Medienspiegel 6. März 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++AARGAU
Solidarität für ukrainische Flüchtlinge: Familie aus dem Seetal nimmt zwei Jugendliche auf
Die Solidarität für die Menschen aus der Ukraine ist seit Ausbruch des Krieges weiterhin gross. Mittlerweile sind auch die ersten Flüchtlinge in der Schweiz angekommen. Eine Familie aus dem Seetal wollte helfen und hat zwei Jugendliche bei sich zuhause aufgenommen.
https://www.telem1.ch/aktuell/solidaritaet-fuer-ukrainische-fluechtlinge-familie-aus-dem-seetal-nimmt-zwei-jugendliche-auf-145719336


Für eine «humane Aufnahmekultur»: Verein Netzwerk Asyl fordert Schutz, der unabhängig ist von Fluchtursachen
Mehr als eine Million Menschen flüchten vor dem Krieg in der Ukraine – vor diesem Hintergrund lanciert der Verein Netzwerk Asyl Aargau eine Petition mit mehreren Forderungen an die Aargauer Regierung.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/petition-fuer-eine-humane-aufnahmekultur-verein-netzwerk-asyl-fordert-schutz-der-unabhaengig-ist-von-fluchtursachen-ld.2257899


+++ZÜRICH
Ukraine-Krieg: Ankunft erster Flüchtlinge in Zürich
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind bereits eineinhalb Millionen Ukrainer auf der Flucht. Svetik Shalayoda, ein gebürtiger Ukrainer aus Trachslau bei Einsiedeln, hat sich ein Car samt Chauffeur gemietet und ist an die ukrainische Grenze gefahren. Heute Morgen ist er mit dem Car voll Flüchtlinge in Zürich angekommen.
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/ukraine-krieg-ankunft-erster-fluechtlinge-in-zuerich-145718954


+++SCHWEIZ
Schweiz bereitet sich auf Flüchtlingswelle vor
Die Schweiz bereitet sich mit Hochdruck auf eine Wellte von Flüchtlingen aus der Ukraine vor. Das erklärt die Justizministerin Karin Keller-Sutter. Momentan sind die Ämter noch nicht so effizient, wie sie sein könnten. Eine Online-Datenbank könnte das Problem abschwächen.
https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/schweiz-bereitet-sich-auf-fluechtlingswelle-vor-00177283/


Hunderte ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz angekommen
Zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine sind mittlerweile in Zürich angekommen. Um sich beim Bundesasylzentrum in Zürich registrieren zu können, müssen sie teilweise Wartezeiten in Kauf nehmen. Statt Willkommenskultur gebe es Bürokratie, sagen Kritiker.
https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/ukrainische-fluechtlingswelle-trifft-schweiz-unvorbereitet-00177349/


Erste Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz eingetroffen
Auch in der Schweiz sind in den letzten Tagen erste Menschen aus der Ukraine eingetroffen. Tausende Private haben bereits angeboten, Flüchtende aufnehmen zu wollen. Dafür müssen aber noch einige politische und rechtliche Fragen geklärt werden.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/erste-ukrainerinnen-und-ukrainer-in-der-schweiz-eingetroffen?urn=urn:srf:video:26b1c62e-2b56-4518-9ea2-55fa588c01c9


Schweizer Flüchtlingshilfe – «Es ist eine fantastische Solidarität vorhanden»
Die Flüchtlingshilfe hat viel Angebote für die Unterbringung von Geflüchteten erhalten, sagt Direktorin Miriam Behrens.
https://www.srf.ch/news/schweiz/schweizer-fluechtlingshilfe-es-ist-eine-fantastische-solidaritaet-vorhanden



Sonntagszeitung 06.03.2022

Ankunft in der Schweiz: Geflüchtete warteten sieben Stunden auf die Registrierung

Über 300 Menschen sind bereits aus der Ukraine hierhergeflüchtet – nach der beschwerlichen Reise erwartete sie die Schweizer Bürokratie, wie das Beispiel der Familie Simenko zeigt.

Cyrill Pinto

Endlich angekommen. Die Familie Simenko* steht vor dem Bundesasylzentrum in Boudry NE, oberhalb des Neuenburgersees. So richtig fassen können sie nicht, was passiert ist. Noch vor einer Woche waren sie in der Ukraine. Nur einen Tag nach Kriegsausbruch entschlossen sie sich zur Flucht, packten ihre Sachen. Irina Simenko und ihr Mann Andrei nahmen ihre vier Kinder – die Kleinste ist erst drei Jahre alt – und stiegen ins Auto.

Fünf Tage dauerte die Odyssee von ihrer Heimatstadt Tschernowitz bis in die Schweiz. 1700 Kilometer durch Moldau, Rumänien, Ungarn und Österreich ging die Fahrt. Unterwegs kamen sie bei Bekannten unter – in Wien bei einem Ukrainer, der dort ein Hotel betreibt und Flüchtende bei sich aufnahm.

Am Mittwoch dann kam die Familie Simenko bei der Schwester von Irina in Zollikerberg ZH an. «Unser Wiedersehen war sehr emotional», sagt Schwester Nina Scarpat, die seither die Familie betreut und bei den Übersetzungen hilft.

Nach der beschwerlichen Reise durch Europa folgte die nächste Odyssee – diesmal durch das Schweizer Asylsystem. Bei ihrer Ankunft meldete sich die Familie im Bundesasylzentrum in Zürich. Dort musste sie nicht weniger als sieben Stunden in einem Wartsaal auf ihre Registrierung warten. Nina, die Schwester, übersetzte und versuchte zu vermitteln. Doch das half alles nichts, der Prozess wurde nicht beschleunigt. Die Kinder begannen zu weinen, wie auch die Passfotos auf den Dokumenten zeigen. Erst spätabends konnte die Familie einen Schlafsaal mit Doppelstockbetten beziehen.

Erst 330 Flüchtende aus der Ukraine sind in der Schweiz

Nach der Nacht im Zürcher Bundeszentrum wurde der Familie Simenko ein Passierschein in die Hand gedrückt, ein gedruckter Fahrplan und Billette. Damit und mit ihrem ganzen Gepäck sollten sie ins 160 Kilometer entfernte Bundesasylzentrum in Boudry NE fahren, an den Rand der Schweiz. «Aus logistischen Gründen», wie es auf dem Passierschein heisst. Für die erschöpfte Familie war das zu viel. Irinas Schwester Nina fuhr stattdessen zusammen mit der Familie in ihrem Auto nach Boudry. Dort trafen sie andere Geflüchtete, die sich zuerst in Boudry gemeldet hatten – und dann nach Zürich verwiesen wurden, ebenfalls «aus logistischen Gründen». Auch andere Geflüchtete aus der Ukraine berichten von langen Wartezeiten bei ihrer Ankunft. Wer bei der Ankunft in der Schweiz auf eine Begrüssung mit einer Tasse Tee oder einer heissen Suppe hoffte, wurde enttäuscht. Den Geflüchteten wurden bei ihrer Ankunft in den Bundesasylzentren die eigenen Nahrungsmittel weggenommen, die ihnen auf der Reise gespendet worden waren – «aus hygienischen Gründen», wie es beim SEM heisst. Frühstück gibt es nur von 7 bis 7.30 Uhr, Mittagessen von 11.30 bis 12.15 Uhr und Abendessen von 18 bis 18.45 Uhr.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) kann sich zu Einzelfällen nicht äussern und sagt: «Wir treffen nun fortlaufend Massnahmen, um unsere Abläufe den veränderten Umständen anzupassen.» Die Behörde arbeite intensiv daran, die ankommenden Flüchtenden aus der Ukraine rasch und unkompliziert zu empfangen, aufzunehmen und gut unterzubringen.

Offenbar ist die Schweiz nicht darauf ausgerichtet, Geflüchtete willkommen zu heissen. Dabei sind von der über eine Million Menschen, die bereits aus der Ukraine in die Nachbarländer geflüchtet sind, erst wenige hierzulande angekommen: «Seit Anfang Jahr haben sich rund 330 ukrainische Personen in den Bundesasylzentren gemeldet, momentan haben rund 200 Staatsangehörige aus der Ukraine ein Asylgesuch gestellt und sind in einem Bundeszentrum untergebracht», heisst es beim SEM.

Weitere Menschen harren in der Ukraine aus. Wie die Mutter und Grossmutter von Andrei Simenko, die in Tschernowitz geblieben sind. «In den letzten Tagen heulten auch dort die Sirenen, um vor Luftangriffen zu warnen. Doch meine Grossmutter schafft es nicht mehr in den Luftschutzkeller», sagt Andrei Simenko. Er konnte das Land auch nur mit seinen Kindern verlassen. Wer mehr als drei eigene Kinder ins Ausland begleite, dürfe trotz Wehrpflicht ausreisen, sagt Andrei.

Private unterstützten die Behörden

In Boudry will die Familie erst mal zur Ruhe kommen. Dann will sie einen Antrag auf Privatunterkunft stellen. Tausende Menschen in der Schweiz hatten sich in den letzten Tagen bei der Organisation Campax gemeldet und ein Zimmer oder eine Wohnung für Geflüchtete bereitgestellt. Ab Montag könnten die Simenkos in eine solche Unterkunft ziehen. Doch dafür müssen sie zuerst einen Antrag stellen, der dann vom SEM bewilligt werden muss.

Beim Bund ist man sehr dankbar für die Hilfsangebote aus der Bevölkerung, wie es dort heisst. Doch um den Geflüchteten eine Wohnung zuweisen zu können, müsse man zuerst die eigene Krisenorganisation aufbauen. «Wir sind mit Kantonen, Gemeinden und NGOs in engem Kontakt», heisst es beim SEM. Auch mit Campax, das mit einer Onlineplattform Daten zu Unterkünften sammelt, sei man verbunden.

Ab nächster Woche will Campax den Behörden ihre Datenbank öffnen – nicht nur mit den Angaben zu den rund 30’000 Betten in Privatunterkünften, sondern auch mit nicht privaten Angeboten, wie Andreas Freimüller von Campax sagt. Dazu gehören Hotelzimmer, Gasthäuser oder Unterkünfte bei Kirchen und Gemeinden. «Die Situation ist sehr dynamisch – wir versuchen, die Behörden mit dieser Datenbank zu unterstützen», sagt Freimüller.
(https://www.derbund.ch/gefluechtete-warteten-sieben-stunden-auf-die-registrierung-916555082840)
-> https://www.blick.ch/politik/stundenlang-im-wartezimmer-fluechtlinge-erwartet-schweizer-buerokratie-id17294108.html


+++ITALIEN
Keine Vorteilsnahme
Das Dorf des Willkommens: Inzwischen zu langjähriger Haftstrafe verurteilter Bürgermeister von Riace erzählt aus seinem Leben
https://www.jungewelt.de/artikel/422103.hilfe-f%C3%BCr-fl%C3%BCchtlinge-keine-vorteilsnahme.html


+++UKRAINE
Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine: „Ganz klares Racial Profiling“
Noch immer werden Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine in Polen und Deutschland anders behandelt als weiße, kritisiert Jeff Klein vom Verein EOTO.
https://taz.de/Schwarze-Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5834093/
-> https://www.jungewelt.de/artikel/422046.fluchtbewegung-das-ist-ein-mix-aus-mitgef%C3%BChl-und-stacheldraht.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/422067.opfer-des-krieges-in-der-falle.html


+++BELARUS
Migranten stecken an polnisch-belarussischer Grenze fest
Angesichts des Krieges in der Ukraine findet das Schicksal der Schutzsuchenden an der polnisch-belarussischen Grenze keine Beachtung mehr. Der kurdische Journalist Ako Mecîd steckt mit einer Gruppe in der Pufferzone im Grenzgebiet fest.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/migranten-stecken-an-polnisch-belarussischer-grenze-fest-31075


+++JUSTIZ
Die meisten Verurteilungen sind Strafbefehle: Die grosse Macht der Staatsanwälte
Staatsanwaltschaften entscheiden bei neun von zehn Vergehen allein über Schuld und Strafe – via Strafbefehle. Manchmal erfahren Beschuldigte erst im Gefängnis von ihrem Urteil, schreibt der «Beobachter».
https://www.blick.ch/politik/die-meisten-verurteilungen-sind-strafbefehle-die-grosse-macht-der-staatsanwaelte-id17291328.html
-> https://www.beobachter.ch/gesetze-recht/fiktiv-zugestellte-strafbefehle-die-grosse-macht-der-staatsanwalte


+++RASSISMUS
Russen-Hass statt Putin-Boykott: Schweizer Arzt verweigert russischem HIV-Patienten die Behandlung
Kranke, denen Mediziner aufgrund der Nationalität nicht helfen; Kinder, die wegen ihrer Herkunft gemobbt werden; Eingereiste, die sich fürchten, ihre Muttersprache zu sprechen. Russen fühlen sich hierzulande zunehmend unwohl.
https://www.blick.ch/wirtschaft/russen-hass-statt-putin-boykott-schweizer-arzt-verweigert-russischem-hiv-patienten-die-behandlung-id17293433.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/arzt-verweigert-russischem-hiv-patienten-die-behandlung-670228946359


Antirassistische Webserie „L.S.D.“: Zauberkräfte gegen Herrenmenschen
In der Serie „L.S.D.“ helfen übernatürliche Wesen diskriminierten Migrant*innen. Produziert wurde sie von der Hamburger Gruppe New Media Socialism.
https://taz.de/Antirassistische-Webserie-LSD/!5835593/


+++RECHTSEXTREMISMUS
‘Fascist fitness’: how the far right is recruiting with online gym groups
Anti-fascist group Hope Not Hate says extremists present self-improvement as part of wider political struggle
https://www.theguardian.com/politics/2022/mar/06/fascist-fitness-how-the-far-right-is-recruiting-with-online-gym-groups


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Putins Handlanger: Wieso „Querdenker“ & Impfgegner jetzt Pro Putin sind
Von Lügen über Corona nahtlos Lügen für Putins Krieg
Putin führt jetzt schon die zweite Woche Krieg gegen die Ukraine. Gleichzeitig – und das in Wahrheit schon seit Jahren – führt Putins Propaganda auch einen Desinformationskrieg im Netz. Wir kennen längst die Geschichten der Trollfabriken, die in Putins Namen im Netz umhergeistern, Staatspropagandasender wie RT, die auch bei Volksverpetzer immer wieder Faktenchecks unterlaufen mussten. Putins Invasion der Ukraine wird in Deutschland durch die Bank weg verurteilt, auch einige Politiker:innen, die Autokrat Putin bisher eher verharmlost hatten, revidieren mittlerweile ihre Meinung (Quelle, Quelle). Sogar die rechtsextreme und Putin-nahe AfD verurteilt Putins Angriffskrieg offiziell – auch wenn sie keine Sanktionen dagegen fordert. Und in den hinteren Reihen und Kommentarspalten wird jedoch wieder klar, wie die AfD-Blase den Kriegsverbrecher tatsächlich feiert.
https://www.volksverpetzer.de/corona-faktencheck/querdenker-impfgegner-pro-putin/


Russlands Krieg gegen die Ukraine:  “Querdenker” für Putin
Verschiedene “Querdenker” und Rechtsradikale verteidigen den Überfall Russlands auf die Ukraine. Viele von ihnen sehen in Putin einen Widerstandskämpfer gegen die “westliche Elite”.
https://www.tagesschau.de/investigativ/reaktionen-auf-putin-von-querdenkern-und-verschwoerungsideologen-101.html


Ukraine – Krieg der Lügen
Lügen, Tarnen, Täuschen. Diese Mittel nutzt Wladimir Putin im Kampf um die Meinungshoheit. In der Ukraine sei eine Bande von Nazis an der Macht und die Russen dort müssten um ihr Leben fürchten. Schon vor Jahren trommelte diese nationalistische Propaganda auf Russinnen und Russen ein.
https://www.srf.ch/audio/international/ukraine-krieg-der-luegen?id=12152997


+++HISTORY
luzernerzeitung.ch 01.03.2022

Geheimes Wirken der deutschen Nazifreunde in Zug

In nächtlichen Sitzungen an geheimen Orten organisierten sich die in Zug ansässigen Exil-Deutschen. Ein Teil ist Mitglied der NSDAP, die meisten sind bei der «Deutschen Kolonie». Auch ein NS-Promi weilte in Zug – kurz vor seiner Ermordung.

Michael van Orsouw

Die Nationalsozialistische Arbeiterpartei, kurz NSDAP, wird für gewöhnlich mit Deutschland und mit Adolf Hitler assoziiert. Aber die Partei hatte auch einen Ableger im Kanton Zug. Denn die Auslandsorganisation von Hitlers Nazideutschland versuchte, in der ganzen Schweiz ein möglichst filigranes Netz auszubreiten.

Die «NSADP Ortsgruppe Zug» verstand sich als Eliteorganisation, sie nannte sich auch «Zelle Zug» oder «Gau Zug» und hatte immerhin 36 Mitglieder, davon waren 10 sehr aktiv. Daneben waren die Exil-Deutschen in der «Deutschen Kolonie, Ortsgruppe Zug» organisiert, welche in Zug rund 350 Mitglieder aufwies. Kleinere Gruppierungen waren die «NS Frauenschaft Zug», die viele Strickabende organisierte, die «NS Sportgruppe Zug», die mit ihren 48 Mitgliedern Körperertüchtigung betrieb, dann die «Deutsche Arbeitsfront», die einen Krankenbeihilfefonds für Exil-Deutsche unterhielt sowie die «Reichsdeutsche Jugend», die Nachwuchsorganisation. Deren Mitglieder – Kinder – konnten teilweise in deutschen Heimen Ferien machen.

Mit diesen sechs Organisationen konnte Nazideutschland jeden Lebensbereich der Auslanddeutschen auf die deutsche Gesinnung einschwören. Das ging so weit, dass man sogar Kochrezepte und Liederbücher, Bücher, Spiel- und Informationsfilme, Broschüren und Karten, Sport und Spiel zur Verfügung stellte. Mit den regelmässigen Zusammenkünften, den Sammlungen und dem regen Briefverkehr untereinander wollte man die Zugehörigkeit zum deutschen Volk verstärken. Mit Weihnachtsfeiern, Kinderbescherungen, Kinderverschickungen, sozialem Auffangnetz wie Krankenbeihilfe, Unterstützung von Soldatenfamilien, Aufmunterungskarten etc. förderte man den Zusammenhalt. Das war für bestimmte Familien nicht nur eine nette Geste oder ideologisch begründet, sondern überlebensnotwendig.

Gauleiter Gustloff in Zug

Am 1. Februar 1936 feierten die organisierten Deutschen im Restaurant Schützenhaus an der Chamerstrasse in Zug den dritten Jahrestag der Machtergreifung Hitlers, rund 50 Personen lauschten den Ansprachen. Mit dabei am Anlass war der bekannte NSDAP-Gauleiter der Schweiz, Wilhelm Gustloff aus Davos. Fünf Tage später wurde er durch den Studenten David Frankfurter in seiner Wohnung erschossen. Gustloff wurde in der Folge vom Naziregime und von Adolf Hitler persönlich als Märtyrer stilisiert. Die Zuger Zeitungen berichteten zwar über die Ermordung, aber erwähnten interessanterweise mit keinem Wort, dass Gustloff kurz zuvor noch in Zug gewesen war.

Doch die Bundespolizei verfolgt die Angelegenheit genauer. Denn Gustloffs Besuch in Zug kurz vor seinem Tod habe Arthur Z. gegolten, einem Ingenieur bei Landis & Gyr, der überzeugter Nationalsozialist mit deutschem Pass sei und in Zug wohne. Z. war auch an Gustloffs Totenfeier in Deutschland gewesen: «Der Mann trommelt die Deutschen im Kanton zusammen, vor allem die zahlreichen Dienstmädchen, und führt mit ihnen alle 14 Tage in seiner Villa Schulungsabende durch. Die einfachen Leute fühlen sicj (sic!) natürlich hochgeehrt und erzählen ganz harmlos. Man scheint sich allerdings weniger für negative Aeusserungen über das Dritte Reich zu interessieren als für heimliche oder offene Hitlersympathien angesehener Schweizer.»

Nächtliche Sitzungen im Guggithal

Als direkte Folge erstellte das Polizeikommando des Kantons Zug einen Bericht über Arthur Z.: Vor zwei, drei Jahren hätten regelmässige Zusammenkünfte stattgefunden, die «seien nun aber in den letzten zwei Jahren stark zurückgegangen …» Z.s Gesinnung beschrieb die Polizei so: «… ein fanatischer Nationalsozialist, was er spez. in gewissen Kreisen, wenn ihm in guter Stimmung die Zunge gelöst worden ist, in bewegten Worten und vermutl. z. T. auch Prahlereien zum Ausdruck bringt.» Der Polizeibericht äusserte die Vermutung, Z. «soll übrigens im Kanton Zug als Gauleiter der N. S. D. A. P. fungieren.»

In einem Brief von 1938 an die Polizeistellen wurde ein Stimmungsbild von Zug vor dem Zweiten Weltkrieg gezeichnet: «… Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, dass auch in hiesiger Stadt fremden Ideologien huldigende Landesverräter am Werk sind, welche, wenn auch eine unterirdische, aber eben deswegen umso gefährlichere Tätigkeit entwickeln … lösen allerorts grösstes Missbehagen in der Bevölkerung aus. Hartnäckig umgehende Gerüchte besagen immer wieder, dass diese Männer im Dienste einer ausländischen Macht stünden und Vorbereitungen für die Gleichschaltung unseres Landes träfen. In der zugerischen Presse erfolgte ein ziemlich unverblümter Hinweis auf nächtliche Sitzungen im Guggithal. Das Wohl unseres Vaterlandes verlangt dringend, dass solchen Wühlern das Handwerk gründlich gelegt wird, bevor sich unsern Lippen ein resignierendes ‹zu spät› entringt.»

«Ungeniert, fast etwas frech»

Im April 1939 feierten Zuger Nazis bei Arthur Z. zu Hause den Geburtstag des Führers. Das Polizeikommando lud daraufhin Z. zum Verhör und rapportierte nach Bern: «Z. ist eine ungenierte, fast etwas freche Natur, sodass es ihm bestimmt nichts zu tun gibt, eine solche Behauptung aufzustellen, die der Wahrheit entbehrt, um sich auf diese Weise so gut als möglich rein zu waschen. Er fühlt sich offenbar zu erhaben, sich mit schweizerischen Amtsstellen herum zu schlagen …»

Nachweisen konnte man Z. nichts. So kam es, dass seine Aufenthaltsbewilligung nach Kriegsausbruch im Oktober 1939 verlängert wurde. Die Fremdenpolizei des Kantons Zug hatte den Arbeitgeber von Z., die Landis & Gyr, um eine Stellungnahme gebeten: «Heute und noch für lange Zeit könnte Z. als Spezialist bei uns durch keine andere Arbeitskraft ersetzt werden … der Nachweis unzulässiger Propaganda Z.s unter dem Personal (konnte) nie erbracht werden.»

Und dann machte die LG-Direktion noch bemerkenswerte Aussagen: «Aber wir möchten nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass die Nichterneuerung der Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung Z.s für unser Unternehmen, das engste Beziehungen zu solchen in Deutschland unterhält und für die dort in der Leitung tätigen Schweizer, unangenehmste Rückwirkungen auslösen kann.» Die Frage muss erlaubt sein: Wurde Arthur Z. also aus wirtschaftlichen Gründen geduldet?



Hinweis: Dr. Michael van Orsouw, Historiker und Schriftsteller, beleuchtet die bewegte Zeit von 1933 bis 1945. In Folge 5 berichtet er über zwei Landesverräter aus Zug.

Literatur: Bürgi, Christina Daniela; Goldene Zeiten – Krisenzeiten. Der Kanton Zug in der Zwischenkriegszeit 1919–1939; Diss. Baar 1993; Lachmann, Günter; Der Nationalsozialismus in der Schweiz 1931–1945. Ein Beitrag zur Geschichte der Auslandsorganisation der NSDAP; Diss. Berlin 1962.

Quellen: Bundesarchiv Bern; E 4320 (B) 1970/25, Bd. 30 C. 2. 168, Dossier Arthur Z., Dokumente vom 08.04.1937 bis 28.10.1939; Staatsarchiv Zug; unklassifizierter Bestand Deutsche Kolonie Zug
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/serie-zug-1933-1945-geheimes-wirken-der-deutschen-nazifreunde-in-zug-ld.2253776)