Studie zu Umweltrassismus veröffentlicht: eine Zusammenfassung

Im November 2021 wurde die Kurzstudie ‚Der Elefant im Raum – Umweltrassismus in Deutschland‘ von Imeh Ituen und Lisa Tatu Hey veröffentlicht. Der Begriff Umweltrassismus wurde erstmals 1994 vom Soziologen und Aktivisten Robert Bullard als «jede Politik, Praxis oder Richtlinie, die (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) Einzelpersonen, Gruppen oder Gemeinschaften aufgrund von ‹race› oder Hautfarbe benachteiligt» definiert. Die Umweltgerechtigkeitsbewegung hatte seinen Ursprung aber schon früher: Spätestens Anfang der 80er-Jahre in den USA, als die Schwarze Bevölkerung in Afton, North Carolina, jahrelang gegen den Bau einer Giftmülldeponie protestierte, die dann trotzdem gebaut wurde. Und das vor dem Hintergrund, dass dem vorangegangenen Protest der weissen Bevölkerung gegen den Bau der Deponie in einer mehrheitlich weissen Nachbarschaft stattgegeben worden war und diese Auslagerung erst hervorgerufen hatte.

Die Studie von Ituen und Hey beschäftigt sich also mit der ungleichen Verteilung von Umweltgütern (z.B. Trinkwasserversorgung, Abfallentsorgung) und der ungleichen Aussetzung gegenüber Umweltbelastungen aufgrund von Rassismus bzw. der mit Rassismus einhergehenden Verdrängung in Gegenden mit hoher Umweltbelastung. Ituen und Hey benennen auch die fehlenden Studien zu Umweltrassimus und die lückenhafte Datenerhebung dazu in Europa. Gerade den Faktor, dass sich Umweltungerechtigkeit in europäischer Forschung vor allem auf Einkommensungleichheiten konzentriert und weniger auf Aspekte wie Rassismuserfahrung und Migrationsgeschichte, heben sie hervor. Obwohl sie auch betonen: „Unterdrückungsdimensionen wie Rassismus und Klassismus überschneiden sich häufig und verstärken somit die ungleiche Verteilung von Umweltrisiken und -gütern zu Lasten mehrfach marginalisierter Bevölkerungsgruppen.“

Erhöhte Umweltbelastung im Arbeits- und Wohnumfeld ist nach wie vor einer der Gründe für die Unterschiede in der durchschnittlichen Lebenserwartung von weissen und Schwarzen Menschen. So wird in der Publikation z.B. eine Studie erwähnt, wonach der Anteil von Menschen mit Rassismuserfahrung und Migrationsgeschichte in einem Wohnviertel jene Variable ist, welche die grösste Vorhersagekraft für die Nähe zu toxischen Stoffen darstellt.

Zwei Studien über die Lebensbedingungen von Sinti*zze und Rom*nja in Europa heben dies besonders hervor: ‚Pushed to the Wastelands – Environmental Racism against Roma Communities in Central and Eastern Europe‘ zeigt auf, dass Umweltrassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja ein strukturelles und weit verbreitetes Problem ist. Mehrere Beispiele werden genannt, in denen deutsche Städte Grundstücke an Sinti*zze und Rom*nja vergaben, welche ehemalige Mülldeponien oder Industriegrundstücke waren und die dementsprechend mit toxischen Substanzen verseucht waren. Und dabei wurde dieses Problem bereits in den 80ern aus der Community heraus benannt. Romani Rose erwähnte in einer Publikation des ‚Zentralrats Deutscher Sinti und Roma‘ über die Wohnungspolitik in Darmstadt, die Verdrängung von Sinti*zze und Rom*nja an den Stadtrand «neben Müllkippe, Kläranlage, Rattenlöcher und Autobahnzubringer». Einhergehend mit den rassistischen Strukturen wurde ihm jedoch kaum Gehör geschenkt.

Und zusätzlich zu der bereits vorherrschenden Umweltungerechtigkeit benennen Ituen und Hey den Klimawandel als sog. ‚Bedrohungsmultiplikator‘, da er laut Weltklimarat (IPCC) Personen, «die sozial, wirtschaftlich, kulturell, politisch, institutionell oder anderweitig marginalisiert sind, besonders vulnerabel (…)» macht.

BIPoC-Gruppen wie Klima del Sol, Mavun, Bloque Latinamericano und Black Earth betrachten die Umwelt- und Klimakrise im Zusammenhang von Kolonialität, (Umwelt-) Rassismus und anderen Unterdrückungsdimensionen holistisch. Und diese Betrachtungsweise muss von Forschung, Stadtplanung, Politik und Zivilgesellschaft übernommen werden. Umweltgerechtigkeit jetzt!

Sinti-Siedlung neben Müllhalde
Mareike Andert, TAZ, 10. Januar 2022

Der Elefant im Raum – Umweltrassismus in Deutschland (PDF)
Studie von Imeh Ituen und Lisa Tatu Hey, Heinrich-Böll-Stiftung, November 2021

Bild: Protest gegen die PCB-Deponie in Afton, North Carolina, September 1982.