Mediespiegel 27. Januar 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Viel Betrieb im neuen Migrations-Bearbeitungszentrum in Buchs (SG)
An der Ost-Grenze der Schweiz werden viele Migrantinnen und Migranten aufgegriffen. Die meisten kommen aus Afghanistan. Im Dezember waren es über 1000. Zum Vergleich: Im Juni 2021 wurden rund 50 Afghanen aufgegriffen. Das neue Bearbeitungszentrum für Flüchtlinge im Kanton St. Gallen soll bei der Abwicklung etwas entlasten.
https://www.srf.ch/play/tv/srf-news/video/viel-betrieb-im-neuen-migrations-bearbeitungszentrum-in-buchs-sg?urn=urn:srf:video:e1cb4006-7f2e-4b00-9b69-96ead369f5c7&aspectRatio=16_9


+++LITAUEN/POLEN/EU/BELARUS
Litauen: Europa behauptet sich, aber zu welchem Preis?
Lukaschenko hat es nicht geschafft, die EU zu erpressen. Doch sein Versuch wirkt nach: Noch immer sitzen Asylsuchende fest. Und viele Staaten wollen Geld für Grenzzäune.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-01/litauen-belarus-grenze-gefluechtete-eu/komplettansicht


Über die polnisch-belarussische Grenze kommen weiterhin Geflüchtete
Erfrieren in der Roten Zone
Die Lage für Geflüchtete in Polen an der Grenze zu Belarus ist weiterhin lebensgefährlich. Das Oberste Gericht hat das Betretungsverbot der sogenannten Rote Zone mittlerweile gekippt.
https://jungle.world/artikel/2022/04/erfrieren-der-roten-zone


+++LIBYEN
Appell – Freiheit und Sicherheit für Geflüchtete in Libyen
Geflüchtete in Libyen werden den Folterern und Vergewaltigern überlassen, vor denen sie geflohen waren. Ein Appell von Carola Rackete, Milo Rau, Jean Ziegler und medico international.
https://www.medico.de/freiheit-und-sicherheit-fuer-gefluechtete-in-libyen-18505


+++GASSE
Vom Randbereich in die Innenstadt
Lange stand das Gemeinschaftszentrum Medina auf der Schützenmatte. Aktuell befindet sich der Container des Vereins prominent auf dem Kornhausplatz. Der temporäre Umzug ist Teil einer Ausstellung des Kornhausforums.
https://journal-b.ch/artikel/vom-randbereich-in-die-innenstadt/


+++DEMO/AKTION/REPRESSIO
Stellungnahme zum Verhüllungsverbot : Obwalden will Chaoten an Demos demaskieren
Der Kanton Obwalden befürchtet, dass Chaoten nach wie vor an Demos randalieren, ohne von der Polizei verfolgt werden zu können, wenn eine Ausnahmeregelung beibehalten würde.
https://www.20min.ch/story/obwalden-will-chaoten-an-demos-demaskieren-844273483135


+++KNAST
nzz.ch 27.01.2022

«Polizei und Justiz müssen seit einigen Jahren vermehrt mit psychisch schwer kranken Personen umgehen, darauf sind sie eigentlich überhaupt nicht vorbereitet»

Jérôme Endrass, stellvertretender Leiter des Zürcher Amts für Justizvollzug, wehrt sich gegen Rassismusvorwürfe im Fall Brian und spricht über das Problem mit psychisch kranken Straftätern.

Fabian Baumgartner

Herr Endrass, die Gerichte sind nicht gut auf die Zürcher Justizbehörden zu sprechen. Im Fall Brian verlangte das Bundesgericht eine Lockerung des rigiden Haftregimes, und kürzlich hat das Zürcher Verwaltungsgericht die lange Einzelhaft in einem anderen Fall gerüffelt. Was läuft da schief?

Ich würde nicht sagen, dass die Gerichte schlecht auf uns zu sprechen seien. In den allermeisten Vollzugsfällen wird zu unseren Gunsten entschieden. Aber es stimmt, in diesen zwei Fällen wurden wir korrigiert. Ein Entscheid betraf eine bisher gängige Praxis sämtlicher Justizvollzugsanstalten, die durch diesen Gerichtsentscheid nun angepasst werden muss. Es ist auch Aufgabe der Gerichte, solche Fälle genau anzuschauen. Wir stehen unter konstanter Beobachtung der Gerichte und der Medien, und das ist auch gut so.

Laut internationalen Regeln ist eine Einzelhaft, die länger als 15 Tage dauert, nicht zulässig. Wieso hält sich Zürich nicht daran?

Das gilt für die Isolationshaft, die von Beobachtern immer wieder mit Einzelhaft verwechselt wird. Isolationshaft gibt es bei uns nicht. Einen Häftling darf man nicht isolieren, denn damit würde man ihn quälen.

Im Fall des Straftäters Brian kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Haftbedingungen die Menschenwürde zumindest ankratzen würden.

Aber auch in seinem Fall gab es Kontaktmöglichkeiten – zu den Aufsehern, zum Imam, zu seinen Eltern. Aber nicht zu anderen Häftlingen. Es gibt einfach Insassen, bei denen ein Gruppenvollzug nicht möglich ist, weil sie eine zu grosse Gefahr darstellen für das Personal und Mitgefangene. Deren Sicherheit muss garantiert werden können. Es gibt Gefangene, die sich schon sehr lange in Einzelhaft befinden.

Von wie vielen Fällen sprechen wir?

Es sind im Ostschweizer Strafvollzugskonkordat zwei Fälle. Die Betroffenen befinden sich teilweise jahrelang in Einzelhaft. Ich kenne einen Fall, der sich bereits seit bald 20 Jahren in einer solchen Situation befindet.

Damit machen Sie es sich doch zu einfach. Statt individuelle Lösungen für schwierige Häftlinge zu suchen, sperrt man sie einfach weg.

Da sprechen Sie einen sehr wichtigen Punkt an. Die Einzelhaft ist wirklich alles andere als ideal. Es hat in den letzten Jahren aber eine Verlagerung schwieriger und komplexer Fälle aus der Psychiatrie in die Justiz stattgefunden. Polizei und Justiz müssen seit einigen Jahren vermehrt mit psychisch schwer kranken Personen umgehen, darauf sind sie eigentlich überhaupt nicht vorbereitet.

Weshalb nicht?

Der Justizvollzug ist darauf ausgerichtet, Hunderte Gefangene möglichst gleich zu behandeln. Individuell auf die Bedürfnisse einzelner Häftlinge einzugehen und jemanden in einem Bereich zu privilegieren, ist nicht vorgesehen. Es wäre den anderen Insassen auch kaum zu vermitteln, sie würden sich ungerecht behandelt fühlen. Kommt hinzu, dass der Justizvollzug mit einer dünnen Personaldecke arbeiten muss. Sie lässt eine individuelle Betreuung gar nicht zu.

Was heisst das für das Gefängnispersonal?

Es gibt eine Reihe von Insassen, die eigentlich in eine stationäre psychiatrische Behandlung gehören. Das macht die Aufgabe der Aufseher so schwierig. Sie arbeiten 42 Stunden pro Woche mit den gewalttätigsten Menschen der Schweiz zusammen. Sie sind mit ihnen zusammen eingesperrt und müssen gleichzeitig versuchen, die Wiedereingliederung dieser schwierigen Persönlichkeiten voranzubringen. Das ist eine hochanspruchsvolle Aufgabe.

Wenn es diese Überforderung gibt: Wieso übergibt man dann die schwierigsten Fälle nicht der Psychiatrie?

Weil sich die Psychiatrie in den vergangenen Jahren zusehends aus der Betreuung schwieriger und gefährlicher Fälle zurückgezogen hat. Ein Grund dafür ist, dass die Akutstationen immer häufiger offen geführt werden, was eine Behandlung von gewaltbereiten Personen verunmöglicht. Es fehlt deshalb auch an geeigneten Plätzen in psychiatrischen Kliniken.

Brian ist in der vergangenen Woche aus der Pöschwies in ein Zürcher Untersuchungsgefängnis verlegt worden – nach über dreieinhalb Jahren in Einzelhaft. Und erst auf Druck von aussen. Wieso dauerte das so lange?

Wir brauchten Zeit, um die Verlegung eines solch schwierigen Falls vorzubereiten. Aufgrund der Kapazitäten war die JVA Pöschwies eigentlich am besten geeignet für Fälle wie ihn. Die Entscheide des Bundesgerichts haben eine Rolle gespielt, aber die Planung begann schon lange davor. Nun muss man sehen, ob sich die Hoffnungen der Beteiligten mit der Verlegung erfüllen.

Irgendwann müssen Sie damit beginnen, Brian auf die Freilassung vorzubereiten.

Ja, und es ist unser Auftrag, auch diesen Häftling zurück in die Gesellschaft zu führen. Der Justizvollzug ist nicht Teil eines repressiven Systems, im Gegenteil: Wir müssen die Straftäter auf die Freiheit vorbereiten. Und das ist bei den allermeisten Gefangenen möglich.

Den Eindruck eines repressiven Apparats hatte man aber zuweilen schon.

Der ist aber falsch. Wir haben weder die Anklageschriften der Staatsanwaltschaft formuliert noch haben wir Urteile gesprochen. Man kann eine Reintegration in die Gesellschaft nicht mit Repression erreichen, man darf aber auch nicht naiv sein. Die Sicherheit der anderen Häftlinge und der Mitarbeitenden ist ebenso wichtig.

Im Fall Brian sah sich sogar der Uno-Sonderberichterstatter für Folter genötigt, zu intervenieren. Da ist doch etwas gehörig falsch gelaufen.

Es gibt Fälle, die sind so schwierig, dass der Justizvollzug an seine Grenzen gerät. In einer offenen Gesellschaft, wie ich sie mir vorstelle, gehört es dazu, dass man nicht auf alles Antworten hat. Sonderberichterstatter Nils Melzer hat es allerdings nicht einmal geschafft, sich vor Ort ein Bild zu machen.

Sie sprechen den abgesagten Besuch an.

Es geht doch nicht, dass sich jemand zum Ankläger, Richter und Henker aufspielt. Dann sollte man wenigstens den Anstand haben, sich die Situation selbst anzusehen.

Das sieht Herr Melzer aber anders. Er habe keine Kapazitäten für eigene Untersuchungen, ein Besuch vor Ort sei lediglich das letzte Mittel, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien.

Er zog seine Schlüsse, bevor es überhaupt eine Untersuchung gab. Melzer hat keine Fragen gestellt, sondern den schwerwiegenden Vorwurf der Folter in die Welt gesetzt, ohne sich vor Ort ein Bild zu machen und unsere Seite anzuhören. Die Aufseher haben einen äusserst anspruchsvollen Job, mit seiner Feststellung hat Herr Melzer sie komplett desavouiert.

Können Sie denn ausschliessen, dass es zu einer menschenunwürdigen Behandlung kam?

Im Gefängnis in Pfäffikon hatten wir so eine Situation. Da sind Fehler passiert. Wir nahmen die Vorwürfe ernst und liessen sie untersuchen. Wir nehmen sie auch jetzt wieder ernst. Deshalb baten wir die nationale Kommission zur Verhütung von Folter, den Fall abzuklären. Sie hat ja anschliessend einige Empfehlungen ausgesprochen.

Neben einer Verlegung in ein anderes Gefängnis hat die Antifolter-Kommission weitere Hafterleichterungen gefordert – mehr Sportmöglichkeiten und eine bessere medizinische Versorgung etwa. Sind diese Empfehlungen umgesetzt worden?

Die Empfehlungen der Antifolter-Kommission sind für uns handlungsleitend. Wir versuchen deshalb, sie möglichst immer umzusetzen – etwa bei der Erweiterung der Kontaktmöglichkeiten.

In der vergangenen Woche hat zwar nicht Sonderberichterstatter Melzer, aber eine andere Uno-Delegation die JVA Pöschwies besucht. Leiterin Dominique Day kritisierte daraufhin, viele dunkelhäutige Straftäter sähen sich Rassismus ausgesetzt. Was sagen Sie dazu?

Rassismus ist ein grosses Problem, bis zu einem Drittel der Schweizer Bevölkerung geben in Befragungen an, rassistische Vorurteile zu haben. Diese Einstellungen machen natürlich auch vor den Strafanstalten nicht halt. In einzelnen Fällen mussten wir auch schon eingreifen. Aber wir fanden keine Belege für strukturellen Rassismus, das haben wir intern untersucht. Der entsprechende Bericht kommt zum Schluss, dass es keine systematische Ungleichbehandlung von Gefangenen unterschiedlicher Nationalität gibt.

Die Delegation besuchte auch Brian. In seinem Fall spricht sie von einem starken Beispiel für systemischen Rassismus.

Ich kann mir vorstellen, dass er in seinem Leben rassistische Vorfälle erlebt hat und teilweise auch von Behördenvertretern aufgrund seiner Hautfarbe diskriminierend behandelt wurde. Die entscheidende Frage ist allerdings, ob wir ihn in der JVA Pöschwies aufgrund rassistischer Vorurteile anders behandelten als die übrigen Insassen.

Ist das passiert?

Wir haben bisher nichts festgestellt.

Brian selbst spricht von rassistischen Beleidigungen durch Aufseher. Haben Sie das überprüft?

Wir sind jedem Hinweis nachgegangen. Bis jetzt gibt es keine Anhaltspunkte für solche rassistischen Übergriffe durch Aufseher. Im Gegenteil: Die Mitarbeiter sind ruhig, sie versuchen stets zu deeskalieren.

Die Vorwürfe der Uno-Arbeitsgruppe sind harsch. Leiterin Day spricht auch davon, dass die Zürcher Behörden sich bisher weigerten, menschenwürdige Haftbedingungen zu garantieren.

Ich wundere mich etwas über die Schlussfolgerungen der Delegation. Die ihr Angehörenden sind ja nicht wissenschaftlich vorgegangen, sondern sie haben im Rahmen eines Kurzbesuches Einzelgespräche mit sehr wenigen Inhaftierten geführt. Es ist insofern erstaunlich, dass sie glauben, den Fall derart genau beurteilen zu können.
(https://www.nzz.ch/zuerich/rassismus-im-fall-brian-zuercher-justiz-kritisiert-un-delegation-ld.1666615)



Das neue Polizei- und Justizzentrum soll vieles besser machen
In letzter Zeit prasselte viel Kritik auf die Zürcher Justizbehörden nieder und es wurden Rufe nach besseren Haftbedingungen laut. Im April dieses Jahres soll nach 20-jähriger Bauzeit nun endlich das neue PJZ eröffnen. Damit soll vieles besser werden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/das-neue-polizei-und-justizzentrum-soll-vieles-besser-machen?id=12132215
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/notstand-beim-pflegepersonal-was-machen-die-spitaeler?id=12132353 (ab 04:24)


Sanierungskonzept für Regionalgefängnis etappiert umsetzen
Die geplante Erweiterung und Erneuerung des Regionalgefängnisses und der Staatsanwaltschaft Altstätten sollen zeitnah erfolgen. Das Baugelände ist jedoch schadstoffbelastet und muss zuerst saniert werden. Die Mehrkosten dafür betragen 17 Millionen Franken. Die Kommission beantragt dem Kantonsrat, auf die Vorlage einzutreten.
https://www.sg.ch/news/sgch_allgemein/2022/01/sanierungskonzept-fuer-regionalgefaengis-etappiert-umsetzen.html


+++BIG BROTHER
Gesichtsbilder: Polizei-Behörden erhalten europaweit mehr Datenzugriff
Über 60 Millionen biometrische Fotos sollen Polizei-Behörden im Schengen-Raum zugänglich gemacht werden. Auch ein zentraler Datenspeicher ist geplant – und mehr.
https://www.golem.de/news/gesichtsbilder-polizei-behoerden-erhalten-europaweit-mehr-datenzugriff-2201-162674.html


NATO-Zentrum will mit Facebook-Daten forschen dürfen
Plattformen wie Facebook, Instagram und YouTube sollen Forscher:innen an ihre Daten heranlassen. Das sieht das geplante Digitale-Dienste-Gesetz vor. Bei NATO-Forscher:innen weckt das Begehrlichkeiten. Unsere Recherche zeigt, wie hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.
https://netzpolitik.org/2022/exklusiv-nato-zentrum-will-mit-facebook-daten-forschen-duerfen/


Systematische Gesetzesverstösse beim NDB – Tagesschau
Gesetzesverstösse hatten in der Cyber-Abteilung des Schweizer Nachrichtendiensts über mehrere Jahre hinweg System. Eine formelle Inspektion durch das Parlament soll es zwar nicht geben – aber Parlamentarier:innen fordern Konsequenzen. Einschätzungen von SRF-Bundeshausredaktorin Nathalie Christen.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/systematische-gesetzesverstoesse-beim-ndb?urn=urn:srf:video:692c0c74-5a4b-462a-8f5e-dbe67095bf05


+++RECHTSPOPULISMUS
Forderung im letzten Moment gestoppt: Junge SVP wollte Asyl für ungeimpfte Österreicher
Die Spitze der Jungen SVP Schweiz ist entsetzt über die beschlossene Impfpflicht bei unserem Nachbarn Österreich. Sie ist sogar bereit, deswegen ihre bisherige Flüchtlingspolitik komplett über Bord zu werfen: Die Schweiz soll ungeimpften Österreichern Asyl gewähren.
https://www.blick.ch/politik/forderung-im-letzten-moment-gestoppt-junge-svp-wollte-asyl-fuer-ungeimpfte-oesterreicher-id17183577.html


+++RASSISMUS
Antisemitismus in der Sprache: Jemand sagt «Mischpoke» – ist das antisemitisch?
Man kann auch antisemitisch sprechen, ohne es zu merken. Der Leitfaden des Journalisten Ronen Steinke erklärt, weshalb es auf die richtige Wortwahl ankommt. Und wie man sie trifft.
https://www.derbund.ch/jemand-sagt-mischpoke-ist-das-antisemitisch-559922598179


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Corona-Radikalisierung im Netz: Viele Anfragen bei Fachstelle
Corona-Skeptikerinnen und Verschwörungstheoretiker sind in sozialen Netzwerken unterwegs und radikalisieren sich dort, wie Recherchen der srf Datenredaktion zeigen. Das spürt die Fachstelle für Radikalisierung und Gewaltprävention der Stadt Bern.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/corona-radikalisierung-im-netz-viele-anfragen-bei-fachstelle?id=12131870
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/corona-verschwoerungstheorien-extremismus-fachstellen-haben-wegen-corona-leugnern-viel-zu-tun


Die Banalisierung von Auschwitz
Es ist schockierend, mit welcher Selbstverständlichkeit Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen Vergleiche mit dem Holocaust ziehen. Die Publizistin Natascha Strobl fordert: Wir alle müssen diese Verhöhnung zurückweisen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160772.corona-proteste-die-banalisierung-von-auschwitz.html


Einer der letzten KZ-Überlebenden erzählt, was er von Corona-Holocaust-Vergleichen hält
Ivan Lefkovits ist Holocaust-Überlebender. Im Interview mit watson erklärt er, wieso ihn Vergleiche von Corona-Massnahmen mit dem Holocaust enorm beleidigen.
https://www.watson.ch/videos/schweiz/410493602-holocaust-ueberlebender-zu-corona-vergleich-extrem-beleidigend
-> https://www.nau.ch/news/europa/holocaust-uberlebende-bestimmte-impfgegner-sind-demokratie-feinde-66095244


“Plötzlich” und “Unerwartet” – Wie die Impfgegner-Szene Angst schürt
Politologin Natascha Strobl analysiert, wie zynisch die Impfgegner:innen mit der Angst der Menschen spielen. Denn die Corona-Leugner- und Impfgegner-Szene hat ein neues zynisches Hobby: Sie posten unter jede Todesmeldung „plötzlich” und “unerwartet“. Das soll Angst schüren. Welche Strategie steckt dahinter?
https://www.moment.at/story/ploetzlich-und-unerwartet-impfgegner


Keine Zertifikatskontrolle in Unteriberg SZ: Polizisten essen bei Skeptiker-Wirt – Restaurant geschlossen
Ein Wirt aus Unteriberg SZ steht dem Corona-Zertifikat kritisch gegenüber. Kürzlich erhielt er einen verdeckten Besuch von der Polizei – und musste nun sein Restaurant schliessen.
https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/keine-zertifikatskontrolle-in-unteriberg-sz-polizisten-essen-bei-skeptiker-wirt-restaurant-geschlossen-id17183717.html


German-speaking Covid denialists seek to build paradise in Paraguay
A group of German, Austrian and Swiss immigrants has implanted an ideologically driven settlement in one of the country’s poorest regions
https://www.theguardian.com/world/2022/jan/27/paraguay-german-speaking-covid-denialists-settlement-new-paradise



nzz.ch 27.01.2022

Die Wut auf die Massnahmen schwindet, gemeinsame Themen fehlen – und ständig droht Streit: Weshalb der Weg in die Politik für Corona-Skeptiker steinig wird

Aufrecht Schweiz und andere Gruppen, die aus Protest gegen Corona-Massnahmen entstanden sind, stehen vor der politischen Bewährungsprobe: Im Februar und März müssen sie in mehreren Wahlen beweisen, dass sie die Pandemie überdauern können.

Daniel Gerny, Erich Aschwanden

Nicolas Rimoldi, der Bürgerschreck unter den Massnahmen-Skeptikern, ist im Stress, als ihn die NZZ erreicht. «Soeben haben wir in einer internen Sitzung die weiteren Schwerpunkte unseres Kampfes festgelegt», sagt der Gründer der massnahmenkritischen Vereinigung Mass-Voll. Jetzt gehe es darum, die Strukturen zu festigen. Allerdings befindet sich die Bewegung bis auf weiteres voll im Corona-Modus: «Bis Ende März sind wir ausgebucht und nehmen jedes Wochenende an einer Demonstration gegen die Massnahmen teil», erklärt er.

Rimoldi gehört zu den Figuren, die sich während der Corona-Krise radikalisiert haben und mit absehbarer Normalisierung der Lage schräg in der Landschaft stehen. Seine Partei, die FDP, hat er während der Pandemie im Zorn verlassen. Und die Protestorganisation Mass-Voll spaltete sich noch während der Pandemie. Schon bald wird sich für sie wohl niemand mehr interessieren. Konkrete Pläne für einen Einstieg in die «normale» Politik hat Rimoldi für sich und seine Gefolgsleute keine. «Ich weiss nicht, ob der Weg über die Parlamente zielführend ist. Wir wollen schliesslich die Demokratie demokratisieren», meint der Massnahmen-Kritiker mit etwas eigensinniger Logik.

Hoffnungslos zerstritten

Ähnlich sieht es für Michael Bubendorf aus, den Sprecher der Freunde der Verfassung und einen der Wortführer im Abstimmungskampf gegen das Covid-Zertifikat. Mit demokratiefeindlichen Sprüchen hat auch er sich aus dem Spiel genommen und ist in Ungnade gefallen. Die Verfassungsfreunde, die mit 25 000 Mitgliedern auf dem Papier mehr als doppelt so viele sind wie die Grünen (GPS), sind hoffnungslos zerstritten, ja seit Monaten gelähmt. Gleiches gilt für die scheinbar aus dem Nichts entstandene Gruppierung Stiller Protest: Simone Erismann, die zusammen mit ihren Mitstreitern im März 2021 in Liestal eine der ersten grossen Corona-Demos auf die Beine gestellt hat, ist mitsamt ihrer Organisation schon vor Monaten in der Versenkung verschwunden.

Doch es gibt sie, die Massnahmen-Skeptiker, die in die etablierte Politik wollen. Patrick Jetzer gehört zu ihnen, Präsident von Aufrecht Schweiz. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt hat, Vertreter aus der massnahmenkritischen Bewegung in Gemeinde- und Kantonsparlamente zu bringen. Jetzer selber steigt am 13. Februar bei den Gemeindewahlen in Dübendorf (ZH) als Kandidat für den Stadtrat und das Stadtpräsidium gleich doppelt ins Rennen. «Meine Chancen für die Wahl in den Gemeinderat sind intakt», sagt er. Aufrecht Schweiz tritt auch bei den kantonalen Wahlen in Nidwalden und in Bern an, die beide im März stattfinden. Und für nächstes Jahr hat Aufrecht Schweiz schon jetzt die nationalen Wahlen im Blick.

In einer aufgeheizten Stimmung Demonstrationen zu organisieren, ist allerdings einfacher, als Wahlen zu gewinnen, das muss Jetzer selber am besten wissen. Vor vier Jahren trat er in Dübendorf bereits einmal an, mit einer Gruppierung namens Ethische Partei der Schweiz (EPS). Auf der Internetplattform Zeitpunkt des Querdenkers Christoph Pfluger wurde die Partei lobend erwähnt, bei den Dübendorfer Wahlen aber floppte sie und wurde kurz darauf aufgelöst. Jetzt hofft Jetzer, dass ihn der Unmut über die Einschränkungen in die Gemeindepolitik trägt. «Die Menschenrechte dürfen nie mehr so missachtet werden wie in den vergangenen zwei Jahren», sagt er.

Kesb-Kritik wird aufgewärmt

Doch damit hat es sich bereits mit Programmatik. Politische Positionen fehlen bei Aufrecht Schweiz fast ganz. Zu den vier eidgenössischen Vorlagen, über die am 13. Februar abgestimmt wird, hat sich der Verein nur gerade zu einer eine Meinung gebildet – zur Medienförderung, die er ablehnt. Diese Zurückhaltung zu den einzelnen Vorlagen sei bewusst, denn im Zentrum stünden schliesslich die Menschenrechte und das Subsidiaritätsprinzip. Auf die Frage nach einer konkreten politischen Forderung von Aufrecht Schweiz nennt Jetzer nach mehrfacher Nachfrage «beispielsweise die Abschaffung der Kesb». Mehr ist nicht zu erfahren.

Auf der Website von Aufrecht Schweiz findet sich allerdings kein einziger Hinweis auf die Kesb – ganz abgesehen davon, dass sich daran schon die SVP erfolglos die Zähne ausgebissen hat. Die Fernsehsendung «Schweiz Aktuell» kam im Kanton Bern zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Redaktion befragte vier von 69 Berner Kandidierenden von Aufrecht Schweiz zu wichtigen Themen, etwa Asylpolitik und Steuern. Bei keiner einzigen Frage ergab sich eine Übereinstimmung. Während die Stärke der Corona-Skeptiker-Bewegung darin bestand, Menschen mit unterschiedlichen politischen Meinungen für ein gemeinsames Anliegen zusammenzubringen, wird diese Eigenschaft im politischen Alltag zur Last: Wer wählt schon Politiker, von denen unklar ist, wofür sie einstehen?

Unverbindlichkeit ist allerdings ein Weg, die Heterogenität der Sammelbewegungen nicht in Konflikte ausarten zu lassen. Auch Josef Ender, der als Sprecher des Aktionsbündnisses für die Urkantone bekannt geworden ist, hat sich Aufrecht Schweiz angeschlossen und sitzt im Vorstand der Vereinigung. Aus seiner Sicht gibt es sehr wohl einen gemeinsamen politischen Nenner. «Uns geht es ja nicht in erster Linie um den Widerstand gegen die Corona-Massnahmen. Wir stehen ein für die Freiheit und die Sicherung der Verfassungsrechte.» Ein politisches Programm ist das allerdings noch nicht.

Die politische Heimatlosigkeit macht sich auch in anderer Hinsicht negativ bemerkbar: So ist Aufrecht Schweiz bisher nirgendwo Listenverbindungen eingegangen, obwohl die Bewegung äusserst ambitiöse Ziele hat und auf Fremdstimmen angewiesen wäre. Auch dies sei ein bewusster Entscheid, behauptet Jetzer. Zu den Werten von Aufrecht Schweiz gehöre, «dass wir eben nicht die üblichen Politspiele betreiben und dies unseren Wählern auch zeigen wollen», erklärt der Dübendorfer: «Statt für mathematische Erfolgsmaximierung haben wir uns für unsere Werte entschieden.» Ob tatsächlich eine Strategie dahintersteht oder vielmehr ein Mangel an bindungsbereiten Partnern die Hauptursache ist, ist letztlich egal: Der Alleingang schmälert die Erfolgsaussichten.

Unbekannte Gesichter auf Wählerfang

Der Berner Polit-Analyst Mark Balsiger hat die Chancen auf einen Sitzgewinn für Aufrecht Schweiz im Berner Jura untersucht und kommt zu einem ernüchternden Schluss: Weil das Covid-19-Gesetz in diesem Wahlkreis bei beiden Abstimmungen weit überdurchschnittliche Nein-Werte erreichte und die Heimat vieler Freikirchen ist, müsste dort ein Sitzgewinn eigentlich am ehesten in Griffweite liegen. Doch dafür brauchte Aufrecht Schweiz mit seinen beiden unbekannten Kandidaten über sieben Prozent der Stimmen. Zum Vergleich: 2018 holte die EVP mit 8,4 Prozent einen Sitz, die CVP ging hingegen mit 6,3 Prozent leer aus.

In bevölkerungsreicheren Wahlkreisen reicht zwar ein kleinerer Wähleranteil aus, doch dafür ist dort das politische Klima ungünstiger und die Konkurrenz grösser. Auch in Zürich, wo eine bunt zusammengewürfelte Truppe unter dem Namen Freie Liste für eine «zertifikatsfreie, zwangsimpfungsfreie und maskenfreie Stadt Zürich» antritt, geben Beobachter den Massnahmenkritikern nur kleine Chancen. Für den Einzug in den Gemeinderat muss sie eine Fünf-Prozent-Hürde überwinden. Wie schwierig dies ist, musste bei den vergangenen Wahlen die CVP erleben. Zuvor noch mit eigener Fraktion und eigenem Stadtrat vertreten, flog die Partei 2018 aus dem Parlament.

Besser müssten die Aussichten für die Massnahmenkritiker in Nidwalden sein, wo am 13. März gewählt wird. Der Innerschweizer Kanton lehnte die erste Version des Covid-19-Gesetzes im Juni 2020 knapp ab. Doch auch hier sind die Aussichten auf einen Sitzgewinn im 60-köpfigen Landrat eher gering. Aufrecht Schweiz stellt nur gerade drei Kandidaten und eine Kandidatin. Den Informatiker Urs Lang, mit dem die Corona-Skeptiker für die Regierungsratswahlen antreten, kennt im Kanton kaum jemand.

Ermüdung macht sich breit

Neben Appenzell Innerrhoden ist die Impfskepsis im Kanton Schwyz am grössten, wo auch die Freiheitstreichler ihre Wurzeln haben. Das wären ideale Voraussetzungen für einen Einstieg in die Politik. «Ich kann mir vorstellen, bei den Wahlen im nächsten Jahr zu kandidieren», erklärt deshalb Josef Ender, der in der Ortschaft Ibach in der Gemeinde Schwyz wohnt. Ganz aussichtslos dürfte dies in seinem Fall nicht sein. Ender, Inhaber eines Informatik-Unternehmens, hat sich durch seine in der Tonalität moderaten Medienauftritte ein gewisses Ansehen erarbeitet, zumal die Schwyzerinnen und Schwyzer ein Faible für Aussenseiter haben. Im Jahr 2004 erhielt der «Hölloch»-Wirt Bruno Suter so viele Stimmen, dass er nach dem ersten Wahlgang gewählt gewesen wäre. Erst im zweiten Wahlgang konnten ihn die etablierten Parteien verhindern.

So anspruchsvoll die Ausgangslage für die Massnahmenkritiker sind: Sie sind auf rasche Erfolge bei den ersten Wahlen dringend angewiesen. Denn je geringer der Pandemie-Druck wird, desto schwieriger wird es, den Ärger über die zurückliegenden Jahre in politische Energie umzumünzen. Bereits seit einiger Zeit sind in den einschlägigen Chats der Corona-Skeptiker Ermüdungserscheinungen unübersehbar. Aufrecht Schweiz und ähnlichen Gruppierungen ist es vielerorts nur mit Mühe oder gar nicht gelungen, die Wahllisten zu füllen. Die meisten Kandidatinnen und Kandidaten sind ohne jede politische Erfahrung und praktisch unbekannt. Und dort, wo ausnahmsweise etwas prominentere Namen auftauchen, ist dies oft kein wirklicher Vorteil.

So sorgte Jetzer mit eigenartigen Auftritten auf Youtube für Irritationen, wo er behauptete, Corona sei geschaffen worden, um Bürgerinnen und Bürger zu knechten. Urs Hans, der mit Jetzer im Zürcher Aufrecht-Team sitzt, dürfte ebenfalls viele Wähler abschrecken. Der Impfskeptiker der ersten Stunde sitzt zwar schon im Kantonsrat. Doch im Sommer 2020 wurde er von seiner Partei, den Grünen, wegen unsinniger Thesen ausgeschlossen. Dem Vorstand von Aufrecht Schweiz gehört schliesslich die Thurgauer SP-Grossrätin und Maskenverweigerin Barbara Müller an, auch sie wegen Corona im offenen Streit mit ihrer Partei. Das bekannteste Gesicht aber ist der radikale Impfgegner Daniel Trappitsch, der laut Aussagen in den TA-Medien aus politischen Gründen keine Krankenkassenprämien und Steuern mehr bezahlen will.

Aus Sicht von Balsiger sind solche Massnahmenkritiker für die etablierte Politik weit weniger bedrohlich als umgekehrt: «Wenn Kandidierende aus solchen Gruppierungen wirklich gewählt werden, ist die Phase danach meistens entlarvend», sagt er. Widersprüche und fehlende Erfahrung würden von der Öffentlichkeit rasch bemerkt. Einzelne Figuren könnten im parlamentarischen Prozess kaum etwas bewirken, sie bleiben isoliert, beobachtet Balsiger: «Oft wird es Personen, die direkt aus Protestbewegungen in Parlamente kommen, in der institutionellen Politik nie wohl – und sie werfen das Handtuch.»
(https://www.nzz.ch/schweiz/corona-streit-bremst-skeptiker-auf-weg-in-politik-ld.1666352)



Nach Protest Neil Youngs über Corona-Fake-News: Spotify entfernt seine Musik
Young kritisierte die Plattform für Fehlinformationen zum Coronavirus. Er hofft, dass andere Künstler und Plattenlabel seinem Beispiel folgen
https://www.derstandard.at/story/2000132886082/nach-protest-neil-youngs-ueber-corona-fake-news-spotify-entfernt?ref=rss
-> https://taz.de/US-Rockstar-wehrt-sich-gegen-Impfgegner/!5832204/



nzz.ch 27.01.2022

«Im Namen der Wahrheit»: Der Musiker Neil Young verlässt Spotify wegen Corona-Falschinformationen

Der meistgehörte Podcast, «Joe Rogan Experience», fällt auf dem Streaming-Dienst immer wieder wegen bedenklicher Haltungen zur Pandemie auf. Trotzdem bleibt Spotify untätig. Die Rocklegende Neil Young steigt deshalb aus.

Michele Coviello

Neil Youngs Musik mit Mundharmonika, Gitarre und Trommeln hat etwas Ehrliches und Bodenständiges. Seine Mischung aus Country, Folk und Rock ist so wie er selbst, charakterfest. Verändert hat er sich auch als 76-Jähriger nicht. Das zeigen die Ereignisse dieser Woche. Young verzichtet auf Spotify und damit auf einen grossen Teil seines Einkommens: 60 Prozent des Geldes, das er über Streaming-Dienste generierte, verdiente er über Spotify. Er nehme das in Kauf, «im Namen der Wahrheit», wie er auf seiner Website schreibt.

Seit Mittwoch lässt der Kanadier seine Musik von der Plattform Spotify entfernen. Young hatte sich mit dem Streaming-Giganten angelegt. Und gleichzeitig auch mit dem Podcaster Joe Rogan. Dieser und einige seiner Gäste hatten Falschinformationen zum Coronavirus und zu den Impfungen verbreitet. Also stellte Young Spotify vor ein Ultimatum: «Sie können Rogan haben oder Young. Nicht beide», liess der Musiker am Montag verlauten.

Moralischer Sieger

Am Mittwoch war es so weit. Vielleicht ist es ein verlorener Machtkampf, für viele gilt Young aber als moralischer Sieger. Weil der Streaming-Dienst nichts gegen den Podcaster unternahm, blieb Young konsequent. «Ich konnte Spotifys lebensgefährdende Falschinformationen nicht weiterhin unterstützen», schreibt Young auf seinem Portal. Vor allem Jugendliche würden den Streaming-Dienst nutzen. Diese glaubten, dass alles, was sie auf Spotify hörten, wahr sei. «Leider liegen sie damit falsch. Ich musste darauf hinweisen.»

Young ist aus eigener Erfahrung sensitiv für medizinische Themen. Seine erste Gitarre hatten ihm seine Eltern geschenkt, weil er an Kinderlähmung erkrankt war. Seine eigenen Söhne litten dann an infantiler Zerebralparese, also an Bewegungsstörungen, die ihren Ursprung in einer frühkindlichen Hirnschädigung haben. Als 60-Jähriger musste er ein Hirnaneurysma operieren lassen und erlitt in der Folge der Operation einen Herzstillstand.

100 Millionen Dollar für die Rechte

Youngs Blickwinkel ist also ein anderer als derjenige des muskelbepackten Joe Rogan. Der 54-jährige Amerikaner mit Stiernacken und Glatze moderiert auch Kämpfe der brutalen Sportart Ultimate Fighting Championship. Seine Wurzeln hat er in der Stand-up-Comedy. Heute ist er aber als einer der erfolgreichsten Podcaster überhaupt bekannt. Seine Sendung ist auf Spotify die meistgehörte. Rund 200 Millionen Mal im Monat werden seine stundenlangen Gespräche mit unterschiedlichsten Partnern heruntergeladen, pro Folge hören ihm an die 11 Millionen Menschen zu. Die Rechte an der «Joe Rogan Experience» liess sich Spotify 100 Millionen Dollar kosten, wie das «Wall Street Journal» berichtete.

Seit Pandemiebeginn steht Rogan aber auch in der Kritik. Bereits im vergangenen September schrieb etwa das Magazin «Rolling Stone», Rogan vermittle seinen Zuhörern seit anderthalb Jahren Fehlinformationen über Sars-CoV-2, er spiele die Auswirkungen des Virus und die Bedeutung der Impfungen herunter oder lade Gäste ein, die für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen werben würden.

So wurde etwa das Entwurmungsmittel Ivermectin mehrmals von Rogan als Covid-Waffe thematisiert, obwohl es keine wissenschaftlichen Beweise für eine Wirkung gegen das Virus gibt. Studien, welche diese belegen wollten, enthielten grobe wissenschaftliche Mängel, Teile davon waren offensichtlich gefälscht. Zudem ist das Mittel bei falscher Dosierung gefährlich. Behörden warnen vor einem Einsatz gegen Corona.

Aufgrund von Berichten zu Ivermectin in rechtsorientierten Medien gab es in den Vereinigten Staaten einen Run auf das Medikament, aber auch viele Anrufe beim toxikologischen Notruf. Verschiedene amerikanische Medien sehen auch Joe Rogan und seinen Podcast als Grund dafür. «Es gibt wohl niemanden, der erfolgreicher für Ivermectin wirbt als Rogan selbst», schrieb im September das Magazin «Rolling Stone».

Als der Podcaster an Covid erkrankte, meldete er über Instagram, dass er sich ebenso mit Ivermectin behandelt habe. Einige Monate davor hatte er in seiner Sendung zwei Befürworter des Medikaments eingeladen. Diese behaupteten, Medien und die Regierung würden Informationen über dieses Medikament zensieren, damit Big Pharma von den Corona-Impfstoffen profitieren könne. Ein klassisches Thema der Verschwörungstheoretiker.

Natürlich muss man zwischen Rogan selbst und seinen Gästen unterscheiden. Journalismus soll verschiedene Ansichten vertreten. Spotify stellt sich bei der Verteidigung des Podcasts auf diesen Standpunkt. «Wir möchten, dass alle Musik- und Audioinhalte der Welt für Spotify-Nutzer verfügbar sind», schreibt der Dienst in einer Mitteilung, «das bringt eine grosse Verantwortung mit sich, wenn es darum geht, ein Gleichgewicht zwischen der Sicherheit für die Hörer und der Freiheit für die Urheber zu schaffen.» Spotify habe detaillierte Richtlinien für die Inhalte. Seit Beginn der Pandemie seien 20 000 Podcast-Episoden mit Bezug zu Covid entfernt worden, bekräftigt das Unternehmen.

Das lukrative Zugpferd Rogan aber nicht. Und es bleibt auffällig, wie oft Menschen in der Sendung auftreten, die sich gegen wissenschaftliche Erkenntnisse zur Pandemie stellen und die Meinungsbildung fehlleiten. So sprach auch der Verschwörungstheoretiker Alex Jones in Rogans Sendung und verneinte den Nutzen der Corona-Impfung für Jugendliche.

Am vergangenen 31. Dezember trat der Virologe Robert Malone im Podcast auf. Just einen Tag davor hatte ihn Twitter aus dem Kurznachrichtendienst gesperrt. Malone hatte an der frühen mRNA-Forschung mitgewirkt und steht den Vakzinen kritisch gegenüber. Er fiel bereits vor dem Besuch bei Rogan auf, weil er die Pandemiemassnahmen mit der Politik unter Hitler verglich oder die Impfungen nur als Profitmodell für die Pharma-Branche darstellte.

Reaktion aus der Wissenschaft

Jener Podcast war für die Beobachter ein Beweis mehr, dass Rogan und Spotify bedenkliche Haltungen begünstigen. Als Reaktion darauf stellten mehr als 200 Wissenschafter, Ärzte und Mitarbeitende aus dem Gesundheitswesen einen offenen Brief an Spotify online. Die Folge mit Malone beinhalte unbegründete Verschwörungstheorien, und das Format «Joe Rogan Experience» habe inzwischen vermehrt falsche Fakten zum Coronavirus verbreitet. Indem Spotify dies zulasse, werde «das Vertrauen der Öffentlichkeit in die wissenschaftliche Forschung» beschädigt. «Dies ist nicht nur ein wissenschaftliches oder medizinisches Problem», schreiben die Unterzeichnenden, «es ist ein soziologisches Problem von verheerendem Ausmass, und Spotify ist dafür verantwortlich, dass diese Aktivitäten auf seiner Plattform gedeihen können.»

Neil Young hatte diesen Brief gelesen. Und seine Reaktion darauf hallt wie ein guter Verstärker auf der Bühne nach. Auch andere Künstler haben ihre Musik vom Streaming-Dienst entfernen lassen und zu einem Boykott von Spotify aufgerufen.
(https://www.nzz.ch/feuilleton/im-namen-der-wahrheit-der-musiker-neil-young-verlaesst-spotify-wegen-corona-falschinformationen-ld.1666775)


Illegal hergestellte Corona-Zertifikate: St.Galler Staatsanwaltschaft verhaftet zehn Personen
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen führt umfangreiche Strafuntersuchungen im Zusammenhang mit über 9000 illegal hergestellten Corona-Zertifikaten. Zehn Personen, welche in die Herstellung solcher Zertifikate involviert sein sollen, wurden festgenommen. Ihnen sowie den Abnehmerinnen und Abnehmer der illegal hergestellten Zertifikate wird Urkundenfälschung vorgeworfen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/covid-illegal-hergestellte-corona-zertifikate-stgaller-staatsanwaltschaft-verhaftet-zehn-personen-ld.2243201
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/zertifikatsschwindel-in-der-ostschweiz-ausmass-nimmt-zu?partId=12132239
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/zehn-mutmassliche-zertifikatsfaelscher-verhaftet?id=12132212
-> https://www.derbund.ch/st-gallen-geht-gegen-kaeufer-von-falschen-impfpaessen-vor-808807049743
-> https://www.20min.ch/story/st-gallen-ermittelt-wegen-9000-gefaelschten-covid-zertifikaten-238907686948
-> https://www.sg.ch/news/sgch_staatsanwaltschaft-jugendanwaltschaft/2022/01/umfangreiche-untersuchungen-wegen-illegal-hergestellten-covid-19.html
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/st–gallen-mutmassliche-zertifikats-faelscher-verhaftet?urn=urn:srf:video:3d3ad11e-4317-4026-84ba-0da0331f94a1
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/gefaelschte-covid-zertifikate-zehn-personen-in-st–gallen-verhaftet?urn=urn:srf:video:4e2a456e-0423-492a-bce1-031c5300b09e
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/zertifikatsfaelscher-in-st-gallen-festgenommen-145244251
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/gefaelschte-stgaller-covid-zertifikate-zehn-personen-verhaftet-00173575/
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/ueber-9000-zertifikate-gefaelscht-zehn-personen-festgenommen-145243791
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/hiobsbotschaft-fuer-thurgauer-schnellstrasse-bts?id=12132383 (ab 08:22)



derbund.ch 27.01.2022

Gefälschte Covid-Zertifikate: Strafverfahren gegen Käufer von falschen Impfpässen eröffnet

St. Gallen hat zehn mutmassliche Fälscher in Haft gesetzt. Auch mehrere Hundert Käuferinnen und Käufer sind im Visier der Staatsanwaltschaft. Einer erzählt, warum er ein Zertifikat gekauft hat.

Alexandra Aregger, Catherine Boss

Es ist der Tag vor Neujahr. Matthias (Name geändert) sitzt zu Hause auf seinem Sofa vor dem flimmernden TV-Bildschirm. Er taucht ab in das New York der frühen 90er. Ein aufstrebender Börsenmakler steigt zum Multimillionär auf. Er leistet sich ein ausschweifendes Leben mit den wildesten Partys. Champagner, Drogen, Sex – Leonardo DiCaprio zelebriert ein Gefühl von Freiheit und Grenzenlosigkeit, wie es Matthias wegen der Pandemie seit fast zwei Jahren vermisst.

«‹The Wolf of Wall Street› hat mich daran erinnert, wie gern ich eigentlich feiern gehe», erzählt der 23-Jährige. «Mir wurde bewusst: Meine Kollegen können morgen an Silvester in den Ausgang, ich nicht. Ich fiel in ein Loch.» Denn er ist weder geimpft noch genesen. Und seit der Bundesrat flächendeckend die 2-G-Regel eingeführt hat, hilft auch ein Test nicht mehr, um in Bars oder Events zu kommen.

Matthias will anonym bleiben. Denn nach der DiCaprio-Erleuchtung hat er sich auf Telegram ein falsches Impfzertifikat gekauft. «Es war pure Verzweiflung, die mich dazu getrieben hat. Ich fand es unfair, dass meine genesenen Kollegen ins Restaurant oder in einen Club durften.»

St. Gallen ist Betrügern auf den Fersen

Für Matthias könnte es jetzt ungemütlich werden. Die St. Galler Staatsanwaltschaft hat am Donnerstagmorgen bekannt gegeben, dass sie im Rahmen von umfangreichen Untersuchungen wegen über 9000 illegal ausgestellter Zertifikate zehn mutmassliche Fälscher in Haft gesetzt hat. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Testzentren hätten ihren Zugang zum Zertifikatssystem des Bundes an Betrüger und Betrügerinnen verkauft.

Die St. Galler gehen aber nicht nur gegen mutmassliche Zertifikatsbetrüger vor, sondern auch gegen Käuferinnen und Käufer der falschen Impfpässe. «Wir haben bereits mehrere Strafverfahren gegen Käuferinnen und Käufer solcher Zertifikate eröffnet», sagt Christoph Ill, Erster Staatsanwalt im Kanton St. Gallen.

Der Kauf eines solchen Zertifikats ist eine Anstiftung zur Urkundenfälschung. Dafür sind Geldstrafen und Bussen bis zu mehreren Tausend Franken möglich. Sowie ein Strafregistereintrag. Es ist ein Offizialdelikt, dem die Strafverfolger von Amtes wegen nachgehen müssen. «Soweit es aus Kapazitätsgründen möglich ist, werden wir diese Leute verfolgen», sagt Ill. Jedenfalls hätten sie Informationen, aufgrund derer davon auszugehen sei, dass sich mehrere Hundert Käuferinnen und Käufer vor den Strafverfolgungsbehörden würden verantworten müssen, sagt er.

Klar sei: «Wer jetzt noch falsche Zertifikate verkauft, kommt mit allergrösster Wahrscheinlichkeit auf den Radar der Strafverfolger. Und wer als Abnehmer noch riskiert, ein solches Zertifikat zu erstehen, der muss davon ausgehen, dass es in kürzester Zeit deaktiviert wird. Dann hat er weder Geld noch Zertifikat, aber ein beträchtliches Risiko, dass er in ein Strafverfahren verwickelt wird», sagt der Erste Staatsanwalt. Bereits hätten sich eine Handvoll Käuferinnen und Käufer zu einer Selbstanzeige entschlossen. Sie könnten mit einer deutlichen Strafreduktion rechnen.

Illegale Freiheit kostet 310 Euro

Wie unser Selbsttest jüngst gezeigt hat, kriegen Käuferinnen auf dem Messengerdienst Telegram innert 30 Minuten ein gültiges Zertifikat. Die Betrüger brauchen lediglich Komplizen beispielsweise in Test- oder Impfzentren, einer Apotheke oder Arztpraxis, welche die Log-in-Daten für das Zertifikatssystem des Bundes weitergeben.

Auch Matthias hat sein Zertifikat auf Telegram gekauft. Er gab Name und Geburtsdatum durch, bezahlte 310 Euro in Bitcoins und erhielt sein Zertifikat als PDF-Datei.

Eine weitere Möglichkeit ist das Fälschen der internationalen gelben Impfbüchlein. 500 Euro habe ihr gefälschter Pass gekostet, der in Deutschland ausgestellt worden sei, sagt eine Käuferin, die anonym bleiben will. Der Pass sieht täuschend echt aus. Impfdaten, Aufkleber mit Impfstoffname und Chargennummer sowie Stempel eines Impfzentrums – alles drin.

Zertifikatsschummel – aus Prinzip

«Ich wollte Sachen machen, die andere auch dürfen», sagt Matthias. Es geht ihm vor allem ums Prinzip, betont er. Mit seinem falschen Zertifikat sei er «erst» zwei bis drei Mal essen oder feiern gegangen. Mehrmals in der Woche braucht er es hingegen, um im Fitness trainieren zu können.

In seinem Umfeld besitzen mehrere Personen ein falsches Zertifikat, sagt Matthias. Er sieht nicht ein, warum sie mit ihrem Verhalten andere gefährden würden. «Ich glaube nicht an die Gefahr durch das Coronavirus.» Die Impfung lehnt er wie auch andere Impfungen ab. Sich im Gegenzug regelmässig testen zu lassen, findet der 23-Jährige sinnlos.

Die Strafverfolger in den Kantonen erhalten bald schon Support vom Bundesamt für Informatik (BIT). Das BIT ist derzeit mit acht Kantonen an einem Monitoring der Daten, die Hinweise geben auf Fälschungen. Anfang Februar sollen die übrigen Kantone dazukommen. Damit wird die Luft für Käufer wie Matthias immer dünner.
(https://www.derbund.ch/strafverfahren-gegen-kaeufer-von-falschen-impfpaessen-eroeffnet-501256100786)


+++HISTORY
Wie die koloniale Geschichte bis heute nachwirkt
Die letztjährige Ausgabe der Tour de Lorraine setzt sich in diesem Jahr fort, weil einige Veranstaltungen 2021 wegen Corona verschoben werden mussten. Unter dem Motto «Köpfe und Herzen dekolonisieren» fanden und finden verschiedene Veranstaltungen statt. Darunter Vorträge, Ausstellungen, Filme und Lesungen.
https://journal-b.ch/artikel/wie-die-koloniale-geschichte-bis-heute-nachwirkt/