Medienspiegel 7. März 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Offener Hörsaal, geschlossene Gesellschaft
Babette Hofstetter und Özgür K. haben am Projekt «Offener Hörsaal» teilgenommen. Dabei können geflüchtete Menschen ein Semester studieren und werden von einem*r Mentor*in betreut. Dass Özgür dennoch einer der wenigen ist, die sich auch regulär immatrikulieren, wirft Fragen zur Initiative auf – und natürlich zur Integrationspolitik.
https://www.studizytig.ch/sub-seiten/offener-hoersaal-geschlossene-gesellschaft/


+++AARGAU
Flüchtlinge hätten mehr Sozialhilfe zugute gehabt: Der Aargau meldete sich bei den Betroffenen nicht – wegen des «enormen Aufwands»
Jahrelang haben anerkannte oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge in Aargauer Asylunterkünften zu wenig Sozialhilfe erhalten. Betroffen sind 1800 Personen. Sie könnten eine Nachzahlung beantragen. Persönlich informiert wurden sie nie. Der Kanton scheute den Aufwand.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylpolitik-zu-wenig-sozialhilfe-fuer-fluechtlinge-kanton-hat-betroffene-nicht-angeschrieben-wegen-des-enormen-aufwands-ld.2257398


+++BASEL
Spital Laufen als Unterkunft für Ukraine-Flüchtlinge
Rund 150 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen im Spital Laufen eine Bleibe finden können. Die Vorbereitungen sind im Gange.
https://telebasel.ch/2022/03/07/spital-laufen-als-unterkunft-fuer-ukraine-fluechtlinge/?channel=105100


+++LUZERN
Hochschule Luzern nimmt geflüchtete Kunststudierende auf
Die Hochschule Luzern Design & Kunst hat die Reise von rund 20 Studierenden der Kunst-Akademie Lviev – oder Lemberg, wie der Ort auf Deutsch heisst – organisiert. Die beiden Schulen haben seit längerem eine Partnerschaft.  (ab 05:20)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/hochschule-luzern-nimmt-gefluechtete-kunststudierende-auf?id=12154674
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/hochschule-luzern-hilft-ukrainischen-fluechtlingen-145731880
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/der-krieg-haelt-sich-nicht-an-eine-agenda-ukrainische-studierende-in-luzern-angekommen-ld.2260180


+++ST. GALLEN
tagblatt.ch 07.03.2022

St.Galler Kantonsrat will keine freie Wohnortswahl für Flüchtlinge – ist das völkerrechtswidrig?

Nach dem Willen einer knappen Kantonsratsmehrheit muss die St.Galler Regierung ein grundsätzlich völkerrechtswidriges Gesetz schaffen, wonach anerkannte Flüchtlinge ihre Sozialhilfe teilweise als Wohnraum erhalten sollen. Damit soll die Verteilung der Flüchtlinge im Kanton besser gesteuert werden, wie es die Motion von SVP und Mitte-EVP verlangt.

Marcel Elsener

Wenn in diesen Tagen von Flüchtlingen und Wohnraum die Rede ist, geht es um die ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die bald auch in der Ostschweiz eintreffen. Ein lösbares Problem, wie sich angesichts der Not die Politik von links bis rechts einig ist. Ganz im Gegensatz zur Motion «Zuweisung von Wohnraum an anerkannte Flüchtlinge», die an der jüngsten Session den St.Galler Kantonsrat spaltete und die nun der Kantonsregierung eine scheinbar unlösbare Aufgabe aufbürdet.

Demnach soll das Sozialhilfegesetz so geändert werden, dass Sozialhilfe auch als Sachleistung in Form von Wohnraum gewährt werden kann. Damit könnten die Gemeinden anerkannten Flüchtlingen innerhalb des Kantons einen Wohnort oder eine Unterkunft zuweisen, wie es im Vorstoss heisst. Das Ziel der eingeschränkten Wohnsitzwahl für Flüchtlinge, die von der Sozialhilfe abhängig sind, ist eine besser gesteuerte Verteilung von Flüchtlingen und die Vermeidung einer belastenden Konzentration von schwer integrierbaren ausländischen Gemeinschaften, wie sie Kirchberg mit dem Ortsteil Bazenheid seit Jahren beklagt.

Im Widerspruch zum Völkerrecht und zur Bundesverfassung

Der erste Vorstoss zu diesem Thema war im Februar 2020 vom Kantonsrat knapp abgelehnt worden: Ein Standesbegehren verlangte, dass anerkannte Flüchtlinge mit Sozialhilfe ihren Wohnsitz im Kanton nur mit Zustimmung der neuen Wohngemeinde wechseln können. Nun erreichten SVP und Mitte-EVP mit dem gleichen Anliegen, aber geänderter Stossrichtung eine knappe Mehrheit. Auf der anderen Seite waren FDP, SP, Grüne und Grünliberale der Meinung der Regierung, wonach die Gesetzesänderung rechtlich nicht umsetzbar sei, weil sie im Widerspruch zu den Vorgaben des Völkerrechts und der Bundesverfassung stehe.

Eine Einschränkung der freien Wohnsitznahme für vorläufig aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge sei völkerrechtswidrig. Dies aufgrund eines Artikels der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach Flüchtlinge innerhalb des Kantons das Recht haben, «ihren Aufenthaltsort zu wählen und sich frei zu bewegen». Andernfalls müsste die Zuweisung von Wohnraum als Sachleistung für alle Sozialhilfebeziehenden erfolgen, also auch für Schweizerinnen und Schweizer, die allerdings das Recht auf Niederlassungsfreiheit gemäss Bundesverfassung haben. «Dies bedeutet, dass die Gemeinden zwar Wohnraum als Sachleistung gewähren könnten, Betroffene jedoch nach wie vor wählen könnten, in welcher Gemeinde sie diesen Wohnraum nutzen», schrieb die Regierung. Fazit: Eine gerechtere Verteilung der Sozialhilfekosten wäre damit nicht möglich.

Der Begriff «völkerrechtswidrig» fiel in der Debatte häufig und wurde auch angezweifelt. Jedoch gibt’s daran nichts zu rütteln, wie Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, auf Anfrage erklärt: «Die Regierung argumentiert präzis und zutreffend. Und es besteht kein Zweifel, dass die Flüchtlingskonvention sämtlichem kantonalen Recht vorgeht und dass sie grundsätzlich auch über dem Bundesrecht steht.» Das Recht anerkannter Flüchtlinge auf Gleichbehandlung sei zu akzeptieren, sagt Schefer. Das gelte letztlich auch für die Niederlassungsfreiheit: «Das Problem lässt sich nicht lösen, wenn man Flüchtlinge und Schweizer schlechter stellt.» Nicht umsonst seien im 19. Jahrhundert zahlreiche Hindernisse für den Kantons- und Wohnsitzwechsel «glücklicherweise abgeschafft» worden, darunter auch Privilegien der Kantone wie die Abzugsrechte, das heisst die Abgaben auf Vermögen einer Person, die in einen anderen Kanton zog.

St.Gallen als erster Kanton in ungemütlicher Abklärungslage

Den Kantonsbehörden bereitet der Auftrag des Kantonsrats denn auch Kopfzerbrechen. Dem zuständigen Departement des Innern obliegt es, einen gordischen Knoten zu lösen. Freilich sagt es die Vorsteherin, SP-Regierungsrätin Laura Bucher, in anderen Worten: «Die Umsetzung der Motion ist komplex und bedarf vertiefter rechtlicher Abklärungen.» Weil sich die Arbeiten noch «in einem frühen Stadium» befänden, könne man noch keine näheren Informationen geben. «Es wird darum gehen, mögliche Lösungsvarianten zur völkerrechtskonformen Umsetzung des Anliegens auszuarbeiten.»

Über solche «Lösungsvarianten» kann derzeit nur spekuliert werden, aufgrund des Widerspruchs zum Völkerrecht hatten auch die Motionäre von einer «herausfordernden rechtlichen Ausgangslage» gesprochen. Auf den Weg gebracht – oder in die Bredouille – hat sie der Bundesrat: Er lehnte die Motion von SVP-Nationalrat Mike Egger zum gleichen Thema («Förderung der Integration von anerkannten Flüchtlingen in den Gemeinden») mit Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention und die verlangte Anpassung des Ausländer- und Integrationsgesetzes ab. Allerdings merkte er an, dass die Kantone über die Sozialgesetzgebung die Möglichkeit dieser Wohnortzuweisung hätten – unter dem Vorbehalt, dass anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge Anspruch auf die gleichen Sozialleistungen wie Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben.

Somit findet sich der Kanton St.Gallen in einer ungemütlichen Abklärungsrolle: Weder Regierungsrätin Bucher noch Nationalrat Egger ist ein vergleichbarer Vorstoss in einem anderen Kanton bekannt. «Wir gehen davon aus, dass der Kanton St.Gallen der erste ist, der die Umsetzung dieses Gesetzesauftrags im Detail abklärt. Wir erwarten, dass die Regierung dem Kantonsrat einen Vorschlag dazu unterbreitet, wie sie das gestalten will.» Die SVP werde den Vorstoss aber auch anderen Kantonalparteien schicken, so Egger, «denn diese Problematik gibt es überall und sie muss gelöst werden».

«Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg»

Eggers Meinung ist auch der Kirchberger FDP-Gemeindepräsident Roman Habrik, der, wäre er Kantonsrat, gegen seine Fraktion gestimmt hätte und sich bei den Motionsbefürwortern bedankte. «Es ist in den vergangenen zwei Jahren kein anderer Vorschlag aufgekommen, wie das Problem angegangen werden kann», sagte Habrik gegenüber der Toggenburger Ausgabe unserer Zeitung. Die Flüchtlinge und somit die Integrationsaufgaben müssten «solidarisch und fair» verteilt werden. Es könne nicht sein, dass wenige Gemeinden – wie Kirchberg wegen Bazenheid – «sehr stark betroffen sind». Vom Regierungsrat erwartet Habrik, dass er möglich mache, was zwischen den Kantonen bereits geregelt sei: «Ein Flüchtling kann nicht frei wählen, in welchem Kanton er leben möchte. Wenn eine Regelung zwischen Gemeinden dem Völkerrecht widersprechen würde, müsste man dann nicht auch die Lösung zwischen den Kantonen aufheben?»

Ähnlich argumentierte in der Ratsdebatte der Lichtensteiger Gemeindepräsident und Mitte-EVP-Fraktionssprecher Matthias Müller: «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg», sagte er mehrfach. Auf diesem Weg dürfte der Kanton «nicht päpstlicher als der Papst sein», wenn es um die Niederlassungsfreiheit gehe. Die sei auf Bundesebene beispielsweise auch für Arbeitslose beschränkt – wer keine Arbeit hat, darf den Kanton nicht wechseln. Die St.Galler Regierung finde gewiss eine Lösung, sagt Müller auf Nachfrage. «Unter Umständen» könne sie bei der Sozialhilfe bedeuten, «alle gleichzustellen».

Der Weg zu einem St.Galler Gesetz ist noch weit, ganz zu schweigen von der möglichen Anwendung: Die könnte im Fall einer ersten Verfügung dereinst bis vor Bundesgericht angefochten werden – auch mit Blick auf andere Kantone. Die Abstimmung im Kantonsrat dürfte wieder auf der Kippe stehen; je nach politischen Mehrheitsverhältnissen könnten auch die bestehenden Instrumente zum solidarischen Ausgleich unter den Gemeinden wie Integrationspauschalen oder Sonderlastenausgleich verstärkt werden – die Gegner der eingeschränkten Wohnsitzfreiheit für Flüchtlinge hatten diese im Rat vergeblich bemüht.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/integration-stgaller-kantonsrat-will-keine-freie-wohnortswahl-fuer-fluechtlinge-ist-das-voelkerrechtswidrig-ld.2258881)


+++ZÜRICH
Zürich richtet Empfangsstelle für Ukraine-Flüchtlinge ein
Ab Dienstag gibt es in der alten Militärkaserne in Zürich für Flüchtlinge aus der Ukraine eine zentrale Anlaufstelle. Dort sollen die Geflüchteten rasch und unbürokratisch empfangen werden. (ab 01:30)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuerich-richtet-empfangsstelle-fuer-ukraine-fluechtlinge-ein?id=12154662
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/kanton-zuerich-richtet-empfangsstelle-fuer-ukraine-fluechtlinge-ein-00177435/
-> https://www.tagesanzeiger.ch/so-bereitet-sich-zuerich-auf-die-grosse-fluechtlingswelle-vor-614861134442
-> https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/medienmitteilungen/2022/03/ukraine-hilfe—aktueller-stand-im-kanton-zuerich.html
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/die-alte-militaerkaserne-beim-hauptbahnhof-zuerich-wird-zur-empfangsstelle-fuer-fluechtlinge-ld.2260147


Ausserhalb des Systems – Sans-Papiers und ihre Helfer im Kanton Zürich
Fast 20’000 Menschen sind im Kanton Zürich papierlos. Will heissen, sie haben weder einen Pass noch eine ID noch eine Aufenthaltsbewilligung. Wie die Situation von Sans-Papiers im Kanton Zürich aussieht und wie Individuen damit Umgehen, sind die Themen des TOP FOKUS auf TELE TOP vom 7. bis 11. März.
https://www.toponline.ch/news/detail/news/top-fokus-ausserhalb-des-systems-sans-papiers-und-ihre-helfer-im-kanton-zuerich-00177430/


+++SCHWEIZ
Geflüchtete Menschen aus der Ukraine können aufgenommen und untergebracht werden
Der Bund hat sich zusammen mit Partnerorganisationen auf die Aufnahme der Vertriebenen aus der Ukraine vorbereitet. In den Bundesasylzentren stehen derzeit mehrere Tausend freie Unterbringungsplätze zur Verfügung, zusätzlich werden weitere Kapazitäten gesucht. Aus der Bevölkerung sind zahlreiche Angebote für eine private Unterbringung eingegangen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe wird diese koordinieren und Ukrainerinnen und Ukrainer in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen an private Gastgeber oder in kantonale Strukturen vermitteln. Das SEM bedankt sich bei allen, die mithelfen, diese Herausforderung zu bewältigen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-87494.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/krieg-in-der-ukraine-so-bereiten-sich-die-kantone-auf-die-ukraine-fluechtlinge-vor
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-schweiz-erwartet-sehr-viele-gefluchtete-66124752
-> https://www.blick.ch/politik/medienkonferenz-ab-15-uhr-wo-kommen-ukrainer-in-der-schweiz-unter-id17297056.html
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/schweiz-will-ukraine-fluechtlinge-unkompliziert-aufnehmen?partId=12154680
-> https://tv.telezueri.ch/talktaeglich/kriegsfluechtlinge-ist-die-schweiz-vorbereitet-145540154
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/traumatisiert-und-psychisch-angeschlagen-fluechtlinge-brauchen-bei-privaten-rueckzugsmoeglichkeiten-145732052
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/tausende-ukrainische-fluechtlinge-werden-in-naechsten-wochen-die-schweiz-erreichen-145732114
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/nach-filippo-leuteneggers-beispiel-diese-kantonsraete-wollen-fluechtlinge-bei-sich-aufnehmen-145732132
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/ukrainische-fluechtlinge-alina-und-sohn-gordey-finden-zuflucht-bei-tante-in-der-schweiz-145732154
-> https://www.telem1.ch/aktuell/wie-sinnvoll-sind-die-privaten-fluechtlingshelfer-145731774
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/so-geht-die-schweiz-mit-ukrainischen-fluechtlingen-um-145731896
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/schweiz-bereitet-sich-auf-tausende-ukraine-fluechtlinge-vor?urn=urn:srf:video:766116c2-74f7-4af9-9253-abe390dee0f4
-> https://www.derbund.ch/die-schweiz-rechnet-mit-1000-ukrainischen-fluechtlingen-pro-woche-118187454832



nzz.ch 07.03.2022

Schutzstatus S: Was den Syrern nicht vergönnt war, erhalten die Ukrainer wohl ohne Zögern

Seit über 20 Jahren sieht das Schweizer Gesetz die Möglichkeit vor, Flüchtlingskollektive rasch und unbürokratisch aufzunehmen. Doch zur Anwendung kam die Bestimmung bisher nie – aus bemerkenswerten Gründen.

Simon Hehli

«So können wir die Bürokratie auf ein Minimum beschränken.» Mit diesen Worten erklärte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Freitag den Entscheid des Bundesrats, den sogenannten Schutzstatus S zu aktivieren. Dank diesem kann die Schweiz schnell eine grössere Anzahl von ukrainischen Flüchtlingen aufnehmen. Der Schutzstatus ist bisher noch nie zur Anwendung gekommen, er hat jedoch einen bemerkenswerten Weg hinter sich.

Der Krieg, der auf das Auseinanderbrechen Jugoslawiens folgte, und die Flüchtlingsströme aus Bosnien und Kroatien rüttelten in den 1990er Jahren die Schweizer Politik auf. Viele dieser Vertriebenen galten aus Sicht des Bundesrates nicht als Flüchtlinge nach der Definition der Genfer Flüchtlingskonvention. Diese setzt eine «wohlbegründete Furcht vor Verfolgung» wegen der Nationalität oder der politischen Überzeugung voraus. Trotzdem anerkannte die Schweiz die Schutzbedürftigkeit der geflohenen Bosniaken und Kroaten, sie durften bis nach dem Ende des Krieges 1995 bleiben.

«Absurde Situation»

Doch diese vorläufige Aufnahme Tausender von Menschen zeigte die Grenzen des bisherigen Systems auf. Denn in jedem einzelnen Fall mussten die Behörden ein zeitintensives Asylverfahren durchführen, obwohl von Anfang an feststand, dass sie kein lebenslanges Asyl gewähren würden. Wie der Bundesrat selbst festhielt, führte das zu einer absurden Situation: Die Behörden mussten diese Personen formell zuerst aus der Schweiz wegweisen, um sie dann gleichzeitig mit derselben Verfügung vorläufig aufnehmen zu können.

Der Bundesrat ging Mitte der 1990er Jahre zudem davon aus, dass die Anzahl der Konfliktherde und damit auch der «Gewaltflüchtlinge» steigen würde. Deshalb schuf er den neuen Schutzstatus S, der keine individuelle Prüfung der Fluchtgründe vorsieht, sondern die rasche Aufnahme eines ganzen Kollektivs ermöglicht. Am 13. Juni 1999 stimmte das Volk dem revidierten Asylgesetz, in dem der neue Schutzstatus enthalten war, deutlich mit 71 Prozent Ja zu.

Die geopolitische Lage lieferte im Abstimmungskampf Anschauungsunterricht für eine mögliche Anwendung des neuen Instruments: In Kosovo tobte seit 1998 der Krieg, vor dem über 50 000 Kosovaren in der Schweiz Zuflucht suchten. Die Bestimmung über die vorübergehende Schutzgewährung sei genau für solche Kriegsvertriebene in grosser Zahl gedacht, betonte die damalige Justizministerin Ruth Metzler. Doch als das neue Gesetz im Oktober 1999 in Kraft trat, war der Krieg bereits seit einigen Monaten vorbei – und der Schutzstatus geriet für längere Zeit in Vergessenheit.

Misstrauen gegenüber den Syrern

Zum Thema wurde er wieder wegen des Kriegs in Syrien. Die FDP wollte 2013 von der Regierung wissen, ob sie auch der Meinung sei, dass die Opfer des Bürgerkriegs als Schutzbedürftige im Sinne des Gesetzesartikels von 1999 aufzunehmen seien – und nicht als Flüchtlinge. Der Bundesrat antwortete, dass er dafür «aufgrund der vergleichsweise geringen Zahl» syrischer Asylbewerber keinen Bedarf sehe.

An dieser Argumentation änderte sich auch 2015 nichts, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreichte und fast 5000 Syrer ein Asylgesuch stellten. Doch das war nur ein Teil der Wahrheit. Der Bundesrat wollte nicht das Risiko eingehen, Mörder oder islamistische Terroristen ins Land zu holen. Er hielt fest: Im vorliegenden Kontext sei es «auch aus Sicherheitsgründen nicht angebracht, auf eine Einzelfallprüfung zu verzichten, denn dies würde die Identifizierung von Personen, die sich möglicherweise Verbrechen des Völkerstrafrechts zuschulden haben kommen lassen oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Schweiz darstellen, erschweren».

Ausserdem kam es den Schweizer Entscheidungsträgern gelegen, dass die Syrerinnen und Syrer vorab nach Deutschland oder Schweden gingen. Eine «Sogwirkung», wie sie die Aktivierung des Schutzstatus S hätte auslösen können, war gar nicht erwünscht. In einem Bericht stellte der Bundesrat 2016 einige Anpassungen des Schutzstatus zur Diskussion. So sei es möglich, die grosszügige Regelung beim Familiennachzug zu verschärfen oder auf eine automatische Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nach fünf Jahren zu verzichten. Doch gleichzeitig stellte er infrage, ob Anpassungen an einem Status, der noch nie zur Anwendung gekommen war, sinnvoll seien.

So blieb der Schutzstatus S, wie er Ende der 1990er Jahre entworfen worden war. Aus der Theorie wird nun Praxis, was den Syrern nicht vergönnt war, sollen die Ukrainer ohne Zögern erhalten. Der Bundesrat will den definitiven Entscheid noch diese Woche fällen, nach einer Konsultation der Kantone und der Hilfswerke.
(https://www.nzz.ch/schweiz/schutzstatus-s-was-den-syrern-nicht-vergoennt-war-erhalten-die-ukrainer-ohne-zoegern-ld.1673384)



Die Geschichte des Schutzstatus S: Als die Behörden mit den Asylgesuchen nicht mehr nachkamen
Erstmals aktiviert der Bundesrat den sogenannten Schutzstatus S. Ukrainerinnen und Ukrainer sollen dadurch in der Schweiz unbürokratisch Schutz erhalten. Geschaffen wurde der Status im Zuge der Jugoslawien-Kriege. Ein Rückblick.
https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/vertriebene-die-geschichte-des-schutzstatus-s-als-die-behoerden-mit-den-asylgesuchen-nicht-mehr-nachkamen-ld.2259257


Parlament beschliesst Erneuerung des Migrationsinformationssystems
Das Parlament will knapp vier Millionen Franken weniger ausgeben für die Erneuerung des Zentralen Migrationsinformationssystems (Zemis). Nach dem Nationalrat hat am Montag auch der Ständerat einem Kredit von 50,66 Millionen Franken für die Jahre 2022 bis 2027 zugestimmt.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2022/20220307161201210194158159038_bsd122.aspx


Lehrabbruch bei negativem Asylentscheid: Ständerat bleibt hart
Der Ständerat will nicht, dass Asylsuchende bei einem negativen Entscheid ihre Berufslehre in jedem Fall beenden können. Die bestehenden Mechanismen reichten aus, um Lösungen zu finden.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/knapper-entscheid-lehrabbruch-bei-negativem-asylentscheid-staenderat-will-bedingungen-nicht-lockern-ld.2258984


+++UNGARN
Geflüchtete in Ungarn: Plötzlich gastfreundlich
Ungarn ist für seine harte Migrationspolitik bekannt, Viktor Orbán für seine Nähe zu Putin. Seit dem Krieg in der Ukraine zeigt er sich aber pragmatisch. Ein Balanceakt
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/gefluechtete-ungarn-ukraine-krieg-aufnahme/komplettansicht


+++UKRAINE
(Zur Situation der ukrainischen Roma(
Stoppt die Segregation der Flüchtenden aus der Ukraine! Gleiche Rechte und Hilfe für Alle!
https://ran.eu.com/stoppt-die-segregation-der-fluchtenden-aus-der-ukraine-gleiche-rechte-und-hilfe-fur-alle/


+++GRIECHENLAND
Trügerische Ruhe auf Lesbos
Es ist ruhig geworden um das Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos. Doch die Ruhe trübt.
https://rabe.ch/2022/03/04/truegerische-ruhe-auf-lesbos/


+++GASSE
limmattalerzeitung.ch 06.03.2022

Coiffeusen mit Herz: Die Barber Angels schneiden Armutsbetroffenen gratis die Haare

21 Personen aus Urdorf, Dietikon, Birmensdorf und vom Mutschellen haben am Sonntag von professionellen Friseurinnen im Mehrzweckraum Embri in Urdorf einen neuen Haarschnitt und mehr Selbstwertgefühl erhalten.

Sibylle Egloff

«Wow, Raffi, man sieht deine Ohren wieder», sagt Nicole Wehrli zu ihrem Sohn. Der Achtjährige hat gerade von der Dietiker Coiffeuse Susanne Hänni alias Curlysue eine neue Frisur verpasst bekommen. Jetzt sitzt seine Zwillingsschwester Tiffany auf dem Stuhl und wartet darauf, dass ihr die Spitzen geschnitten werden. Familie Wehrli aus Bellikon, zu der auch Vater Walter und Sohn Silas gehören, hat an diesem Sonntagnachmittag einen Coiffeurtermin bei den Barber Angels im Mehrzweckraum Embri in Urdorf.

Unter diesem Namen engagieren sich professionelle Friseurinnen und Friseure in rockigen Lederoutfits seit rund vier Jahren für Menschen in der Schweiz, die an der Armutsgrenze leben. Weil diese sich kaum einen Coiffeurbesuch leisten können, schneiden ihnen die Barber Angels kostenlos die Haare. Der Klub der Barber Angels Brotherhood wurde 2016 in Deutschland ins Leben gerufen. Mittlerweile hat er Ableger in Spanien, Norwegen, Österreich, Holland und der Schweiz.

Sie greifen in Urdorf bereits zum dritten Mal gratis zur Schere

Die Barber Angels verwandeln den Mehrzweckraum Embri bereits zum dritten Mal in einen Coiffeursalon und spannen mit der Urdorfer Kantonsrätin Sonja Gehrig (GLP) zusammen. Sie ist Präsidentin des Vereins «Aufgetischt statt weggeworfen», der mittlerweile an 14 Standorten im Kanton Zürich und im Kanton Aargau nicht mehr verkaufbare Lebensmittel an Personen mit geringem Einkommen verteilt – unter anderem auch in Urdorf.

Über eine Kollegin, die am Standort Langnau am Albis die Lebensmittelabgabe organisiert, hat Gehrig von der Arbeit der Barber Angels erfahren und lud die Coiffeusen 2019 erstmals nach Urdorf ein. «Wir verfolgen das gleiche Ziel. Wir möchten Armutsbetroffenen eine Freude bereiten und sie unterstützen, daher finde ich es sinnvoll, dass wir zusammenarbeiten», sagt Gehrig. So habe sie beispielsweise alle Lebensmittelbezüger aus Urdorf auf das Coiffeurangebot aufmerksam gemacht.

Normalerweise schneidet sie ihre Haare einmal pro Jahr

Die Werbung war erfolgreich. 21 Personen aus Urdorf, Dietikon, Birmensdorf und dem Mutschellen haben sich für einen Haarschnitt am Sonntagnachmittag angemeldet. So zum Beispiel eine Mutter aus Urdorf, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. «Ich bin sehr froh, dass ich hier meine Haare schneiden lassen kann. Dadurch spare ich viel Geld. Normalerweise kann ich es mir höchstens einmal im Jahr leisten, zum Coiffeur zu gehen.»

Ähnlich geht es dem dreifachen Familienvater Walter Wehrli, der die Barber Angels mit Frau und Kindern besucht. Er nahm das Angebot bereits vor drei Jahren in Anspruch. «Damals hatte ich noch einen Job, doch es war schon knapp. Aufgrund meiner Knieprobleme und einer Operation kann ich derzeit gar nicht arbeiten. Daher bin ich doppelt dankbar, dass wir vorbeikommen dürfen», sagt Wehrli. Coiffeuse Tina Flohr, die ihm die Haare schneidet, strahlt übers ganze Gesicht. Sie sagt: «Ich sehe täglich bei der Arbeit, was für ein tolles Gefühl ein neuer Haarschnitt auslösen kann. Daher freue ich mich, dass ich auch Menschen, die es sich nicht leisten können, dieses Gefühl geben kann.»

Dieser Meinung ist auch Melanie Scherer, Präsidentin der Barber Angels Schweiz. «Die Wertschätzung, die man spürt und das neue Selbstwertgefühl, das man den Menschen schenken kann, ist für uns der grösste Lohn.» Die Arbeit ihres zehnköpfigen Teams ist gefragt. «Weil wir sehr viele Anfragen von Institutionen und Vereinen haben, sind wir dringend auf der Suche nach weiteren Coiffeusen und Coiffeuren, die uns unterstützen», sagt Scherer. Mittlerweile wurde die ganze Familie Wehrli von den Barber Angels bedient. Mit frischen Frisuren und Taschen mit kostenlosen Haarprodukten verlässt sie den Mehrzweckraum. Coiffeuse Tina Flohr und Walter Wehrli umarmen sich. Zum Abschied sagt er: «Vielen Dank, ihr seid wahre Engel.»
(https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/urdorf-coiffeusen-mit-herz-die-barber-angels-schneiden-armutsbetroffenen-gratis-die-haare-ld.2259639)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
SPEZIAL: Kill-Erdogan-Prozess: “Wir erheben uns nicht für Richter:innen, jedoch um den Gefallenen zu gedenken.”
Derzeit findet in Bern ein Prozess gegen vier Aktivistinnen und Aktivisten in Bern statt, die mit einem Transparent in Verbindung stehen sollen auf den steht “Kill Erdogan”. Dieses Transparent machte die türkische Regierung sehr wütend, vor allem Erdogan selbst und erlangte so einen gewissen Bekanntheitsgrad.
https://www.nuceciwan103.xyz/de/2022/03/07/spezial-kill-erdogan-prozess-wir-erheben-uns-nicht-fuer-richterinnen-jedoch-um-den-gefallenen-zu-gedenken/


Demo in Luzern: Feministischer Kampftag im Vögeligärtli
Am Dienstagnachmittag versammeln sich Aktivistinnen im Luzerner Vögeligärtli, um für Gleichberechtigung einzustehen.
https://www.zentralplus.ch/feministischer-kampftag-im-voegeligaertli-2317429/


+++FRAUEN/QUEER
Migrantinnen stehen am diesjährigen Weltfrauentag im Fokus
Am Weltfrauentag, dem 8. März, finden in Bern Aktionen und eine Demonstration für eine bessere Teilhabe von Migrant:innen in der Stadt Bern, gegen die Gewalt an Frauen und queeren Menschen und für Frieden statt. Die Demonstration startet um 18 Uhr auf der Schützenmatte.
https://www.neo1.ch/artikel/migrantinnen-stehen-am-diesjaehrigen-weltfrauentag-im-fokus
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/5016


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Ukraine im Fokus, ProFrontex am Start, Abschiebedeals im Kommen
https://antira.org/2022/03/07/ukraine-im-fokus-profrontex-am-start-abschiebedeals-im-kommen/


Ein Zeichen setzen gegen Rassismus
Der 21. März ist der internationale Tag zur Bekämpfung von Rassismus. Rund um dieses Datum finden jeweils in verschiedenen Gemeinden und Kantonen die Aktionswochen gegen Rassismus statt. Erstmals beteiligt sich auch die Stadt Thun an dieser Aktion.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/197757/


+++RECHTSPOPULISMUS
Ukraine-Invasion: Putins globale Rechte demaskiert sich selbst
Eine Kolumne von Christian Stöcker
Von rechten Kommentatoren in Europa und den USA wird Wladimir Putin als Held gefeiert – oder zumindest als erfrischender Gegenentwurf zum vermeintlich verweichlichten Westen. Damit muss endlich Schluss sein.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/ukraine-invasion-wladimir-putins-globale-rechte-demaskiert-sich-selbst-kolumne-a-cd3e7e84-0aef-45f1-8c96-960273c1f6f2


+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechtsextreme Deutsche wollen in der Ukraine gegen Russland kämpfen
Rechtsextreme deutsche Männer versuchen in die Ukraine zu gelangen, um dort gegen Russland zu kämpfen. Mindestens 20 Männer interessieren sich aktiv dafür oder befinden sich bereits auf dem Weg in die Ukraine. Dort wollen sie sich einer paramilitärische Einheit anschließen und den „Erzfeind der Nationalsozialisten“ bekämpfen.
 https://www.rnd.de/politik/ukraine-rechtsextreme-deutsche-wollen-im-krieg-gegen-russland-kaempfen-6ELZ72AILWPKPQL7RVAE5OG4JE.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Verschwörungstheorien – Ukraine-Krieg: Ein gefundenes Fressen für ehemalige Coronaleugner
Corona-Massnahmenskeptikerinnen und -skeptiker teilen nun in den Kommentarspalten und auf Social-Media-Kanälen (auch von SRF) prorussische Propaganda und auch Verschwörungstheorien. Marko Kovic ist Sozialwissenschaftler und forscht zu Verschwörungstheorien. Er hat in der linken Wochenzeitung «Woz» die Zusammenhänge aufgedeckt.
https://www.srf.ch/news/schweiz/verschwoerungstheorien-ukraine-krieg-ein-gefundenes-fressen-fuer-ehemalige-coronaleugner


Kulturfeindlichkeit: Warum Querdenker die Kunst hassen
In Zwickau greifen Corona-Demonstranten die Kunstszene an – getrieben von rechter Kulturfeindlichkeit. Künstler fühlen sich von Polizei und Politik im Stich gelassen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-01/kulturfeindlichkeit-querdenker-rechte-corona-demonstranten-kunstfreiheit


DDoS-Attacke auf Russland: Verein Aufrecht Schweiz reicht Strafanzeige gegen Wermuth ein
Der SP-Nationalrat Cédric Wermuth ermunterte in einem Post, die Desinformation des Kremls zu sabotieren. Aufrecht Schweiz sieht darin einen Aufruf zu einer Straftat.
https://www.20min.ch/story/verein-aufrecht-schweiz-reicht-strafanzeige-gegen-wermuth-ein-281760645948


+++HISTORY
Warum feiern wir den 8. März?
Warum ist ausgerechnet der 8. März internationaler feministischer Kampftag?
https://www.youtube.com/watch?v=kyJXmWBh_OA