Medienspiegel 29. Dezember 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++ST.GALLEN
Gewollte Perspektivlosigkeit
Ein Hilferuf aus einem Nothilfecamp in St.Gallen erreichte das Migrant Solidarity Network. Die Menschen leben dort am untersten Rand des Existenzminimums, abgeschottet vom Rest der Gesellschaft. Eine menschenverachtende Strategie seitens der Politik, die vom St.Galler Regierungsrat Fredy Fässler (SP) gestützt wird.
https://www.vorwaerts.ch/inland/gewollte-perspektivlosigkeit/


+++MITTELMEER
Seenotrettung per Satellit: Leben retten mit Daten
Im Mittelmeer ertrinken jedes Jahr hunderte Menschen auf der Flucht. Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen möchte das ändern.
https://taz.de/Seenotrettung-per-Satellit/!5824547/


Zwei Migranten sterben bei Bootsunfall vor türkischer Küste
Vor der türkischen Küste ereignete sich am Dienstag ein Bootsunfall. Dabei kamen zwei Migranten ums Leben, die restlichen 24 Personen wurden gerettet.
https://www.nau.ch/news/ausland/zwei-migranten-sterben-bei-bootsunfall-vor-turkischer-kuste-66075908


„Sie fangen dich auf dem Meer, sie misshandeln dich.“
An Bord der SEA-EYE 4 erzählte Monique unserem Crewmitglied Fiona kurz vor Weihnachten ihre erschütternde Geschichte. Sie gibt uns einen Einblick in das Schicksal der jungen Frau, die Gefahren auf der Flucht sowie die Hölle in Libyen.
https://sea-eye.org/sie-fangen-dich-auf-dem-meer-sie-misshandeln-dich/


+++FREIRÄUME
Wundertüte zwischen zwei Buchdeckeln
Für das Buch über die Alte Feuerwehr Viktoria wurde mehr als zwei Jahre recherchiert, gestaltet, fotografiert und geschrieben. Entstanden ist eine kreative Chronik – von der Feuerwehr zur heutigen Nutzung.
https://journal-b.ch/artikel/wundertuete-zwischen-zwei-buchdeckeln/


+++GASSE
Die «Schweizer Tafel»: Seit 20 Jahren für Bedürftige unterwegs
Foodwaste bekämpfen und gleichzeitig Bedürftige unterstützen – so funktioniert die Stiftung «Schweizer Tafel». So werden allein in der Zentralschweiz täglich mehrere Tonnen Frischprodukte von Detaillisten und Grossverteilern an verschiedene Institutionen verteilt – auch über die Festtage.  (ab 05:54)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/die-schweizer-tafel-seit-20-jahren-fuer-beduerftige-unterwegs?id=12115472


Schlägerei in Notfallstelle und Besuch unter der Brücke: Sie retten Obdachlose vor dem Kälte-Tod
Sie leben unter uns – und sind doch unsichtbar. Das Rechercheformat «Undercover» beleuchtet in der neuen Staffel das Leben von Obdachlosen in der Schweiz. Blick TV hat Mitarbeiterinnen der Sozialarbeit Sip in Zürich bei ihrer Arbeit begleitet.
https://www.blick.ch/schweiz/schlaegerei-in-notfallstelle-und-hausbesuch-unter-der-bruecke-eine-nacht-unterwegs-mit-sozialarbeitern-bei-obdachlosen-id17099097.html


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
„In Bern gab es gestern auch eine Kundgebung für die Freilassung der politischen Gefangenen in der Türkei. Die Türkei lässt kranke Gefangene im Knast sterben, ein weiteres Instrument ihrer Folterpolitik. #FreeAllPoliticalPrisoners“
(https://twitter.com/gegen_oben/status/1476166036491808769)


+++KNAST
«Gefängnisdirektorin stand nicht auf meinen Job-Wunsch-Zettel»
Sie ist seit März 2021 Direktorin der Strafanstalt Saxerriet im Kanton St. Gallen: Barbara Looser. Die 50-Jährige setzt sich für die Resozialisierung von Straftätern ein, ist massgeblich an der Entwicklung eines Lernprogramms beteiligt und war Gast bei uns im Regionaljournal-Studio. (ab 05: 03)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/gefaengnisdirektorin-stand-nicht-auf-meinen-job-wunsch-zettel?id=12115502


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Wollte Massnahmen nicht tragen: Berner Skeptiker-Schulleiter muss Posten im Sommer räumen
Ein Schulleiter aus dem Kanton Bern machte seiner Kritik an den Massnahmen gegen das Coronavirus Luft. Nun muss er abtreten.
https://www.blick.ch/schweiz/bern/wollte-massnahmen-nicht-tragen-berner-skeptiker-schulleiter-muss-posten-im-sommer-raeumen-id17104840.html


Roger Köppel versteht Gerichtsurteil gegen Xavier Naidoo nicht – wir helfen nach
Aus dem sonnigen Davos spricht am 24. Dezember Roger Köppel zu seinen Leserinnen und Lesern. Im gut 20-minütigen «Weltwoche Daily»-Beitrag macht sich der SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Chefredakteur unter anderem Gedanken über den deutschen Sänger Xavier Naidoo.
https://www.watson.ch/schweiz/svp/598394194-roger-koeppel-versteht-gerichtsurteil-gegen-xavier-naidoo-nicht


Schrapnell in mRNA-Impfung: Twitter sperrt Zürcher Professor wegen Corona-Skeptiker-Theorie
Der Zürcher Professor Martin Janssen (73) verbreitete immer wieder Verschwörungsthreorien zu Corona auf Twitter. Nun wurde sein Konto gesperrt.
https://www.blick.ch/schweiz/schrapnell-in-mrna-impfung-twitter-sperrt-zuercher-professor-wegen-corona-skeptiker-theorie-id17105642.html


+++HISTORY
Wüster Streit um Doktorarbeit: Universität Zürich droht Professorin mit rechtlichen Schritten
Der Grossvater von Universitätsprofessorin Henriette Haas engagierte sich für Rassenhygiene. Nun ist ihr Kampf um seinen Ruf eskaliert.
https://www.beobachter.ch/gesellschaft/wuster-streit-um-doktorarbeit-universitat-zurich-droht-professorin-mit-rechtlichen



luzernerzeitung.ch 29.12.21

Mit Druck und Tempo unterwegs: Mario Gattiker tritt als oberster Asylchef Ende Monat ab

Mario Gattiker tritt als oberster Asylchef Ende Monat ab. Doch der Bundesrat will nicht auf seine Talente verzichten und betraut ihn mit neuen Aufgaben im EU-Dossier.

Nina Fargahi

Grau ist die Farbe an diesem gewöhnlichen Dienstagvormittag, an dem der Staatssekretär Mario Gattiker die Presse ein letztes Mal zu einer Medienkonferenz einlädt. Er trägt einen grauen Anzug, graue Haare und sitzt an einem grauen Pult. Nur eine Handvoll Medienschaffende hat den Weg in das graue SEM-Gebäude in Wabern bei Bern gefunden. Doch so grau ist Gattiker eigentlich nicht. Der Migrationschef tritt nach 36 Jahren Arbeit im Asyl- und Migrationsbereich auf Ende Jahr ab. Die letzten zehn Jahre hat er als Direktor das Staatssekretariat für Migration (SEM) geleitet. «Lehrreich, spannend, herausfordernd» sei die Zeit gewesen, sagt er den Medien.

Gattiker illustriert seine Arbeit anhand verschiedener Zahlen. Seit 2011 hat das SEM mehr als 230’000 Asylgesuche bearbeitet und 130’000 Mal Asyl oder eine vorläufige Aufnahme gewährt. Millionen von Aufenthalts- und Grenzgängerbewilligungen wurden erteilt, 6’000 Resettlement-Flüchtlinge aufgenommen. Gattiker folgert daraus: «Die Schweiz ist ein erfolgreiches Einwanderungsland.»

Vor dem Seitenwechsel

Aufgewachsen ist Gattiker in Bern. Seine Mutter kümmerte sich als Pflegende nach dem Zweiten Weltkrieg um KZ-Überlebende, engagierte sich für Menschenrechte und bekämpfte in den 1960er-Jahren die Schwarzenbach-Initiative. Nach seinem Jura-Studium reist Gattiker nach Nordafrika, wo der Westsaharakonflikt tobt. Gattiker sieht die Flüchtlingscamps und will helfen. Zurück in der Schweiz engagiert er sich in Hilfswerken und wird Rechtsberater für Asylsuchende. Später leitet er den Rechtsdienst des Hilfswerks Caritas. Vielleicht hatte er deshalb während seines Amts als Migrationschef stets ein offenes Ohr für die Anliegen von Nicht-Regierungsorganisationen und tauschte sich regelmässig mit Organisationen aus, wie zum Beispiel mit der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH).

Erst im Jahr 2001 vollzieht Gattiker einen Seitenwechsel und steigt als Jurist beim Bund ein. Bald übernimmt er die Leitung des Sekretariats der Eidgenössischen Ausländer­kommission und wird Chef der damals neu geschaffenen Sektion Integration im Bundesamt für Ausländerfragen. 2012 steigt er auf, wird Direktor des Bundesamtes für Migration, ab 2015 dann Staatssekretär des neu gegründeten SEM. Er hat in den letzten 20 Jahren im EJPD mit vier Bundesrätinnen und einem Bundesrat zusammengearbeitet. Blocher sei schwierig gewesen, Widmer-Schlumpf ebenfalls, sagt der Chefbeamte an seinem Abschieds-Apéro mit einem Thonbrötli in der Hand. Doch seine Haltung sei gegenüber allen vier Magistraten stets die gleiche gewesen: Loyal. Gattiker, der Staatsdiener. Ein Beamter, wie ihn sich jeder Departementsvorsteher wünscht. Ein Schaffer, der politisch nicht aneckt und sowohl leise als auch erfolgreich grosse Reformen durchführt.

Mit Druck und Tempo unterwegs

Als Gattiker das Staatssekretariat übernahm, war das Departement in der Krise. Die Reorganisation seines Vorgängers lag in Scherben, es kam zu vielen Abgängen und grossem Chaos. Gattiker räumte auf. Im März 2019 führte er die neuen Asylverfahren ein. Kurz darauf erlitt er einen Herzinfarkt, stand nach einer kurzen Auszeit aber wieder auf der Matte. Viele werten die neuen Asylverfahren als grössten Erfolg von Gattiker. Erstmals wurde Asylsuchenden unentgeltlich und automatisch eine Rechtsvertretung zur Seite gestellt. Sogar seine schärfsten Kritiker sprechen von einer einzigartigen Errungenschaft. Gleichzeitig aber monieren Flüchtlingsorganisationen, dass durch Druck und Tempo die Qualität der Entscheide teilweise unter das akzeptable Niveau falle und es immer wieder zu Fehlurteilen komme. So musste jüngst das Bundesverwaltungsgericht zahlreiche grobe Fehlentscheide des SEM korrigieren. Gattiker gelobte Besserung. Dennoch stellte das Kompetenzzentrum für Menschenrechte in der Evaluation bei dreissig Prozent der Verfahren grobe Mängel fest. Ein schlechtes Resultat gemäss der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Gattiker selbst räumt gegenüber SRF ein, das SEM sei «eine lernfähige Organisation». Von einem Staatssekretariat von dieser Grösse – es arbeiten fast 1300 Personen beim SEM – und dieser Wichtigkeit wäre indes zu erwarten, dass es keiner Lektionen mehr zu Lasten von Schutzsuchenden bedürfte. Der grosse Aufschrei blieb aus, dank Gattiker.

Er hatte stets ein ausgezeichnetes Gespür dafür, das SEM zwischen den zahlreichen politischen und rechtlichen Hindernissen hindurch zu manövrieren. Etwas, was seinem Vorgänger Eduard Gnesa nicht in dieser Brillanz gelungen ist. Seine Kredibilität als einstiger Flüchtlingshelfer dürfte ihm dabei geholfen haben.

Ein Hardliner

Wer nun denkt, Gattiker habe eine sanfte und offene Migrationspolitik verfolgt, der irrt. In bestimmten Menschenrechtskreisen gilt er als Hardliner. So hat das SEM unter seiner Leitung 2013 eine tamilische Familie nach Sri Lanka zurückgeschafft. Der Vater wurde gleich nach der Ankunft verhaftet und misshandelt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilte die Schweiz wegen Verletzung des Folterverbots. Und als die Aargauer Gemeinde Bremgarten den Zugang zum Freibad für Asylsuchende verbieten wollte, erhielt sie Unterstützung von Gattiker. Menschenrechtsanwälte kritisieren, dass Gattiker in seiner Funktion die viel beschworene humanitäre Tradition der Schweiz mehr hätte zur Geltung bringen, die Spielräume zugunsten von Schutzsuchenden nutzen können.

In Bundesbern wird Gattiker als pragmatisch beschrieben, nüchtern, streng, bewahrend. Ein Technokrat ohne eigene Haltung sei er, sagen die einen. Ein zuverlässiger Beamter mit hoher Fachkompetenz, sagen die anderen.

In akademischen Kreisen geniesst Gattiker einen guten Ruf. Er hat die Grundlagen geliefert für das Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren, das zu einem Standardwerk in der Migrationsforschung gehört. Kürzlich hat ihm die Universität Fribourg einen Ehrendoktortitel verliehen für «seine vertiefte Expertise und seinem ausgeprägten Sensorium für die grosse Bedeutung des demokratischen Rechtsstaats», wie es heisst. Das führte zu Kritik. Als Gattiker zwei Wochen später einen Vortrag an der Universität Fribourg halten wollte, musste die Polizei aufgeboten werden. Zwei protestierende Studierende wurden kurzzeitig verhaftet.

Ruhestand? Von wegen..

Und was macht Gattiker jetzt im Ruhestand? Ans Filmfestival Locarno oder nach Südspanien in die Ferien reisen, wie er das zu tun pflegt? Schach spielen, mehr Zeit mit seinen vier Söhnen verbringen? Er, der sagt, dass es ihm in all den 36 Jahren «keine Sekunde langweilig» geworden sei. Er kann es nicht lassen: Er gründet «ein kleines Berater-Büro» mit seinen Freunden Alberto Achermann und Eduard Gnesa, ebenfalls bekannte Namen aus dem Migrations- und Asylbereich. Wer noch mit an Bord ist, bleibt vorerst geheim. Wen er beraten wird, ebenfalls. Zudem soll Gattiker neue Aufgaben im Europa-Dossier übernehmen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat ihn für eine neue Aufgabe ins Spiel gebracht. Gattiker soll ausloten, welche Anpassungen des Schweizer Rechts an EU-Recht innenpolitisch mehrheitsfähig sein könnten. Denn auch die Bundesrätin hat verstanden, was viele über Gattiker sagen: Dass er die Begabung hat, Allianzen zu schmieden sowie harte Entscheide und grosse Reformen ohne viel Aufsehen umzusetzen. Dabei hat er sämtliche Akteure wie Gemeinden, Kantone, Organisationen und die Bevölkerung in die Entscheidungsprozesse miteingebunden, «nicht nur miteinbezogen», wie er selbst sagt.

Gattiker soll sich also erneut mit der Unionsbürgerrichtlinie im EU-Dossier befassen. Gemütlich wird der Ruhestand nicht. Denn Streit ist vorprogrammiert:das Schweizer Parlament und die EU haben sich in diesem Punkt weit voneinander entfernt.

Im SEM übernimmt derweil mit Christine Schraner Burgener eine Diplomatin das Ruder. Sie soll Migrationsabkommen- und partnerschaften aushandeln, um Rückführungen und Ausschaffungen von Personen mit abgelehnten Asylgesuchen einfacher und effizienter zu gestalten. Damit führt sie das Erbe von Gattiker weiter.
(https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/portraet-mit-druck-und-tempo-unterwegs-mario-gattiker-tritt-als-oberster-asylchef-ende-monat-ab-ld.2231958)