Medienspiegel 10. Januar 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
(StopIsolation-Aktivist Saeed Farkhondeh & Familie haben endlich Papiere bekommen)
#stopisolation: Erfolge und Perspektiven | Interview mit Saeed Farkhondeh
https://www.facebook.com/watch/?ref=saved&v=1096679201081693


+++ZÜRICH
Vertrag gekündigt: Elgg betreut seine Flüchtlinge wieder selbst
Die Gemeinde hat die Zusammenarbeit mit der Asylorganisation Zürich aufgelöst. Eigene Mitarbeitende sollen diese Aufgaben übernehmen und beständigere Arbeit leisten.
https://www.landbote.ch/elgg-betreut-seine-fluechtlinge-wieder-selbst-381925451027


+++FRANKREICH
»Die Menschen werden regelrecht gejagt«
Geflüchtete in Nordfrankreich leben unter katastrophalen Bedingungen. Ihr Ziel ist Großbritannien. Ein Gespräch mit Lydia Jalil
https://www.jungewelt.de/artikel/418220.fehlende-humanit%C3%A4t-die-menschen-werden-regelrecht-gejagt.html


+++DÄNEMARK
spiegel.de 10.01.2022

Repressive Asylpolitik: Wie Dänemark Syrer in die Flucht treibt

Es ist eines der reichsten Länder der Welt – und doch fliehen immer mehr Syrer von Dänemark in andere EU-Staaten, wie Recherchen des SPIEGEL und seiner Partner zeigen. Die Regierung in Kopenhagen setzt gezielt auf Abschreckung.

Von Monika Bolliger, Mais Katt, Maximilian Popp und Lina Verschwele

Nabil Alkhatib wollte sich ausruhen, um zu seinem Gerichtstermin am nächsten Morgen nicht müde zu erscheinen. Der Termin sollte über sein Schicksal in Dänemark entscheiden.

Nun aber liegt der Syrer in Kopenhagen im Krankenhaus, an seinem Oberkörper kleben Kabel, die seinen Herzschlag messen. Er verzieht das Gesicht und sucht eine Liegeposition, die weniger schmerzhaft ist.

Bis vor einem Jahr sei es ihm noch gut gegangen, sagt Alkhatib, 53. Er hatte nach seiner Flucht aus Syrien in Dänemark Schutzstatus erhalten. Dort wollte er sich ein neues Leben gemeinsam mit seiner Frau Faten und den vier Kindern aufbauen. Dann aber entzogen ihm die dänischen Behörden die Aufenthaltsgenehmigung. Seitdem fürchtet Alkhatib, nach Syrien abgeschoben zu werden. Er leidet an Depressionen und Konzentrationsstörungen, seinen Job in einem Logistikbetrieb musste er aufgeben. Am Abend vor seiner letzten Anhörung vor Gericht brach er zusammen, seine Armmuskeln hatten sich verkrampft, offenbar stressbedingt.

Repressive Asylpolitik

Alkhatib ist Opfer einer Asylpolitik, die in Europa ohne Beispiel ist. Im Jahr 2019 entschied Dänemark, Syrer fortan wieder in ihre Heimat abzuschieben – obwohl Rückkehrern in Syrien nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen Folter und Hinrichtung drohen.

Bei 800 Geflüchteten haben die dänischen Behörden seither den Status überprüft, 106 wurde der Schutz bereits in letzter Instanz aberkannt, bei anderen wie Nabil Alkhatib läuft das Verfahren noch.

Zwar kann Dänemarks sozialdemokratische Regierung die Abschiebungen derzeit nicht durchführen, weil sie keine diplomatischen Beziehungen zum Regime von Diktator Baschar al-Assad unterhält. Sie sperrt die Abgewiesenen aber auf unbestimmte Zeit in Abschiebelager. Zudem verhandelt sie mit dem Kosovo darüber, Abschiebehäftlinge dort in Gefängnissen unterzubringen.

Dänemark ist eines der reichsten Länder der Welt. Und trotzdem führt Kopenhagens repressive Migrationspolitik dazu, dass Menschen aus dem Land fliehen. Mindestens 400 Syrerinnen und Syrer sind in den vergangenen Jahren aus Dänemark in andere EU-Staaten gezogen, die meisten nach Deutschland. Das zeigen gemeinsame Recherchen des SPIEGEL und der europäischen Medienpartner »Trouw«, »Le Vif«, »Knack«, »Sydsvenskan«, »Rozana« und »EU-Observer«, koordiniert von der Medienplattform Lighthouse Reports. Experten gehen davon aus, dass die Gesamtzahl der Fliehenden weit über 400 liegt, weil viele nicht in den Statistiken erfasst werden.

Auch die Familie Alkhatib fühlte sich in Dänemark nicht mehr sicher. Alkhatibs Ehefrau Faten lebt inzwischen mit ihren Kindern in Niedersachsen und hat hier Asyl beantragt. Nur er selbst blieb vorerst in Kopenhagen zurück, weil seine Reisedokumente abgelaufen waren.

Faten Alkhatib und ihre Tochter Yara schwärmen von Deutschland. »Entspannt« sei es hier, sagt Yara. Entspannter als in Dänemark, wo sie allein wegen ihres Kopftuchs angefeindet worden sei.

Yara Alkhatib, 20, besucht in Niedersachsen eine Berufsschule. Nach dem Abschluss will sie als Krankenschwester arbeiten. Sie hat ihren Führerschein gemacht und mit Kinderfilmen Deutsch gelernt. Ihre Mutter, die in Syrien eine Schule leitete, will Altenpflegerin werden. Ihr Bruder, der gerade für Amazon Pakete packt, träumt von einem Job als Physiotherapeut. »Wir arbeiten an uns«, sagt Yara Alkhatib.

Die Familie weiß trotzdem nicht, ob sie in Deutschland bleiben kann oder ob sie zurückmuss nach Dänemark oder – noch schlimmer – nach Syrien.

Europäischer Unterbietungswettbewerb

Denn einerseits sieht die sogenannte Dublin-Verordnung vor, dass Schutzsuchende lediglich in jenem EU-Land Asyl beantragen können, welches sie als Erstes offiziell betreten. Im Fall der Alkhatibs ist das Dänemark. Andererseits wirft die dänische Asylpraxis die Frage auf, ob das Land für Syrerinnen und Syrer wirklich noch sicher ist.

Das Bundesinnenministerium wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern. Das Berliner Verwaltungsgericht stoppte bereits in anderen Fällen eine Rückführung Schutzsuchender nach Dänemark. Insgesamt sollten seit 2019 nach dem Willen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 265 Syrerinnen und Syrer nach Dänemark zurückgebracht werden. Tatsächlich wurde aber nur in 45 Fällen die Entscheidung vollzogen.

Migrationsexperten kritisieren, dass Dänemark durch seine Asylpolitik Geflüchtete gezielt abschrecken wolle. In Europa habe ein Unterbietungswettbewerb eingesetzt, sagt David Kipp von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), einem Thinktank. Dänemark habe dabei eine Vorreiterrolle eingenommen, da das Land zwar im Rahmen der Dublin-Verordnung mit anderen EU-Staaten kooperiere, ansonsten wegen einer Klausel aber nicht direkt an die Regeln des europäischen Asylsystems gebunden sei.

Dänemarks »Ghettogesetz«

Dänemark hat neben der rigiden Abschiebepolitik im Jahr 2018 einen sogenannten Ghettoplan verabschiedet, der den Anteil »nicht westlicher« Bürgerinnen und Bürger in Stadtteilen auf 30 Prozent senken soll. Ein Gericht hat die ehemalige Integrationsministerin Inger Støjberg gerade erst zu 60 Tagen Haft verurteilt, weil sie 2016 syrische Paare illegal voneinander trennen ließ.

Auch Dänemarks Entscheidung, Teile Syriens zu einem sicheren Ort für Rückkehrer zu erklären, ist rechtlich äußerst umstritten. Die dänischen Behörden stützen sich auf Expertengutachten zu Syrien, geben diese jedoch verfälscht wieder. So besagen mehrere Berichte zwar, dass Angehörige von Militärdienstverweigerern in Syrien in der Regel in Ruhe gelassen werden. Aber das trifft nicht für jene zu, die ins Ausland geflohen sind und später nach Syrien zurückkehren.

Rückkehrer werden vom Assad-Regime oft als Verräter betrachtet. Amnesty International hat 66 Fälle von Geflüchteten dokumentiert, unter ihnen 13 Kinder, die in Syrien nach der Rückkehr Menschenrechtsverletzungen zum Opfer fielen. Fünf dieser Personen sind in Haft gestorben. 17 gelten seit ihrer Festnahme als vermisst. In manchen Fällen war der einzige Grund für eine Festnahme, dass es sich um eine Person aus einem Gebiet handelte, das früher von Rebellen kontrolliert wurde.

Die Alkhatibs wären in Syrien besonders gefährdet. Das Regime wirft ihnen vor, die Rebellen zu unterstützen. Sie haben in Dänemark an Demonstrationen gegen Assad teilgenommen. »Wir haben in Syrien kein Haus mehr«, sagt Yara Alkhatib. »Alles ist weg. Mein Cousin wurde getötet, und wir haben das gesehen.«

Wann das Verfahren gegen Nabil Alkhatib in Dänemark endet, ist offen. Der nächste Gerichtstermin steht aus. Wenn er den Prozess verliert, droht ihm ein ähnliches Schicksal wie Haitham Kurdi, einem weiteren Syrer, der aus seiner Heimat nach Dänemark geflohen ist.

Abschiebung aus Deutschland

Kurdis Aufenthaltsgenehmigung wurde von den dänischen Behörden im Jahr 2020 annulliert. Er reiste daraufhin weiter nach Deutschland, wo das Bamf und das Verwaltungsgericht Halle sein Asylgesuch mit dem Hinweis zurückwiesen, er habe bereits in einem anderen Schengen-Staat einen Schutzstatus beantragt.

Nach seiner Abschiebung aus Deutschland kam Kurdi in Dänemark in ein sogenanntes Rückkehrzentrum, das sein Anwalt Niels-Erik Hansen mit einem Gefängnis vergleicht. Verlassen darf man es nur zu bestimmten Zeiten, und um auswärts zu übernachten, braucht man eine Genehmigung. Sämtliche Geflüchtete, deren Aufenthaltsbewilligung in letzter Instanz abgelehnt wird, landen in einem dieser Zentren – sofern sie nicht auf das Angebot eingehen, gegen Geld freiwillig in ihre Heimat zurückzukehren.

»Es ist den Regierenden egal, ob diese Syrer nach Hause können oder nicht«, sagt der Jurist Hansen. »Solange sich die Nachricht verbreitet, dass Dänemark das schlimmste europäische Land für Flüchtlinge ist, reicht ihnen das.«
(https://www.spiegel.de/ausland/repressive-asylpolitik-wie-daenemark-syrer-in-die-flucht-treibt-a-5726a990-ca73-4eaf-b8a8-a84e7f24a8a5)


+++BALKANROUTE
Neues Flüchtlingscamp entschärft Situation an bosnischer Grenze
Nach wie vor schlafen jedoch Geflüchtete bei Minusgraden im Freien. Traiskirchen und Graz unterstützen die Stadt Bihać
https://www.derstandard.at/story/2000132396956/neues-fluechtlingscamp-entschaerft-situation-an-bosnischer-grenze?ref=rss


+++POLEN/EU/BELARUS
Polen: Ärzte ohne Grenzen zieht sich wegen Blockade von Hilfsorganisationen aus Grenzregion zurück
Nach dreimonatiger Blockade durch die polnischen Behörden hat Ärzte ohne Grenzen das Nothilfeteam aus der Grenzregion zwischen Polen und Belarus zurückgezogen. Das Team war entsandt worden, um Geflüchtete und Migrant:innen auf polnischer Seite zu unterstützen. Die polnischen Behörden hatten der Organisation mehrfach den Zugang zu dem Waldgebiet in der Grenzregion untersagt, in dem zahlreiche Menschen bei Minusgraden ausharren. Die Männer, Frauen und Kinder sind dringend auf medizinische und humanitäre Hilfe angewiesen.
https://www.msf.ch/de/neueste-beitraege/pressemitteilung/polen-aerzte-ohne-grenzen-zieht-sich-wegen-blockade-von


+++POLIZEI DE
Jährlich zwei Tote: Mehrere Länderpolizeien führen flächendeckend Taser ein
Mittlerweile schaffen vier Bundesländer Elektroimpulswaffen auch für den Streifendienst an. Die rechtskonservative Polizeigewerkschaft DPolG erklärt sich zur Strippenzieherin und wird von einem Hersteller gesponsert. Ob die Beamt:innen mit den neuen Waffen wie behauptet weniger Gewalt anwenden, ist fraglich.
https://netzpolitik.org/2022/jaehrlich-zwei-tote-mehrere-laenderpolizeien-fuehren-flaechendeckend-taser-ein/


+++EUROPOL
EU-Datenschützer: Europol muss Daten Unverdächtiger nach sechs Monaten löschen
Der EU-Datenschutzbeauftragte rügte vor anderthalb Jahren, dass Europol für Big-Data-Analysen zu viele Informationen sammelt. Nun folgt eine konkrete Anweisung.
https://www.heise.de/news/EU-Datenschuetzer-Europol-muss-Daten-Unverdaechtiger-nach-sechs-Monaten-loeschen-6321967.html


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Ganz geräumt in Calais, fast geschafft in der Schweiz, kaum zu glauben in der Türkei
https://antira.org/2022/01/10/ganz-geraeumt-in-calais-fast-geschafft-in-der-schweiz-kaum-zu-glauben-in-der-tuerkei/


Umweltrassismus in Deutschland: Sinti-Siedlung neben Müllhalde
Umweltrassismus ist in Deutschland nahezu unerforscht. Eine Untersuchung zeigt nun, wie verbreitet das Phänomen tatsächlich ist.
https://taz.de/Umweltrassismus-in-Deutschland/!5823791/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Verein der Massnahmengegner – Grossangriff von «Aufrecht Schweiz» bei den Wahlen bleibt aus
In Nid- und Obwalden sowie in Bern tritt der Verein «Aufrecht Schweiz» zwar auf. Es konnten aber nicht sehr viele Kandierende gewonnen werden.
https://www.srf.ch/news/schweiz/verein-der-massnahmengegner-grossangriff-von-aufrecht-schweiz-bei-den-wahlen-bleibt-aus


Kolumne «Abgeklärt & aufgeklärt» über einen falschen Begriff: Warum es keine Verschwörungstheorien gibt
Die Illuminaten haben die Französische Revolution angezettelt, und Bill Gates steckt hinter der Corona-Pandemie – wer das glaubt, muss nicht weiterlesen. Denn es geht um Einsichten, nicht um geheime Absichten.
https://www.blick.ch/meinung/kolumnen/kolumne-abgeklaert-aufgeklaert-ueber-einen-falschen-begriff-warum-es-keine-verschwoerungstheorien-gibt-id17131242.html


Wie der Holocaust relativiert wird
Impfgegner demonstrieren mit Judensternen, Aktivisten sprechen vom “Klima-Holocaust”, Tierschützer vergleichen Massentierhaltung mit Konzentrationslagern. Die Amadeu Antonio Stiftung und andere Verbände warnen vor “Holocaust-Distortion”.
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/holocaustdistortion100.html


Schwurbeldemo Bern:
-> https://weltwoche.ch/daily/live-vom-berner-bundesplatz-junge-muetter-wehren-sich-gegen-die-masken-pflicht-fuer-erstklaessler-caroline-und-denise-kritisieren-berns-svp-gesundheitsdirektor-pierre-alain-schnegg/


Schwurbeldemo Aargau:
-> https://www.telem1.ch/aktuell/eltern-demonstrieren-gegen-maskenpflicht-an-primarschulen-145037887


Coronavirus: Lehrerverband wehrt sich gegen Masken-Gegner-Eltern
Seit heute gilt an den Aargauer Schulen eine Maskentragpflicht wegen des Coronavirus. Doch Lehrer werden von aggressiven Skeptiker-Eltern unter Druck gesetzt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-lehrerverband-wehrt-sich-gegen-masken-gegner-eltern-66082712
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/schulbeginn-lehrerverband-zum-schulstart-mit-maskenpflicht-eltern-setzen-lehrpersonen-und-schulleitungen-aggressiv-unter-druck-ld.2236682


Schwurbeldemo Schaffhausen:
-> https://www.shn.ch/region/stadt/2022-01-10/gegen-bestimmungen-friedensmarsch-in-schaffhausen


+++HISTORY
Heiße Nadel, heißes Eisen
Gegen koloniale Logiken: Die Ausstellung »Benin. Geraubte Geschichte« ist eine Reaktion auf Forderungen nach Sichtbarmachung
https://www.jungewelt.de/artikel/418264.raubkunst-hei%C3%9Fe-nadel-hei%C3%9Fes-eisen.html