Antifa in Zürich, Besetzungen in Calais, Zemmour in Frankreich

Antifa-Demo am 12.2.22 in Zürich
Tausende Menschen besammelten sich letzten Samstag in Zürich zu einer antifaschistischen Demonstration.
Themen

Was ist neu?

Grüne fordern Aufnahme geflüchteter Menschen in Willkommensstädten

Einen neuen Anlauf im Kampf um eine andere Aufnahmepolitik des Bundes nimmt die Grüne Partei. Sie fordert im Nationalrat, dass Städte Menschen aufnehmen dürfen, wenn sie das möchten. Bisher wurden alle Bemühungen darum von Karin Keller-Sutter blockiert.

Die Forderung der Grünen Partei Schweiz ist so einfach, wie ihre bisherige Ablehnung unverständlich ist: Städte, die Menschen auf der Flucht aufnehmen wollen, sollen das dürfen. Auf eigene Rechnung und unter Berücksichtigung des UNHCR-Flüchtlingsstatus. Ohne weitere Auswirkungen auf den Asylprozess oder die Aufnahmekontingente, den die Städte und Gemeinden weiterhin erfüllen müssen.

Die Gründe, warum diese Forderung nötig ist, kennen wir nur zu gut: Die Unterbringung von Menschen auf der Flucht in (Zelt-) Lagern ist unwürdig, hat sich aber von einer Notlösung zu einem untragbaren Dauerzustand entwickelt. Gleichzeitig organisieren sich seit Jahren zahlreiche Städte in einer solidarischen Allianz, um ihre Aufnahmebereitschaft zu bekräftigen.

Das Bündnis EvakuierenJetzt!, die Organisation Seebrücke und viele weitere Akteur*innen setzten sich seit Jahren für das gleiche Ziel ein. Auch jetzt können Privatpersonen den Appell mit einer Unterschrift stärken. Das allein wird vielleicht nicht reichen, um einen Kurswechsel zu schaffen. Nehmen wir den Appell der Willkommensstädte als Anlass, unseren Forderungen auch auf der Strasse wieder mehr Nachdruck zu verleihen.

https://gruene.ch/kampagne/willkommensstaedte-und-solidarische-kantone-ermoeglichen
https://www.woz.ch/2206/asylgesetz/es-ist-eine-pflicht-sie-aufzunehmen

Was ist aufgefallen?

Pushbacks an der rumänisch-serbischen EU-Aussengrenze

Als eines der letzten Nicht-EU-Länder auf der Balkanroute ist Serbien ein Land, in das täglich Menschen auf der Flucht aus den angrenzenden europäischen Staaten zurückgedrängt werden. Die Pushbacks erfolgen durch nationale Grenzbeamt*innen sowie von Frontex-Mitarbeitenden. In den meisten Fällen sind die Pushbacks extrem gewalttätig: People on the Move werden geschlagen, getreten und gedemütigt. Ein Bericht von der serbischen NGO KlikAktiv dokumentiert zahlreiche Pushbacks und die Entwicklung über die letzten Jahre.

Ohne offizielle Unterbringungsstrukturen sind Betroffene auf sich allein gestellt. Quelle: klikAktiv
Ohne offizielle Unterbringungsstrukturen sind Betroffene auf sich allein gestellt. Quelle: klikAktiv

Die Fluchtroute von Serbien nach Rumänien wird erst seit dem Winter 2019/2020 aktiver genutzt. Oft überqueren People on the Move die Grenze in der Nähe der beiden Dörfer Majdan und Rabe, die sich im Dreiländereck Serbien, Ungarn und Rumänien befinden. Zu Beginn waren die Erfolgschancen beim Überschreiten der Grenze hoch, in dieser Zeit gab es keine dokumentierten Pushbacks. People on the Move hielten sich nicht lange in der serbischen Grenzregion auf, ihre Anwesenheit blieb auch von der lokalen Bevölkerung unbemerkt.

Die Situation änderte sich im Sommer 2020, als die rumänische Grenzpolizei dem Beispiel von Ungarn und Kroatien folgte und ihre Präsenz an der Grenze verstärkte. Die NGO KlikAktiv sammelte Ende Juli die ersten Zeug*innenaussagen eines illegalen Pushbacks auf rumänischem Gebiet, die zu diesem Zeitpunkt noch ohne Gewaltanwendung stattfanden.

Gleichzeitig entstanden die ersten besetzten Häuser in der Nähe der rumänischen Grenze: People on the Move mussten sich länger in der serbischen Grenzregion aufhalten, doch erhalten sie von den serbischen Behörden weder Unterstützung noch Zugang zum serbischen Asylverfahren.

Seit 2021: Mehr Pushbacks, mehr Gewalt

Grosse Veränderungen an der serbisch-rumänischen Grenze gab es im Jahr 2021: People on the Move benutzten diese Fluchtroute nun ebenso oft wie jene über Kroatien und Ungarn, gleichzeitig nahmen auch die Pushbacks drastisch zu. Laut den Zeug*innenaussagen, die KlikAktiv zwischen September und November 2021 gesammelt hat, verbrachten die Menschen in diesem Gebiet durchschnittlich drei Monate in Serbien, während sie jeden Tag oder jeden zweiten Tag versuchten, die rumänische Grenze zu überqueren. Während im Sommer 2020 die rumänische Polizei bei den Pushbacks keine Gewalt anwendete, änderte sich auch dies: Ab Herbst 2020 passierten die Pushbacks fast immer unter Gewalt, Schlägen, Zerstörung von persönlichen Gegenständen (Handys, Schuhen, Taschen usw.) und anderen unmenschlichen Behandlungen.

Auch wendete die rumänische Polizei zunehmend demütigende Methoden an: Manche Personen wurden gezwungen, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und so zurück nach Serbien zu laufen. Oder ihre Schnürsenkel wurden zerschnitten, sodass sie barfuss zurück nach Serbien laufen mussten.

Männer mit schwarzen Masken

Die Pushbacks werden nicht ausschliesslich durch Polizeieinheiten in identifizierbaren Uniformen durchgeführt. Zwischen August und Oktober 2021 sammelte KlikAktiv insgesamt 30 Berichte, die die Zusammenarbeit der rumänischen Polizei mit nicht weiter zuzuordnenden, maskierten Einsatzkräften belegen. Der Ablauf ist dabei stets derselbe: Nachdem People on the Move von der rumänischen Polizei aufgegriffen wurden, machen diese einen Telefonanruf. Nach einiger Zeit kommen die »Männer in schwarz« an. Ein Schlägertrupp, der übler zuschlage als die Polizei. Nach der Gewalt fahren die Männer wieder weg. Der Pushback findet durch die Polizei statt. Eine Zeugenaussage:

«Die Polizei nahm all unser Geld, wir hatten rund 130 EUR, zwei Handys und eine Powerbank. Sie haben uns für etwa 20 Minuten warten lassen, bevor diese Männer die Szenerie betraten. Sie haben uns so heftig getreten. Ich verstehe nicht, wie jemand einer Person so schlimme Schmerzen zufügen kann. Wie kannst du jemanden schlagen und treten, der dir nichts getan hat? Mein Bein war geschwollen von den Tritten und es tut immer noch weh, wenn ich laufe.»

Auch hier mit auf der Bühne: Frontex

KlikAktiv sammelte auch Zeug*innenaussagen, die die Beteiligung von Frontex an den Pushbacks belegen. Dabei namen Frontex-Mitarbeitende unterschiedliche Rollen ein: Einmal informierten sie bloss die rumänische Grenzpolizei, welche anschliessend die Pushbacks ohne Gewaltanwendung durchführten. Andere Zeug*innen berichten, wie Frontex-Mitarbeitende aktiv Gewalt anwenden:

«The Romanian police beat us. They almost broke my leg one time. But FRONTEX is even worse. They beat you everywhere, they don’t care.»

«I saw FRONTEX twice in last five days. It all depends on the officer. Some are nice and others are not nice. They didn’t beat me, just told me to go back to Serbia.” Another man in the group agreed: “Yes, some are nice and some are very bad. I saw FRONTEX police few days ago. They were nice at first. But when I started complaining, one police officer from FRONTEX came to me and kicked me in my leg. I wanted to complain because I am already here for more than 2 months. Every day I try the “Game” and they send me back. What can I do?»

Nach den offiziellen Informationen auf der Website von Frontex hat die Grenzschutzagentur 50 Grenzschutzbeamt*innen in Rumänien eingesetzt. Andere Medienberichte sprechen von einer Präsenz von 20 Beamt*innen an der rumänisch-serbischen Grenze.

https://medium.com/are-you-syrious/ays-news-digest-9-2-22-precarious-situation-at-serbian-romanian-border-bdf11db98d9d
https://klikaktiv.org/

https://www.proasyl.de/news/pushbacks-an-der-rumaenisch-serbischen-eu-aussengrenze/

 
 

Kopf der Woche

Frankreichs Präsidentschaftswahlen – Eric Zemmour

Rechtzeitig zu den Präsidentschaftswahlen in Frankreich präsentieren wir euch an dieser Stelle in den kommenden Wochen die rassistischen rechts-aussen Kandidaturen für das Präsidentschaftsamt. Den Start macht Eric Zemmour von der rasisstischen Partei “Reconquête”.

Kandidiert für das Präsidentenamt in Frankreich: Eric Zemmour von der rechts-aussen Partei
Kandidiert für das Präsidentenamt in Frankreich: Eric Zemmour von der rechts-aussen Partei “Reconquête”

Seit mehreren Monaten berichten internationale Medien über den ehemaligen Journalisten und heute rechts-äussersten Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour. Dieser seit zwei Jahrzehnten in den Medien omnipräsente Polemiker hat am 30. November 2021 mit einem zehnminütigen Video seine Kandidatur offizialisiert. Anfang Dezember gründete er an seinem ersten Meeting in Paris seine neue Partei “Reconquête” – ein Name, der sich auf die Reconquista bezieht, d.h. die Epoche der Expansion der christlichen auf Kosten der muslimischen Reiche auf der iberischen Halbinsel.

Eric Zemmour ist in Frankreich als reaktionärer Journalist schon seit langem wohlbekannt. Wegen seiner rassistischen, holocaustrelativisierenden und FLINTA-feindlichen Äusserungen ist er in den letzten Jahren nicht nur in den Schlagzeilen, sondern auch mehrmals vor Gericht gelandet. So verwundert es auch niemanden, dass Zemmours Wahlkampf in den Medien überthematisiert und -kommentiert wird.

Seine politischen Positionen befinden sich im alleräussersten rechten Lager, er vertritt konservative Gesellschaftswerte und neoliberale Wirtschaftsinteressen. Seinen Wahlkampf gliedert er aber hauptsächlich um den “Grand Remplacement” (französisch für den “Grossen Austausch”), einer Theorie der Neuen Rechten, die besagt, dass die weisse westliche Mehrheitsbevölkerung durch muslimische und nicht-weisse Einwander*innen ausgetauscht würde. So schrieb er schon 2016, dass Deutschland durch die Aufnahme von zahlreichen Geflüchteten 2015 “nach 1914 und 1939 zum dritten Mal innerhalb eines Jahrhunderts entscheidend zum europäischen Suizid beigetragen hat.” So strebt er gleich wie der Rassemblement National nach einer grossen französischen Nation, in der das Bodenrecht und der Familiennachzug abgeschafft sind und plädiert für ein Frankreich mit “0% Immigration”, in dem nur ein paar dutzend Personen pro Jahr Asyl erhalten.

Eric Zemmours Werte sind in allen gesellschaftlichen Bereichen reaktionär. So ist er ein wohlbekannter Frauenfeind und bezeichnet in einem seiner Bestseller, “le premier sexe”, als Grund für den Untergang der westlichen Zivilisation die Feminisierung und Entmännlichung der Gesellschaft. Er hat sich 2021 für die Todesstrafe, die Einführung von Schuluniformen und den Ausschluss von behinderten Kindern aus Regelklassen ausgesprochen.

Eric Zemmour schafft es mit seinem menschenfeindlichen Programm, das explizit und ohne Subtilität einen Grossteil der Bevölkerung angreift, bei den Wahlbefragungen ähnlich viele Prozente wie Marine Le Pen oder Valérie Pécresse – beide auch rechtskonservative Kandidatinnen – zu erhalten. Alle drei stehen momentan mit 14-15% der Wahlabsichten in einer ähnlichen Position hinter dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron. Dass Eric Zemmour trotz seines brutalen Diskurses so viel Erfolg hat, kann man vielleicht damit erklären, dass Marine Le Pen, die mit dem Rassemblement National bis jetzt als einzige rechtsextreme Politikerin kandidierte, heute von vielen nationalistischen Wähler*innen wegen ihrer Entdämonisierungsstragie des RN (siehe Wochenschau letzter Woche) als zu lasch angesehen wird. So ist sogar Marine Le Pens Nichte und identitäre Politikerin Marion Maréchal Le Pen vor ein paar Wochen zu Eric Zemmours Partei herübergetreten. Eric Zemmour würde in diesem Sinne diejenigen Wähler*innen abholen, die sich keinen höflichen und anständigen Rechtsextremismus, aber einen Nationalismus, “der kein Blatt vor den Mund nimmt” zurückwünschen.

Was nun?

NoFrontex und die Schengenfrage

Karin Keller-Sutter drohte jüngst: Wer Nein sage zu Frontex, erzwinge den Austritt der Schweiz aus dem Schengenraum. Das Schengen-Abkommen ist das gesetzliche Fundament der Festung Europa. Darin versprechen Mitgliedstaaten sich gegen Aussen durch gemeinsam koordinierte Grenzgewalt abzuschotten und gegen Innen ihre Binnengrenzen weitgehend abzuschaffen. Wäre es aus antirassistisch-emanzipatorischer Sicht schlimm, wenn das Schengener Abkommen Geschichte wird?

Das neue Migrationskonzept mit dem Zwei-Kreise-Modell.
Das neue Migrationskonzept mit dem Zwei-Kreise-Modell.

Viele sehen in der innereuropäischen Personenfreizügigkeit eine grosse Errungenschaft. In der Tat ist es positiv, dass Gebiete, die sich in zwei Weltkriegen auf Blut bekriegten, nun meist friedlich kooperieren. Doch der Frieden gegen Innen und die europaweite Bewegungsfreiheit kamen nicht allein. Das Projekt Europa ging von Anfang an einher mit Gewalt, Elend und Toten an den europäischen Aussengrenzen. Dort werden hierarchisierende Ungleichbehandlungen von Europäer*innen und Nicht-Europäer*innen durch- und fortgesetzt.

Kritik verdient auch die innereuropäische Personenfreizügigkeit. So behalten Staaten weiterhin viele Möglichkeiten, die Migration entlang ihrer ökonomisch-nationalistischen Interessen zu managen. Die Schweiz ist ein gutes Beispiel dafür. Als Nicht-EU-Staat mit einer sehr wirtschaftsorientierten Migrationspolitik und sehr rassistischen Dominanzgesellschaft hat die Schweiz mit der EU über bilaterale Rahmenverträge Sonderregeln und Möglichkeiten ausgehandelt: (1) Ausschaffung der Armut: Wer von langer Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfebezug betroffen ist, riskiert in der Schweiz sein Bleiberecht und fliegt auf die Dauer raus. Dieses Schicksal trifft aktuell zunehmend viele Europäer*innen in der Schweiz. (2) „Inländer*innenvorrang“: Kapitalist*innen müssen belegen, dass sie für Stellenbesetzungen erfolglos nach Schweizer*innen gesucht haben. Erst dann sollen Nicht-Schweizer*innen Jobs erhalten. (3) Ventilklausel: Wenn die Einwanderung aus einem Schengen-Staat in einem Jahr 10 Prozent des Durchschnitts der vorangegangenen drei Jahre übersteigt, kann die offizielle Schweiz die Bewegungsfreiheit für Menschen aus dem betreffenden Staat aussetzen und über sogenannte Kontingente vorschreiben, wie viele Menschen pro Jahr aus dem betreffenden Staat einwandern dürfen.

Nebst den bis dahin genannten rassistischen Mitteln hat die Personenfreizügigkeit auch die sogenannten „flankierenden Massnahmen“ hervorgebracht: Wenn Kapitalist*innen einer Branche versuchen, Lohnkosten einzusparen, indem sie EU-Migrant*innen ausbeuten, um die eigenen Gewinne kurzfristig hochzufahren und langfristig den Lohndruck in einer Branche zu erhöhen, haben Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Kantone und sogar der Bundesrat die Möglichkeit über Gesamt- und Normalarbeitsverträge Löhne für eine Branche vorzuschreiben.

Die Ausgestaltung der Bewegungsfreiheit innerhalb Europas war in den letzten zwei Jahrzehnten immer Thema von Initiativen und Referenden. Die parlamentarische Linke, die Gewerkschaften sowie die bürgerlichen Parteien CVP, FDP und die Verbände des Kapitals haben diese immer gegen die rassistischen Angriffe der SVP verteidigt. Weniger diskutiert wurde jeweils die Kehrseite bzw. die Diskriminierung von Personen, die nicht zum Kreis der Schengenstaaten zählen. Wie oben erwähnt, dürfen Nicht-Europäer*innen nicht einwandern, um einen Job zu suchen. Eine der wenigen legalen Einwanderungsmöglichkeiten stellt das Asylgesuch dar. Doch die wenigsten sind „politische Flüchtlinge“ im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Viele migrieren aus zig anderen gerechtfertigten Motiven: ökonomische, ökologische, familiäre, persönliche usw..

Schengen führt  zwar zu Freiheiten im inneren Kreis, aber auch zu gewaltvollen Diskriminierungen gegenüber dem äusseren Kreis. Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle verlangt daher eine Überwindung von Schengen. Welche emanzipatorischen Gründe sprechen gegen eine Gleichbehandlung von Migrant*innen aus Italien und Eritrea? Warum nur legale Fluchtwege für politische Flüchtlinge und nicht legale Migrationsrouten für Arbeits- oder Klimamigrant*innen fordern? Warum soll die aktuelle Personenfreizügigkeit innerhalb Europas – mit all den Beschränkungen – nicht einfach auf die gesamte Welt ausgedehnt werden?

Fasnachtsrassismus reloaded

Die Fasnacht ist immer wieder eine Plattform für Rassismus. Dieses Jahr scheint es zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie wieder zu Fasnachtsaktivitäten zu kommen. Trotz jahrelanger Debatten über Rassismus verkaufen Detailhändler*innen weiter fragwürdige Kostüme, die rassistische Vorstellungen aufgreifen und erneuern.

Coop verkauft Fasnachtsperücken, auf deren Verpackung ein weisser Mann mit «Blackface» abgebildet ist.
Coop verkauft Fasnachtsperücken, auf deren Verpackung ein weisser Mann mit «Blackface» abgebildet ist.

Jahr für Jahr gibt es Personen und Gruppen, die es lustig finden, Schwarze Menschen, People of Color (PoC) oder Jüd*innen während der Fasnacht herabzusetzen. Gängig sind Blackfacing, das Verwenden des N-Wortes, rassistische Verkleidungen und Witze. Auch die Läden Coop, Migros, Manor und deren Onlineshops machen mit. Nach wie vor verkaufen sie rassistische Verkleidungen, die auf stereotype herabsetzende Vorstellungen und Darstellungen aus der Kolonialzeit zurückgreifen.

Die Dominanzgesellschaft und die Behörden ächten den Fasnachtsrassismus nicht eindeutig. Teilweise wird er auch heruntergespielt oder gar gutgeheissen. Die Fasnacht bietet immer wieder auch eine Plattform für faschistische Gruppen und Personen. Mit Texten oder Sujets hetzen sie gegen Rassismusdiskriminierte.

Was können Antirassist*innen gegen den Fasnachtsrassismus tun? Geht an die Fasnacht und macht Fotos oder Videos und veröffentlicht diese. Falls du die Kraft hast, lohnt es sich, das Schweigen zu brechen, um Menschen direkt aufzufordern, mit dem Rassismus zu brechen. Dafür gibt es viele unterschiedliche Wege. Überleg dir im Vorfeld der Fasnacht einige, die dir entsprechen. Es braucht Schlagfertigkeit, dem rassistischen Konsens entgegenzutreten. Nebst der Kritik von Einzelpersonen haben auch kollektive Aktionen oder Gegendemonstrationen eine bremsende Wirkung auf Rassist*innen. Dafür lohnt es sich, sich als Gruppe zusammenzuschliessen. Als Gruppe ist es auch einfacher, z.B. mit Strafprozessen, Medienarbeit oder systematischen Meldungen bei Kontrollorganen des Staats (z.B. Eidgenössische Kommission gegen Rassismus) oder NGOs zu intervenieren. Je mehr wir tun, desto höher die Hürde für Rassist*innen und alle Menschen, die Fasnachtsrassismus als ihre Tradition verteidigen. Sei mutig – bekämpfe Fasnachtsrassismus!

Hier noch Erklärvideo zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=6ZJ-rk2fKk4

https://telebasel.ch/2022/02/07/debatte-ueber-fragwuerdige-fasnachtskostueme-im-detailhandel-entbrannt

https://www.20min.ch/story/coop-erntet-shitstorm-wegen-fragwuerdiger-fasnachtsperuecken-124994739375
https://www.20min.ch/fr/story/a-carnaval-des-blackfaces-des-asiatiques-et-des-cheyennes-sexys-322245252676?mc_cid=9c6ba8b911&mc_eid=889a716329

https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/diskriminierung-singende-mexikaner-boese-winnetous-und-asiatische-schnaeuze-coop-und-migros-verkaufen-rassistische-fasnachtskostueme-ld.2243287?reduced=true

Was schreiben andere?

Versuch einer Analyse der Situation in Äthiopien vom Migrant Solidarity Network

MSN denunziert jegliche militärische Gewalt und die Tötungen von Zivilist*innen in Äthiopien. MSN verurteilt die sexuelle Gewalt, die Vertreibung, Diebstahl, Diskriminierung, Belästigung und Einschüchterung aller Personen in Tigray, die durch den anhaltenden Konflikt und die Krisen beeinträchtigt werden. Wir lehnen auch die weit verbreitete Gewalt und die Tötungen ab, die sich gegen Nicht-Tigrayer*innen in Äthiopien richten, darunter Amharas, Oromos, eritreische Flüchtlinge in Tigray, sowie Eritreer*innen in Eritrea. Wir sind gegen jede Art von Gewalt und Feindseligkeit, die auf ethnischer, religiöser, geschlechtsspezifischer, politischer, regionaler oder nationaler Identität beruht. Wir unterstützen die gegenseitige Zusammenarbeit, Solidarität und den Frieden zwischen allen Parteien und Menschen in Äthiopien, Eritrea und der breiteren Region am Horn von Afrika.

Wir als MSN fordern:

  • ein sofortiger Ausschaffungsstopp nach Äthiopien
  • die sofortige Auflösung des Rückführungs-Vertrags mit Äthiopien
  • die Öffentlichmachung dieses Vertrags, dessen Inhalt bis anhin geheimgehalten wird
  • Bleiberecht für ALLE Menschen aus Äthiopien in der Schweiz (dabei mindestens eine vorläufige Aufnahme, da eine momentane Rückführung nicht möglich ist. besonders auch für jene Menschen aus Äthiopien, denen der F-Ausweis weggenommen wurde, mit der Begründung, die Lage in Äthiopien sei ok)

Versuch einer Analyse der Situation in Äthiopien von MSN: https://migrant-solidarity-network.ch/2022/02/09/versuch-einer-analyse-der-situation-in-aethiopien/

Wo gabs Widerstand?

«Un toit c’est un droit, même à Calais» – Häuser in Calais besetzt

In Calais besetzten Aktivist*innen im Rahmen der CommemorAction 2022 ein Haus in Fort-Nieulay. Mit der Besetzung prangert das Kollektiv «Calais logements pour tous.tes» die unwürdigen, von staatlicher Repression betroffenen Lebensräume von Migrant*innen in der Region an.

“Bewegungsfreiheit”: Die Besetzer*innen hängten Transparente mit klaren Botschaften aus den Fenstern.

In Calais leben etwa 1500 Menschen auf der Strasse unter unzumutbaren Lebensbedingungen. Die Migrant*innen besetzen leerstehende Grundstücke und haben keinen Zugang zu den grundlegenden Dienstleistungen: Unterkunft, Abwasserentsorgung, Wasser, Nahrung und medizinische Versorgung. Durch die regelmässigen Räumungen, der damit einhergehende Diebstahl persönlicher Gegenstände, die fehlenden Möglichkeiten sich rechtlich zu verteidigen etc. schafft der Staat Bedingungen extremer Unsicherheit und Unsichtbarkeit.

In ihrem Communique schreibt das Kollektiv:

«Wir erinnern daran, dass Wohnen ein Grundrecht ist und dass es keine Räumung der Räume, die wir bewohnen, ohne einen vollstreckbaren Gerichtsbeschluss geben kann. Wir fordern, dass alle Räumungen in Calais gestoppt werden, insbesondere Räumungen, die Lebensräume von Migrant*innen zerschlagen. Wir fordern die Legalisierung aller besetzten Häuser in der Stadt. Wir fordern ein Ende der Schikanen der Polizei gegenüber den an der Grenze festsitzenden Personen und ihren Unterstützer*innen. Schliesslich fordern wir die sofortige Beschlagnahmung aller leerstehenden Gebäude in Calais und dass allen Bewohner*innen, unabhängig von ihrem administrativen Status oder ihrer Verletzlichkeit, sichere und dauerhafte Lösungen angeboten werden. Wir rufen alle Menschen, die sich mit den Menschen auf der Strasse und den an der Grenze festsitzenden Menschen solidarisieren, und alle Menschen, die an das Recht auf Wohnen glauben, dazu auf, uns bei der Verteidigung der von uns besetzten Gebäude zu helfen!»

Am Freitagmorgen wurde das Haus geräumt, unter Widerstand der Besetzer*innen.

https://www.lavoixdunord.fr/1137916/article/2022-02-08/calais-un-immeuble-du-fort-nieulay-squatte-par-des-militants-en-soutien-aux
https://medium.com/are-you-syrious/ays-news-digest-9-2-22-precarious-situation-at-serbian-romanian-border-bdf11db98d9d

Starke Antifaschistische Demo in Zürich

Mehrere tausend Antifaschist*innen haben sich am Samstag in Zürich die Strassen genommen und ein starkes Zeichen gegen Neonazis, Rechte Spinner*innen und Mitläufer*innen gesetzt.

Tausende Menschen gingen letzten Samstag in Zürich auf die Strasse.
Tausende Menschen gingen letzten Samstag in Zürich auf die Strasse.

Was steht an?

Kick-Off Sitzung NoFrontex
16.02.22 | 18:00 Uhr | online auf zoom

Über 62’000 Unterschriften haben wir am 20. Januar in Bern der Bundeskanzlei übergeben. Ein grossartiger Erfolg der Solidarität, der ohne die unzähligen Unterstützer*innen, die bis zuletzt sammelten und mobilisierten, nicht möglich gewesen wäre. An dieser Stelle nochmals: Danke!

Jetzt geht es weiter: Dank dem Referendum wird nun bis zur Abstimmung am 15. Mai 2022 intensiver darüber gesprochen, was an den EU-Aussengrenzen passiert. Diese Plattform gilt es für vielfältigen Widerstand azu nutzen. Gemeinsam wollen wir uns organisieren und laden dazu an eine erste Kick-Off Sitzung ein. Am 16. Februar um 18:00 Uhr auf zoom, schreibe uns hier für den Link: https://frontex-referendum.ch/kick-off/

Wir stellen die NoFrontex Kampagne vor und besprechen, wie sich Personen einbringen können – sei es in einer Lokalgruppe oder in einer überregionalen AG des NoFrontex Referendums, als Einzelperson oder als Organisation. Kommen wir zusammen, damit wir uns in den nächsten drei Monaten gemeinsam gegen Frontex und für die Bewegungsfreiheit stark machen können!

 

Demo: 2 Jahre Hanau
19.02.22 | 18:00 Uhr | Marktplatz Basel

“Wir fordern Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen! Erinnern heisst Kämpfen”, heisst es im Aufruf zur bewilligten Demonstration, organisiert von unterschiedlichen migrantischen Organisationen.
“Am 19. Februar 2022 jährt sich das rassistische Attentat von Hanau zum zweiten Mal. 9 migrantischen Menschen wurden von einem Rechtsterroristen gezielt ermordet, da sie nicht in sein rechtsextreme Weltbild passen. Heute wissen wir, dass eine rassistische Polizeipraxis den Notausgang der Arena-Bar zusperren liess, 13 rechtsextreme SEK-Beamte im Einsatz waren und die Angehörigen und Überlebenden seither Schikane, Demütigung und Kriminalisierung ausgesetzt sind. Institutioneller Rassismus so weit das Auge reicht. Es ist Zeit uns zu wehren. Lasst uns daher treffen in Gedenken an Ferhat, Said Nesar, Hamza, Vili, Mercedes, Kaloyan, Fatih, Sedat und Gökhan.”
19feb-hanau.org

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Rottet die Bestien aus!
Von der Ausrottung der amerikanischen Urbevölkerung über den Sklavenhandel bis zum Holocaust: ein Filmessay von Raoul Peck, quer durch 600 Jahre Kolonialismus-Geschichte, eine Reise ins Herz der Finsternis.
https://www.arte.tv/de/videos/RC-022134/rottet-die-bestien-aus/