Medienspiegel 30. Januar 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Gewalt an Asylsuchenden: NGO kritisiert Bericht als einseitig
Der Bund kam zum Schluss, dass es in Asylzentren kein systematisches Gewaltproblem gibt – allerdings ohne Betroffene zu befragen.
https://www.infosperber.ch/gesellschaft/migration/gewalt-an-asylsuchenden-ngo-kritisiert-bericht-als-einseitig/


+++EUROPA
Deutschland und Großbritannien – Beschlagnahme der Handys von Asylsuchenden kann rechtswidrig sein
Nach einem Grenzübertritt konfiszieren europäische Behörden in vielen Fällen Telefone von Geflüchteten, damit wollen sie deren Identität überprüfen oder Fluchthelfer:innen ermitteln. Nicht immer erhalten die Betroffenen ihr Gerät zurück. Im Asylverfahren bedeutet dies zusätzlichen Stress.
https://netzpolitik.org/2022/deutschland-und-grossbritannien-beschlagnahme-der-handys-von-asylsuchenden-kann-rechtswidrig-sein



nzz.ch 30.01.2022

Die EU setzt weiter auf Libyens Küstenwächter

Die libyschen Behörden foltern und misshandeln Flüchtlinge, die auf dem Weg nach Europa sind. Die EU weiss das und will auf ihre Zusammenarbeit mit der Regierung in Tripolis trotzdem nicht verzichten, wie ein interner Bericht offenlegt.

Daniel Steinvorth, Brüssel

Libyen ist kein schöner Ort für Flüchtlinge und Migranten, die das nordafrikanische Land als Sprungbrett für Europa nutzen wollen. Wie prekär die Lage in den Auffanglagern von Tripolis, Tajoura oder Misrata ist, das haben Hilfsorganisationen hinlänglich dokumentiert. Von «erschütternden Menschenrechtsverletzungen» sowie der «rechtswidrigen Anwendung tödlicher Gewalt» ist etwa im letzten Amnesty-Bericht zu Libyen die Rede.

Der Bericht bezieht sich auf eine Razzia des libyschen Innenministeriums in Gargaresh, einem Vorort von Tripolis. Rund 5000 mehrheitlich aus Subsahara-Afrika stammende Männer, Frauen und Kinder waren dort im Oktober zusammengetrieben und auf Pick-ups abtransportiert worden. Die Sicherheitskräfte schossen bei der Aktion ohne Vorwarnung auf Fliehende. Sieben Menschen kamen ums Leben. Wer nicht interniert wurde, suchte Schutz vor dem Gebäude des Uno-Flüchtlingshilfswerks in Tripolis.

Die Drecksarbeit der Libyer für Europa

Beobachter beschreiben die Auffanglager als überfüllte, schmutzige und gefängnisähnliche Einrichtungen, in denen Folter und sexuelle Gewalt gang und gäbe seien. Kein Wunder, dass die Afrikaner versuchen, den Lagern um jeden Preis zu entkommen.

Die Europäische Union ist über die Zustände gut informiert. Dass sie dennoch bestrebt ist, mit den Autoritäten der sogenannten Einheitsregierung in Tripolis zusammenzuarbeiten, zeigt ein vertraulicher Bericht eines italienischen Admirals, der vergangene Woche der Nachrichtenagentur AP zugespielt wurde. Stefano Turchetto, der Leiter der EU-Marine-Mission «Irini», beschreibt darin das brutale Vorgehen der libyschen Sicherheitskräfte gegen Migranten, die in See stechen.

In einigen Fällen, so Turchetto, wendeten die Libyer Methoden an, «die nie zuvor beobachten wurden» und die mit den Grundsätzen des europäischen Rechts nicht in Einklang zu bringen seien. Der Admiral erwähnt unter anderem einen Zwischenfall vom 15. September, als vor der libyschen Küste ein Holzboot mit etwa 20 Migranten abgefangen wurde, und bei dem die Sicherheitskräfte «exzessiv» Gewalt ausgeübt hätten. Einzelheiten nennt Turchetto nicht.

Die Operation «Irini» hat formell die Aufgabe, «mit luft-, satelliten- und seegestützten Mitteln» das fragile Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Libyen zu überwachen. Das Vorzeigeprojekt der EU-Aussen- und Sicherheitspolitik soll also verhindern, dass Waffen ins Land gelangen und dass Menschen, Öl und Kraftstoff ausser Landes geschmuggelt werden – wobei ihre Erfolge diesbezüglich überschaubar bleiben. Darüber hinaus soll «Irini» aber auch die Ausbildung der libyschen Küstenwache übernehmen. Diese Aufgabe wurde vorübergehend unterbrochen, nachdem die Regierung in Tripolis im vergangenen Jahr dafür keine Erlaubnis mehr erteilt hatte.

In seinem Bericht plädiert Turchetto dafür, die Zusammenarbeit mit den Küstenwächtern wieder vollumfänglich aufzunehmen. Mit Bedauern stellt der Leiter der «Irini»-Mission fest, dass die «politische Pattsituation» in Libyen das europäische Ausbildungsprogramm behindert habe. Es sei aufgrund der internen Spaltung des Landes nun einmal schwierig, politische Unterstützung für die Durchsetzung «angemessener Verhaltensnormen» zu erhalten, welche im Einklang mit den Menschenrechten stünden.

Keine Alternativen zur Zusammenarbeit mit der Küstenwache?

Die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst haben eine Stellungnahme zu dem Bericht bisher abgelehnt. Peter Stano, der aussenpolitische Sprecher der EU, bestätigte jedoch, dass die EU entschlossen sei, das Personal der Küstenwache weiter auszubilden und Libyens Fähigkeiten zu stärken, in seinem Hoheitsgebiet die Seenotrettung zu übernehmen. Eine Alternative zur Zusammenarbeit mit den Behörden der libyschen Einheitsregierung sieht Brüssel nicht.

Rund 455 Millionen Euro sind seit 2015 aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika für Libyen bereitgestellt worden, wovon ein erheblicher Teil in die Finanzierung von Migration und Grenzschutz floss. Laut einer AP-Untersuchung aus dem Jahr 2019 sind jedoch grosse Summen davon an Netzwerke von Milizionären und Menschenhändlern gegangen, die in die Ausbeutung von Flüchtlingen verwickelt sind. Mitglieder der Küstenwache machen sich ebenfalls mitschuldig, indem sie Migranten, die sie auf See abfangen, den Milizen übergeben oder Schmiergelder für die Freilassung anderer fordern.
(https://www.nzz.ch/international/eu-setzt-in-migrationsfrage-auf-libysche-kuestenwache-ld.1667031)


+++SPORTREPRESSION
Wüste Szenen nach FCL-Match: FCB-Fans liefern sich Scharmützel mit Luzerner Polizei
Obwohl die Fans des FC Basel nach dem Sieg über den FC Luzern keinen Grund zum Toben hatten, lieferten sie sich eine Strassenschlacht mit der Luzerner Polizei. Es kam zu Sachbeschädigungen und zum Einsatz von Gummischrot.
https://www.zentralplus.ch/fcb-fans-liefern-sich-scharmuetzel-mit-luzerner-polizei-2290411/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/sport/fcluzern/swisspor-arena-nach-fcl-match-fcb-fans-bewerfen-luzerner-polizei-mit-pyros-diese-antwortet-mit-gummischrot-ld.2244476
-> https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/polizisten-mit-pyros-beworfen-basler-fussbalfans-sorgen-fuer-stunk-in-luzern-id17192593.html
-> https://www.20min.ch/story/gummischrot-und-sachbeschaedigungen-nach-fussballspiel-918808207545
-> https://news.lu.ch/html_mail.jsp?id=0&email=news.lu.ch&mailref=000heuy000eyq000000000000bfkflo7


+++KNAST
Zürcher U-Haft: Besuche sollen in Zukunft einfacher möglich sein
Wenn Eltern ins Gefängnis müssen, ist das für Kinder eine schwierige Situation. Im Kanton Zürich sollen Untersuchungshäftlinge nun einfacher von ihren Kindern besucht werden können. Das sei nötig, so Katrin Röhm, Sozialdienst-Leiterin in den Untersuchungsgefängnissen als Regionaljournal-Wochengast.  (ab 03:28)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-u-haft-besuche-sollen-in-zukunft-einfacher-moeglich-sein?id=12133940


+++BIG BROTHER¨
NZZ am Sonntag 30.01.2022

Politische Aufsicht kritisiert den Geheimdienst

Die oberste Aufseherin bemängelt, der Geheimdienst verspiele seine politische Glaubwürdigkeit.

Daniel Friedli

Die Überwachungsmassnahmen müssten im Einzelfall bewilligt werden, und zwar vom Verteidigungsminister sowie dem Bundesverwaltungsgericht. Und dies wiederum werde von einer speziellen Aufsichtsinstanz sowie dem Parlament kontrolliert.

So warb Bundesrat Guy Parmelin 2016 für das neue Nachrichtendienstgesetz, das den Schweizer Spionen zur Abwehr von Hacker-Angriffen und anderen Gefahren unter anderem das Eindringen in Computersysteme erlaubt hat. Diese Woche ist nun ausgekommen: Der Nachrichtendienst (NDB) hat erstens genau dies bereits zuvor getan.

Und er hat zweitens damit auch unter dem neuen Gesetz noch lange weitergemacht, ohne dass dies jemand bewilligt oder bemerkt hätte. In gut 100 Fällen hat er zwischen 2015 und 2020 auf Server im Inland zugegriffen, über die ausländische Hacker kritische Infrastrukturen angriffen. Dies geschah teilweise im Verbund mit Sicherheitsfirmen, Providern und ausländischen Partnerdiensten, aber ohne das Wissen der Richter und der Personen, deren Daten auch auf diesen Servern lagen.

Dementsprechend heftig fällt die Kritik der obersten Aufseherin über den Nachrichtendienst aus: «So verspielt der Nachrichtendienst seine politische Glaubwürdigkeit», sagt Maya Graf, Grüne Ständerätin und Präsidentin der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments. Einmal mehr habe sich der Dienst über geltende Gesetze hinweggesetzt, wie schon in der Affäre um die Crypto-AG oder beim Einsatz eines V-Mannes in Deutschland.

«Dem NDB fehlt es offensichtlich an Führung und Kontrolle», sagt Graf. Daraus müsse die Politik ihre Lehren ziehen. Die Affäre zeige erstens, dass man die Risiken sehr gut abwägen müsse, wenn man dem NDB neue Kompetenzen übertrage. Und sie beweise zweitens, wie wichtig eine gute Aufsicht sei.

Im aktuellen Fall kam diese Aufsicht zu spät, was bei Graf ebenfalls Fragen aufwirft. Die unabhängige Aufsichtsbehörde über den Nachrichtendienst wurde im Frühling 2021 vom NDB selber über die Vorkommnisse orientiert. Aber sie verzichtete in der Folge darauf, bei ihrer Prüfung der Frage der Rechtmässigkeit nachzugehen. «Wir waren überrascht, dass die Aufsichtsbehörde nicht selbst diese Frage abschliessend geprüft hat», sagt Maya Graf.

Deren Leiter, Thomas Fritschi, weist die Kritik zurück. Die Aufsicht habe sich seit 2018 regelmässig mit den genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen befasst, sagt er. In einer ersten Phase sei es dabei um die Frage gegangen, ob der NDB die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts rechtmässig umsetze. Auch die Cyber-Abwehr sei als Risiko erkannt worden und habe für 2021 auf dem Prüfplan gestanden, just als der Nachrichtendienst selber die Probleme entdeckt und gemeldet habe.

Seither habe die Aufsicht die Abklärungen eng verfolgt und wo nötig Einfluss genommen. «Wir waren und sind tätig, einfach nicht mit einer eigenen Prüfung», sagt Fritschi. Darauf habe man verzichtet, da man bis dato mit den eingeleiteten Massnahmen des NDB und des Verteidigungsdepartements (VBS) einverstanden gewesen sei und eigene Abklärungen keinen Mehrwert gebracht hätten.

Zur Frage, ob seine Behörde überhaupt die Mittel habe, um solche Probleme im NDB zu entdecken, sagt Fritschi: «Die Aufsicht stösst spätestens bei Vorgängen, die mit krimineller oder mindestens konspirativer Energie durchgeführt werden, an ihre Grenzen. Dafür braucht es die Strafverfolgungsbehörden.»

Wie das in diesem Fall genau gelaufen ist, wird jetzt abgeklärt. Mit einer «lückenlosen Aufklärung» hoffen der NDB und das VBS, die Kritik der politischen Aufsicht abzumildern.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/aufsicht-verliert-vertrauen-in-geheimdienst-ld.1667218)


+++FRAUEN/QUEER
NZZ am Sonntag 30.01.2022

Wie Zürcher Ärzte intersexuelle Kinder zur Normalität zwangen

Das Kinderspital Zürich steht in der Kritik, weil es lange führend in der hormonellen und chirurgischen Behandlung von intersexuellen Kindern war. Eine Forschungsgruppe hat die Folgen der umstrittenen Operationen nun untersucht.

Urs Hafner

«Wenn wir in der besten aller Welten lebten, würden wir zwischengeschlechtliche Kinder nicht operieren», sagt die Chirurgin Rita Gobet vom Kinderspital Zürich. Die beste aller Welten: Das wäre eine Gesellschaft, die Kinder nicht vom ersten Tag der Geburt entweder als biologisch männlich oder weiblich klassifiziert.

Denn die Natur geht anders vor. Bei einem bis zwei von zehntausend Kindern, die zur Welt kommen, ist der Geschlechtsstatus fraglich. Gemessen an den anatomischen, genetischen und hormonellen Kriterien sind sie weder männlich noch weiblich. Die Medizin und Betroffene sprechen heute von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD). Zuvor war die Rede von intersexuellen Kindern, noch früher von Zwittern und Hermaphroditen.

Für intergeschlechtliche Kinder hat die Medizin diverse Diagnosen aufgestellt, unter anderen das AGS (adrenogenitales Syndrom) und die Hypospadie. Beim AGS produziert die Nebenniere zu viele männliche Hormone. Genetisch weibliche Körper bilden daher eine grosse Klitoris aus, die wie ein Penis aussieht. Im Fall der Hypospadie entwickelt der genetisch männliche Körper ein Glied, das oft stark gekrümmt ist. Die Harnröhre mündet auf der Unterseite des Penis oder gar im Hodenbereich nach aussen. Menschen mit einer Hypospadie können nur sitzend urinieren.

«In diesen Fällen treffen wir uns mit den Eltern zu mehreren Gesprächsrunden, an denen Psychologinnen und Medizinethiker beteiligt sind», sagt Rita Gobet, die seit kurzem pensioniert ist. Wenn die Eltern einverstanden sind, verkleinert die Chirurgin die Klitoris, ohne die Nerven zu zerstören. Dazu ist eine meist lebenslängliche Hormontherapie notwendig.

«Der Entscheid, ob operiert wird, ist schwierig. Ich schwanke oft», sagt Gobet. «Wenn wir nichts machen, wird das Kind es vermutlich schwer haben. Die Auswirkungen eines atypischen äusseren Genitals auf die psychosexuelle Entwicklung sind unklar. Vielleicht wird das Kind den Eltern dereinst vorwerfen, sie hätten nichts für seine Normalisierung unternommen.»

Rita Gobet gehört einer mehrköpfigen Zürcher Forschungsgruppe an, welche die Geschichte der Intersex-Behandlungen zwischen 1945 und 1970 untersucht hat. Das Kinderspital Zürich war neben Kliniken in den USA eines der weltweit führenden Zentren. Die Forschenden haben neun Interviews mit Betroffenen geführt, die schwierig zu finden waren, sowie 190 Aktendossiers ausgewertet.

Die bisher publizierten Ergebnisse, die letztes Jahr in den Zeitschriften «Medical History» und «Werkstatt Geschichte» erschienen sind, lesen sich über weite Strecken trist. Für die Kinderärzte, Chirurgen und Psychiater galten die Kinder, deren Diagnosen AGS, Hypospadie, Klinefelter- und Turner-Syndrom lauteten, als abnorm.

Mit Klitorisamputationen, Hormonzufuhren, etwa Kortison oder Testosteron, und anderen medikamentösen Therapien sollten sie so schnell wie möglich normalisiert, also geschlechtlich vereindeutigt werden. Die Medizin operierte mitten in der Gesellschaft, sie teilte deren Vorurteile und Aversionen. Dabei kooperierten die Ärzte nicht nur mit der Pharmaindustrie, sondern auch mit den meist verunsicherten und schlecht informierten Eltern. Diese wollten nur eines: einen normalen Nachwuchs.

Fragen wurden abgewehrt

Die betroffenen Kinder wurden nicht in die Entscheidungen mit einbezogen. Die Behandlung rollte quasi über sie hinweg. Federführend waren der Kinderarzt und Endokrinologe Andrea Prader, die Koryphäe der Szene, sowie der Chirurg Max Grob. Sie glaubten, im Interesse der Kinder zu handeln.

Deren Erinnerungen vermitteln ein anderes Bild: Man schaute zwischen ihre Beine, immer wieder, und schnitt und nähte. Die Kinder schluckten Substanzen und betasteten ihre Narben. Ihre Fragen wurden abgewehrt. Schwer lastete das Schweigen auf ihnen. Erst im Erwachsenenalter drangen sie zur Wahrheit vor, konfrontiert mit dem beschädigten Sexus.

Wären die Kinder früher oder später zur Welt gekommen, wäre ihnen dieses Schicksal erspart geblieben. Der Medizinhistoriker Flurin Condrau, der Leiter der Forschungsgruppe, sagt: «Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt die Medizin sich stark für den frühkindlichen Körper zu interessieren. Sie sieht die abweichende Geschlechtlichkeit der Babys als Geburtsdefekt, der chirurgisch zu beheben ist. Das polare Geschlechtermodell muss um jeden Preis durchgesetzt werden.»

Damit ist die Medizin nicht allein, auch die Gesellschaft folgt dem heteronormativen Ideal. «Man darf nicht vergessen: Bis in die 1970er Jahre galt Homosexualität als Krankheit. Besonders Frauen hatten keinerlei Spielraum. Das Leben war unfassbar eingeengt», so Condrau.

Die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet das Genderkonzept, das vom US-Psychologen John Money entwickelt wurde, verstärkte die medizinische Intervention. Die Psychiater und Chirurgen gingen nämlich davon aus, dass die geschlechtliche Identität sozial bestimmt und daher veränderbar sei. Daher müsse man im Interesse des Kindes möglichst früh, bis zum Alter von rund 20 Monaten, und konsequent eingreifen. Das heisst, die Geschlechtsidentität festlegen und diese mit dem biologischen Geschlecht zur Deckung bringen. Was die Natur auch immer hervorgebracht hatte: Sie wurde von den Ärzten korrigiert.

Die zweite Ironie der Geschichte: Der medizinische Fortschritt schuf Abweichungen von der Norm, die es zuvor nicht gegeben hatte. Er erweiterte das Spektrum des Anormalen. Die neue Chromosomentheorie verfeinerte die Bestimmung des biologischen Geschlechts. Nun galten etwa die als Klinefelter diagnostizierten Kinder, die neben dem XY-Chromosomenpaar ein weiteres X-Chromosom in sich tragen, als Intersex-Fälle. Früher wären sie nicht als krank definiert worden. Man hätte gar nicht gemerkt, dass sie abweichend sind. Auch sie wurden jetzt hormonell normalisiert.

Ohne die altgediente Aktivistin Daniela Truffer wäre das Zürcher Forschungsprojekt, das vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wurde, nicht entstanden. Sie musste sich allerdings lange gedulden. Schon 2008 hielt sie mit ihrer Organisation Zwischengeschlecht vor dem Kinderspital Zürich das Transparent «Menschenrechte auch für Zwitter» in die Höhe und forderte die historische Aufarbeitung der Behandlungen. Umso unverständlicher ist, dass Truffer nicht über den Abschluss der Arbeiten informiert wurde. Bis jetzt liegt auch kein für Betroffene verfasstes Fazit vor.

Verbot gefordert

Daniela Truffer fühlt sich durch die Ergebnisse bestätigt. «Nun ist die Bedeutung des Kinderspitals für die Einführung der Operationen in Europa und dem damit verbundenen Leid erwiesen.» Sie kritisiert, dass die Betroffenen sich nicht am Forschungsprojekt beteiligen konnten. Die heutige Praxis des Kinderspitals verurteilt sie: «Unnötige Genitaloperationen an Intersex-Kindern sind eine Menschenrechtsverletzung. Wie auch die Uno fordern wir ein strafrechtliches Verbot.»

Auch die junge Aktivistin Audrey Aegerter von der Schweizerischen Vereinigung für intergeschlechtliche Menschen lehnt medizinische Eingriffe grundsätzlich ab: «Wenn eine Operation oder Hormonbehandlung für die betroffene Person nicht lebensnotwendig ist, darf sie nicht durchgeführt werden. Daher verurteilen wir das Zürcher Spital, das diese Praxis fortsetzt. Sie verletzt die körperliche Integrität des Kindes, sein Recht auf Selbstbestimmung und das Kindeswohl.» Aegerter wurde als Kind mehrfach operiert. «Ich kam gesund zur Welt und wurde krankgemacht», sagt sie.

Der Medizinethiker Jürg Streuli, auch er Teil der Forschungsgruppe, sagt dazu, dass heute nicht nur das Wohl des Kindes, sondern auch des künftigen Menschen im Vordergrund stehe, ob er nun behandelt werde oder nicht. «Die Eltern spielen eine wichtige Rolle, aber sie können keine Operation oder Hormontherapie verlangen, die diesem Wohl schadet.» Wichtig sei, dass die Eltern ausreichend fachliche Beratung und Unterstützung erhielten. «Leider wird diese von den Krankenkassen nicht oder nur unvollständig übernommen. Das ist stossend», sagt Streuli. Operationen dagegen werden bezahlt.
(https://nzzas.nzz.ch/wissen/wie-zuercher-aerzte-intersexuelle-kinder-zur-normalitaet-zwangen-ld.1666977)


+++RECHTSPOPULISMUS
NZZ am Sonntag 30.01.2022

Die abenteuerliche Reise der Andrea Geissbühler

Sie ist schon ein rotes Tuch für die Frauenbewegung, nun provoziert Andrea Geissbühler ein letztes Mal: Per Initiative will sie das Recht auf Abtreibung einschränken.

Angelika Hardegger

Bevor Andrea Geissbühler Nationalrätin der SVP wurde, reiste sie mit der Mutter durch Costa Rica. Sie wanderten vom höchsten Punkt im Land zum tiefsten, tagelang durch den Regenwald, ohne Kontakt zu anderen Touristen, ohne Verbindung zur Aussenwelt.

Es war eine abenteuerliche Reise, so erinnert sich Geissbühler. Es gab kaltes Wasser und Pritschen mit fauligen Wolldecken. Alles in allem ähnlich widrige Umstände wie jene, in denen Andrea Geissbühler seit 14 Jahren versucht, Politik zu machen.

So lange sitzt Geissbühler schon im Nationalrat. Aber fragt man sie, was sie politisch erreicht habe, kommt ihr spontan wenig in den Sinn. Ganz am Anfang, frisch gewählt, hatte Geissbühler mit Erfolg eine Initiative zur Cannabis-Legalisierung bekämpft. Weniger erfolgreich kämpfte sie dann im Parlament zum Cannabis. Jetzt scheint die Legalisierung nur noch eine Frage der Zeit.

Geissbühlers parlamentarisches Bulletin listet einen einzigen Vorstoss auf, der vom Parlament angenommen wurde. Sie gerät jetzt etwas unter Druck, denn nächstes Jahr ist Schluss. Dann greift eine Amtszeitbeschränkung der SVP Bern.

In der verbleibenden Zeit nimmt Andrea Geissbühler noch an die Hand, was ihr wirklich richtig erscheint. Im Parlament fordert sie derzeit, dass National- und Ständeräte zum Abbau der Corona-Schulden auf 20 Prozent ihres Einkommens verzichten.

Es gibt nur ganz wenige Forderungen in Bern mit derart kleinen Chancen.

Etwas mehr Hoffnung setzt Geissbühler in das Volk. Sie engagiert sich für zwei Initiativen, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einschränken wollen. Sie provoziert die Frauenbewegung noch einmal gross, so wie vor ein paar Jahren, als sie aus Versehen den #SchweizerAufschrei auslöste. Es war eine der grössten feministischen Kampagnen der jüngsten Zeit.

Am Lokalfernsehen hatte die frühere Polizistin damals gesagt, dass Frauen manchmal «auch ein bisschen mitschuldig» seien an Vergewaltigungen. Seither ist Geissbühler ein rot beschriebenes Blatt unter Feministinnen. Mit der Abtreibung tastet sie nun nicht irgendeine Errungenschaft an, sondern die eine. Was treibt sie an?

Die Familie

Andrea Geissbühler wurde Nationalrätin, weil ihre Mutter Nationalrätin werden wollte. Damals, 2007, war die Mutter Grossrätin für die SVP in Bern. Sie wollte ins Bundeshaus aufsteigen, es gab erstmals eine Frauenliste der SVP. Die Tochter willigte ein, sich als Listenfüllerin zur Verfügung zu stellen. Dann machten Mutter und Tochter Geissbühler gemeinsam Wahlkampf, und bei der Wahl überholte die Tochter die Mutter. Eine lokalmediale Sensation.

Die Mutter blieb im Grossen Rat, und was folgte, war ein fast identischer politischer Kampf, aufgeführt auf zwei Bühnen. Mutter und Tochter kämpften gegen Drogen, Ausländer und Asylbewerber. Gegen die Ehe für alle, gegen Tagesschulen, für die Kinderbetreuung zu Hause. Andrea Geissbühler würde sagen: für die Kinder.

Sie und die Mutter unternehmen noch heute zusammen Reisen. Dann packen sie Proviant in ihre Rucksäcke und wandern über den Jura. Geissbühler sagt: «Wir sind wie beste Freundinnen.» Von aussen wirkt es eher, als handle es sich um die gleiche Person.

Die Mutter war Kindergärtnerin, Andrea Geissbühler auch. Die Mutter ist ausgebildete Blockflöten- und Sportpädagogin, Andrea Geissbühler ist Reitpädagogin. Die Mutter war Wasserspringerin, Andrea Geissbühler auch. Fragt man die Mutter nach ihrer Abstinenz, antwortet sie, sie habe Alkohol einfach nicht gern. Andrea Geissbühler antwortet dasselbe.

Geissbühler sagt, sie habe nie das Gefühl gehabt, dass sie sich von der Mutter befreien müsste. «Ich habe nicht einmal eine Pubertät durchgemacht. Ich hätte nicht gewusst, wozu.» Man muss ihr Verhältnis zur Mutter kennen, um Andrea Geissbühlers Gesellschaftspolitik zu verstehen. Die Geborgenheit und Harmonie, die sie persönlich daheim erlebte. Die Tatsache, dass die Familie ihr höchster Wert und engster Bezugspunkt ist.

Die Natur

Wenn Andrea Geissbühler von ihrer Kindheit erzählt, hört es sich an wie eine Kinderkassette. Sie erzählt dann etwa vom Grossvater, von Ausflügen, die er für alle 20 Enkel organisierte. In Faltbooten fuhren sie Flüsse hinunter, sie besuchten Burgen oder Schlösser oder kletterten in Höhlen. Der Grossvater war ein grünkonservativer Mann. Er wollte die Menschen «zurück zur Natur» führen und machte die Zuwanderung verantwortlich für die «Verbetonierung» des Mittellandes, zu viel Abfall und Verkehr.

Er war parteiloses Mitglied der Auns, man kann sein Leben nachlesen in einer Biografie, die Andrea Geissbühlers Mutter für ihren Vater verfasste. Die Biografie beginnt mehrere Jahre vor des Grossvaters Geburt. Man ist in dieser Familie immer auch, was schon die Älteren waren.

In Andrea Geissbühlers Fall: Mitglied der Auns, bewegungsvernarrt, zivilisationskritisch, naturverehrend. Seit sie als Fünfjährige ein Spanferkel gesehen hat, isst Geissbühler vegetarisch. Sie spendet jährlich für die Tierschutzorganisation Vier Pfoten und den WWF, und ihre grösste Liebe (nach der Familie) gilt den Pferden.

Geissbühler glaubt, dass es den Menschen besser ginge, wenn sie die Wunder der Natur wertschätzen würden. Sie sagt, sie lehre ihre drei Kinder, dass jedes Leben Wert habe. Egal ob Mensch, Tier oder Pflanze.

Das scheint der Kern von Geissbühlers Kritik am Schwangerschaftsabbruch zu sein. Mehr als ein christlicher Eifer, den viele bei ihr vermuten.

Die Kinder

Geissbühler nahm nach ihrer letzten Wiederwahl ein Mandat an im Vorstand von Pro Life. Der Versicherer ist freikirchlich geprägt, er lobbyiert aus religiösen Motiven gegen den Schwangerschaftsabbruch. Viele ordnen auch Geissbühler selbst in einer Freikirche ein. Aber in die Kirche, sagt sie, gehe sie hauptsächlich zu Taufen oder Beerdigungen. «Ich war als Kind in der Sonntagsschule und bin später konfirmiert worden. In einer Freikirche war ich nie dabei.»

Hinter den nun lancierten Abtreibungs-Initiativen stehen mehrere christlich-konservative Politiker. Involviert ist der Baselbieter Anti-Abtreibungsverein Mamma, der über ein grosses Netzwerk verfügt. Geissbühler sitzt im Komitee von beiden Initiativen. Die erste will vor jeder Abtreibung einen Tag Bedenkzeit vorschreiben.

Die zweite will Abtreibungen ungefähr nach der 22. Woche fast in jedem Fall strafbar machen, ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Frühchen unter Umständen überleben könnte. Die allermeisten Abtreibungen finden früher statt und wären von dieser Initiative nicht betroffen.

Dieses Thema, der späte Schwangerschaftsabbruch, dürfte bei einem Zustandekommen der Initiativen dennoch für die grössere Debatte sorgen. Ein Papier der Ethikkommission für Humanmedizin weist 41 Fälle für das Jahr 2017 aus, die eine Abtreibung ab der 24. Woche betreffen. Die Statistik zeige, dass sich die Quoten in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert haben.

Heute sind solche Spätabtreibungen straffrei, wenn bei der Schwangeren die Gefahr «einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage» besteht. Beispiele sind Frauen, die in der Schwangerschaft akut psychisch erkranken, oder Frauen, bei deren Föten Fehlbildungen des Zentralnervensystems festgestellt wurden.

Geht es nach Andrea Geissbühler und dem Initiativkomitee, sollen solch späte Schwangerschaftsabbrüche nur noch im Extremfall vorgenommen werden. Dann nämlich, wenn die Frau andernfalls «in eine akute, nicht anders abwendbare Lebensgefahr» gebracht würde. Geissbühler hält es im Prinzip für undenkbar, dass man gegen diese Änderung sein kann. «Wenn ein Kind lebensfähig ist, hat es ein Recht auf Leben», sagt sie.

Ihre Gegnerinnen und Gegner fürchten, dass die Initiativen der Beginn sein könnten eines totalen Backlash. Wahrscheinlicher ist, dass beide Anliegen scheitern. Vor ein paar Jahren hatte Geissbühler schon per Initiative gefordert, dass Abtreibungen privat bezahlt werden müssen. Der Nein-Stimmen-Anteil lag bei 69,8 Prozent.

So könnte zum Ende von Andrea Geissbühlers Amtszeit ungefähr geschrieben werden, was es kürzlich zum Rücktritt der Mutter aus dem Grossen Rat hiess: Sie sei eine Überzeugungstäterin gewesen. Keine Karrieristin.

Geissbühler sagt zu ihrer Politbilanz, sie habe viele Probleme zur Sprache bringen können im Parlament. Dinge, die später in ihrem Sinn umgesetzt worden seien. Die Mutter schreibt seit dem Rückzug aus der Politik viele Leserbriefe, das will Andrea Geissbühler dann anders machen. Sie will wieder als Kindergärtnerin arbeiten.

Weiterhin die Kinder über alles stellen.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/die-abenteuerliche-reise-der-andrea-geissbuehler-ld.1667210)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIE
Neonazis übernehmen Corona-Demos: «Weiter so, Jungs, wir brauchen euch!»
Deutschland, Österreich und jetzt auch in der Schweiz: Rechtsextreme setzen sich an die Spitze von Corona-Demos. Zufall ist das nicht, die Aktionen sind koordiniert. Sicherheitsbehörden warnen.
https://www.blick.ch/schweiz/neonazis-uebernehmen-corona-demos-weiter-so-jungs-wir-brauchen-euch-id17189656.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-polizei-bestatigt-rechtsextreme-an-demo-66096793
-> https://www.20min.ch/story/uebernehmen-rechtsextreme-das-zepter-an-den-corona-demos-341873322815



NZZ am Sonntag 30.01.2022

Impfgegner werben für Spitaljobs in der Schweiz

Eine fragwürdige Jobbörse spricht ungeimpfte Pflegende aus Deutschland an, wo bald eine Impfpflicht für sie gilt. Das Tessin stellt derweil als erster Kanton nur noch geimpftes Gesundheitspersonal an.

Franziska Pfister

Sechs hochmoderne Operationssäle, ein hauseigener Kinderhort und den Bodensee vor der Tür: Mit diesen Vorzügen wirbt eine nicht genannte «renommierte Klinik» um eine Pflegeperson für den OP. Bewerber könnten «gerne auch ungeimpft» sein, heisst es in der Annonce.

Die Stelle war bis Ende Woche auf einer Jobbörse aus dem Umfeld von Impfgegnern und Corona-Leugnern aufgeschaltet. Impffrei.work bezeichnet sich als privates Projekt, das sich gegen den «indirekten Impfzwang für Arbeitnehmer» wehrt. Vage wird im Netz und in einem Kanal auf Telegram über «Haftungsbomben» schwadroniert, die infolge von Impfschäden auf Arbeitgeber zukämen. Nach Erkundigungen der «NZZ am Sonntag» wurde das Inserat gelöscht.

Die Anzeige war nicht gefälscht, den Job gibt es. Die Spitalgruppe Rheintal Werdenberg Sarganserland hat ihn auf ihrer Website ausgeschrieben. Beim Vergleich mit der Annonce auf dem Impfgegner-Portal fallen aber zwei Falschinformationen auf. Eine eigene Kindertagesstätte führen die drei Spitäler nicht, auch die Einladung an ungeimpfte Bewerber fehlt in der hauseigenen Ausschreibung.

Auf Nachfrage zeigt sich die Spitalgruppe überrascht. Von der «alternativen Jobbörse» hätten die Verantwortlichen noch nie gehört, wie Sprecherin Andrea Bachmann erklärt.

Drohkulisse vom Exodus

Doch wie gelangt eine Stelle in einem öffentlichen Spital auf die aus Deutschland betriebene Seite? Und nicht nur diese. Auf dem Portal sind eine Reihe weiterer medizinischer Arbeitsplätze in der gesamten Deutschschweiz zu finden – für Ärzte, Praxisassistentinnen, Physiotherapeuten.

Die Häufung ist wohl kein Zufall. Deutschland führt Mitte März eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal ein. Wer sich nicht immunisieren lässt, dem droht ein Berufsverbot. Pflegeeinrichtungen sorgen sich, Personal zu verlieren. Derweil bauen Impfgegner die Drohkulisse des Pflegenotstands auf: Fachkräfte würden den Beruf aufgeben oder ins Ausland abwandern.

Der Widerstand in Teilen des Gesundheitspersonals ist gross, besonders in Ostdeutschland, wo die Impfquoten landesweit am niedrigsten und bloss zwei von drei Menschen immunisiert sind.

Daher ist interessant, wer die Anzeigen im Namen von Schweizer Spitälern aufgegeben hat. Als Kontakt ist ein Personalbüro aus Sachsen aufgeführt. Die Arzt- und Pflegevermittlung Schweiz aus Hoyerswerda vermittelt gemäss eigenen Angaben seit 15 Jahren medizinisches Personal in die «deutsche Schweiz».

Eine Covid-19-Impfpflicht gelte in der Schweiz «als ausgeschlossen», schreibt die Agentur. Sie wirbt um Krankenhauspersonal, «geimpft oder ungeimpft? Es ist egal.» Vermutlich hat sie bestehende Ausschreibungen von Kliniken umgeschrieben und weiterverbreitet. Fragen der «NZZ am Sonntag» dazu beantwortete Geschäftsführer H. M. bis Redaktionsschluss nicht.

Der Mann sucht auch Pflegende für die Unfallchirurgie des Universitätsspitals Zürich (USZ) und die Neurochirurgie des Kantonsspitals Aarau. Obwohl die Häuser in den Anzeigen als «unsere Kundin» bezeichnet werden, wussten sie nicht, dass unter Impfgegnern mit ihrer «universitäre[n] Anbindung» und dem «umfassenden Ausbildungsauftrag» geworben wird. Die Annoncen wurden am Freitag gelöscht.

Keines der drei Spitäler hatte je mit dem Vermittlungsbüro aus Sachsen zu tun oder hat es mit der Personalsuche beauftragt. Auch den Geschäftsführer kennen sie nicht. Das Kantonsspital Aarau distanziert sich von «einschlägigen und unseriösen» Stellenvermittlern. «Es ist leider Tatsache, dass jede Firma ungefragt veröffentlichte Stelleninserate ‹spidern› kann», schreibt Sprecher Boris Rauscher.

Die Spitalgruppe Rheintal Werdenberg Sarganserland weist in Ausschreibungen extra darauf hin, dass eine Kontaktaufnahme von Personalbüros unerwünscht sei. Grund sind laut der Sprecherin «sehr hohe» Gebühren. Vermittler verlangten Pauschalen von 15 bis 30% des Jahresgehalts.

Die Impfquote des Spitalpersonals lag im Herbst laut Berichten zwischen 70 und 80%. Natürlich wünschten sich die Kliniken, dass sie höher wären. Allein schon, um längere Ausfälle zu vermeiden. Bei Einstellungen fragen die Spitäler den Impfstatus der Mitarbeitenden ab. Die drei befragten Einrichtungen zeigen sich aber offen für Bewerbungen von Ungeimpften. «Der Impfstatus ist kein Anstellungskriterium», schreibt die Ostschweizer Spitalgruppe.

Nachbarländer sind weniger liberal. In Frankreich gilt eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal, Italien schreibt die Impfung für alle ab 50 Jahren vor, und Österreich führt im Februar eine Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung ein.

Sich als Grenzgänger in der Schweiz anstellen zu lassen, könnte daher für ausländische Pflegekräfte durchaus verlockend sein, zumal Schweizer Kliniken auch noch deutlich höhere Löhne zahlen. Eine Umfrage in Spitälern aus mehreren Kantonen ergab allerdings keine Zunahme der Bewerbungen aus Deutschland.

So bewerben sich im Kantonsspital Baselland zwar regelmässig Grenzgänger. Ein vermehrtes Interesse von deutschen Pflegekräften blieb laut einer Sprecherin aber aus. Das USZ registriert aufgrund der allgemeinen Unsicherheit gar eine geringere Bereitschaft, den Arbeitsort ins Ausland zu verlegen.

Impfpflicht im Tessin

Nach zwei Jahren in der Pandemie stecken viele Einrichtungen in Personalnot. Bewerber zu verprellen, können sie sich nicht erlauben. Im Vordergrund stehen bei der Rekrutierung die persönliche und fachliche Eignung. «Ist die Person auch noch immun, ist das umso besser», sagt die Sprecherin der St. Galler Spitalgruppe.

Doch mit dem Tessin rückt ein erster Kanton von der Freiwilligkeit ab. Wohl um einem Ansturm nicht immunisierter Pflegekräfte aus Italien zuvorzukommen, wurde in öffentlichen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen ein Einstellungsstopp für Ungeimpfte verhängt. «Die Impfung ist zu einem Zulassungskriterium für die Beschäftigung geworden. Es werden keine neuen Mitarbeitenden mehr eingestellt, die nicht immunisiert sind», schreibt Chiara Scapozza, Sprecherin des Departements für Gesundheit und Soziales.
(https://nzzas.nzz.ch/wirtschaft/impfgegner-werben-fuer-spitaljobs-in-der-schweiz-ld.1667197)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-skeptiker-falschen-stelleninserate-fur-ungeimpfte-66092309
-> https://www.blick.ch/wirtschaft/keine-spitze-keinen-job-erster-kanton-stellt-nur-noch-geimpftes-pflegepersonal-ein-id17191243.html



Debatte um Joe-Rogan-Podcast: Stars boykottieren Spotify
Nach Neil Young will auch Joni Mitchell ihre Musik von Spotify löschen. Es könnte für den Streaming-Dienst langsam gefährlich werden.
https://www.derbund.ch/stars-boykottieren-spotify-104601543552
-> http://www.kleinreport.ch/news/wachsender-arger-fur-spotify-wegen-podcast-mit-verschworungstheorien-98791/


Wegen Maskenpflicht für Erstklässler: Eltern demonstrierten in Olten
Am Samstagnachmittag kam es in der Oltner Altstadt zu einer Demonstration gegen die Maskenpflicht an den Schulen. Unter den 100 Teilnehmenden waren auch Kinder.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/olten/coronademonstration-in-olten-wegen-maskenpflicht-fuer-erstklaessler-eltern-demonstrierten-in-olten-ld.2244431


Begriff fehlt im Initiativ-Text: Was «Stopp Impfpflicht» wirklich will
Die Schweiz kennt keinen Impfzwang – aber mit «Stopp Impfpflicht» eine Initiative dagegen. Der Titel gaukelt uns vor, wir stimmten in einigen Jahren über die Verhinderung einer Impfpflicht ab, die es aber gar nicht gibt. Was will die Initiative dann?
https://www.blick.ch/politik/begriff-fehlt-im-initiativ-text-was-stopp-impfpflicht-wirklich-bedeutet-id17192087.html


Radikale Initiative: Skeptiker wollen im FL Landtag auflösen
https://www.tvo-online.ch/aktuell/radikale-initiative-skeptiker-wollen-im-fl-landtag-aufloesen-145281575


Paraguay: Deutsche Impf-Flüchtlinge
Für deutsche Impfgegner gilt Paraguay als Tipp zum Auswandern. Sie erhoffen sich mehr Freiheiten als in der alten Heimat. Doch aufgrund steigender Infektionszahlen werden die Grenzen in Paraguay für Ungeimpfte jetzt dichtgemacht.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/paraguay-deutsche-impf-gegner-100.html