die Anwaltskosten zahlen muss. Dabei zeigt sich: Für den Kanton Luzern wird es noch teurer als für den dänischen Multimillionär Jørgen Bodum.
https://www.zentralplus.ch/justiz/fall-gundula-kommt-den-kanton-luzern-teuer-zu-stehen-2325357/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/keine-verfahrenskosten-fuer-freigesprochene-journalistin?id=12162212
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/justiz-hausbesetzung-im-fall-gundula-die-verfahrenskosten-der-luzerner-journalistin-traegt-der-kanton-ld.2264804
Die beiden Häuser an der Worbstrasse 104 und 108 in Gümligen sind nach einem halben Jahr wiederbesetzt worden. Infos unter: https://www.instagram.com/worbstrasse_104_108/
(https://www.facebook.com/InfoAGB/posts/2184207125060965)
+++RASSISMUS
«SRF gibt rassistischer Hetze eine Plattform»: Grünen-Fraktionschefin Aline Trede boykottiert wegen SVP-Aeschi die «Arena»
Die Berner Nationalrätin und Grüne-Politikerin Aline Trede bleibt der SRF-«Arena» zum Krieg in der Ukraine vom Freitagabend fern. Grund dafür: Die Sendungsmacher haben angekündigt, die umstrittenen Äusserungen von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi über mögliche Vergewaltigungen durch «Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen» zu thematisieren.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/medien-srf-gibt-rassistischer-hetze-eine-plattform-gruenen-fraktionschefin-aline-trede-boykottiert-wegen-svp-aeschi-die-arena-ld.2265132
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/grune-bokottieren-ukraine-arena-wegen-svp-aeschi-66134730
-> https://www.blick.ch/politik/trede-will-aeschis-entgleisung-nicht-legitimieren-gruene-fraktionschefin-bleibt-arena-aus-protest-fern-id17329398.html
+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechtsextreme Unterstützung aus Deutschland?
Die ukrainische Asow-Bewegung hat rechtsextremistische Bezüge. Nach Erkenntnissen der Nachrichtendienste gibt es auch Verbindungen nach Deutschland. Wie eng sind die Bande?
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/asow-regiment-101.html
+++HISTORY
zeit.de 17.03.2022
Iwan Iljin: Er hat’s erfunden
In der Schweiz verherrlichte Iwan Iljin Russland, die Kirche und den Faschismus. Heute inspiriert er das Denken und Handeln Wladimir Putins.
Von Sascha Buchbinder
Die Schweiz: saubere Luft, Bergkräuter und von Berglern erfundene, gesunde Bonbons. Niemals könnte in den reinen Alpen Böses ersonnen werden. Von wegen. Es ist das Jahr 1938, als ein russischer Philosoph während eines Urlaubs ein Aufenthaltsgesuch für die Schweiz stellt, sich in Zollikon bei Zürich niederlässt und dort fortan seine kruden Theorien zu Papier bringt. Heute gilt Iwan Iljin als einer der wichtigsten Vordenker für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Iljin kommt 1883 in einer adligen russischen Familie zur Welt und wächst in Moskau auf. Er studiert Rechtswissenschaften und Philosophie und begeistert sich als Student zunächst für den Anarchismus. Iljin bewundert Hegel: 1918 erscheint seine Dissertation Die Philosophie Hegels als kontemplative Gotteslehre. Sein Denken erscheint darin als ein wilder Mix religiöser Überzeugungen plus Kant, Hegel, Husserl und Freud. Seine Zeit und die russische Gesellschaft erscheinen ihm furchtbar pervers.
Noch in Russland liest Iwan Iljin die Texte des 13 Jahre älteren Wladimir Iljitsch, der als Lenin in die Weltgeschichte eingehen wird. Begegnet sind sich die beiden nie, aber Iljin rezensiert Lenins Texte wohlwollend. Auch dieser entwickelte seine politischen Theorien im Schweizer Exil in Zürich, bevor er 1917, als die Februarrevolution ausbrach, nach Russland zurückkehrte.
Beide berufen sich auf Hegel. 1918 sind sie sich einig: Die Mittelklasse muss zerstört werden, weil ihr Bedürfnis nach persönlichem Wohlstand und persönlicher Freiheit der klassenlosen Gesellschaft im Weg stehe. Als Marxist sieht Lenin die Konflikte zwischen den Klassen als den Motor der Geschichte. Die Bolschewiki sollten als revolutionäre Avantgarde das Proletariat im Kampf gegen die Bourgeoisie anführen und befreien.
Iwan Iljin, inzwischen Rechtsprofessor an der Moskauer Universität, glaubt nie an das Gute im Menschen. Der Individualismus ist für ihn satanisch. Russlands Aufgabe sieht er in einer göttlichen Totalität, sein historischer Auftrag wäre es demnach, die verpfuschte Schöpfungsgeschichte zu retten.
Das klingt wirr. Und das ist auch der Tscheka, der Geheimpolizei der Bolschewiken, in den 1920er-Jahren suspekt. Iljin wird mehrfach verhaftet, zuletzt sogar zum Tode verurteilt. Der Historiker Timothy Snyder zeichnet in seinem Aufsatz God is a Russian nach, wie Lenin zugunsten seines Rezensenten bei der Tscheka interveniert. Mit Erfolg. Iljin wird nicht hingerichtet, aber er muss ins Exil. Zusammen mit 160 anderen Intellektuellen wird er 1922 auf dem „Philosophenschiff“ nach Deutschland abgeschoben.
Man lässt den Dissidenten gewähren
In Berlin findet er eine Stelle am Russischen Wissenschaftlichen Institut und gibt eine Migrantenzeitschrift heraus. Als Adliger integriert er sich schnell im Milieu der Exilanten und verfasst fleißig antibolschewistische Texte. Von den Kommunisten beinahe hingerichtet, badet Iljin fortan im Hass gegen die Roten.
Sein Denken fußt auf dem Versuch, Hegel mit den Prinzipien der orthodoxen Kirche zu lesen. Zu dieser Zeit ist das politisch noch keinem Lager zuzuordnen.
1925 veröffentlicht er das Traktat Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse. Darin ruft er dazu auf, den Gegner „zu verhaften, zu verurteilen und zu erschießen“. Als Kronzeugen müssen der Erzengel Gabriel und der Drachentöter Georg herhalten. Iljin proklamiert den Kampf gegen die Bolschewiken: „Wir werden dann siegen, wenn unser Schwert wie Liebe und Gebet sein wird, unser Gebet und unsere Liebe aber das Schwert!“ Die Gewaltträume tragen Iljin den Übernamen „Gottes Tschekist“ ein.
Ab den 1930er-Jahren begeistert er sich für Mussolini und Hitler. Die Machtergreifung bezeichnet er als „einen Akt der Erlösung“. Im Faschismus erkennt er „ein rettendes Übermaß an patriotischer Willkür“. Er sieht eine große Nähe des Faschismus zu den Zielen der Dissidenten. Der Totalitarismus und die Kirchenfeindlichkeit der Nazis in Deutschland aber führen dazu, dass er Hitler kritisiert und seine Hoffnungen ganz auf Mussolini und Salazar setzt.
1937 entziehen die Nazis dem irrlichternden Nationalisten seine Beamtenstelle in Berlin. Ein Jahr später wandert er gemeinsam mit seiner Frau in die Schweiz aus, wo er freundlich aufgenommen wird. Der Komponist Sergej Rachmaninow, ebenfalls im Exil, setzt sich für ihn ein. Aber auch Schweizer Nazi-Sympathisanten wie der Pfarrer Rudolf Grob. Dieser schreibt für Iwan Iljin ein warmes Empfehlungsschreiben an die Schweizer Behörden. Nachzulesen ist dies im Bundesarchiv, wo der Schweizer Historiker Jürg Schoch 2014 auf die Akte von Iwan Iljin stieß, die die Bundesanwaltschaft über ihn geführt hat.
Während des Krieges sind die Migranten in der Schweiz eigentlich einer strikten Zensur unterworfen. Dank seiner Schweizer Fürsprecher kann Iljin mit behördlicher Erlaubnis Vorträge und Vorlesungen halten. Dass seine Arbeit als unproblematisch angesehen wird, liegt daran, dass Iljin nicht ein einzelnes Land, sondern die ganze westliche Welt als verkommen und sündhaft kritisierte. Neutralitätspolitisch erschienen den Schweizern die Thesen des Russen unbedenklich.
Man lässt den Dissidenten gewähren. In Locarno Monti gründet er die Geheimgesellschaft „Weißer Kongress“, in der er eine neue Verfassung eines russischen Imperiums skizziert, das den Kommunismus ablösen soll. Die Rede ist von einem antidemokratischen Staat, einer „erzieherischen und wiedergebärenden Diktatur“. Allein: Die Faschisten verlieren den Krieg, ein Ende des Bolschewismus rückte in weite Ferne.
Mit der sich abzeichnenden Niederlage der Faschisten kühlt sich auch die Bewunderung Iljins für die Achsenmächte ab. Sein glühender Hass auf die Kommunisten aber bleibt und sichert dem heimatlosen Russen auch im Kalten Krieg warme Fürsprecher in der Berner Verwaltung. Als Iljin 1945 eine Redaktionsstelle bei der Zeitschrift Der Ausgleich angeboten wird, braucht er die Einwilligung der Behörden. Die Bundesanwaltschaft stellt fest, dass man Migranten grundsätzlich keine solchen Bewilligungen gebe. Doch was Iljin angehe: Der sei ein Wissenschaftler „von Format“ und einer „der bedeutendsten Sozialethiker der Gegenwart“. Er kann die Stelle antreten.
Iljin träumte von einem faschistischen Putsch in Russland
In den folgenden Jahren schreibt er Texte, die in der UdSSR kaum Beachtung finden und nur von einem kleinen Kreis treuer Parteikader studiert werden dürfen. Dies ändert sich nach dem Ende des Kalten Krieges: Die Vorstellung, dass ein Rechtsstaat nicht zu Russland passe, fasziniert die kleptokratische Elite, die nun an die Macht kommt. Ihr gefallen Texte wie der Essay Was der Welt die Zerstückelung Russlands verspricht. Darin behauptet Iljin, der imperialistische Westen werde das falsche Versprechen von Freiheit nutzen, um Russland Länder wegzunehmen: das Baltikum, den Kaukasus, Zentralasien und vor allem „die ›Ukraine‹“. Ein Land, das Iljin nur in Anführungszeichen nennt. Der Westen wolle eine Balkanisierung Russlands, um das Reich zu zerstören.
Von diesem Text ist auch Wladimir Putin fasziniert. Er ist zwar kein Schüler Iljins, aber er bedient sich systematisch bei dem faschistischen Dissidenten. Seit 2005 taucht Iljin wiederholt in wichtigen Reden auf. Für Putin ist der Untergang der UdSSR eine Katastrophe. Der Rückgriff auf Iljin erlaubt es ihm, eine Weltordnung zu zeichnen, die eine russische Wiederauferstehung verspricht: anknüpfend am Zarenreich, mit der Kirche als Partner. 2012 folgte Putin in einer Rede den Gedanken Iljins und kündigte an: „Eurasien“ werde die Europäische Union „überwinden“ und deren Mitglieder in ein größeres Gebilde integrieren, das „von Lissabon bis Wladiwostok“ reiche.
2014, zur Vorbereitung der Annexion der Krim, ließ Putin allen höheren Beamten und Regionalgouverneuren ein Exemplar von Unsere Aufgaben zukommen, dem zentralen Sammelband mit Iljins Aufsätzen. Putin riet seinen Kadern, sie sollten Lenin weglegen und ab jetzt Iljin studieren. Inzwischen gehört Iljin zum Kanon für das russische Abitur.
Was Putin an Iljin fasziniert: ein Weltbild, das ein „freies Russland“ propagiert. Allerdings meint Freiheit keine individuelle Freiheiten, sondern die des Landes unter einem starken Führer. Demokratische Wahlen, so glaubte Iljin, institutionalisierten das Übel der Individualität. Folglich „müssen wir den blinden Glauben an die Zahl von Wählerstimmen und ihre politische Bedeutung ablehnen“. Wahlen sollten ein Ritual der Unterwerfung der Russen unter ihren Führer sein. Weil die legitime, wirkliche Macht, so die Überzeugung von Iljin, „von ganz allein zum starken Mann“ komme.
Iljin träumte von einem faschistischen Putsch in Russland. „Es wird die historische Stunde kommen, da (das russische Volk) aus einem scheinbaren Sarg auferstehen und seine Rechte zurückfordern wird“, schrieb er 1950 in der Schweiz.
1954 starb Iwan Iljin in Zollikon. 2005 wurde sein Sarg exhumiert. Finanziert vom Oligarchen Viktor Wekselberg wurden seine sterblichen Überreste nach Moskau gebracht und im Beisein von Wladimir Putin feierlich beigesetzt. Putin war damals ein junger Präsident Russlands. Seither hat er dafür gesorgt, dass die faschistischen Gespenster, die Iljin vor 70 Jahren im Schweizer Exil entworfen hat, wieder umgehen in Europa.
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Iwan Iljin
Der russische Philosoph Iwan Iljin (1883–1954) wuchs in Moskau auf. Ab 1922 lebte er im Exil, zuerst in Berlin, dann in Zollikon bei Zürich. Nach dem Ende des Kalten Krieges findet sein faschistisches Gedankengut neuen Zuspruch. Der russische Präsident Wladimir Putin bezieht sich seit 2005 in Reden auf ihn. Vor der Annexion der Krim stattete er seine Beamten mit Iljins Aufsatzband Unsere Aufgaben aus.
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