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+++BERN
bielertagblatt.ch 21.01.2022
Flüchtlinge sollen in Biel bleiben
Das Rückkehrzentrum Biel-Bözingen wird im Sommer geräumt. Nun fordert der Verein «Alle Menschen», dass die Containersiedlung saniert und an einem neuen Ort in Biel aufgestellt wird – mitten in der Stadt.
Hannah Frei
Die Stadt Biel will kein Rückkehrzentrum mehr in Biel. Dies hat sie im Herbst dem Kanton deutlich gemacht, indem sie die Weiterführung des Zentrums in Bözingen abgelehnt hat. Das bedeutet, dass die Asylsuchenden am Rande der Stadt spätestens im Sommer ihre Koffer packen müssen. Für die deutschsprachigen Familien und alleinstehenden Frauen hat der Kanton bereits eine Alternative gefunden: Im Februar wird in Enggistein in der Gemeinde Worb eine Unterkunft für abgewiesene Flüchtlinge eingerichtet. Die Frauen werden also bald umziehen, die Familien sollen im Sommer nachkommen, sobald das Schuljahr vorbei ist. Für die alleinstehenden Männer und die französischsprachigen Familien sucht der Kanton weiter.
Nun aber mischt sich der Bieler Verein «Alle Menschen» ein. Er fordert, dass die Containersiedlung weiterhin bestehen bleibt. Dies teilte der Verein in einem offenen Brief der Stadt und dem Kanton mit. Und er macht auch gleich konkrete Vorschläge: Die Containersiedlung soll renoviert und an einem anderen Ort in Biel aufgestellt werden, als «zweckmässige Zwischennutzung».
Geeignete Flächen gebe es genug, etwa das Grundstück des Info-Pavillons A5 an der Seevorstadt, der Parkplatz Strandboden neben dem Gymnasium, freie Flächen auf dem Tissot-Areal, der Wildermethmatte oder dem Expo-Gelände am See.
Das «Dorf» nicht zerstören
Mit der Forderung will der Verein verhindern, dass das «Dorf», wie er die Container-Siedlung nennt, auseinandergerissen wird. «Die alleinstehenden Männer machen keine Probleme», sagt Vereinspräsident Philipp Blum. Sie würden den Familien in vieler Hinsicht helfen, sich um die Kinder kümmern. Zu manchen Anlässen würden die Kinder sogar in Begleitung eines alleinstehenden Mannes kommen, sagt Vereinsmitglied Rudolf Albonico. «Das zeigt, dass die Familien den Männern vertrauen und sie brauchen.» Zudem gebe es von den Frauen und Kindern kaum negative Rückmeldungen, was die alleinstehenden Männer anbelangt. Und falls doch jemand für Unruhe sorge, werde dieser ohnehin rasch in ein anderes Zentrum, in die Psychiatrie oder ins Gefängnis verlegt.
Das heutige Containerdorf sei zwar keine optimale Unterkunft, besonders nicht für Kinder: Es gibt wenig zu entdecken, keine Treppen, kaum Spielräume. Und es sei zu weit weg vom Stadtzentrum. Dies liesse sich mit einer renovierten Siedlung an einem anderen Standort in Biel jedoch ändern. Dazu müssten die Container gestapelt und die Gemeinschaftsräume eingerichtet werden. Zudem sei in den letzten Jahren ein stabiles Netz an Helferinnen und Helfern entstanden: Lehrerinnen, Schulpsychologen, Heilpädagoginnen, schulärztlicher Dienst. Bleibt das Rückkehrzentrum in Biel, könne man von dieser Infrastruktur profitieren. Und die Kinder müssten die Schule nicht wechseln. Obwohl: Würde die Containersiedlung auf dem Agglolac-Gebiet aufgestellt, wäre ein Schulwechsel unumgänglich. Daher priorisieren Albonico und Blum den Standort Wildermeth. Einige der Kinder im Rückkehrzentrum Biel-Bözingen gehen bereits dort zur Schule. Oder aber das A5-Areal neben Funicar, von wo aus die Kinder in die Schule Plänke gehen könnten.
Die vom Bund gelebte Abschreckungspolitik gegenüber abgewiesenen Flüchtlingen wäre laut Blum vertretbar, sofern die Menschen nur ein paar Monate in der Schweiz blieben. Aber dem ist nicht so. Manche der Asylsuchenden im Rückkehrzentrum Biel-Bözingen sind seit mehr als zehn Jahren da. Ein Grossteil werde wohl für immer in der Schweiz leben, sagt Blum. «Die Frage ist, ob wir diese Menschen lieber im Gefängnis und der Psychiatrie haben wollen, oder ob sie ein selbstständiges Leben führen sollen.» Die Stadt könne davon profitieren, wenn die Asylsuchenden ins Zentrum integriert würden: Sie müsse weniger für Sozialleistungen ausgeben und die Kriminalität werde verringert. Und sie erhalte neue Arbeitskräfte – sofern die Abgewiesenen arbeiten dürften.
«Stadt soll sich etwas trauen»
Der Verein will Druck aufsetzen, auf die Stadt Biel und den Kanton. Im Asylverfahren bestehe viel Ermessensspielraum, sagt Albonico. Und den sollen die Verantwortlichen des Kantons und der Stadt nutzen. «Die Stadt Biel soll sich endlich etwas trauen.» Mit der Schliessung der Containersiedlung würde die Hauptaufgabe des Vereins verschwinden. Für Blum und Albonico steht fest, dass der Verein weiterhin Hilfe für Asylsuchende anbieten würde, auch für die Menschen, die nun wegziehen müssen, etwa nach Enggistein. «Wir werden unsere Leute nicht im Stich lassen», sagt Albonico.
Aber die beiden sind zuversichtlich, dass zumindest ein Teil der Flüchtlinge in Biel bleiben kann. Für den Lösungsvorschlag müsse die Flüchtlingspolitik in Biel grundsätzlich überdacht werden. Dazu liebäugelt er mit einer neuen Kampagne, etwa unter dem Slogan «Welcome Refugees». «Biel ist eine offene, kosmopolitische Stadt, die alles dafür bietet, Asylbewerbenden ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Wenn nicht Biel, wer dann?», so Blum.
Kanton unterstützt Vorschlag
Der Bieler Gemeinderat will sich indes zurzeit nicht zu den Forderungen des Vereins äussern, wie Sicherheitsdirektor Beat Feurer (SVP) auf Anfrage mitteilt. Das Schreiben sei im Gemeinderat noch nicht behandelt worden. Anders sieht es auf Kantonsebene aus: Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) hält den Lösungsvorschlag des Vereins durchaus für realistisch. An der Teillösung mit Enggistein halte der Kanton jedoch fest. Für die deutschsprachigen Familien und Frauen sei dies eine «sehr gute Unterkunft». Bleiben noch die französischsprachigen Familien und Frauen sowie die alleinstehenden Männer. Letztere werde man auf bestehende Rückkehrzentren aufteilen. Für die Familien und Frauen, das sind rund 30 Personen, strebe der Kanton eine Lösung in Biel an. «Als zweitgrösste Stadt des Kantons sollte Biel auch weiterhin eine Einrichtung für Asylsuchende mittragen», sagt Müller. Nun sei der Kanton daran, gemeinsam mit der Stadt einen entsprechenden Ort für die 30 Personen zu finden, ob nun in einem Gebäude oder in Containern.
«Falls Biel nicht mitmachen sollte, werden wir einen Ort ohne die Unterstützung der Stadt finden.» Denn die Zuständigkeit für die Rückkehrzentren liegt beim Kanton. Müller ist jedoch zuversichtlich, dass Kanton und Stadt «gut zusammenarbeiten werden». Daran lässt der kürzlich medial ausgetragene Streit jedoch zweifeln: Stadtpräsident Erich Fehr (SP) und Beat Feurer sagten eine Sitzung mit Müller kurzfristig ab, weil der Kanton ohne Absprache mit der Stadt über das weitere Vorgehen bezüglich Rückkehrzentrum Bözingen kommunizierte (das BT berichtete).
Fest steht also: Die Bewohnenden der Containersiedlung werden voneinander getrennt. Das sei besser so, sagt Müller. Dies habe die Erfahrung aus den 18 Monaten in den Rückkehrzentren gezeigt. Für Familien und Frauen sei es einfacher, getrennt von den alleinstehenden Männern zu leben.
Nun rennt die Zeit. Es bleiben noch zirka fünf Monate, bis das Rückkehrzentrum in Bözingen endgültig seine Tore schliesst. In den kommenden Wochen heisst es für die französischsprachigen Flüchtlinge in den Containern wohl weiter: abwarten.
(https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/biel/fluechtlinge-sollen-biel-bleiben)
+++ZÜRICH
Nach Züri-City-Card: Soll jetzt auch Winterthur seine eigene ID bekommen?
Nachdem die Stadt Zürich letzten September einen Kredit über drei Millionen Franken für die Einführung der Züri-City-Card genehmigte, wollen nun auch verschiedene Winterthurer Politikerinnen und Politiker eine City-Card für Winterthur.
https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/nach-zueri-city-card-auch-winterthur-soll-jetzt-ihre-eigene-id-bekommen-00173155/
+++SCHWEIZ
Visa für Geflüchtete: «Wir hatten nie eine Chance»
Afghan:innen in der Schweiz versuchen verzweifelt, ihre Verwandten mit humanitären Visa hierherzubringen. Doch der Bund lehnt praktisch alle Gesuche ab. Beratungsstellen sprechen von Willkür und fehlender Rechtsstaatlichkeit.
https://www.woz.ch/2203/visa-fuer-gefluechtete/wir-hatten-nie-eine-chance
Ostgrenze unter Druck – Neues Bearbeitungszentrum für aufgegriffene Migranten in Buchs
In 24 Stunden sollen die Geflüchteten das administrative Verfahren durchlaufen. Die meisten Migranten reisen danach aber weiter.
https://www.srf.ch/news/schweiz/ostgrenze-unter-druck-neues-bearbeitungszentrum-fuer-aufgegriffene-migranten-in-buchs
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/ich-haette-es-mir-auch-anders-gewuenscht?id=12128573 (ab 02:10)
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Es fehlen schweizweit um die 70 Plätze
Die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende schätzt die Zahl der Sinti und Jenischen, die in der Schweiz eine fahrende Lebensweise pflegten, auf 2000 bis 3000 Personen. Neben 40 bis 50 Stellplätzen insbesondere für die Wintermonate benötigten diese während der Reisezeit rund 80 Durchgangsplätze. Die tatsächliche Zahl der gesicherten Plätze liegt weitaus tiefer. Dem neusten Standbericht der Stiftung zufolge fehlen schweizweit 20 bis 30 Standplätze sowie 50 Durchgangsplätze.
Dieser Mangel erschwert es den Fahrenden nicht nur, ihre Lebensweise auszuüben. Weil es an Standplätzen fehle, würden die Fahrenden im Winter teils auf Durchgangsplätze ausweichen, heisst es im Standbericht 2021. In den Standortgemeinden sei es den Jensichen und Sinti aber «oft praktisch unmöglich, ihre Schriften zu hinterlegen». So sähen sich diese dann ohne festen Wohnsitz und «mit gravierenden Konsequenzen bezüglich ihrer Rechte als Schweizer Bürgerinnen und Bürger konfrontiert». (khl)
(https://www.bernerzeitung.ch/erste-fahrende-im-herbst-680068219999)
+++FREIRÄUME
Gemeinsame Ökonomie statt Kapitalismus
Winterserie «So wohnt Bern» – Eine gemeinsame Ökonomie geht als Form des Zusammenlebens weit über eine Gemeinschaft hinaus. Erkundungen über Grundsätzliches und den Alltag einer gemeinsamen Ökonomie.
https://journal-b.ch/artikel/gemeinsame-oekonomie-statt-kapitalismus/
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Ein Prozess auf Druck der türkischen Regierung?
Diese Woche begann in Bern, nunmehr fünf Jahre nach dem fraglichen Ereignis, der sogenannte «Kill Erdogan» Prozess. Anstatt jedoch – wie geplant – innert zwei Tagen mit einem erstinstanzlichen Urteil zu enden, konnte bis zum Ende des zweiten Prozesstages am Mittwoch 19. Januar 2022 erst das Beweismittelverfahren abgeschlossen werden. Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie die Urteilseröffnung werden am 2. und 9. März 2022 erwartet. – Ein Gastbeitrag des Antirep Bern, 20. Januar 2022
https://barrikade.info/article/4973
https://www.megafon.ch/aktuelles/ein-prozess-auf-druck-der-tuerkischen-regierung/
Medienmitteilungen zum KillErdogan-Prozess
Medienmitteilung zum Prozesstag 1, 18. Januar
Heute begann am Berner Regionalgericht der Prozess um das „KillErdogan“ Transparent, das an einer Demonstration 2017 in Bern gezeigt wurde. Bereits eine Dreiviertelstunde vor Prozessbeginn fanden sich rund 80 Unterstützer:innen ein. Neben Kaffee und Gipfeli wurden verschiedene Reden gehalten. Darunter eine einer beschuldigten Person, wie auch eine des Kollektives „Basel Nazifrei“, das in Basel die Angeklagten eines antifaschistischen Protestes unterstützt.
https://barrikade.info/article/4972
-> https://killerdoganprozess.ch/medienmitteilung-zum-prozesstag-1/
-> https://killerdoganprozess.ch/medienmitteilung-zum-prozesstag-2/
„KillErdogan“-Prozess wird im März fortgesetzt
Der Berner Prozess zum „Kill Erdogan“-Plakat ist am Mittwoch nach zwei Tagen unterbrochen worden. Er wird voraussichtlich Anfang März mit den Plädoyers fortgesetzt.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/killerdogan-prozess-wird-im-marz-fortgesetzt-30400
-> https://www.nuceciwan100.xyz/de/2022/01/21/killerdogan-verfahren-noch-nicht-abgeschlossen-eine-stellungnahme/
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derbund.ch 21.01.2022
Politik im Gerichtssaal: Ein Prozess wie ein Minenfeld
Die Schutzvorkehrungen beim «Kill Erdogan»-Prozess sind beispiellos. Zu Recht, findet die Verteidigung und verweist auf die zweifelhafte Rolle eines türkischen Journalisten.
Michael Bucher
Und plötzlich ist da dieser türkische Journalist im Berner Gerichtssaal. Die deutsche Sprache beherrscht er kaum. Seinen Namen und auch das Medium, für das er arbeitet, will er vor den Anwesenden nicht nennen. Obwohl er für den Prozess akkreditiert ist, läuten bei den Verteidigern die Alarmglocken.
Eine Internetrecherche während der ersten Verhandlungspause beunruhigt die Verteidiger zusätzlich. Der Mann arbeitet für die staatliche Nachrichtenagentur der Türkei. Auf Twitter bezeichnet er die Beschuldigten vor Prozessbeginn als «Terroristen». Die Wogen gehen hoch, die Verteidiger beantragen den Ausschluss des Journalisten, der Gerichtspräsident unterbricht den Prozess für einen Tag.
Die Episode zeigt, wie brisant, politisch aufgeladen und in vielerlei Hinsicht beispiellos der diese Woche gestartete Prozess im Berner Amthaus rund um ein Transparent ist. «Kill Erdogan with his own weapons» stand im März 2017 auf dem Plakat an einer Demo in Bern gegen die türkische Kurden-Politik. Vier Personen aus dem linksaktivistischen Milieu werden als Teil der Urheberschaft beschuldigt.
Obwohl es bloss um Geldstrafen geht, erinnern die Schutzvorkehrungen des Regionalgerichts eher an einen Mafiaprozess, bei dem ein Kronzeuge geschützt werden muss. Der Anonymität der beschuldigten Personen, aber auch der geladenen Zeugen wird allerhöchste Priorität beigemessen. Ob es sich bei ihnen um Männer oder Frauen handelt – nicht einmal das dürfen Journalisten schreiben.
«Spitzel sind überall präsent»
Bereits im Herbst hatte die Verteidigung beim Gericht umfangreiche Schutzvorkehrungen beantragt. «Der türkische Geheimdienst ist in der Schweiz sehr aktiv», sagt Rechtsanwalt Bernard Rambert, einer der Verteidiger. Seine Spitzel seien überall präsent, wo die Politik des türkischen Machthabers Erdogan kritisiert werde.
Dafür gibt es Beispiele: So versuchten türkische Agenten 2016 einen Landsmann und Gegner der Erdogan-Regierung in Zürich zu entführen. An der Universität Zürich wiederum soll es 2017 zu Bespitzelungen von Türkei-Kritikern gekommen sein. An einer Veranstaltung zum Thema Völkermord an den Armeniern filmten zwei Männer systematisch Besucherinnen und Besucher.
Gerade die Anwesenheit des Mitarbeiters der staatlichen türkischen Presseagentur zeige die Notwendigkeit der Anonymität auf, so Rambert. «In der Vergangenheit sind deren Korrespondenten beispielsweise durch Einschüchterung von Exil-Journalisten aufgefallen.» Rechtsanwalt Dominic Nellen, ein weiterer Verteidiger, lobt denn auch das Gericht fürs «vorbildliche Umsetzen der Schutzmassnahmen». Doch was, wenn der türkische Gast die Beschuldigten ausserhalb des Gerichtssaals fotografiert? Das könne man nicht kontrollieren, so Nellen, «doch ohne Namen bringen solche Fotos wohl nicht allzu viel».
«Ultrakurzfristig angemeldet»
Was Nellen bei der Sache besonders dubios erscheint: Der türkische Journalist soll sich erst am Vorabend des Prozesses beim Berner Regionalgericht angemeldet haben – und zwar lediglich mit einer provisorischen Redaktionsbestätigung. Den definitiven Nachweis habe der Mann erst am Prozesstag eingereicht. Nellen vermutet hinter der «ultrakurzfristigen» Anmeldung Taktik: «Die Behörden hatten dadurch weniger Zeit, die Hintergründe des Mannes zu prüfen.» Beim Regionalgericht war dazu kurzfristig keine Stellungnahme einzuholen.
Der Twitter-Eintrag hatte für den türkischen Journalisten schliesslich lediglich eine Verwarnung zur Folge. Dass das Gericht für diesen Entscheid den Prozess gleich für einen Tag unterbrach, veranschaulicht für Nellen gut, wie heikel der Fall auch für die Richter ist: «Normalerweise sind solche Anträge nach 15 Minuten Beratung abgehandelt.»
Sicher ist: In der Türkei wären die Wogen hochgegangen, hätte das Gericht den türkischen Journalisten vom Prozess ausgeschlossen. Die Folge wären wohl weitere diplomatische Spannungen zwischen der Schweiz und der Türkei gewesen. Solche gab es bereits am Tag nach der Demo vom März 2017, als Ankara die schweizerische Vizebotschafterin einbestellte. Ein paar Tage später hakte die türkische Botschaft auch bei den Berner Strafverfolgungsbehörden nach, ob denn bereits jemand «interniert» worden sei.
Nellens Vermutung: Nur wegen des anhaltenden Drucks aus Ankara habe die Staatsanwaltschaft schliesslich Anklage erhoben. Das schliesst er daraus, dass «Demo-Delikte» ansonsten viel schneller abgehandelt würden.
(https://www.derbund.ch/ein-prozess-wie-ein-minenfeld-602995326528)
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derbund.ch 21.01.2022
Urteil in Lausanne: Richterin spricht Klimaaktivisten frei
Das Bezirksgericht in Lausanne hat fünf Personen frei gesprochen. Sie hatten an einer Demonstration vor zweieinhalb Jahren teilgenommen.
Mehrere Klimaaktivisten errangen vor der Waadtländer Justiz einen Sieg. Fünf Angeklagte wurden am Donnerstag vom Bezirksgericht Lausanne wegen ihrer Teilnahme an einer Demonstration im September 2019 freigesprochen.
Sie gehören zu den rund 200 Aktivistinnen und Aktivisten, die wegen verschiedener Taten des zivilen Ungehorsams in Lausanne zwischen 2019 und 2020 angeklagt wurden und deren Prozesse sich seit September letzten Jahres aneinanderreihen. Der Prozess, der diese Woche stattfand, war der 16. dieser Serie, wobei es zum ersten Mal zu einem Freispruch kam.
Fünf Personen wurden vollständig und zwei weitere teilweise freigesprochen, wie einer ihrer Anwälte, Olivier Adler, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Freitag auf Anfrage sagte. Die Angeklagten, denen bedingte Geldstrafen drohten, waren wegen Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, Hinderung einer Amtshandlung und Verstoss gegen das Strassenverkehrsgesetz vor Gericht gestellt worden.
Sie hatten am 27. September 2019 an einer Demonstration in Lausanne teilgenommen, zu der unter anderem die Bewegung Extinction Rebellion aufgerufen hatte. «Es handelte sich dabei um eine friedliche Aufklärungsaktion», sagte Anwalt Adler. Er betonte, dass die Demonstration bewilligt worden sei und seine Mandanten sich nicht gegen die Polizei gewehrt hätten.
Lob für die Richterin
In Erwartung einer möglichen Berufung durch die Staatsanwaltschaft lobte der Anwalt den «Mut und die Unabhängigkeit» der erstinstanzlichen Richterin, die «den legitimen Grund» seiner Mandantinnen und Mandanten zur Demonstration «anerkannt» habe.
Anfang der Woche hatte bereits das Berufungsgericht in Genf 14 Klimaaktivisten und -aktivistinnen freigesprochen. «Ich hoffe, dass dies erst der Anfang ist und dass es zu einer Sensibilisierung der Justiz und zu einem Verständnis für die Vorgehensweise dieser Aktivisten kommt», sagte der Anwalt weiter.
Am Montag werden in Nyon die nächsten Urteile in einem Prozess gegen Umweltdemonstrierende erwartet. Dort standen während dieser Woche sieben Personen vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, sich während der Räumung des Protestlagers auf dem Hügel Mormont bei Eclépens Ende März 2021 der Waadtländer Polizei widersetzt zu haben.
(https://www.derbund.ch/richterin-spricht-klimaaktivisten-frei-585424840999)
+++WEF
Ausweichtermin ist rau:s: Das WEF findet im Mai in Davos statt
Das Weltwirtschaftsforum WEF in Davos hätte diese Woche vor Ort stattfinden sollen, doch es wurde wegen Omikron verschoben. Jetzt steht das Ausweichdatum fest. Und Davos kann sich freuen.
https://www.blick.ch/wirtschaft/ausweichtermin-ist-raus-das-wef-findet-im-mai-in-davos-statt-id17166533.html
-> https://www.handelszeitung.ch/newsticker/wef-davos-im-mai-erste-globale-veranstaltung-seit-pandemieausbruch?utm_term=Autofeed&utm_campaign=article_traffic&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1642777684
+++FRAUEN/QUEER
Neue Regelung bei Geschlechtseintrag freut Gewerkschafter und Transaktivist Siméon Seiler (44):
«Mir war sofort klar: das bin ja ich!»
Schon als Kind spürt Siméon Seiler, dass irgendwas nicht passt. Als er begreift, was los ist, will er seinen Geschlechtseintrag von Frau zu Mann anpassen lassen. Es wird ein langer Kampf. Vergleichsweise schnell folgt dann das Coming-out am Arbeitsplatz bei der Unia.
https://www.workzeitung.ch/2022/01/mir-war-sofort-klar-das-bin-ja-ich/
+++RECHTSEXTREMISMUS
«Bereitet euch auf einen Krieg vor»
(Schaffhausen) – Die Corona-Demonstration am vergangenen Samstag wurde von Rechtsextremen angeführt. Wer sind sie? Wir haben hingeschaut.
https://www.shaz.ch/2022/01/21/bereitet-euch-auf-einen-krieg-vor/
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Sie feierten während Lockdown: Jetzt stehen drei Gäste vom Älpli Gommiswald vor Gericht
Im März 2021 trafen sich mitten im Lockdown im Restaurant Älpli in Gommiswald SG 90 Corona-Skeptiker – ohne Masken, ohne Abstand. Nun stehen drei Personen vor Gericht. Blick rollt den Fall noch einmal auf.
https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/sie-feierten-waehrend-lockdown-jetzt-stehen-drei-gaeste-vom-aelpli-gommiswald-vor-gericht-id17166000.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/corona-skeptiker-vor-gericht-so-analysiert-der-blick-reporter-den-aelpli-prozess-id17166464.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/alles-zum-fall-das-aelpli-und-die-corona-skeptiker-id17166397.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/gericht-verdonnert-skeptikerin-martina-d-38-zu-1300-fr-verfahrenskosten-aelpli-besuch-im-lockdown-wird-teuer-id17167737.html
«Kinder werden in Satansmessen geschlachtet»: Basler Primarlehrerin nach wirren Aussagen freigestellt
Ein SRF-Dokumentarfilm über Satanisten, die in grausamen Ritualen Kinder quälen und missbrauchen sollen, sorgte im Dezember für Entsetzen. Ärzte, Polizisten und Lehrer erzählten, weshalb sie daran glauben. Primarlehrerin Verena F. * aus Basel ist ihren Job jetzt los.
https://www.blick.ch/schweiz/basel/kinder-werden-in-satansmessen-geschlachtet-basler-primarlehrerin-nach-wirren-aussagen-freigestellt-id17167416.html
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bernerzeitung.ch 21.01.2022
Unruhiger Samstag steht bevor: Massnahmenkritiker und ihre Gegner rufen zu Demos auf
Für den 22. Januar sind zwei unbewilligte Kundgebungen angekündigt. Eine gegen die Corona-Massnahmen und eine gegen rechtsradikale Gruppierungen.
Pia Scheidegger
Auf Twitter und Telegram rufen Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen zu einer erneuten Demonstration am kommenden Samstag auf. «Die Donnerstagsdemos sind vorbei. Aber neues Jahr, neue Einstellung! Wir sehen uns am 22. Januar wieder!», schreibt ein User in seinem Post. Auf einem Flyer wird die Kundgebung als «Grossdemo» bezeichnet. Um 14 Uhr soll es losgehen. Wo die Demo stattfindet, steht nirgends. Allerdings ist der Flyer mit einem grossen Bild des Bundesplatzes illustriert.
Um die gleiche Zeit startet auf dem Falkenplatz eine Gegendemo. «Velo Ride gegen Rechts» heisst die Kundgebung in einem Aufruf auf dem Linksaktivisten-Portal Barrikade.info. Darin steht, mehrere rechtsradikale Gruppierungen hätten zur Corona-Demonstration aufgerufen. Wie bereits in der Vergangenheit beobachtet, würden diese an solchen Anlässen neue Mitglieder rekrutieren und versuchen, den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu verschieben. Das sei nicht tolerierbar, deshalb finde eine Velodemo dagegen statt.
Kaum mehr Zwischenfälle
In den letzten Wochen kam es in Bern nur noch vereinzelt zu kleineren unbewilligten Demonstrationen im Zusammenhang mit den Corona-Massnahmen – gegen die Maskenpflicht an den Schulen beispielsweise. An diesen Kundgebungen waren jeweils 300 bis 400 Personen beteiligt, teilweise waren Eltern mit ihren Kindern unterwegs. Der Berner Gemeinderat Reto Nause (Die Mitte) sagt, die letzten drei bis vier Corona-Demonstrationen seien ruhig verlaufen, zu gröberen Zwischenfällen sei es nicht mehr gekommen.
Die beiden anstehenden Demonstrationen vom Samstag seien unbewilligt, sagt Nause. Es sei schwierig, das Ausmass der Kundgebungen im Vorfeld einzuschätzen. «Immerhin ist die Gegendemo eine Velodemo, das tönt nicht sehr militant», sagt Nause. Es bestehe die Hoffnung, dass wie bei den letzten Kundgebungen auch am Samstag alles gesittet bleibe. Trotzdem sei die Stadt Bern auf die Demonstrationen vorbereitet. Denn: «Die Konstellation Demo – Gegendemo ist nie wirklich vielversprechend», sagt Nause.
Die Kantonspolizei Bern sagt auf Anfrage, sie habe Kenntnis von den verschiedenen Aufrufen und werde die Lage fortlaufend beobachten und entsprechend beurteilen.
(https://www.bernerzeitung.ch/massnahmenkritiker-und-ihre-gegner-rufen-zu-demos-auf-844263331075)
-> Aufruf Gegendemo: https://barrikade.info/article/4953
Neue Typen politischer Straftäter: Gefährder ohne Kategorie?
Die Szene der selbsternannten „Querdenker“ und Verschwörungsideologien stellt die Polizei zunehmend vor Herausforderungen – etwa bei der Einordnung von Straftaten und der Einstufung von Gefährdern.
https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/gefaehrder-kategorien-101.html
+++HISTORY
Entscheid von Ständerat-Kommission: Schweiz wird wohl Gedenkort für Nazi-Opfer bekommen
Nach dem Nationalrat und dem Bundesrat hat sich nun auch die Rechtskommission des Ständerats dafür ausgesprochen. Der Entscheid ist einstimmig ausgefallen.
https://www.derbund.ch/schweiz-wird-wohl-gedenkort-fuer-nazi-opfer-bekommen-679748137459
-> https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rk-s-2022-01-21.aspx
Bührle-Sammlung verschenken?
Die Debatte um die Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich wird nicht mehr nur politisch geführt – in tachles äussern nun jüdische Persönlichkeiten ihre Forderungen.
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/buehrle-sammlung-verschenken