Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++SCHWEIZ
Gastkommentar zur Asylpolitik: Wo Menschen «entsorgt» werden
Rückkehrzentren sind weitgehend Verwahrungsorte, die Unterbringung von Asylsuchenden dort ist menschenunwürdig. Die Politik muss das rasch korrigieren.
https://www.tagesanzeiger.ch/wo-menschen-entsorgt-werden-802661179506
SFH rät von der Überstellung psychisch Erkrankter nach Italien ab
Die Situation für geflüchtete Menschen in Italien ist in vielerlei Hinsicht problematisch, unter anderem auch der Zugang zu psychologischer Behandlung. In einem heute veröffentlichten Bericht hat sich die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) eingehender mit dem Thema befasst. Sie weist darin auf die Lücken im italienischen Aufnahmesystem hin und rät von der Überstellung psychisch Erkrankter nach Italien ab.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/sfh-raet-von-der-ueberstellung-psychisch-erkrankter-nach-italien-ab
Asile, une industrie qui dérape
Le traitement des demandes d’asile en Suisse est devenu une véritable industrie, avec des centres fédéraux gérés principalement par des sociétés privées. Employés mal payés, manque cruel de formation, dérapages violents, dérives bureaucratiques, accès aux soins problématique : des témoignages et des documents d’enquêtes pénales inédits permettent de percer la boîte noire des centres fédéraux d’asile.
https://pages.rts.ch/emissions/temps-present/12754866-asile-une-industrie-qui-derape-17-02-2022.html?anchor=12875663#12875663
+++BALKANROUTE
Möglichst viele Pushbacks vor Gericht bringen
Seit Jahren schiebt die kroatische Polizei Flüchtende nach Serbien oder Bosnien-Herzegowina zurück, obwohl solche Pushbacks nach europäischem Recht nicht erlaubt sind. Der serbische Menschenrechtsanwalt Nikola Kovačević dokumentiert diese Fälle.
https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/kroatien-pushbacks-interview-nikola-kovacevic
+++GRIECHENLAND
Samos the faces of our border
An der Grenze des Schengen-Raums werden Tausende von Personen durch internationale Gesetze und Konventionen in unmenschliche Lager genötigt. Eines dieser Lager ist der „Hotspot“ auf der griechischen Insel Samos, ein Flüchtlingslager von 6000 Seelen mit einer Infrastruktur für 600.
In „Samos, the Faces of our Border“ kommen Migranten, freiwillige Helfer, Anwohner, europäische Grenzwächter und griechische Regierungsbeamte zu Wort. Ihre Geschichten geben einen menschlichen Einblick in das Theater der europäischen Politik, das diese griechische Tragödie nach sich zieht. Ihre Stimmen werden zum Chor des Films, eine disharmonische Hymne und ein wenig schmeichelhaftes Porträt der europäischen Willkommenheissung der Welt.
https://vimeo.com/536027844
-> www.facesofourborder.com
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spiegel.de 17.02.2022
Tod in der Ägäis: EU-Grenzschützer sollen Flüchtlinge ins Meer geworfen haben
Das Verbrechen von Samos: Zwei Geflüchtete sind tot, ein Überlebender erhebt einen ungeheuerlichen Vorwurf. SPIEGEL-Recherchen weisen auf eine neue brutale Taktik der griechischen Küstenwache hin.
Von Şebnem Arsu, Giorgos Christides, Steffen Lüdke, Maximilian Popp, Bernhard Riedmann, Jack Sapoch und Florian Schmitz
Die Geflüchteten wähnten das Schlimmste hinter sich, als sie die griechische Insel Samos erreichten. Mit einem Schlauchboot waren sie am 15. September 2021 von der türkischen Küste aus übergesetzt. Die Sonne ging gerade auf, als sie an den schroffen Felsen landeten.
Unter den 36 Geflüchteten waren an diesem Morgen zwei Männer, die ihre Heimat schon Monate zuvor verlassen hatten: Sidy Keita, 36, floh aus der Elfenbeinküste, nachdem er gegen den Präsidenten demonstriert hatte. Didier Martial Kouamou, 33, Vater zweier Kinder, hatte in Kamerun als Mechaniker gearbeitet, in Paris wartete sein älterer Bruder Séverin auf ihn. Beide Männer wollten in Europa Asyl beantragen.
Sieben Geflüchtete aus der Gruppe erinnern sich noch genau an Keita und Kouamou. Sie alle bezeugen gegenüber dem SPIEGEL, dass die Männer mit ihnen Samos betreten haben. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich für diese Fälle Regeln gegeben. Wer es in die EU schafft, hat das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Doch dazu kam es nie.
Wenige Tage nach ihrer Ankunft auf Samos wurden Keita und Kouamou tot aufgefunden. Die Strömung spülte ihre leblosen Körper in Richtung türkische Küste. Bei einer Untersuchung von Keitas Leiche stellten Mediziner fest, dass er ertrunken war.
Die Ägäis hat sich in den vergangenen Jahren in eine Todeszone verwandelt. Seit Frühjahr 2020 schleppt die griechische Küstenwache aufgegriffene Migrantinnen und Migranten systematisch aufs Meer hinaus und setzt sie dort auf aufblasbaren Flößen aus. Der SPIEGEL hat die illegalen Aktionen nachgewiesen, einige sind in Videos festgehalten. Die Bilder der verängstigten Flüchtlinge auf den Flößen sind in der Ägäis längst Alltag. Doch im Fall von Keita und Kouamou deutet einiges darauf hin, dass die Grenzschützer noch einen Schritt weitergegangen sind.
»Die Soldaten suchen nach uns«
Der SPIEGEL hat gemeinsam mit den europäischen Partnermedien »Lighthouse Reports«, »Guardian« und »Mediapart« recherchiert, um die Umstände ihres Todes zu klären. Die beteiligten Reporterinnen und Reporter befragten mehr als ein Dutzend Augenzeugen. Sie werteten medizinische Berichte, Fotos und Videos sowie Satellitenaufnahmen aus und sprachen mit Informanten in den griechischen Sicherheitsbehörden.
Die Recherchen legen nahe, dass griechische Grenzschützer Keita und Kouamou aufs Meer schleppten und über Bord warfen. Endgültige Beweise dafür gibt es nicht – aber glaubwürdige Indizien.
Kurz nach der Ankunft auf Samos gerieten die Geflüchteten in Panik. Vom Wasser aus, so zeigen es Fotos, die sie aufgenommen haben, näherte sich ein Boot der Küstenwache. Vom Land, so erzählen es mehrere Flüchtlinge, kamen weitere Beamte auf sie zu. Einige hatten ihre Gesichter unter Sturmhauben verborgen.
Die Geflüchteten riefen um Hilfe. »Kommt uns holen«, sprach einer der Männer in sein Handy. Die Nachricht schickte er mit seinem Standort an die Organisation Aegean Boat Report, die mit Asylsuchenden Kontakt hält. In einer anderen Nachricht ist die angsterfüllte Stimme eines Mannes zu hören. »Die Soldaten suchen nach uns«, flüstert er.
Auch die Anwälte des Human Rights Legal Project erfuhren an diesem Morgen von der Ankunft der Gruppe. Per E-Mail drängten sie, die Geflüchteten im Flüchtlingslager zu registrieren, so wie es das Gesetz vorschreibt. Die E-Mail schickten sie an die griechischen Behörden, das Uno-Flüchtlingshilfswerk und an den Repräsentanten der EU-Kommission auf Samos. Eine Antwort bekamen sie nicht.
Keita und Kouamou, so schildern es mehrere Zeugen, gehörten zu den wenigen Geflüchteten, die den griechischen Grenzschützern an diesem Morgen zunächst entkommen konnten. Eine weitaus größere Gruppe von 28 Geflüchteten wurde noch an der Küste gefasst. Pascaline Chouake, eine junge Mutter aus Kamerun, war eine von ihnen.
Männer mit Sturmhauben
Chouake erinnert sich daran, wie die Beamten sie auf ein Schiff der Küstenwache brachten. Einige von ihnen, sagt sie, hätten Sturmhauben getragen. Auf dem Boot hätten die Männer die Geflüchteten geschlagen, ihnen Handys und Wertgegenstände abgenommen. Einer der Männer habe in ihre Vagina gefasst und die 500 Euro gefunden, die sie dort versteckt hatte, sagt Chouake. Mehrere Schutzsuchende bestätigen ihre Angaben. Ein Geflüchteter gibt an, dass sein Anus durchsucht worden sei.
Die Küstenwache habe sie aufs Meer hinausgefahren, zurück in Richtung Türkei, so erzählen es die Geflüchteten. Dann hätten die maskierten Männer sie auf zwei aufblasbaren Rettungsflößen ausgesetzt. Chouake sagt, ihr Kind, damals noch kein Jahr alt, habe man ihr hinterhergeworfen, »als wäre es Abfall«. Stunden später brachten türkische Küstenwächter die 28 Menschen in Sicherheit. Fotos und Videos zeigen die Geflüchteten auf den Flößen kurz vor der Rettung.
Die griechische Küstenwache bestreitet die Vorwürfe. Zwar habe man an diesem Tag einen Vorfall mit zwei Flüchtlingsbooten registriert. Allerdings habe man sie noch in türkischen Gewässern entdeckt. Die türkische Küstenwache habe die Migrantinnen und Migranten dann aufgehalten. Auf die Anwesenheit der Flüchtlinge auf Samos, zweifelsfrei dokumentiert durch Zeugenaussagen und Fotos, geht die Küstenwache nicht ein.
Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis brüstet sich damit, die Überfahrten in der Ägäis drastisch reduziert zu haben. Das Vorgehen seiner Grenzschützer verkauft er als humanitären Akt. Der Schutz der Flüchtlinge stehe an erster Stelle, sagt er. Der SPIEGEL hat wiederholt nachgewiesen, dass das nicht stimmt. Die EU-Außengrenzen haben sich in einen rechtsfreien Raum verwandelt. Der Fall Keita und Kouamou wäre ein neuer Tiefpunkt in der brutalen Behandlung der Geflüchteten. Wenn es stimmt, was die Überlebenden sagen, dann werden in der Ägäis Menschen von griechischen Sicherheitskräften bewusst in Lebensgefahr gebracht.
Ibrahim, ein Mann aus Kamerun, ist der Kronzeuge im Fall Keita und Kouamou. Er sitzt an einem Nachmittag im vergangenen Herbst in einem Restaurant in der türkischen Hafenstadt Izmir. Seinen richtigen Namen will er lieber nicht veröffentlicht wissen. Leise und konzentriert berichtet er, was ihm in Griechenland widerfahren ist.
Kurz nach der Ankunft auf Samos, sagt Ibrahim, sei er zusammen mit Keita und Kouamou in den Wald geflohen. Dort hätten die drei sich gemeinsam versteckt. Drei Bekannte von Keita unterstützen diese Erzählung, sie geben an, dass er sie von Samos per Videoanruf kontaktiert habe. Keita sei außer Atem gewesen.
Am nächsten Morgen, sagt Ibrahim, hätten sie sich aus der Deckung gewagt. Schnell hätten Beamte in Zivil sie gestoppt und Verstärkung gerufen. Männer mit Sturmhauben hätten sie dann geschlagen und in ein Auto verfrachtet. Anschließend hätten die Männer sie in einem Schnellboot aufs Meer hinausgebracht.
Ibrahim erinnert sich, dass er am Bug des Bootes kauerte. Nach einer halben Stunde etwa hätten die griechischen Beamten die Motoren gestoppt. Dann hätten die Männer Kouamou ins Wasser gestoßen, kurz darauf auch Keita. »Ich habe mich gewehrt«, sagt Ibrahim. »Sie haben mich verprügelt, bevor sie mich ins Wasser geworfen haben.«
Kouamou sei als Erster in den Wellen untergegangen, sagt Ibrahim. Er selbst habe es an die türkische Küste geschafft, weil er ein guter Schwimmer sei. Keita habe er wenig später an Land gezogen und vergebens versucht ihn wiederzubeleben. Schließlich habe er einen Stock in den Boden gerammt. Ibrahim wollte den Ort später wiederfinden. Kouamous Leiche wurde zwei Tage später aus dem Wasser geborgen.
Die Nacht verbrachte Ibrahim nach eigener Aussage in einem Waldstück. Türkische Gendarmen griffen ihn am nächsten Morgen auf. Ibrahim wies ihnen den Weg zum Leichnam von Keita und machte eine detaillierte Aussage. Die Akte liegt dem SPIEGEL vor, in ihr finden sich auch Fotos des Stocks, den Ibrahim in den Boden gerammt hatte. Keitas lebloser Körper liegt auf dem Felsen daneben, die Füße ragen ins türkise Wasser.
Die griechische Polizei weist die Vorwürfe auf Anfrage pauschal zurück. Die Beamten hielten sich an alle relevanten Gesetze und schützten das Leben von Migrantinnen und Migranten. Pushbacks fänden nicht statt, die Vorwürfe hätten mit der Realität nichts zu tun und würden die Arbeit der griechischen Polizei untergraben.
Für Ibrahims Vorwürfe gibt es keinen unabhängigen Beleg, doch seine Angaben sind stimmig. Ibrahims Beschreibung der türkischen Küstenregion deckt sich mit Satellitenfotos. Seine Angaben zum Wellengang stimmen mit dem Wetterbericht überein. Dass er gut schwimmen kann, ist nicht verwunderlich, in Kamerun diente er in der Marine. Und das griechische Schnellboot identifizierte er anhand von Fotos – es handelte sich um ein Modell der Rafnar-Klasse. Ein solches Schnellboot hat die Küstenwache nachweislich auf Samos stationiert.
Selbst griechische Beamte halten Ibrahims Angaben für plausibel. Der SPIEGEL hat mit zwei Offiziellen gesprochen, die die Arbeitsweise der Grenzschützer genau kennen, sie wollen ihre Namen nicht veröffentlicht sehen. Den Beamten zufolge stoßen griechische Küstenwächter Flüchtlinge tatsächlich über Bord. Die Taktik werde vor allem bei kleinen Gruppen genutzt. Zudem seien für die Anschaffung der Rettungsflöße öffentliche Ausschreibungen nötig – und eine hohe Zahl von Flößen könnte unangenehme Fragen nach sich ziehen.
Geflüchtete haben NGOs und türkischen Behörden schon öfter von ähnlich brutalen Fällen erzählt. Seit Mai 2021 hat die türkische Küstenwache 29 Pushbacks registriert, bei denen Menschen ins Wasser geworfen worden sein sollen. Oft handelte es sich um kleine Gruppen von Geflüchteten, die in der Nähe der Inseln Samos oder Chios aufgegriffen worden waren.
Didier Martial Kouamou wurde in seinem Heimatdorf Batchingou im Südwesten Kameruns bestattet. Seine Tante, die ihn wie einen Sohn großgezogen hatte, nahm seinen Leichnam entgegen. Zu Hause hat sie die Bilder ihres Neffen zur Wand gedreht.
Kouamous Bruder Séverin, der in Paris auf ihn wartete, macht sich Vorwürfe. »Ich frage mich ständig, ob es meine Schuld ist«, sagt er hinter der Theke des kleinen Handyladens, in dem er arbeitet. »Ich sagte ihm, er solle kommen.«
Sidy Keita liegt auf dem Doğançay-Friedhof in Izmir begraben, dem »Friedhof der Namenlosen«. Der türkische Staat lässt hier unter anderem jene Toten verscharren, die keine Angehörigen in der Türkei haben, die für einen Grabstein aufkommen könnten. Keitas Bekannte hatten bei einer Trauerfeier in Izmir gesammelt. Aber das Geld reichte nicht für eine Überstellung in die Elfenbeinküste. Auf Keitas Grab liegen keine Blumen, noch nicht einmal sein Name ist vermerkt. Nur eine Holztafel mit der Ziffer 68091 steckt in der Erde.
Ibrahim hat es bei einem weiteren Versuch doch noch nach Griechenland geschafft, diesmal bis in ein Flüchtlingslager, wo er einen Asylantrag stellte. Er hat sich dort als Minderjähriger registriert. Geflüchtete tun das oft, um erst mal vor einer Abschiebung geschützt zu sein.
Ibrahim sagt, als er im Meer um sein Leben kämpfte, habe er sich geschworen, der Welt zu erzählen, was man ihm angetan habe. Griechische Anwälte bereiten eine Klage vor einem örtlichen Gericht vor. Türkische Anwälte haben eine Beschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof eingereicht.
Die Frage ist, ob Ibrahim die Gerichtsverfahren durchstehen wird. Bei einem zweiten Treffen in Griechenland wirkt er noch verzweifelter als in Izmir. Seine Augen sind glasig. Was von seinem Leben noch übrig ist, trägt er in einer kleinen Klarsichthülle bei sich. Manchmal, sagt Ibrahim, fühle er sich, als wäre ein Teil von ihm im Wasser geblieben.
Mitarbeit: Brenda Kiven
(https://www.spiegel.de/ausland/griechenland-eu-grenzschuetzer-sollen-fluechtlinge-ins-meer-geworfen-haben-a-26747b1b-58f6-4f48-a3fe-50284ddca62d)
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/grenzschuetzer-sollen-fluechtlinge-in-die-aegaeis-geworfen-haben,SxgqH1u
-> https://www.nau.ch/news/ausland/griechische-kustenwache-soll-fluchtlinge-ins-meer-geworfen-haben-66110727
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-02/fluechtlinge-griechenland-kuestenwache-meer-pushback
+++GASSE
bernerzeitung.ch 17.02.2022
Viel mehr als ein Restaurant: Ein Ort zum Andocken für alle
Das Dock8 in der Berner Siedlung Holliger ist Restaurant und Beratungsstelle. Und das Produkt einer nicht alltäglichen Partnerschaft.
Christoph Hämmann, Nicole Philipp Foto
Das Areal der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage ist gerade einer der spannendsten Orte in der Stadt Bern. Die Wohnbaugenossenschaft Warmbächli ist als Pionierin in das alte Tobler-Lagergebäude eingezogen, das sie innovativ umgebaut hat. Fünf weitere Genossenschaften bauen oder planen je einen Neubau. Und neuerdings wird im bereits bewohnten Gebäude gewirtet – wobei das Dock8 viel mehr ist als ein Restaurant.
Das Lokal ersetzt das Restaurant 44 im Breitenrain, das im Zug einer Haussanierung abgerissen wurde. Wie dort hat der Verein Wohnenbern neben dem Restaurant seine Geschäftsstelle eingerichtet. Auch am neuen Ort kann er die rund 160 Menschen, denen der Verein Wohnraum und Wohnbegleitung anbietet, in separaten Besprechungszimmern empfangen. Und ebenfalls wie vorher während sechs Jahren im Restaurant 44 stellt Wohnenbern wochentags von 9 bis 17 Uhr einen Präsenzdienst sicher: Wer über ein Wohnproblem reden möchte, kann sich direkt an eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter wenden.
Was ebenfalls gleich bleibt: Es gibt keinen Konsumationszwang. Wer trotzdem etwas bestellt und es sich leisten kann, darf etwas mehr bezahlen – und ermöglicht damit, dass Leute mit schmalem Budget für fünf Franken ein Solimenü bestellen können. «Auf diese Weise wird unser Lokal zum ausgelagerten Wohnzimmer für alle», sagte Karin Hofmann, Geschäftsleiterin von Wohnenbern, am Donnerstag bei der offiziellen Eröffnung des Dock8.
Halb Siedlungs-, halb Dock8-Koordinatorin
Neu ist im Holliger die Trägerschaft: Wohnenbern stemmt den Betrieb nicht mehr allein, sondern gemeinsam mit der reformierten Kirchgemeinde Frieden und der römisch-katholischen Kirche Region Bern. Ebenfalls mit im Boot sind die sechs Wohnbaugenossenschaften, die das Projekt unterstützen und die 60-Prozent-Stelle einer Wohnenbern-Angestellten zur Hälfte finanzieren. Diese wirkt nun je hälftig als Siedlungskoordinatorin und als Koordinatorin des Dock8. Die Stadt unterstützt Dock8 mit einem rückzahlbaren Darlehen, ein Teil der Sozialarbeit von Wohnenbern wird von ihr im Rahmen eines Leistungsvertrags abgegolten.
«Eine solidarische Gesellschaft gelingt nur, wenn man soziale Ökosysteme aufbaut», sagte Karin Hofmann vor den Medien. Die für Aussenstehende nicht unbedingt naheliegende Kooperation mit den Landeskirchen erklärt sie ganz einfach: «Wir haben die gleiche Idee von Niederschwelligkeit und Inklusion.»
Von einer «perfekten Ergänzung» spricht auch Christian Walti, Pfarrer in der reformierten Friedenskirche. Er war schon bei der Zwischennutzung der Warmbächli-Brache auf dem Areal aktiv, vor allem aber engagiert sich seine Kirche im Quartier auf vielfältige Weise: Einzelfallberatung, Nähatelier, unterstützende Sozialhilfe, Kinderspielwoche, Deutsch-Café und mehr gehören zum kirchlichen Angebot. «Wir hatten schon vorher teilweise mit den gleichen Menschen zu tun wie Wohnenbern», sagt Pfarrer Walti. Neu teile man sich einfach noch die Räumlichkeiten.
Nachhaltigkeitszentrum der katholischen Kirche
Mit den laufenden Bauprojekten und den vielen Neuzuzügerinnen und -zuzügern herrscht laut Walti rund um den Holliger «eine grosse Dynamik», wobei der neuen Siedlung und dem Dock8 wichtige Rollen zukämen. «Um unsere Angebote mit der bisherigen Qualität fortführen zu können, müssen wir die neuen Räume bespielen helfen.» Denn anders könne seine Kirche ihren öffentlichen Auftrag nicht wahrnehmen: «Unabhängig davon, ob jemand Kirchenmitglied ist, möchten wir die Menschen im Quartier kennen lernen, um unsere Arbeit machen zu können.»
Im Dock8 will die Kirchgemeinde Frieden soziokulturelle Angebote wie Quartierfeste, Lesungen, Ausstellungen oder Konzerte (mit-)schaffen. Die katholische Kirche wiederum will im Holliger ein eigentliches Nachhaltigkeitszentrum betreiben und plant verschiedene Anlässe zu entsprechenden Themen.
Am Medientermin schilderte Matthias Balsiger, ein langjähriger Wohnenbern-Klient, wie unvermittelt es geschehen kann, dass jemand auf solche Angebote angewiesen ist. «Ich war bis 19 im Gymer, dann hatte ich einen totalen Zusammenbruch.» Die Ärzte diagnostizierten eine schwere Schizophrenie, Balsiger war mehrmals in der Klinik Waldau, seit zehn Jahren wird er von Wohnenbern begleitet und lebt mittlerweile allein in einer Einzimmerwohnung.
Über all die Jahre sei es ihm «langsam und stetig besser» gegangen. Er absolvierte eine zweijährige Lehre als Informatikpraktiker und gibt nun im Rahmen einer 40-Prozent-Stelle Computerkurse – allerdings innerhalb eines Integrationsprojekts ohne Lohn. «Ich bin deshalb froh um die 5-Franken-Menüs hier. Und ich kenne hier Leute, es ist gäbig und gemütlich.»
(https://www.bernerzeitung.ch/ein-ort-zum-andocken-fuer-alle-224859125478)
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«Basler Weg» beim Bettelverbot: Linke kritisiert Passivität der Regierung
Der Basler Regierungsrat muss Begleitmassnahmen zum Bettelverbot ergreifen, das fordert eine am Mittwochabend überwiesene Motion im Parlament. Die Taskforce sei aktiv, sagt Justizdirektorin Eymann.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/grosser-rat-basler-weg-beim-bettelverbot-linke-kritisiert-passivitaet-der-regierung-ld.2253056
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Talk: Roger Stalder und Raffaela Hanauer am 16.02.2022
180 Demos im Jahr 2020, deren 207 ein Jahr vorher. SVP-Grossrat Roger Stalder hat genug. Er fordert ein samstägliches Demo-Verbot in der Basler Innenstadt. Raffaela Hanauer von den Grünen sieht das anders.
https://telebasel.ch/telebasel-talk/?channel=15881
-> https://bajour.ch/a/loohgy9rZtOFOIdT/mit-statt-gegeneinander-bei-demonstrationen
Ni Una Menos Kollektiv – Luzern: Demo auf dem Bahnhofplatz gegen Femizide
Das Ni Una Menos Kollektiv ruft für heute Abend zu einer Demo auf dem Luzerner Bahnhofplatz auf. Die Veranstaltung ist von 19 Uhr bis 19.45 Uhr bewilligt, wie die Polizei Luzern auf Anfrage bestätigt.
https://www.zentralplus.ch/demo-in-luzern-gegen-femizide-bahnhofsplatz-2304173/
++ANTITERRORSTAAT
Nationaler Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus: Impulsprogramm, Evaluation und Weiterführung der Präventionsarbeit
Der Bund unterstützt im Rahmen der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP) Projekte von Kantonen, Gemeinden, Städten, Hochschulen und Organisationen der Zivilgesellschaft mit einem Impulsprogramm. Er setzt dafür während fünf Jahren fünf Millionen Franken ein. In diesem Jahr erhalten insgesamt 14 Projekte finanzielle Unterstützung im Rahmen des Impulsprogramms. Dieses Jahr können zum letzten Mal Finanzhilfegesuche für Projekte, die 2023 umgesetzt werden sollen, eingereicht werden. Ausserdem hat ein externes Unternehmen die Umsetzung und die Wirksamkeit des NAP und seiner 26 Massnahmen evaluiert. Insgesamt ist die Bilanz positiv, in gewissen Bereichen besteht jedoch Optimierungspotenzial. Auf der Grundlage dieser Evaluation haben Bund, Kantone und Gemeinden einstimmig beschlossen, die Präventionsarbeit nach dem Auslaufen des NAP in angepasster Form weiterzuführen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-87236.html
+++KNAST
Gesamtbericht über die schweizweite Überprüfung der Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug durch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (2019-2021)
In ihrem heute veröffentlichten Bericht publiziert die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKFV) ihre Erkenntnisse und Empfehlungen zur Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug. Die Erkenntnisse basieren auf Besuchen in dreizehn Einrichtungen des Freiheitsentzugs. Aus Sicht der Kommission ist die Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug grundsätzlich gewährleistet. Als positiv bewertet sie die Bemühungen der Einrichtungen, die Gesundheitsversorgung für inhaftierte Personen stetig zu verbessern. Handlungsbedarf sieht die Kommission bei der Umsetzung der epidemienrechtlichen Vorgaben sowie bei der geschlechtsspezifischen Gesundheitsversorgung insbesondere in kleinen und gemischten Einrichtungen. Weitere Verbesserungsmöglichkeiten bestehen aus Sicht der Kommission bei der psychiatrischen Grundversorgung.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-87239.html
-> Bericht: https://www.nkvf.admin.ch/dam/nkvf/de/data/Berichte/2022/gesundheitsversorgung/bericht.pdf
+++RECHTSPOPULISMUS
SVP-Kantonsrat Claudio Schmid weist Vorwurf der Rassendiskriminierung zurück – Gericht spricht ihn frei
Das Bezirksgericht Bülach hat den Zürcher SVP-Kantonsrat Claudio Schmid vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn wegen eines Tweets zu einem Attentat angeklagt.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/bezirksgericht-buelach-zuercher-svp-kantonsrat-claudio-schmid-weist-vorwurf-der-rassendiskriminierung-zurueck-ld.2252680
-> https://www.blick.ch/politik/hanau-tweet-war-nicht-rassistisch-zuercher-svp-kantonsrat-gewinnt-vor-gericht-id17245242.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/svp/533637368-svp-kantonsrat-steht-wegen-rassendiskriminierung-vor-gericht
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/kanton-zuerich/svp-kantonsrat-steht-wegen-rassendiskriminierung-vor-gericht-145494694
-> https://www.bluewin.ch/de/news/schweiz/zuercher-svp-kantonsrat-wegen-rassismus-vor-gericht-1092960.html
+++RECHTSEXTREMISMUS
„Hammerskins“ Worldwide
Internationale Treffen sind Dreh- und Angelpunkt zur Ausrichtung der „Hammerskin Nation“ und ermöglichen es länderübergreifend zu reagieren, sollten lokale Chapter1 in Schwierigkeiten stecken. Auch um die Koordination der weltweiten Geschäfte der Bruderschaft am Laufen halten zu können, braucht es regelmäßige Treffen.
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/hammerskins-worldwide
Hitlergruss im EU-Parlament: «Ich habe der Präsidentin nur zum Abschied gewinkt»
Ein bulgarischer EU-Abgeordneter zeigt im EU-Parlament bei der Debatte um die Rechtsstaatlichkeit den Hitlergruss. Nach empörten Reaktion behauptet dieser, es handle sich bloss um ein «kleines Missverständnis».
https://www.bzbasel.ch/international/eklat-hitlergruss-im-eu-parlament-ich-habe-der-parlamentspraesidentin-nur-zum-abschied-gewinkt-ld.2252629
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Rechtsextreme führten Demo an: Berner Gemeinderat von Neonazi-Aufmarsch überrascht
Warum schritt die Polizei nicht ein, als Rechtsradikale eine Demonstration von Massnahmenkritikern in Bern anführten? Die Gründe.
https://www.derbund.ch/berner-gemeinderat-von-neonazi-aufmarsch-ueberrascht-994412215255
-> Gemeinderatsantwort: https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=654a5db73b9a4e7da2197823f774c17f
-> https://www.blick.ch/politik/bei-corona-demo-bern-wurde-von-neonazis-ueberrascht-id17245470.html?utm_source=twitter&utm_medium=social&utm_campaign=blick-page-post&utm_content=bot
Gemeinderat überrascht von Neonazi-Aufmarsch
In einer kleinen Anfrage wollte die SP/Juso-Fraktion im Stadtrat wissen, weshalb die Polizei an einer Corona-Demo Ende Januar angesichts der federführenden Faschisten untätig blieb. Von der Antwort des Gemeinderats zeigen sich die Unterzeichnenden enttäuscht.
https://journal-b.ch/artikel/gemeinderat-ueberrascht-von-neonazi-aufmarsch/
Trotz Massnahme-Ende durch Bundesrat: Corona-Gegner mobilisieren für Demonstration in Zürich-Oerlikon
Der Bundesrat hebt beinahe alle Massnahmen gegen das Coronavirus auf. Trotzdem rufen Corona-Skeptiker zu einer weiteren, bewilligten Demonstration am Samstag in Zürich-Oerlikon auf.
https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/trotz-massnahme-ende-durch-bundesrat-corona-gegner-mobilisieren-fuer-demonstration-in-zuerich-oerlikon-id17245769.html
Corona-Demo in Oerlikon: «Massnahmengegner wollen eine Parallelgesellschaft aufbauen»
Am Samstag findet in Zürich Oerlikon eine bewilligte Anti-Massnahmen-Demo statt. Mit dabei sind wohl auch rechtsextreme Gruppen. Ein Szenekenner erklärt, wie es so weit kommen konnte – und weshalb es trotz Massnahmen-Aufhebung weitere Demos geben wird.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/massnahmengegner-wollen-eine-parallelgesellschaft-aufbauen-145488589
Von Telegram auf die Straße
Studie macht auf das Gefahrenpotenzial durch Gegner*innen der staatlichen Corona-Maßnahmen aufmerksam
Obwohl die Politik Lockerungen der Maßnahmen im Kampf gegen Corona beschlossen hat, gehen weiter wöchentlich bundesweit tausende Menschen gegen die geltenden Restriktionen auf die Straße. Eine Studie hat nun untersucht, wer diese Menschen sind.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1161431.proteste-gegen-corona-massnahmen-von-telegram-auf-die-strasse.html
Kanadische Lastwagen-Proteste – gut vernetzt bis in die USA
Seit rund drei Wochen blockieren die Lastwagen des selbsternannten „Freedom Convoys“ nun Teile der kanadischen Hauptstadt Ottawa, zeitweise besetzten sie auch wichtige Grenzübergänge zu den USA. Unterdessen sind die Trucker-Proteste zum internationalen Phänomen geworden – und zeigen auch die Vernetzung von kanadischen Rechtsaussengruppen in die USA.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/kanadische-lastwagen-proteste-gut-vernetzt-bis-in-die-usa?partId=12145388
-> https://www.srf.ch/news/international/proteste-in-der-hauptstadt-freedom-convoy-in-kanada-die-wichtigsten-fragen-und-antworten
„Anwälte für Aufklärung“: Hippiebusse mit Deutschlandfahnen
Überall werden Corona-Beschränkungen gelockert und Pandemie-Maßnahmen aufgehoben. Statt sich zu freuen, beginnen die querdenkernahen „Anwälte für Aufklärung“ Feindeslisten zu führen.
https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/568/hippiebusse-mit-deutschlandfahnen-8023.html
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tagesanzeiger.ch 17.02.2022
Demonstrationen in Zürich: Wie es zum Zürcher Kampf zwischen Antifaschisten und Neonazis kam
Vergangene Woche überforderten Demonstrationen von Neonazis und Linksextremen die Polizei. Was Zürich nun erwartet.
Corsin Zander, Samuel Schalch (Fotos)
Als sich am vergangenen Samstag in Zürich Neonazis ankündigten und Tausende dem Aufruf zur Gegendemonstration folgten, war das aus mehreren Gründen bemerkenswert: dass die Gegendemonstranten so zahlreich waren – und dass die Nazis überhaupt erschienen sind.
Sinnbildlich für den Tag ist eine Szene kurz nach 14 Uhr beim Alfred-Escher-Brunnen in der Bahnhofstrasse. Eine Gruppe von rund 30 mehrheitlich jungen Neonazis geht auf die linken Demonstrierenden los, die sich vor dem Hauptbahnhof versammeln. Die beiden Gruppen prügeln einige Sekunden aufeinander ein, bis die etwas überfordert wirkende Polizei dazwischengeht und die Gruppen trennt. Die Neonazis können danach zuerst unbehelligt weitergehen, bis sie schliesslich im Niederdorf verhaftet werden. Man habe sie «lagebedingt» nicht schon vorher festhalten können, heisst es auf Anfrage bei der Stadtpolizei. Eine Person führt die Polizei wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte der Staatsanwaltschaft zu, die anderen werden verzeigt.
Später ziehen Tausende schwarz gekleidete Antifaschisten in zwei unterschiedlichen Demonstrationszügen durch das Limmatquai beziehungsweise das Langstrassenquartier. Ein kleiner, militanter Teil von ihnen sucht die Konfrontation mit Neonazis sowie der Polizei und randaliert.
Ein weiterer Demonstrationszug von sogenannten Corona-Massnahmen-Gegnern will am Limmatquai demonstrieren. Sie hatten all die Demonstrationszüge – von denen keiner bewilligt war – ausgelöst. Ob sich unter ihnen Neonazis befinden, ist nicht bekannt. Mindestens zwei Personen werden hier verhaftet und müssen sich wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte bei der Zürcher Staatsanwaltschaft verantworten.
Die Stadtpolizei beschreibt die Situation auf Anfrage als «grosse Herausforderung», weil sie zeitgleich mehrere mobile «Brennpunkte» habe kontrollieren müssen und ein Teil der Demonstrierenden auf beiden Seiten zum Teil gewalttätig oder gewaltsuchend gewesen sei. Es sei der Polizei aber gelungen, ein Aufeinandertreffen der verschiedenen Demonstrationszüge zu verhindern.
Die Bilanz am Ende des Tages: 41 Festnahmen (davon nach Polizeiangaben mindestens 33 aus der rechten Szene), drei leicht verletzte Polizisten, mehrere beschädigte Polizeifahrzeuge sowie Sprayereien.
Neonazis treten offen in Erscheinung
Dass so viele Menschen in die Zürcher Innenstadt gereist sind, hat vor allem mit den Neonazis zu tun, die in den vergangenen Monaten vermehrt wieder öffentlich aufgetreten sind. So traten die Männer der Jungen Tat, einer Gruppierung, die aus der Winterthurer Eisenjugend hervorgegangen ist, am 8. Januar in Zürich in Erscheinung. Sie kaperten damals eine Demonstration der Gruppe «Bildung für alle», die gegen Corona-Massnahmen demonstrieren wollte.
Für viel Aufsehen sorgten Mitglieder der Jungen Tat zwei Wochen später in Bern, als sie sich mit einem Transparent mit der Aufschrift «Jetzt ist Schluss!» an die Spitze des Demonstrationszugs setzten und diesen vereinnahmten. Der Auftritt erinnerte an ähnliche Aktionen von Neonazis in Deutschland und Österreich. Die Junge Tat stehe auch in einem engen Kontakt mit sogenannten Identitären in Österreich, Belgien und Deutschland, zitiert das Onlinemagazin «Republik» die Recherchegruppe Antifa Bern. Mitglieder der Jungen Tat vermischten sich an der Demo in Bern mit älteren, einschlägig bekannten Neonazis aus der ganzen Schweiz. Verschiedene Medien berichteten darüber.
Ein Teil dieser Neonazis, laut Augenzeugen erneut angeführt von der Jungen Tat, kam am vergangenen Samstag auch nach Zürich. Jahrelang waren Rechtsextreme in der Stadt Zürich kaum mehr in Erscheinung getreten. Dass sie nun in so grosser Zahl Gegendemonstranten wie am Samstag beim Hauptbahnhof direkt angreifen, ist eine neue Dimension.
Grosse Mobilisierung auf linker Seite
Sehr viel zahlreicher waren die Gegendemonstrierenden, die fast alle schwarz gekleidet durch die Strassen zogen. Unter den mehreren Tausend Menschen waren verschiedene organisierte Gruppierungen aus linken und linksextremen Kreisen zu sehen. Die allermeisten Teilnehmenden waren aber unorganisiert dem Aufruf gefolgt, Zürich «nazifrei» zu halten. Mobilisiert hatten vor allem das Bündnis gegen Rechtsabbiegen, das sich als «überregionales Netzwerk der ausserparlamentarischen Linken» beschreibt, sowie der linke Zusammenschluss «Wir tragen eure Krise nicht», welcher während der Pandemie in Zürich schon mehrere Demonstrationen durchgeführt hatte.
So mobilisierten vom Revolutionären Aufbau über die Bewegung für Sozialismus und die Juso bis hin zur gemässigten Linken. Und dies nicht nur in Zürich, sondern in vielen anderen Schweizer Städten und im Ausland auch. Dass dem Aufruf so viele gefolgt sind, hat im Wesentlichen drei Gründe, wie sich aus Recherchen in der Szene ergibt:
1. Antifaschismus als kleinster gemeinsamer Nenner: Manche Teilnehmende sagen, Ihnen sei spätestens nach der Corona-Demonstration in Bern klar geworden, dass Neonazis wieder vermehrt offen und zahlreich in der Schweiz demonstrieren würden. Unter den zahlreichen linken Gruppierungen und Bewegungen ist «Antifa» der gemeinsame Nenner, hinter dem alle einhellig demonstrieren können.
2. Es gibt neue Bewegungen: In den vergangenen Jahren sind in Zürich mit der Bewegung um den Frauenstreik 2019 sowie der Klimajugend eine Reihe von kleineren und grösseren – zum Teil militanten – Gruppierungen entstanden. Ein Teil der jungen Zürcher Bevölkerung ist politischer und aktivistischer geworden, was zu einer breiten Mobilisierung für eine antifaschistische Demonstration führen kann.
3. Die «500k»-Kampagne: Im November 2018 demonstrierten in Basel rund 2000 Personen gegen einen Aufmarsch der mittlerweile aufgelösten rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer. Für zahlreiche Gegendemonstranten hatte dies ein juristisches Nachspiel: Sie mussten sich vor Gericht verantworten. Um die Prozesse zu bezahlen, starteten Aktivisten in Zürich eine breit angelegte Crowdfunding-Kampagne. Mit zahlreichen Aktionen, Kleider- und Bierverkäufen sowie Festen wurde schliesslich eine halbe Million Franken gesammelt. Die Kampagne hat zahlreiche Menschen mit dem Thema Antifaschismus in Kontakt gebracht.
Nächste Demonstration am Samstag
Noch ist unklar, ob die Demonstrationen und Zusammenstösse am vergangenen Samstag ein einmaliges Ereignis waren oder ob sich das Aufeinandertreffen von Neonazis und Antifaschisten in Zürich häufen wird. Am kommenden Samstag findet in Oerlikon bereits die nächste Demonstration von sogenannten Massnahmengegnern statt. Das Aktionsbündnis Urkantone hat zu einer bewilligten Kundgebung aufgerufen. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Stadtpolizei am Samstag wieder einen so grossen Einsatz leisten muss. Linke Kreise verzichteten bisher darauf, zu einer Gegendemonstration aufzurufen, und eine breite Mobilisierung braucht eine gewisse Vorlaufzeit. Und auch das Aktionsbündnis sagt: «Links- wie Rechtsextremisten sind auf unserer Kundgebung nicht willkommen, werden nicht toleriert und falls notwendig von der Kundgebung weggewiesen.»
Klar ist aber: Sowohl Neonazis als auch Antifaschisten werden versuchen, die Demonstrationen am vergangenen Samstag zu nutzen und weitere Menschen für ihre Anliegen zu gewinnen. Ob ihnen das – auch angesichts des nahenden Endes der Pandemie – gelingt, wird sich zeigen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/wie-es-zum-zuercher-kampf-zwischen-antifaschisten-und-neonazis-kam-372347684721)
-> Weltwoche-Artikel Kurt Pelda: https://twitter.com/KurtPelda/status/1494298948676341760
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Freiheitstrychler protestierten vor Ort: Hausdurchsuchung bei Corona-Skeptiker-Arzt
In Wilen bei Wollerau SZ fuhr die Polizei beim Arzt Christian U. vor. Er habe unrechtmässige Atteste ausgestellt. U. weigerte sich, die Polizisten reinzulassen. Stattdessen rief er die Freiheitstrychler zur Unterstützung – diese kamen und «glöckelten» fleissig.
https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/freiheitstrychler-protestierten-vor-ort-hausdurchsuchung-bei-corona-skeptiker-arzt-id17246549.html
-> https://march24.ch/articles/114022-polizei-und-freiheitstrychler-fahren-bei-wiler-arzt-auf
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luzernerzeitung.ch 17.02.2022
Skeptiker-Arzt alarmiert während Hausdurchsuchung die Freiheitstrychler
Am Donnerstagvormittag hat die Polizei in Wilen bei Wollerau in der Privatwohnung eines Arztes eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Der Doktor holte zu seiner Unterstützung die Freiheitstrychler.
Laut dröhnten am Donnerstag gegen 10.30 Uhr vor einem Mehrfamilienhaus in Wilen bei Wollerau die Trycheln der Freiheitstrychler. Sie hatten sich versammelt, um dem Arzt Manuel Albert ihre Unterstützung zu versichern und gegen die Vorgänge zu protestieren, wie der Bote der Urschweiz schreibt. Grund dafür war eine polizeiliche Hausdurchsuchung in der Privatwohnung des erklärten Kritikers der Corona-Politik des Bundes.
Florian Grossmann, Chef Kommunikation der Kantonspolizei Schwyz, bestätigte auf Anfrage, dass in Wilen bei Wollerau eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sei. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft seien aus diesem Grund vor Ort gewesen. «Es ist dabei zu keiner Verhaftung gekommen», so Grossmann. Im Hinblick auf das laufende Verfahren könne die Polizei keine weiteren Angaben machen.
Arzt wollte der Polizei den Zutritt verwehren
Die Polizei sei plötzlich aufgetaucht und habe unten geklingelt, erklärt Manuel Albert gegenüber einem Reporter von «Höfe24» und «March24». «Sie sagten, sie hätten einen Durchsuchungsbefehl mit der Staatsanwältin und ob sie reinkommen dürften», führt er weiter aus. Er habe ihnen aber den Zutritt verweigert. Jemand habe sie dann trotzdem ins Gebäude gelassen. Laut Manuel Albert haben sie ihre Forderung dann vor seiner Wohnungstür wiederholt.
Darauf habe Albert wiederum geantwortet, dass er sie nicht hineinlasse. Danach hätten sie den Schlüsseldienst aufgeboten und sich so Zutritt verschafft. Daraufhin habe er sich leicht gewehrt. «Sie haben mich auf den Boden gezerrt und mir Handschellen angelegt», erzählt Manuel Albert. Natürlich sei er ein wenig emotional geworden, räumt er ein.
Grund für Durchsuchung sollen unrechtmässige Atteste sein
«Sie warfen mir vor, dass ich unrechtmässige Atteste ausstelle», sagt er. Der zweite Vorwurf sei, dass er auch unrechtmässig Medikamente verteile, die Swissmedic nicht zulasse. «Das stimmt eben auch nicht», wehrt er sich. Nach Angaben von Manuel Albert waren die Polizei, eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft und eine Person von der Kantonsapotheke vor Ort. Letztere, um die Medikamente zu begutachten.
Während dieser Zeit habe Manuel Albert versucht, Leute aufzubieten – in diesem Fall die Freiheitstrychler. «Was auch gelungen ist», erklärt er. Diese Vorgänge, diese Gewalt, die ihm als unbescholtenem Bürger angetan würden, müsse man zeigen. Er nehme den hippokratischen Eid ernst und habe in seinen Augen berechtigterweise Maskenatteste ausgestellt, vor allem für Kinder, fügt er an. (asz)
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/schwyz/ausserschwyz-skeptiker-arzt-alarmiert-waehrend-hausdurchsuchung-die-freiheitstrychler-ld.2252892)
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ServusTV: Der Sender der Querdenker?
In der Pandemie ist ServusTV zum meistgeschauten Privatsender Österreichs geworden. Seine Inhalte zu Corona verbreiten sich auch in Deutschland stark. Was Experten zum Sender sagen und wie dessen Inhalte einzuschätzen sind: Ein #Faktenfuchs.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/servustv-der-sender-der-querdenker,SxWRcVg
+++HISTORY
Unabhängige Kommission soll Fälle von NS-Raubkunst lösen helfen
Bundes- und Nationalrat wollen eine Kommission für NS-Raubkunst schaffen. In einem sind sich die beiden Räte aber noch uneinig.
https://www.nau.ch/news/europa/unabhangige-kommission-soll-falle-von-ns-raubkunst-losen-helfen-66111053