Medienspiegel 20. Februar 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Rechtspartei im Clinch wegen EU-Grenzwachttruppe: SVP streitet um Frontex-Millionen
Die Linke kämpft gegen den Schweizer Beitrag zur Sicherung der EU-Aussengrenzen. Das stösst auch in der SVP auf Sympathien, zum Ärger von Bundesrat Ueli Maurer.
https://www.blick.ch/politik/rechtspartei-im-clinch-wegen-eu-grenzwachttruppe-svp-streitet-um-frontex-millionen-id17252749.html


+++POLEN/EU/BELLARUS
»Dort wird Jagd auf Menschen gemacht«
Polen: Geflüchtete im Grenzgebiet zu Belarus bedroht und interniert. EU und BRD decken illegalen Mauerbau. Ein Gespräch mit Henriette Quade
https://www.jungewelt.de/artikel/421055.eu-abschottung-dort-wird-jagd-auf-menschen-gemacht.html


+++MITTELMEER
Seenotrettung ist ein Menschenrecht
247 Menschen wurden in der vergangenen Woche von der zivilgesellschaftlichen Seenotrettungsorganisation SOS-Mediterranée im zentralen Mittelmeer gerettet. Eigentlich besagt das internationale Seerecht, dass jeder Mensch, der in Seenot gerät, gerettet und in einen sicheren Hafen gebracht werden muss. Bi aller Liebi, warum entziehen sich die zuständigen Staaten ihrer Verantwortung? Warum müssen zivilgesellschaftliche Organisationen wie SOS Mediterranée einspringen, um Menschenleben zu retten? Und wie läuft eine solche Rettungsaktion konkret ab? Antworten hat Eva Ostendarp, Leiterin Deutschschweiz von SOS Mediterranée.
https://rabe.ch/2022/02/20/seerettung-ist-ein-menschenrecht/


+++EUROPA
Neuer Schengen-Rat: Frontex als „Speerspitze“ einer neuen Grenzpolitik
Mit einer neuen Steuerungsgruppe will die französische EU-Ratspräsidentschaft auf „Migrationsdruck“ an den Außengrenzen reagieren. Gemessen wird dazu mit einem „Barometer“.
https://www.migazin.de/2022/02/20/neuer-schengen-rat-frontex-speerspitze/


+++LIBYEN
Migrantische Proteste in Libyen
Manifest der protestierenden Migrant*innen in Libyen
Dieses Manifest wurde von Migrant*innen verfasst, die während mehr als 100 Tage vor dem „UNHCR Community Center“ in Tripolis protestierten.
https://barrikade.info/article/5021


+++FREIRÄUME
Neue Wohnform in Luzern geplant – Industriestrasse Luzern: Leben wie Hausbesetzer – nur legal
An der Industriestrasse in Luzern ist künftig nicht nur Platz für normale Wohnungen, sondern auch fürs Hallenwohnen. Was ist das? zentralplus auf den Spuren einer neuen und ziemlich aufregenden Wohnform.
https://www.zentralplus.ch/industriestrasse-luzern-leben-wie-hausbesetzer-nur-legal-2304879/


+++GASSE
Bern/Zeugenaufruf: Mann bei Auseinandersetzung verletzt
In Bern ist es am frühen Sonntagmorgen zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personen gekommen. Ein Mann wurde dabei verletzt. Es werden Zeugen gesucht.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=580f120d-55d5-4fae-b0b0-753ee99b2abc


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Interview mit der IGA Basel – zum Fall von Mehmet Bicen
https://soundcloud.com/radio_lora/interview-mit-der-iga-basel-zum-fall-von-mehmet-bicen
Hanau: Bei Morden ist es zu spät
Rede, welche am 19. Februar in Basel zum Gedenken an die Morde von Hanau gehalten wurde.Der Attentäter von Hanau war ein Rassist. Und ein Mörder.
Nicht jeder Rassist ist ein Mörder. Zumindest kein direkter. Aber jeder Rassist trägt zu einem gesellschaftlichen Klima bei, welche das Attentat von Hanau ermöglichten.
https://barrikade.info/article/5024


+++POLIZEI DE
Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt
Inspektion einer mächtigen Organisation
Apparat im Staat
Die Polizei wird gebraucht und gefürchtet und ist immer wieder in den Schlagzeilen. Doch wie arbeitet und wirkt sie und wie ist ihr Verhältnis zur Gesellschaft?
Der Rechtsanwalt Benjamin Derin und der renommierte Polizeiforscher und Kriminologe Tobias Singelnstein zeigen die strukturellen Probleme einer mit weitgehenden Befugnissen und einer Gewaltlizenz ausgestatteten Organisation. Dazu gehören mangelnde Fehlerkultur und Transparenz, Korpsgeist und Rassismus, aber auch Überforderung aufgrund einer wachsenden Zahl an Aufgaben, für die die Beamt:innen nicht immer angemessen ausgebildet sind. Zugleich sorgt die Polizei durch ihre Lobbyarbeit für Polarisierung und neigt zur Verselbstständigung. Die Autoren zeigen, dass die Polizei sich wandeln muss, wenn sie den gesellschaftlichen Veränderungen gerecht werden will und damit eine rechtsstaatliche Einhegung gewährleistet ist.
https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/die-polizei-helfer-gegner-staatsgewalt-9783843727181.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Die letzten Männer des Westens
Antifeministen, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats. Mit einem Vorwort von Günter Wallraff
„Der westliche Mann wird unterdrückt und verweiblicht, er ist vom Aussterben bedroht.» So klingt der immer lauter werdende Kriegsschrei der Antifeministen, der zu einem Mantra der wieder erstarkenden Rechten geworden ist. Man hört ihn von hyperaggressiven Maskulisten und hasszerfressenen Internet-Hetzern, von testosteronverklebten Sexisten und neurechten Frauenhassern. Tobias Ginsburg hat sich ihnen ein Jahr lang undercover angeschlossen, um herauszufinden, wo diese Ängste und all der Hass herrühren.

Seine Recherche führt ihn quer durch Deutschland und das Internet, in die USA und nach Polen. Er trifft auf rechtsradikale Burschenschafter und faschistische Rapper, auf Online-Trolle und Offline-Schläger, Incels und Identitäre, lässt sich zum «wahren Mann-Sein» anleiten und begleitet muskelbepackte Neonazis bei der Rekrutierung junger Männer. Und schließlich stößt er auf ein international agierendes Netzwerk antifeministischer Fundamentalisten.
https://www.rowohlt.de/buch/tobias-ginsburg-die-letzten-maenner-des-westens-9783499003530
-> Hintergrund: https://twitter.com/TobiasGinsburg/status/1495085178288578566
-> Interview: https://politik.watson.de/!324299432



derbund,ch 20.02.2022

Interview mit Extremismus-Experte: «Nazi-Gesten haben die Botschaft: Haut ab, sonst holen wir euch!»

Der Bundesrat lehnt es ab, Nazi-Symbole wie das Hakenkreuz oder den Hitlergruss zu verbieten. Der forensische Psychologe Jérôme Endrass kritisiert den Entscheid.

Bettina Weber

Herr Endrass, hat Sie der Entscheid des Bundesrats überrascht?

Überrascht hat mich vor allem die Nonchalance des Entscheids. Gleichzeitig passt sie zur  Haltung, dass man jahrelang der Meinung war, Juden sollten für den Schutz ihrer Einrichtungen keine Staatsgelder erhalten, sondern selbst dafür aufkommen. Das war so grotesk, wie wenn Frauen in Frauenhäusern gesagt würde, sie müssten für die Sicherheitsvorkehrungen selbst bezahlen.

Was halten Sie als Extremismus-Experte von diesem Entscheid?

Aus forensischer Sicht ist er äusserst unklug. Das Zurschaustellen von Nazi-Symbolen hat etwas Bedrohliches. Es hat einen eindeutigen Ankündigungscharakter.

Wie meinen Sie das?

Nazi-Gesten und Symbole haben die unmissverständliche Botschaft: Haut ab, sonst holen wir euch! Wer vor einer Synagoge den Hitlergruss macht oder mit einem Hakenkreuz auf der Jacke herumläuft, teilt genau das mit. Und die Botschaft kommt bei den Betroffenen an. Wer vor einer älteren jüdischen Dame steht und den Hitlergruss macht, weiss, dass sie dadurch terrorisiert wird. Weshalb bei uns bis zum Güselsack alles reglementiert ist, aber ausgerechnet das nicht, ist schlicht nicht nachvollziehbar.

Müsste man dann konsequenterweise nicht auch linksextreme Symbole verbieten? Kommunistische Schreckensherrschaften sorgten ebenfalls für Terror.

Das stimmt, aber alles, was mit Nazis zu tun hat, beinhaltet eine besondere Schärfe. Ihre Symbolik steht für den Tod von über 6 Millionen Juden und den Plan, alles jüdische Leben in Europa auszulöschen.

Der Bundesrat schlägt statt Strafe Prävention vor. Hilft das?

Wie soll das konkret funktionieren? Indem Plakate an Rechts-Rock-Konzerten aufgehängt werden? Natürlich soll Prävention ihren Platz haben, und zwar, wenn es darum geht, die Entstehung von Antisemitismus zu vermeiden. In der Schule etwa. Aber ab einem gewissen Punkt reicht gutes Zureden allein nicht mehr aus. Prävention ist kein Argument gegen Verbote. Hier macht der Bundesrat einen Überlegungsfehler.

Welchen?

Grenzen aufzuzeigen, ist die Voraussetzung für präventive Arbeit. Man erreicht Extremisten erst dann, wenn man sie für ihre Einstellung belangen kann.

Könnte eine Bestrafung nicht den gegenteiligen Effekt haben, weil man dadurch in der Szene zu einer Art Ruhm kommt?

Erfahrungen in anderen Ländern, welche die Symbolik verbieten, geben keinen Hinweis darauf.

Wie gross ist die Gruppe von Menschen, die öffentlich Nazi-Symbole tragen?

Der harte Kern ist klein. Das Problem ist, dass die antisemitische Ideologie weit verbreitet ist: Das reicht von den Islamisten über die Verschwörungstheoretiker von Qanon bis hin zu der immer wieder zu hörenden Behauptung, die Juden steckten hinter 9/11. Antisemitismus ist zudem im arabischen Raum allgegenwärtig: «Sohn einer Jüdin» ist ein Fluchwort auf Arabisch, da steckt die ganze Verachtung drin. Mit der Immigration aus muslimischen Ländern haben wir einen Antisemitismus der übelsten Sorte importiert.

Nimmt der Antisemitismus zu?

Er ist eines der ältesten Vorurteile der Welt und nimmt gerade im Kontext von Krisen markant zu. Aber die Auseinandersetzung damit wird oft als lästig empfunden. Und wenn man ihn als Problem anerkennt, dann sicher nicht bei sich selber – sondern immer nur bei anderen. Dabei wissen wir, dass Vorurteile und Hass nicht vor Parteigrenzen haltmachen.

Wie meinen Sie das?

Das Phänomen lässt sich bei Linken wie Rechten, Religiösen wie Nicht-Religiösen beobachten: Alle tun so, als ob die anderen das Problem wären. Das haben ja alle Verschwörungstheorien gemeinsam: Am Ende ist dieser antisemitische Topos drin. Sogar ein Rechter und ein Linker haben da einen gemeinsamen Nenner.
(https://www.derbund.ch/nazi-gesten-haben-die-botschaft-haut-ab-sonst-holen-wir-euch-733963261620)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Der Inside-Report: Wüster Machtkampf bei den Freiheitstrychlern!
Die Freiheitstrychler stehen vor der Spaltung. Zwei Anführer liegen im Streit, beide haben Anhänger um sich geschart. In den letzten Wochen ist der Machtkampf eskaliert.
https://www.blick.ch/politik/der-inside-report-wuester-machtkampf-bei-den-freiheitstrychlern-id17252568.html
-> https://www.blick.ch/meinung/streit-bei-den-freiheitstrychlern-ausgebimmelt-id17252411.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-freiheitstrychler-haben-intern-heftigen-zoff-66112823
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/krach-unter-den-anfuehrern-freiheitstrychler-sind-intern-zerstritten-145537241
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/knatsch-bei-den-freiheitstrychlern-experte-ordnet-ein-145537633



nzz.ch 20.02.2022

Freiheitstrychler bedrohen und beschimpfen sich gegenseitig

Es ist ein Streit um Geld und Macht: Der Treichler-Bewegung ergeht es nicht anders als den meisten anderen Skeptikervereinigungen – sie bricht auseinander. Die Frage ist, was bleibt.

Christina Neuhaus

Bei den Treichlern ist die Hölle los. Wie die Anhänger des Trychler-Gründers Andy Benz vor zwei Tagen per Videobotschaft an die Medien mitgeteilt haben, ist die Gruppierung in zwei Lager zerfallen. Auf der einen Seite stehen Benz und seine Gefolgschaft, auf der anderen die Anhänger des als moderater geltenden Roland Schätti. Im Streit, der nun auch mit juristischen Mitteln ausgetragen wird, geht es offenbar nicht nur um Macht und Aufmerksamkeit, sondern auch um Geld. Benz gehören die Markenrechte der Freiheitstrychler. Der Grossteil der Spenden fliesst auf sein Konto. Auch die Erlöse des Trychler-Webshops, in dem Edelweisshemden und allerhand patriotischer Nippes angeboten werden, fliessen ihm und einem befreundeten IT-Unternehmer zu.

«Die Ratten verlassen das sinkende Schiff»

Benz, ein selbständiger Bauführer aus dem Kanton Schwyz, sieht sich als rechtsnationaler Rebell. Sein als gemässigter geltender Gegenspieler Schätti, ein St. Galler Landwirt, versteht sich als Patriot. Er hatte seinen Erweckungsmoment an einer Demonstration in Rapperswil: «Ich ging zufällig an eine Kundgebung nach Rapperswil», erzählte er der «NZZ am Sonntag» im Herbst: «Ich sah die wahren Eidgenossen, die Erben des Rütlischwurs.» Noch am selben Tag schloss er sich den Trychlern an und hörte auf, Masken zu tragen.

Zum Eklat zwischen den beiden Alphas kam es am 20. Januar: Benz und seine Anhänger tauchten unangemeldet bei Schätti zum «Protesttreicheln» auf. Er hatte im Namen der Freiheitstrychler ein Interview gegeben, zu dem er, findet Benz, nicht autorisiert gewesen sei. Die Begegnung endete in einem wüsten Streit. Schätti rief die Polizei.

Nachdem der Versuch einer Versöhnung gescheitert war, kam es zu einer weiteren Eskalation. Benz und seine Freunde kreuzten erneut bei Schätti auf. Dieser hatte sich in einer Beiz mit Trychlern aus der Ostschweiz und dem Zürcher Oberland getroffen, um über eine mögliche Abspaltung von den Original-Freiheitstrychlern zu sprechen. Schätti fühlte sich bedroht und verständigte erneut die Polizei. Gegenüber dem «Sonntags-Blick» sagte er: «Das sind nicht mehr meine Freiheitstrychler. Einige in der Gruppe sind rechtsextrem und eine Gefahr für die Gesellschaft.»

Es scheint also, als hätten die Männer und Frauen in den bestickten Sennenkutten ihr eigenes Ende eingeläutet. Die Zerfallserscheinungen zeigen sich jedenfalls bereits auf dem offiziellen Telegram-Kanal der Freiheitstrychler: Am vergangenen Dienstag hatte – laut Medienmitteilung der Original-Trychler – jemand aus Schättis Gefolgschaft das Profilbild geändert. Das Logo mit Schweizerkreuz und Bergblumenkranz wurde durch ein Grabkreuz und die drei Grossbuchstaben RIP ergänzt – ruhe in Frieden. Darunter stand: «Die Ratten verlassen das sinkende Schiff» und «Hirsch ohne Geweih».

Der Traum einer Parallelgesellschaft

Die Freiheitstrychler sind nicht die erste Skeptikergruppierung, die nun auseinanderbricht. Die Protestorganisation «Mass-voll» spaltete sich noch während der Pandemie. «Stiller Protest» ist spurlos verschwunden, und «Die Freunde der Verfassung» sind hoffnungslos zerstritten. Bereits letztes Jahr trennten sie sich von ihrem Sprecher, Michael Bubendorf, der vor laufender Kamera von einer Parallelgesellschaft mit Parallelinfrastruktur für Skeptiker sprach.

Wie es mit den Trychlern nun weitergeht, ist offen. Doch zumindest ein Teil der Bewegung zeigt Parallelen zur sogenannten Prepper-Szene, die sich mit Notstromaggregaten und versteckten Lebensmittellagern auf eine mögliche Katastrophe und den Zerfall des Staates vorbereitet. Auch bei den Freiheitstrychlern sind einige davon überzeugt, dass es in der Schweiz eine Parallelinfrastruktur für Staatsskeptiker geben muss. Auf einer Fahrt durch die Voralpen zeigte Andy Benz dem «NZZ am Sonntag»-Reporter im vergangenen Herbst stolz den Standort von Lebensmittellagern, die sie für den Notfall angelegt haben.
(https://www.nzz.ch/schweiz/freiheitstrychler-bedrohen-und-beschimpfen-sich-gegenseitig-ld.1670772)



Sonntagszeitung 20.02.2022

Corona-Proteste in ZürichWarum demonstrieren sie eigentlich noch?

Die Massnahmen sind praktisch aufgehoben. Dennoch gingen am Samstag über tausend Menschen auf die Strasse. Sie fürchten sich bereits vor der nächsten «Gesundheitsdiktatur».

Chris Winteler

Josef Ender marschiert an der Spitze des Protestzugs, in der Hand die Fahne der Urkantone. Wie immer, wenn er für seine Rechte als Bürger einsteht, trägt er das rote Shirt mit weissem Kreuz. Ob er diesen Auftritt geniesse? «Einer muss es machen», sagt der 51-jährige Schwyzer mit dem sorgfältig gegelten Haar.

Einmal mehr hat das Aktionsbündnis Urkantone, dessen Mitbegründer und Sprecher Josef Ender ist, zu einer bewilligten Kundgebung aufgerufen. Rund 1500 Corona-Massnahmen-Gegner sind dem Aufruf gestern Samstag in Zürich-Oerlikon gefolgt. Man kennt sich, seit Monaten trifft man sich jeden Samstag, ereifert sich über die «Zwangsmassnahmen».

Kein Grund zum Feiern

Haben diese Frauen und Männer denn nicht mitbekommen, dass seit Donnerstag praktisch alle Massnahmen aufgehoben sind? Dass selbst die Covid-Taskforce Ende März aufgelöst wird? Dass wir auf dem Weg in die Normalität sind?

Weshalb geht man also jetzt noch auf die Strasse? «Für unsere Grundrechte, die während zweier Jahre völlig unverhältnismässig eingeschränkt wurden», sagt Ender. Man wolle dafür kämpfen, dass es künftig nie wieder zu einer «Gesundheitsdiktatur» kommen könne.

Nein, gefeiert habe er die neu gewonnene Freiheit nicht. «Wieso auch? Was gibts da zu feiern?» Vielmehr sorge er sich, dass es wieder passiere, «dass irgendeine Pandemie aus dem Hut gezaubert, dass wieder Angst und Panik verbreitet wird – man muss mit allem rechnen». Und deshalb fordere man, dass die vergangenen zwei Jahre Corona-Politik untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Eine «Feuerpause», mehr nicht

Das Volk auf dem Marktplatz ist sich einig: «Die Lockerungen sind nur eine Feuerpause», «bloss nicht jenen glauben, die uns zwei Jahre angelogen haben», «niemand garantiert uns, dass die Zwangsmassnahmen nicht zurückkehren». Spätestens im Herbst gehe es wieder los mit der «Gesundheitsdiktatur». «Pandemietreiber Berset» habe ja selber gesagt: «Es ist nicht vorbei.»

Die vorgefertigten Plakate liegen bereit, man darf sich bedienen, hat die Wahl zwischen «Alle C-Massnahmen aufheben jetzt», «Zurück zur Eigenverantwortung» oder «Nie mehr Zwangsmassnahmen». In einem Kinderwagen stapeln sich Lätzchen mit Sprüchen wie: «Schlimmster Virus ist blinder Gehorsam» oder «Freiheit wird aus Mut gemacht».

Zwei Frauen tragen Ballone in Herzform mit sich. Diese stünden für die Liebe, die in den letzten zwei Jahren vergessen ging. Aktuell sind die beiden Frauen allerdings nicht auf Liebe eingestellt, sie schimpfen in den schlimmsten Worten über die Medien, die eine beachtliche Mitschuld trügen.

Ein Grossaufgebot der Polizei begleitet den lauten Tross, «keine Zwischenfälle», wird später vermeldet. Eine Stunde um den Block, durch die Strassen Oerlikons, fernab von den Wochenend-Shoppern. Gegen 100 Freiheitstrychler sorgen für Lärm. Immer wieder wird Josef Ender, der Innerschweizer Frauenschwarm, so scheints, begrüsst und umarmt.

Die «wehrhaften» Schwyzer

Der IT-Unternehmer aus dem Kanton Schwyz kämpft seit Beginn der Pandemie an vorderster Front gegen die staatliche Corona-Politik. Etwa 1000 Mitglieder zählt das Aktionsbündnis Urkantone, nicht alle kämen aus der Innerschweiz, sagt Ender. Die Maskenpflicht habe ihn persönlich nicht eingeschränkt, «ich trug nie eine Maske», er habe eine Bescheinigung, die ihn davon befreit. Dass er kein Covid-Zertifikat besitzt, versteht sich von selbst. Aber: Er wolle niemandem etwas vorschreiben, «jeder soll sich schützen, wie er will».

Die Schweizerinnen und Schweizer konnten sogar über die Corona-Massnahmen abstimmen – ist das nicht lobenswert? Natürlich sei das positiv, sagt Ender. Und ein grosser Teil der Bevölkerung habe dabei ja deutlich gemacht, dass man nicht einverstanden sei. Sein Kanton Schwyz habe das Covid-Gesetz zweimal abgelehnt: «Ein kritisches Volk, wehrhaft, gut informiert, weniger obrigkeitshörig.»

An der Schlusskundgebung tritt unter anderen der Liedermacher Linard Bardill auf die Bühne. Damit wolle er jene würdigen, die seit zwei Jahren jeden Samstag für die Bürgerrechte eingestanden seien. «Versöhnung durch Aufarbeitung», heisst seine Forderung. Und: Nie wieder sollen Kinder Maske tragen müssen. Wer sich impfen liess, bezeichnet er als mutig, wer sich nicht impfen liess, ebenfalls.

Es wird nicht der letzte Aufmarsch der Massnahmengegner gewesen sein. Die Gleichgesinnten wollen sich wieder treffen – ein Grund wird sich schon finden.
(https://www.derbund.ch/warum-demonstrieren-sie-eigentlich-noch-964185550329)



Forschende behaupten, QAnon-Gründer identifiziert zu haben
Unabhängig voneinander untersuchten Wissenschafter aus der Schweiz und Frankreich den Schreibstil von “Q” – und fanden Hinweise auf den Urheber
https://www.derstandard.at/story/2000133513148/forschende-behaupten-qanon-gruender-identifiziert-zu-haben?ref=rss


Warum esoterische Hippies gemeinsam mit Rechtsextremen auf Corona-Demos marschieren
Anhänger von Esoterik und Rechtsextreme sind durch “gemeinsame Feindbilder” vereint, sagt Buchautorin Katharina Nocun
https://www.derstandard.at/story/2000133440828/warum-esoterische-hippies-gemeinsam-mit-rechtsextremen-auf-corona-demos-marschieren?ref=rss


+++HISTORY
Johann August Sutter: Ein Pionier wird vom Sockel gestossen
Vom Westernheld zum rassistischen Kolonialisten: Die Sicht auf den Schweizer Pionier Johann August Sutter veränderte sich in den letzten Jahrzehnten.
https://www.swissinfo.ch/ger/johann-august-sutter–ein-pionier-wird-vom-sockel-gestossen/47327390