Medienspiegel 19. Februar 2022

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+++THURGAU
tagblatt.ch 19.02.2022

Bosnischer Familie aus Frauenfeld droht Abschiebung – nun sind die Eltern mit ihren drei Kindern untergetaucht

Familie A. gehörte im Kosovo der bosnischen Minderheit an. Sie flüchtete 2014 in die Schweiz, wo eine unendliche Geschichte um Verfügungen und Beschwerden begann. Die fünf Familienmitglieder haben keinen gültigen Aufenthaltsstatus, sie leben von der Nothilfe. Der Vollzug der Abschiebung schwebt wie ein Damoklesschwert über ihnen. Nun sind sie aus Angst untergetaucht.

Mathias Frei

Zermürbend: die ständige Angst. Spätestens seit dem 26. Juli 2021 begleitet dieses Gefühl wieder Familie A.* Von diesem Tag datiert das letzte Schreiben – vom Bundesverwaltungsgericht. Eine weitere Abfuhr. Die fünfköpfige Familie lebte im Durchgangsheim in Frauenfeld. 2014 flüchteten Vater und Mutter mit den beiden Töchtern aus dem Kosovo in die Schweiz. Der Sohn kam erst hier auf die Welt. Jetzt ist die fünfköpfige Familie untergetaucht, weil Tag und Nacht die Polizei kommen könnte – und die Abschiebung in den Kosovo in die Wege leitet, dorthin, wo für die Familie nichts mehr ist, das sich wie Heimat anfühlt.

Im Kosovo gehörte Familie A. der bosnischen Minderheit an. Der Vater hatte sich politisch engagiert. Das hatte zur Folge, dass die Familie über Monate drangsaliert wurde. Nachts umstellten Männer den Wohnblock, in dem die Familie lebte. Das Auto wurde beschädigt, Drohungen wurden an die Hauswände gesprayt. Die Mutter, Frau A., wurde im Kosovo Opfer sexueller Gewalt. Sie ist bis heute traumatisiert.

Kinder besuchten zuletzt die Primarschule

Frau A. ist 51-jährig, ihr Ehemann ein Jahr jünger. Sie haben drei Kinder. Der Sohn feierte vor kurzem seinen siebten Geburtstag. Er ist zuletzt in die 1. Klasse gegangen. Die eine Tochter ist zehn, die andere zwölf Jahre alt. Sie besuchten bis zu ihrem Untertauchen die 4. beziehungsweise 6. Klasse. Die Familie hat keinen gültigen Aufenthaltsstatus, lebt von Nothilfe.

Die Geschichte der Familie A. in der Schweiz ist eine Geschichte von Urteilen, Verfügungen und Beschwerden. Am 2. November 2014 stellte die Familie Gesuche für Asyl in der Schweiz. Einen Monat später lehnte diese das Bundesamt für Migration, das heutige Staatssekretariat für Migration (SEM) ab. Es folgten Gesuche um Wiedererwägung des SEM-Entscheids, sie wurden abgewiesen. Am 13. März 2020 ersuchte die Rechtsvertretung der Familie um Erteilung einer Härtefallbewilligung. Später folgte der Antrag aus Aussetzung des Wegweisungsvollzugs. Erfolglos.

Aktuell letztes Kapitel: Das Thurgauer Migrationsamt lehnt das Gesuch um Erteilung einer Härtefallbewilligung ab. Das ist gleichbedeutend mit dem drohenden Vollzug der Abschiebung. Die Beschwerde auf Wiedererwägung dieses Entscheids weist das Bundesverwaltungsgericht am 26. Juli 2021 ab. Rechtsvertretung und Verfahrenskosten in all den Jahren haben Private oder Organisationen für Migrantinnen und Migranten übernommen. Aktuell steht die Familie A. in engem Austausch mit dem Migrant-Solidarity-Network (MSN), das in Bern daheim ist.

Sie sind respektvoll, freundlich und engagiert

Die Entscheide betreffend Härtefallbewilligung des kantonalen Migrationsamts und darauf folgend des BVGer liegen diesem Medium vor. Auf Anfrage schreibt das Migrationsamt, man könne Einzelfälle aus Datenschutzgründen nur zurückhaltend kommentieren. Man handle stets im rechtsstaatlichen Rahmen. Nach einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid bestehe die Pflicht, die Schweiz zu verlassen. Werde der Pflicht nicht nachgekommen, müsse man die Rückreise organisieren und durchsetzen. So habe man unter Einbezug der Ausreisepflichtigen eine Rückreise organisiert. Die Personen seien jedoch einen Tag vor der Abreise verschwunden. Ihr Aufenthaltsort sei unbekannt. «Ihnen könnte der Hinweis dienlich sein, dass eine Rückkehr in ihre Heimat nicht einfach als Schicksal hinzunehmen ist, sondern als Chance zu einem Neubeginn verstanden und genutzt werden kann.»

So heisst es am Schluss des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts. Und das Migrationsamt schreibt, Frau A. «sei in ihrem Heimatland nachweislich Opfer sexueller Gewalt geworden. Trotz ihrer psychischen Belastung würde sie sich vorbildlich um ihre Kinder kümmern und sich gegenüber den Betreuenden im Durchgangsheim respektvoll und korrekt verhalten». Zu Herr A. liest man, dass er fleissig und engagiert sei, seine freundliche und angenehme Art werde geschätzt. Er nimmt an Beschäftigungsprogrammen teil. Und wenn er denn arbeiten dürfte, hätte er Zusagen von zwei Arbeitgebern. Familie A. habe sich überdies in der Schweiz nichts zu Schulden kommen lassen, der Leumund ist unbescholten. Eine Ablösung von der Not- respektive Sozialhilfe sei aufgrund der Stellenzusagen absehbar. Bemängelt werden die unterdurchschnittlichen Deutschkenntnisse (Niveau A2) von Vater und Mutter.

Die beiden Töchter kamen in die Schweiz, als sie noch klein waren. Zu ihnen schreibt das Migrationsamt: «Den Akten zufolge sind sie sehr gute, fleissige und interessierte Schülerinnen und haben in der Schweiz Freundschaften geschlossen.»

Eine Rückkehr in den Kosovo würde sie zweifellos treffen, heisst es weiter. Beim jüngsten Kind, dem Sohn, habe eine selbstständige Verwurzelung in der Schweiz noch nicht stattgefunden. Er befinde sich in einem anpassungsfähigen Alter und könne im Kosovo problemlos eingeschult werden. Aber auch die beiden Töchter seien anpassungsfähig und verfügten über eine hohe Sozialkompetenz. Deshalb spreche nichts gegen eine unproblematische Eingliederung in den Heimatstaat.

Prüfung gestützt auf Kinderrechtskonvention

Lea Schlunegger ist Juristin bei MSN. Sie sagt, sowohl im Härtefallgesuch wie auch im Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts werde das Kindswohl mit ein paar Sätzen abgetan. «Dieses ist aber eigentlich das zentrale Argument im Verfahren und müsste gestützt auf die Kinderrechtskonvention eingehend geprüft werden.»

Es werde für alle Kinder generell argumentiert. Individuell und konkret werde nicht auf das Kindswohl eingegangen. Überdies erscheine es absurd, zu sagen, dass die Familie den langen Aufenthalt in der Schweiz selbst zu verantworten habe. Sie habe lediglich ihre prozessualen und materiellen Rechte wahrgenommen, ihre Gesuche von einer höheren Instanz überprüfen zu lassen. Und betreffend Schlusssatz des Bundesverwaltungsgerichtsentscheids fragt sich Schlunegger: «Worin kann denn eine Chance gesehen werden, wenn eine Familie mit drei kleinen Kindern in ein Land zurückgeschafft wird – ohne finanzielle Mittel, ohne Zuhause, ohne soziales Umfeld und ohne dass die Kinder die Landessprache sprechen?»

* Name der Redaktion bekannt.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/frauenfeld-bosnischer-familie-aus-frauenfeld-droht-abschiebung-nun-sind-die-eltern-mit-ihren-drei-kindern-untergetaucht-ld.2253174)


+++MITTELMEER
Seenotrettung: „Ocean Viking“ darf in Sizilien anlegen
Das Rettungsschiff „Ocean Viking“ mit 247 Menschen an Bord hat den sizilianischen Hafen Pozzallo angelaufen. Bei einer weiteren Seenotrettung im Mittelmeer nahm die „Sea-Watch 4“ 121 Menschen auf.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/mittelmeer-seenotrettung-105.html


+++GASSE
Sichere Träume, auch für Jugendliche
Im Mai beginnt das zunächst auf drei Jahre angesetzte Pilotprojekt von «Rêves sûrs», das jungen Menschen in prekären Lebenssituationen einen sicheren Rückzugsort und neue Perspektiven bieten soll. Insbesondere die für Minderjährige geltende Meldepflicht stellte den Verein vor eine grosse Herausforderung.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/197085/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
#HANAU-GEDENKDEMOS CH

BS:
-> https://twitter.com/sozialismus_ch/status/1495092832675241991
-> https://twitter.com/ArjinUslu/status/1495106218523865094
-> https://twitter.com/BaselBlock
-> Demo-Aufruf: https://barrikade.info/article/4946

BE:
-> https://barrikade.info/article/5023

SG:
-> https://twitter.com/i/status/1495100374121947142


„KillErdogan“-Prozess: Den Widerstand auf die Straße tragen
Am 9. März wird das Urteil im „KillErdogan“-Prozess in Bern erwartet, am Abend findet eine Demonstration gegen die Erdogan-Diktatur statt. Die Veranstalter:innen wollen ihre politischen Inhalte auf die Straße tragen und Widerstand demonstrieren.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/killerdogan-prozess-den-widerstand-auf-die-strasse-tragen-30844


+++POLIZEI DE
Interner Polizeikritiker über Mobbing und Racial Profiling: „Ich habe halt verschissen“
Seit 24 Jahren ist Oliver von Dobrowolski Polizist. Bundesweit bekannt ist er als kritische Stimme, kaum einer wird in der Behörde so angefeindet.
https://taz.de/Interner-Polizeikritiker-ueber-Mobbing-und-Racial-Profiling/!5833647/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Zwei Tage nach grosser Aufhebung: Hunderte de¬mon¬strie¬ren in Zürich gegen Massnahmen
Sie setzen sich für ein sofortiges Ende der «besonderen Lage» ein, sind gegen Masken im ÖV und fürchten eine Wiedereinführung von Massnahmen: Mehr als tausend Menschen ziehen durch Oerlikon.
https://www.tagesanzeiger.ch/ueber-tausend-corona-massnahmengegner-demonstrieren-in-zuerich-519142879836
-> https://www.blick.ch/schweiz/sie-demonstrieren-weiter-obwohl-es-so-gut-wie-keine-massnahmen-mehr-gibt-darum-sind-schweizer-corona-skeptiker-immer-noch-sauer-id17247835.html
-> https://www.20min.ch/story/freiheitstrychler-mass-voll-und-ur-kantone-wollen-weiterkaempfen-364709866194
-> https://www.20min.ch/story/massnahmengegner-demonstrieren-in-zuerich-748445504035
-> https://www.watson.ch/!667761296
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/corona-skeptiker-versammeln-sich-in-zurich-oerlikon-66112393
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/fertig-geimpft-jetzt-wird-wieder-gefeiert?id=12146807 (ab 06:44)
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/mehrere-hundert-corona-massnahmengegner-demonstrieren-in-zuerich-1-00175775/
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/corona-massnahmengegner-demonstrieren-weiter-145527356
-> https://www.telem1.ch/aktuell/corona-massnahmengegner-demonstrieren-weiter-145527150
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/trotz-lockerungen-corona-massnahmen-demo-in-zuerich-145527191
-> https://www.stadt-zuerich.ch/pd/de/index/stadtpolizei_zuerich/medien/medienmitteilungen/2022/februar/problemlose_bewilligtedemonstrationinoerlikon.html
-> https://twitter.com/__investigate__
-> https://twitter.com/CovidiotenCH
-> https://twitter.com/marko_kovic
-> https://twitter.com/StadtpolizeiZH



tagesanzeiger.ch 19.02.2022

Corona-Demo in Zürich-Oerlikon: Die Massnahmen sind fast weg, die Wut im Bauch noch nicht

Rund 1500 Menschen beteiligten sich an der vielleicht letzten Grosskundgebung gegen die Corona-Massnahmen. Oder war dieses Ausläuten zugleich ein Startschuss?

Hélène Arnet, Samuel Schalch Fotos

Was wollen denn die noch mehr? Dieser Satz stand am Samstagnachmittag manchen Zaungästen ins Gesicht geschrieben, einer rief ihn den Demonstrierenden zu. «Was wollt ihr denn überhaupt noch?» Die etwa 1500 Menschen, die sich auf dem Marktplatz in Oerlikon versammelt haben, wissen sehr genau, was sie wollen. Sie wollen einfach nicht alle dasselbe. Doch dazu später.

Erst einmal verschaffen sich etwa fünfzig Trychler Gehör. Hinter ihnen ein Fahnenmeer, das jedem 1.-August-Umzug Ehre machen würde. Zudem werden unzählige Verfassungsbüchlein geschwenkt. Und mittendrin eine Kanada-Flagge. Man wolle sich solidarisch mit der internationalen Freiheitsbewegung zeigen, sagt die Trägerin.

An vorderster Front hat das Aktionsbündnis Urkantone zu dieser Kundgebung aufgerufen. Dieser Protestmarsch war komplett anders als derjenige, der vor einer Woche in der Zürcher Innenstadt zu Randale zwischen Antifaschisten und Neonazis führten.

Die Polizei ist auch heute gut vor Ort vertreten und hat – laut einem Augenzeugen – zu Beginn der bewilligten Veranstaltung einige einschlägig bekannte Unruhestifter aus dem Verkehr gezogen. Die Stadtpolizei bestätigt dies am späteren Nachmittag. Sie schreibt: «Vor Beginn der Demonstration wurden drei Personen aus der rechtsextremen Szene zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen.»

Sonst aber hat sie nicht mehr zu tun, als dafür zu sorgen, dass der Umzug nicht vom Weg abkommt. «Zu Zwischenfällen kam es nicht», vermeldet die Stapo.

Zurück zur Frage des einen Zaungastes, was sie überhaupt noch wollen, antwortet ein Mann mittleren Alters: «Wir wollen, dass die Politiker, die diesen Scherbenhaufen angerichtet haben, zur Rechenschaft gezogen werden.» Diese Forderung wird bei den abschliessenden Reden diejenige sein, die am meisten Applaus erhält. «Wir können zwar wieder ins Restaurant, und die Masken sind fast weg», sagt eine ältere Frau. «Wütend bin ich aber immer noch.»

Die endgültige Aufhebung «aller Corona-Zwangsmassnahmen» gehört weiter zu den Hauptforderungen. Auch das Ende der «besonderen Lage». Andere sind gegen die Weltgesundheitsorganisation WHO und gegen das Weltwirtschaftsforum WEF, gegen Impfungen, gegen die Lügenpresse, gegen den Nato-Angriffskrieg, gegen Gentech und für Bargeld. Denn «Bargeld ist Freiheit».

Trinkpause für die Trychler

Nach einer halben Stunde friedlichen und fröhlichen Marsches gibt es eine Trinkpause bei der Haltestelle Salersteig. Diese haben vor allem die Trychler nötig. Das bietet Gelegenheit, einmal selbst die Schellen anzuheben. Sie sind schwer. «Das sind die leichteren», sagt ein Freiheitstrychler. «Sie wiegen etwa zwanzig Kilo, die dort sind doppelt so schwer.» Und ja, man spüre das am Abend jeweils schon an den Schultern. «Aber wir sind trainiert».

Trainiert nicht zuletzt wegen der vielen Einsätze an Corona-Demos in den letzten Monaten, an denen Trychlergruppen zum Markenzeichen geworden sind. Ist das nun das Ausläuten der Corona-Demos, ein friedlicher Abgesang?

Die «Aufrechten» treten an

Als die Trychler nach einer guten Stunde wieder auf den Marktplatz einbiegen, mischen sich ihre Urtöne mit einem sanften Lied des Bündner Barden Linard Bardill, der gerade eine Tonprobe für seinen anschliessenden Auftritt abhält. Doch zuerst spricht Josef Ender vom Aktionsbündnis Urkantone.

Er wirbt für die vor kurzem gegründete Gruppierung «Aufrecht Schweiz». «Wir wollen damit Leute aus der Bewegung in politische Ämter bringen», ruft er ins Publikum. Die Nagelprobe stehe bei den Berner Grossratswahlen bevor, bei der sich 69 Kandidierende der «Aufrechten» gemeldet hätten. Vielleicht ist dieses Ausläuten also zugleich ein Startschuss.
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-massnahmen-sind-fast-weg-die-wut-im-bauch-noch-nicht-179976635101?idp=OneLog&new_user=no)



nzz.ch 19.02.2022

Über tausend Massnahmengegner demonstrieren in Oerlikon

Der Umzug «für die endgültige Aufhebung» aller Massnahmen am Samstagnachmittag verläuft friedlich.

Jan Hudec

Für den Samstag haben Massnahmengegner zu einer Grossdemonstration in Zürich gerufen. Das Motto wirkt etwas aus der Zeit gefallen: «Für die endgültige Aufhebung aller Corona-Zwangsmassnahmen!». Viele dieser Zwangsmassnahmen sind seit den Lockerungen vom Donnerstag ja nicht mehr übrig.

Würden die Leute dem Aufruf des Aktionsbündnis Urkantone trotzdem folgen, um auf dem Marktplatz Oerlikon unter anderem Liedermacher Linard Bardill oder der Berner Stadträtin Simone Machado zu lauschen? Und würde die Veranstaltung nach den Ausschreitungen in der Zürcher Innenstadt von letzter Woche ruhig verlaufen?

Ein Augenschein vor Ort zeigt: Trotz der aufgehobenen Massnahmen haben sich um 14 Uhr auf dem Marktplatz deutlich über tausend Demonstranten eingefunden. Der Reisebus der Freiheitstrychler mit dem Anhänger für die Glocken ist hinter der Bühne platziert. Am Stand der Freunde der Verfassung wird fleissig Merchandise gekauft. Ein kleiner Junge mit einem Plakat um den Hals «Bern ihr seid nicht glaubwürdig» sucht nach seiner Mutter.

Die Trychler haben sich derweil schon in Position gebracht. Sie bilden die laute Front des Demonstrationszugs, der via Schaffhauserstrasse durch Oerlikon führt.

Durch die Strassen zieht der übliche bunte Mix an Massnahmengegnern, von der Freien Linken, über «Rave for Freedom» bis zu den violett gekleideten Anhängern von «Mass-voll». Auch ein Flagge der «Antifaschistischen Aktion» ist zu erblicken. Rechtsextreme scheinen diesmal die Veranstaltung nicht gekapert zu haben, wie Ende Januar in Bern. Sie treten jedenfalls nicht offensichtlich in Erscheinung.

Dass sich niemand Ungebetenes an die Spitze des Demonstrationszuges setzt, dafür sorgen auch Sicherheitskräfte des Veranstalters. Sie halten Leute zurück, welche die Trychlergruppe überholen wollen.

Auch die Polizei markiert Präsenz, ist mit mehreren Kastenwagen und viel Personal vor Ort. Der Umzug verläuft friedlich. Kurz vor der Rückkehr auf den Marktplatz stoppen die Trychler und legen sich nochmals voll ins Zeug. Dann stellen sie die Glocken ab und rufen gemeinsam mit den Demonstranten: «Friede, Freiheit, das Volk ist souverän!»

Nach einer guten Stunde treffen die Massnahmengegner dann wieder auf dem Marktplatz ein. Hier sind für den Nachmittag noch diverse Ansprachen und Konzerte angesagt.

    Der Demonstrationsumzug ist wieder am Ursprungsort angekommen. Der Verkehr läuft wieder normal, aber wir bleiben noch eine Weile vor Ort. ^mo
    — Stadtpolizei Zürich (@StadtpolizeiZH) February 19, 2022

Gewalttätige Kundgebung vor einer Woche

Bereits am vergangenen Samstag war es in der Stadt Zürich zu Demonstrationen von Massnahmengegner gekommen. Im Gegensatz zur Kundgebung in Oerlikon war die Aktion nicht bewilligt. Am Hauptbahnhof war auch eine Gruppe von Rechtsextremen aufmarschiert. Linke und linksextreme Gruppierungen hatten bereits im Vorfeld zu einer ebenfalls unbewilligten Gegendemonstration aufgerufen.

Und letztere fand regen Zuspruch. Am Nachmittag versammelten sich vor dem Landesmuseum und auf dem Bahnhofplatz Gruppen von mehreren hundert Personen. Sie hielten Transparente hoch mit Botschaften wie «Zürich bleibt nazifrei» oder «Gemeinsam gegen rechts». Beim Bahnhof waren Rechte und Linke kurzzeitig aufeinandergeprallt, es kam zu Prügeleien, bis die Polizei dazwischen ging.

Eine Gruppe von Gegendemonstranten brach am Nachmittag vom Hauptbahnhof Richtung Löwenplatz, teilweise auch zum Bellevue auf. Wieder hielt die Polizei sie nach eigenen Angaben auf. Auf dem Limmatquai hatten Teilnehmer der Demonstration randaliert. Sie seien mit einem Wasserwerfer zurück Richtung Central gedrängt worden.

In einer vorläufigen Bilanz zum Wochenende sprach die Stadtpolizei von drei leicht verletzten Polizisten, mehreren beschädigten Polizeifahrzeugen sowie Sprayereien.

Insgesamt nahm die Polizei 41 Personen fest, darunter sowohl Personen aus dem rechten wie auch aus dem linken Milieu. Wegen Gewalt und Drohung wurden drei Personen der Staatsanwaltschaft zugeführt, 38 sind inzwischen wieder auf freiem Fuss.

Droht SP-Nationalrat Molina eine Busse?

Derzeit prüft die Polizei Bilder auf Social Media, um zu schauen, wem strafbares Handeln nachgewiesen werden kann. Da die Demonstration unbewilligt war, ist eine Teilnahme strafbar. Von einer Busse betroffen sein könnte auch SP-Nationalrat Fabian Molina, wie die Tamedia-Zeitungen berichteten. Auf Instagram veröffentlichte er ein Bild von sich an der Demonstration und schrieb dazu: «Züri stabil Nazifrei».

Noch sind die Nachforschungen der Polizei aber nicht abgeschlossen, heisst es auf Anfrage. Zuständig für die Ahndung der Übertretungen wäre der Stadtrichter.
(https://www.nzz.ch/zuerich/massnahmengegner-demonstrieren-in-oerlikon-ld.1670546)



Coronavirus: Skeptiker treffen sich zum Kampfsport-Training
Trotz fallender Massnahmen gegen das Coronavirus demonstrieren die Skeptiker weiter – und treffen sich zum Kampfsport-Training. Harmlos, so ein Experte.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-skeptiker-treffen-sich-zum-kampfsport-training-66109636


Coronavirus – Experte: «Jetzt weichen sich die Fronten auf»
Die Masken- und Zertifikatspflicht in der Schweiz ist weitgehend Geschichte. Das Coronavirus sorgte für viel Streitereien – nun weichen sich die Fronten auf.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-experte-jetzt-weichen-sich-die-fronten-auf-66111371


(Anzeige gegen Fabian Molina durch „Wir für euch“)
-> https://twitter.com/leckerbisse/status/1495121274250874881
-> https://twitter.com/leckerbisse/status/1495121274250874881


Esoterik, Impfskepsis, Demokratiekritik: Die lange Tradition des Querdenkens
Die ersten Querdenker gab es vor 100 Jahren, rund um die sogenannten Inflationsheiligen. Auch sie waren Impfgegner und Demokratieskeptiker. Während der Corona-Pandemie sind neue Querdenker aufgetaucht. Der Kulturwissenschaftler Steffen Greiner beleuchtet historische Parallelen und Unterschiede.
https://www.deutschlandfunk.de/steffen-greiner-die-diktatur-der-wahrheit-102.html


Sie reichen teils Steuererklärungen nicht ein: Coronaskeptiker machen Luzerner Steueramt Ärger
Wenn ich vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werde, zahle ich auch keine Steuern. Diese Haltung scheint unter Massnahmen-Kritikerinnen verbreitet zu sein. Bemerkbar macht sich diese Entwicklung auch beim Steueramt Luzern.
https://www.zentralplus.ch/coronaskeptiker-machen-luzerner-steueramt-aerger-2306057/


+++HISTORY
nzz.ch 19.02.2022

Die Uni Lausanne arbeitet ihr faschistisches Erbe auf

Erstmals entschuldigt sich ein Rektor für den Ehrendoktor, der 1937 Mussolini verliehen wurde.

Andrea Kučera

Die Delegation aus Lausanne ist zufrieden: Am Nachmittag des 8. April 1937 hat sie dem Diktator des faschistischen Italien, Benito Mussolini, den Ehrendoktor der Universität Lausanne verliehen, am Abend auf der Schweizer Botschaft in Rom diniert. «Ich bin einmal mehr überzeugt, dass wir richtig entschieden haben», rapportiert ein Delegationsteilnehmer nach Lausanne. Man sei von Mussolini herzlich empfangen worden. «Die Stimmung war von Beginn weg fröhlich.» Rom sei herrlich.

Als 85 Jahre später der heutige Rektor der Universität Lausanne am Westschweizer Radio das Wort ergreift, ist der Ton ein völlig anderer: «Dieser Titel ist bedauerlich und zu verurteilen», sagte Frédéric Herman am Dienstag in der Sendung «Forum». «Die Werte unserer Universität stehen dem Faschismus diametral entgegen.» Es ist das erste Mal, dass sich die Universität öffentlich für die Verleihung entschuldigt.

Ein bewusster Entscheid

Mit Hermans Äusserung rückt unvermittelt eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte der Waadtländer Alma Mater in den Fokus der Öffentlichkeit: Wie kommt es, dass die Universität einen der wichtigsten Gewaltherrscher des 20. Jahrhunderts ehrte für die Errichtung einer «sozialen Organisation, welche die Soziologie bereichert und in der Geschichte tiefe Spuren hinterlassen wird»?

Und das zu einem Zeitpunkt, als längst bekannt war, dass Mussolini bei seinem Angriff auf Äthiopien Giftgas eingesetzt hatte? Auch die Achse zwischen Rom und Hitlers Nazideutschland war 1937 bereits besiegelt. Die Professoren wussten genau, mit wem sie es zu tun hatten.

Wiederholt wurden in den letzten Jahren Stimmen laut, die eine Aberkennung des Titels fordern. Zuletzt tat dies am Dienstag die Genfer Nationalrätin der Linksaussenpartei Ensemble à Gauche, Stéfanie Prezioso, in einem Meinungsartikel in der Zeitung «Le Temps». Prezioso, die an der Universität Lausanne Geschichte unterrichtet, fordert, die Universität solle stattdessen ein Auditorium nach dem Professor benennen, der damals als Einziger seiner Fakultät gegen die Ehrung gestimmt habe.

Wie Herman auf Anfrage ausführt, sieht die Universität von einer Aberkennung ab: «Damit würde die Sache aus der öffentlichen Debatte verschwinden», sagt der Rektor. «So einfach dürfen wir es uns nicht machen.»

Stattdessen wolle die Universität offen zu ihrem Fehler stehen und diesen wiedergutmachen, indem zum Beispiel eine Professur über den Faschismus eingerichtet werde oder ein Preis für herausragende Forschungsarbeiten zum Thema. Vor allem will Herman auf Anregung einer internen Expertengruppe die Vorgänge der 1930er Jahre umfassend aufarbeiten.

Mussolinis Geschenke

Tatsächlich bleibt der damalige Entscheid ein Mysterium. Immerhin lässt sich aus Dokumenten, welche die Universität bereits 1987 publiziert hatte, Mussolinis enge Beziehung zu Lausanne nachvollziehen: 1902 kam der damals 19-Jährige in die Schweiz und schlug sich zunächst mit Gelegenheitsjobs durch. Überliefert ist ein Bild der Lausanner Polizei aus dem Jahr 1903: Weil Mussolini die Nacht in einer Kiste unter einer Brücke verbracht hatte, wurde er wegen Vagabundierens auf den Polizeiposten gebracht.

Zwischen Frühling und Herbst 1903 studierte Mussolini einige Monate Wirtschaft und Philosophie in Lausanne, kehrte dann aber nach Italien zurück, weil seine Mutter schwer erkrankt war. Es sind diese paar Monate, die den Grundstein legten für die freundschaftliche Beziehung, die Mussolini auch über seine Machtergreifung 1922 hinaus zu «seiner» Universität aufrechterhielt.

So zeigen Dokumente, dass Mussolini 1935 die Alma Mater mit einer Spende von 1000 Franken bedachte. Die «Gazette de Lausanne» quittierte dies als Geste der Verbundenheit nicht nur mit der Uni, sondern mit dem gesamten Kanton Waadt. Auch andere Institutionen wurden von Mussolini begünstigt: 1927 schenkte er dem Kunstmuseum Lausanne drei wertvolle Gemälde.

Und zwischen 1930 und 1932 verschenkte er insgesamt vier italienische Steinböcke, um die Wiederansiedlung des Huftiers in den Waadtländer Alpen voranzutreiben. Es sind diese Verbandelungen, welche die Universität nun aufarbeiten will: Warum dieses Klima der Sympathie für den Faschismus? Und wie stand die damalige Kantonsregierung zur Verleihung?

Für die Leiterin der Expertengruppe der Universität Lausanne ist es kein Zufall, dass das Rektorat gerade jetzt diesen Fragen nachgehen will. Die Bemühungen stünden im Kontext einer globalen Bewegung, welche die Geschichte kritisch beleuchte, sagt die Ethikerin Nadja Eggert. So hat etwa das Parlament jüngst Schweizer rehabilitiert, die in den 1930er Jahren gegen den spanischen General Franco gekämpft hatten. Und weltweit werden Statuen von Sklavenhändlern vom Sockel gestürzt.

Ansetzen will die Universität aber auch bei der Verleihung der Ehrendoktortitel, die jahrzehntelang nur an Männer vergeben wurden. Künftig sollen vermehrt Frauen und Studierende in den Entscheidgremien sitzen. Die Leitung erhofft sich davon mehr Diversität. Ein Schritt in diese Richtung ist bereits erfolgt: 2021 wurden ausschliesslich Frauen mit dem Ehrendoktor der Universität Lausanne geehrt.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/mussolini-die-uni-lausanne-arbeitet-ihr-faschistisches-erbe-auf-ld.1670733)