Abschiebung vor Prozessende, 27 Tote im Ärmelkanal, 50.000 Franken am antirassistischen Black Friday

Antirassistischer Rückblick auf eine Woche voller Rassismus

  • Polizeirassismus: Mehdi wird noch vor Prozessende abgeschoben
  • Mindestens 27 Menschen sterben bei Bootsunglück im Ärmelkanal
  • Elfenbeinküste: Ausschaffungen für geflüchtete Menschen und Visumsbefreiung für Diplomat*innen
  • Dem UNHCR fallen Probleme des schweizer Asylregimes auf
  • Genf: Antifaschist*innen gegen Eric Zemmour auf der Strasse
  • Frankfurt: Drei Autos der Grauen Wölfe angezündet
  • Antirassistische Black Friday Aktion sammelt 50 000 Franken für Halbtaxabos
  • Petition gegen automatische Gesichtserkennung
  • Druck auf die griechische Regierung ausüben

Was ist neu?

Polizeirassismus: Mehdi wird noch vor Prozessende abgeschoben

Mehdi wurde im Juni in Bern Opfer von rassistischer Polizeigewalt. Statt Mehdi zu unterstützen, damit er sich juristisch gegen die Polizei wehren kann, liess der Berner Migrationsdienst den abgewiesenen Asylsuchenden gestern nach Deutschland abschieben. Dabei ist sein Prozess gegen die gewalttätigen Polizist*innen noch am laufen.

Bild: An mehreren Demos wurde für Gerechtigkeit, Freiheit und ein Bleiberecht für Mehdi protestiert.

„Die Behörden schützen sich gegenseitig“ kritisiert das Migrant Solidarity Network den Berner Migrationsdienst, der die Abschiebung organisiert hat, in einer Stellungnahme: „Am 11. Juni 2021 erlebte Mehdi während einer rassistischen Personenkontrolle brutale Polizeigewalt. Polizist*innen hielten ihn am Boden fest, schlugen ihn und drückten ihm längere Zeit mit dem Knie auf den Hals. Mehdi konnte nicht mehr atmen. Später verlor er das Bewusstsein und wurde reglos in einen Polizeitransporter geworfen. Die Kontrolle endete für ihn mit einem gebrochen Arm und einem gebrochenen kleinen Finger. Weil Journalist*innen den Übergriff zufällig beobachtet und photographiert haben, gab es ein mediales Interesse und die gewaltvolle Polizeiaktion wurde in der Öffentlichkeit disskutiert. Die Journalist*innen verfassten zwar Artikel, veröffentlichten Fotos der verstörenden Gewaltszene und besuchten Mehdi im Gefängnis für ein Interview. Juristisch verzichteten die Journalist*innen jedoch darauf, die Polizei anzuzeigen. Dies mit der Begründung, nicht als Partei in einem Verfahren auftreten zu wollen. Zum Einen wäre dies aber nicht notwendig gewesen, da sie im Prozess als Privatpersonen hätten auftreten können und zum Anderen stellt sich die Frage, ob die Journalist*innen auch auf eine Anzeige verzichtet hätten, wenn es sich bei den Täter*innen NICHT um die Polizei handeln würde. Wo ist da die Gerechtigkeit für Mehdi? Amtsmissbrauch muss Konsequenzen haben – auch in der Polizeiarbeit.
Der Berner Migrationsdienst nutzte seinen Handlungsspielraum gegen Mehdi und für die Polizei. In körperlich schlechtem Zustand wurde Mehdi unmittelbar nach dem Übergriff in Moutier in Ausschaffungshaft genommen. Die Behörden isolierten ihn nicht nur vom sozialen Umfeld, sondern erschwerten ihm auch den Zugang zu Rechtsvertretenden sowie psychologischer und medizinischer Unterstützung. Mehdis psychischer Zustand hat sich seit dem Übergriff und der langen Zeit in Haft dermassen verschlechtert, dass er versuchte, sich das Leben zu nehmen. Die dringend notwendige psychologische Untersützung blieben ihm in den 6 Monaten in Haft verwehrt und sein gebrochener Arm wurde ausschliesslich mit Medikamenten behandelt. Diese ungerechte Behandlung gipfelte gestern in seiner Abschiebung. Weil Mehdi in Deutschland bereits Asyl beantragt hatte, entschloss sich der Berner Migrationsdienst, die Möglichkeit einer Dublin-Abschiebungen zu nutzen. So verhindert er, dass sich Mehdi vor Gericht wirksam gegen rassistische Polizeigewalt wehren kann. Mehdi wurde am 25.11.2021, angeordnet durch den Migrationsdienst, von der Polizei an der Grenze von der Schweiz zu Deutschland aus seiner 6-monatigen Haft entlassen. Ohne Geld, ohne Winterjacke – überhaupt ohne Nichts. In Deutschland droht Mehdi die Abschiebung nach Marokko. Dies nachdem Mehdi das Mittelmeer mit einem Boot überquert und sein Leben riskiert hat, um Marokko zu verlassen.
Für Menschen wie Mehdi, Menschen aus dem Globalen Süden, gelten keine Rechte. Mehdi hat auf der Strasse gelebt und nichts bessesen. Und trotz all dem, ist es der Polizei und der Behörden gelungen, ihn noch mehr zu entrechten. Mehdi bleibt kein Recht auf Rechte! Das Migrant Solidarity Network verurteilt, dass das geltende (Un-)Recht in der Schweiz und die ausführende Instanzen vorwiegend weisse, privilegierte Menschen mit Aufenthaltspapieren – namentlich die Polizei – schützt. Mehdis Erfahrung zeigt, wie ein rassistischer Apparat schutzsuchende Menschen in unwürdige Lebensbedingungen bringt, ihre Existenz illegalisiert und somit kriminalisiert und sie entrechtet. Wir – Freund*innen von Mehdi, BIPoC und weisse Menschen, geflüchtete oder in der Schweiz aufgewachsene Menschen – haben die Verantwortung hinzusehen, zu handeln und rassistische Diskriminierungen aller Art – durch die Polizei, das Recht und den Staat sowie in der Gesellschaft – nicht länger zu akzeptieren. Ein Angriff auf eine*n von uns ist ein Angriff auf alle von uns.“
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/11/26/polizeigewalt-mehdi-wird-noch-vor-prozessende-abgeschoben/https://www.derbund.ch/erst-das-knie-am-hals-jetzt-nach-deutschland-ausgeschafft-292515491168

Mindestens 27 Menschen sterben bei Bootsunglück im Ärmelkanal

Am Mittwoch, den 24. November, geriet ein Schlauchboot auf der Überfahrt von Frankreich nach Grossbritannien in Seenot. Obwohl ein Fischerboot einen Notruf entsandte und daraufhin Rettungsschiffe und Hubschrauber ausgesandt wurden, starben mindestens 27 Menschen. Weitere befinden sich nach wie vor in Lebensgefahr.

In diesem Jahr haben bereits mehr als 25.700 Menschen den Ärmelkanal überquert. Das sind mehr als dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2020. Grund dafür ist unter anderem die Pandemie: Viele, die früher in Lastwagen die Überfahrt versuchten, weichen jetzt auf den Ärmelkanal aus.
Die Reaktion der französischen und englischen Regierung war – wie zu erwarten – ekelhaft: Die gesamte Verantwortung wird sog. Schleppern zugeschrieben. Boris Johnson zieht aus dem Bootsunglück folgenden Schluss: «Dies zeigt, dass die Banden, die Menschen in diesen gefährlichen Gefährten aufs Meer schicken, sich von nichts stoppen lassen».
Der Innen-Staatssekretär Grossbritanniens lobt die «gute Arbeit Frankreichs» – sie haben über 20’000 Überfahrten verhindert, Schmuggler verhaftet und sog. «kriminelle Netzwerke» zerschlagen.
Von Politiker*innen beider Länder wird gefordert, dass Grossbritannien und Frankreich dafür stärker zusammenarbeiten müssen, dies jedoch auch ein «internationales Problem» sei. Der französische Innenminister Gérald Darmanin reagiert folgendermassen: «Ich habe Frontex selbst kontaktiert (…) und gebeten, sich um Nordeuropa zu kümmern».
Dabei wird die Nordküste Frankreichs bereits heute verstärkt kontrolliert: 780 Polizist*innen sind an der Küste stationiert. London zahlte vergangenen Jahr über 60 Millionen Euro an Frankreich für den Grenzschutz und will nun zusätzlich eigene Beamt*innen schicken.
Dass die Zahl der Menschen, die versuchen, den Ärmelkanal per Boot zu überqueren, sich im vergangenen Jahr erhöht hat, zeigt, dass keine restriktiven Massnahmen Überfahrten verhindern werden. Die französischen und britischen Politiker*innen hätten längst darauf kommen können, dass das Problem nicht bei sog. Schleppern liegt. Um zu verhindern, dass der Ärmelkanal zum Friedhof wird – wie es verschiedene Politiker*innen den Medien gegenüber schön formulierten – bedarf es eines anderen Ansatzes: sichere Fluchtrouten, das Ende des kolonialen, rassistischen und ausbeuterischen Systems.
Eine Frage, die sich angesichts der betroffenen Worte, die französische Innenminister und britische Staatssekretäre nach dem Bootsunglück in die Kamera sprechen, einmal mehr aufkommt: Wie können Politiker*innen eine menschenverachtende Asylpolitik verfolgen, dessen direkte Konsequenz ebendiese Unglücke sind, und sich gleichzeitig angesichts der Tode auf dem Ärmelkanal dann betroffen zeigen? Andere Reaktionen fanden sich zwischenzeitlich in Calais, wo zahlreiche Personen aus der Zivilgesellschaft eine Mahnwache für die Gestorbenen abhielten.
https://www.srf.ch/news/international/migration-ueber-aermelkanal-macron-und-johnson-wollen-bootsungluecke-im-aermelkanal-verhindernhttps://www.derstandard.at/story/2000131420971/frankreich-und-grossbritannien-geben-sich-die-schuld-an-tod-von?ref=rss
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-11/migranten-tod-aermelkanal-schuld-macron-johnsonhttps://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/darmanin-fordert-aermelkanal-ueberwachung-durch-frontex-17453145.html
https://www.derstandard.at/story/2000131415539/mehr-als-20-tote-bei-untergang-von-boot-mit-migranten?ref=rss
https://www.spiegel.de/panorama/calais-mehrere-menschen-sterben-bei-bootsunglueck-im-aermelkanal-a-8edb4f0d-b217-4558-8d41-50b6d57556e7
https://www.tagesanzeiger.ch/mindestens-20-tote-bei-kentern-von-fluechtlingsboot-im-aermelkanal-961196275277
https://www.republik.ch/2021/11/26/deutsche-koalition-steht-in-den-nieder-landen-eskalieren-corona-demos-und-die-tuerkische-waehrung-zerfaellt

Was geht ab beim Staat?

Elfenbeinküste: Ausschaffungen für geflüchtete Menschen und Visumsbefreiung für Diplomat*innen

Die Formulierung ist wie immer bei den Länderabkommen luftig: Es sei eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Côte d’Ivoire im Migrationsbereich. So der Wortlaut der Medienmitteilung des SEM anlässlich des Treffens des ivorischen Innen- und Sicherheitsministers Vagondo Diomandé mit Bundesrätin Keller-Suter in Bern.

Erstens „hilft“ das Staatssekretariat für Migration den ivorischen Behörden bei der Steuerung der Migration (wohl nicht nach Europa) und bei der Bekämpfung des Menschenhandels. Zweitens wird für Diplomat*innen die Visumpflicht aufgehoben. Drittens die Zusammenarbeit im sog. Rückübernahmebereich: Die Verfahren zur Identifizierung und zur Rückübernahme von laut SEM ‚irregulärer‘ Migrant*innen in der Schweiz aus Côte d’Ivoire werden formalisiert und damit effizienter. Die Zusammenarbeit richtet sich vor allem gegen Menschen auf der Flucht und Migrant*innen aus Côte Ivoire. Das Zückerchen geht an Diplomat*innen. Ein weiterer Deal zur Verhinderung von Flucht, mehr Gewalt und noch mehr Rechte für die Reichen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-86117.html

Was ist aufgefallen?

Dem UNHCR fallen Probleme des schweizer Asylregimes auf

Weil die Genfer Flüchtlingskonvention den 70-jährigen Geburtstag feierte, hat das schweizer UNHCR eine Studie zur Umsetzung des Flüchtlingsbegriffs in der Schweiz in Auftrag gegeben. Das Asylregime ist nicht nur zu strikt, sondern auch hetero-sexistisch.
Die Studie kommt zum nicht sehr erstaulichen Schluss, in der Schweiz herrsche eine „sehr restriktive Auslegung des Flüchtlingsbegriffs im Zusammenhang mit Gruppen, die einem Bürgerkrieg entfliehen und leider meistens keinen Flüchtlingsstatus erhalten“. Das UNHCR hätte nicht 70 Jahre warten müssen, um dies festzustellen.
So viele Menschen, die aus Afghanistan oder Syrienflohen, erhalten in der Schweiz nur Stress statt Schutz. Wenn in Bürgerkriegsstaaten ganze Gruppen von Menschen verfolgt werden, weil sie der gegnerischen Seite angehören oder dessen verdächtigt werden, erhalten sie in der Schweiz noch kein Asyl. Absurderweise müssen sie den Behörden glaubhaft machen können, dass sie als Person individuell, gezielt als Teil einer Gruppe verfolgt wurden, sonst erhalten sie in der Schweiz kein Asyl. Das UNHCR versucht die SEM-Logik so zu erklären: „Beispielsweise wurde das Haus einer syrischen Familie von der Regierung oder einem anderen Akteur bombardiert, weil dort Anhänger der gegnerischen Seite vermutet wurden. Da die Betroffenen jedoch keine gezielte Verfolgung belegen können, erhalten sie in der Schweiz regelmässig nur eine F-Bewilligung“ Menschen mit F-Bewilligung werden in der Schweiz aber strukturell-rassistisch diskriminiert oder in den UNHCR-Worten: „Diese Menschen haben einfach nicht die gleichen Chancen, sich zu integrieren“. Vor allem müssen sie das Land verlassen, sobald die Behörden finden, die Situation im Herkunftsstaat sei wieder zumutbar.
Das UNHCR kritisiert die offizielle Schweiz auch für ihre „enge Interpretation des Flüchtlingsbegriffs bei Personen, die einer bestimmten sozialen Gruppe angehören, wie beispielsweise Kinder, Personen die sexuelle Gewalt erlitten haben, oder LGBTIQ-Personen. Zwar wurden in dieser Hinsicht auf gesetzlicher Ebene Fortschritte erzielt, insbesondere im Hinblick auf Frauen, doch die Praxis bleibt in Bezug auf andere Gruppen nach wie vor sehr restriktiv“.
UNHCR-Studie: https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2021/11/20211117-UNHCR-Schweiz-Studie-Art.-1-GFK.pdf
UNHCR-Kritik am F-Ausweis: https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/09/CH_Fact-Sheet-UNHCR-vorl%C3%A4ufige-Aufnahme.pdf
https://www.unhcr.org/dach/ch-de/71267-weitgehende-einhaltung-der-genfer-fluchtlingskonvention-in-der-schweiz-trotz-einer-sehr-restriktiven-auslegung-des-fluchtlingsbegriffs.html?fbclid=IwAR3N3VxS76cOLswWg2GQwiduipnuwaAOaewN2XrTGezM9mDMCGDTTEBZZNU

Wo gab es Widerstand?

Genf: Antifaschist*innen gegen Eric Zemmour auf der Strasse

Um gegen den gegen den Auftritt des rechten Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour zu protestieren, gingen in Genf mehr als 2’000 Menschen auf die Strasse. Eric Zemmour wurde von der lokalen reaktionären Bourgeoisie nach Genf eingeladen. Das Treffen musste aufgrund des öffentlichen Drucks halb versteckt ausserhalb des Zentrums von Genf stattfinden.

Auch die Polizei war auf der Strasse präsent mit Kastenwagen, Hubschraubenr, Wasserwerfern, Kontrollen beim Bahnhof und durch Polizist*innen in Zivil. Doch nicht aus antirassistischen Gründen, sondern um sicherzustellen, dass der rechte Präsidentschaftskandidat aus Frankreich ungestört bleiben kann. Im Stadtzentrum erklärte sich zwar zuerst das Hilton-Hotel bereit, Zemmour unterzubringen, doch nachdem dies bekannt wurde, musste das Hotel aufgrund einer Bombendrohung evakuiert werden.
In Frankreich wird derzeit viel über die Kandidatur des ultrarechten Eric Zemmour gesprochen. Das seine Umfragewerte gut sind, ist alarmierend. Sein Erfolg ist weniger auf ihn als auf den seit mehreren Jahrzehnten andauernde Rechtsrutsch zurückzuführen. Ein Zemmour hätte es heute nicht so leicht, wenn es vor ihm keine Sarkozys, Valls, Freysingers oder Blochers gegeben hätte.
Da der Rassimus der Ultrarechten längst salonfähig geworden ist, wurde in Genf zurecht nicht auf den Staat gewartet, der die Kandidatur Zemmours hätte verbieten können. Antifaschismus wird nicht durch Dekrete, sondern auf der Strasse durchgesetzt. Antifa bleibt Handarbeit.
https://renverse.co/infos-locales/article/geneve-antifasciste-3334
https://renverse.co/infos-locales/article/nous-sommes-la-geneve-antifasciste-3332

Frankfurt: Drei Autos der Grauen Wölfe angezündet

Vor dem Hauptsitz des ATF (Almanya Türk Federasyon) in Deutschland brannten drei Autos. Die ATF ist der Dachverband der sogenannten grauen Wölfe, dem ultra-nationalistischen, rassistischen und gewalttätigen Flügel der türkischen Regierungspartei AKP.

Bild: Der Wolfsgruss ist das Symbol der Grauen Wölfe.

In Deutschland und der Schweiz sind tausende Anhänger*innen in hunderten lokalen Vereinen und in Dachverbänden organisiert. Die „Türk Federasyon“ propagiert eine Überlegenheit des Türkentums und träumt vom „Grosstürkischen-Reich Turan“. In den 80er und 90er Jahren haben die „grauen Wölfe“ bewaffnete Aktionen in Deutschland durchgeführt, hierbei kam es zu Toten und Verletzten. So wurde die Anwältin Seyran Ateş bei einem Attentat auf eine Frauenberatungsstelle 1984 in Berlin schwer verletzt und ihre Mandatin Fatma getötet.
Seit der Regierungsbeteiligung der MHP in der Türkei bemühen sie sich in Deutschland um ein bürgerliches Auftreten. Doch es sind mörderische Strukturen wie diese, welche immer wieder Widerständige und Andersdenkende bedrohen. Fidan Doğan, Sakine Cansız und Leyla Şaylemez wurden 2013 in Paris von „Grauen Wölfen“ in Zusammenarbeit mit dem türkischen Geheimdienst MIT ermordet. Zahllose weitere Morde und Angriffe gehen auf das Konto dieser paramilitärischen Truppen.
https://barrikade.info/article/4877
https://www.antifainfoblatt.de/tags/graue-w%C3%B6lfe

Was war eher gut?

Antirassistische Black Friday Aktion sammelt 50 000 Franken für Halbtaxabos

Wegen der Konsumparty Black Friday kostete das Halbtax-Abo der SBB diese Woche die Hälfte. Das Migrant Solidarity Network schlug vor den Black Friday antirassistisch zu nutzen, um viele Halbtax-Abos für abgewiesene Asylsuchende zu kaufen. In fünf Tagen kamen über 50 000 Franken zusammen.

Die 50.000 Franken ermöglichen hunderten von abgewiesenen Asylsuchenden konkret mehr Mobilität und Selbsbestimmung. Ohne Halbtax reichen die 8-10 Franken Nothilfe pro Tag fast nie, um der geographischen Isolation der abgelegenen Camps mit dem Zug oder dem Bus nur ansatzweise zu entkommen. Ohne Halbtax können sich abgewiesene Personen zudem nicht ausweisen. Überall, wo 3G verlangt ist, werden sie trotz COVID-Impfung oder COVID-Testresultat ausgeschlossen, weil sie sich nicht ausweisen können. Das erhöht die ohnehin grosse soziale Isolation.
„Gemeinsam können wir die rassistische staatliche Diskriminierung von illegalisierten Personen herausfordern“ schreibt das Migrant Solidarity Network als Reaktion. Ein Halbtax erleichtere es, der Zermürbung durch das Nothilferegime ein wenig zu entfliehen. Das Spendenkonto bleibt auch über die Black Friday-Aktion hinaus offen.
Bleiberecht Bern; 3000 Bern; IBAN: CH72 0900 0000 6024 4887 5; Vermerk: «Halbtax-Aktion»
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/11/22/black-friday-halbtax-aktion-antirassistisch-nutzen/
https://migrant-solidarity-network.ch/2021/11/27/breaking-news-die-sbb-wird-vom-migrant-solidarity-network-aufgekauft/

Was nun?

Petition gegen automatische Gesichtserkennung

Ein Bündnis von AlgorithmWatch CH, Amnesty International und Digitale Gesellschaft kritisiert die Ausbreitung von automatischer Gesichtserkennung. In der Schweiz mangle es an gesetzlichen Schranken gegen diese Art der Überwachung. Erste Polizeibehörden setzen bereits auf die umstrittene Technologie. Einmal an die vorhandene Videoüberwachung gekoppelt, ermöglichen Gesichtserkennungssysteme eine weiträumige Massenüberwachung. Deshalb hat das Bündnis eine Petition gestartet.
https://www.gesichtserkennung-stoppen.ch/#petition

Druck auf die griechische Regierung ausüben

Seit beinahe zwei Monaten haben ca. 60 Prozent der Menschen in den Asyllagern auf dem griechischen Festland keinen Zugang zu ausreichend Nahrung gehabt.

Dies geschieht vor dem Hintergrund eines im Oktober 2021 in Kraft getretenem Gesetz, nach welchem die griechische Regierung keine Leistungen mehr für Personen erbringt, deren Asylantrag angenommen wurde.
Zusätzlich hat die griechische Regierung seit zwei Monaten notwendige Leistungen in Form von Bargeld an 34.000 Menschen im griechischen Asylsystem nicht erbracht.
Zuvor war die Ausgabe des Geldes vom UNHCR verwaltet worden, am 1. Oktober übernahm jedoch die griechische Regierung die Verwaltung. Mit verheerenden Folgen.
„Kinder müssen hungrig zur Schule gehen, kranke Menschen bekommen keinen Bus, um sich medizinisch versorgen zu lassen, und Familien haben keine Mittel, um sich auf einen kalten Winter vorzubereiten“, so eine Mitarbeiterin des International Rescue Committee.
Ein afghanischer Vater dreier Kinder beschreibt: „Wenn ich nichts esse, ist das in Ordnung, aber ich kann meine Babys nicht hungrig zurücklassen“.
Bereits Ende Oktober war von mehreren NGOs auf die nicht hinnehmbare Situation hingewiesen worden. Die Regierung machte öffentliche Zusicherungsbekundungen, doch einen Monat später hat sich noch immer nichts an der Lage geändert.
Nun fordern 27 NGOs dringende Maßnahmen zur Bewältigung der wachsenden Hungerkrise von geflüchteten Menschen, welche durch die die Tätigkeiten und gleichzeitige Untätigkeit der griechischen Regierung herbeigeführt wird. Die Forderungen lauten u.a.

  • Wiederaufnahme der Bargeldvergabe zu einer politischen Priorität machen;
  • Bereitstellung von Nothilfe, z. B. in Form von Grundbedarfsgütern oder Gutscheinen, die in Geschäften oder für den Transport eingelöst werden können, für Asylbewerber, die zuvor Bargeldhilfe erhalten haben;
  • Sicherstellung, dass Bargeldzahlungen, die in den vergangenen Monaten nicht an Asylbewerber geleistet wurden, nach Einführung des neuen Systems geleistet werden;
  • Verteilung von angemessenen und nahrhaften Nahrungsmitteln an alle Menschen in den Lagern, unabhängig davon, ob sie anerkannte Flüchtlinge oder Asylbewerber sind oder ob ihr Antrag abgelehnt wurde.

https://www.fenixaid.org/post/ngos-raise-alarm-at-growing-hunger-amongst-refugees-and-asylum-seekers-in-greece

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Hell Bells für Eidgenossistan
Spätestens seit Bundesrat Ueli Maurer im „Freiheitstrychler“-Gewand seinen rechtspopulistischen Auftritt hatte, sind die Trychler*innen in aller Munde. Seit Monaten tauchen sie an Schwurbeldemos auf und bringen Verschwörungsgläubigen und Rechtslibertären die (reaktionäre) Kraft der Urschweiz. Kling, Glöcklein, klingelingeling für Eidgenossistan? Eine kleine Rundschau.
Megafon, Die Zeitschrift aus der Reitschule Bern, Nr. 473 Nov 2021
https://barrikade.info/article/4842

Dokumentarfilm: Der Ast, auf dem ich sitze – Ein Steuerparadies in der Schweiz
Wie Zug auf Kosten armer Länder reich wurde, zeigt der Dokumentarfilm von Luzia Schmid.
https://filmzentralschweiz.ch/filme/der-ast-auf-dem-ich-sitze/
https://www.infosperber.ch/wirtschaft/konzerne/wie-zug-auf-kosten-armer-laender-reich-wurde/

Das SEM und die Taliban: Planlos zu Afghanistan
Im Sommer 2021 fiel ganz Afghanistan an die Taliban. Interne Dokumente des Bundes zeigen: Das Staatssekretariat für Migration war unvorbereitet, reagierte langsam und wollte die Anzahl der Anträge auf humanitäre Visa und Asyl gering halten.
https://daslamm.ch/planlos-zu-afghanistan/

Flüchtlingspolitik: «Frontex verfolgt eine Salamitaktik»
Der deutsche EU-Parlamentarier Erik Marquardt (Grüne) ist Mitglied eines Ausschusses, dem die Aufsicht über die Grenzschutzagentur Frontex obliegt. Ein Gespräch über deren Arbeitsweise und das Schweizer Referendum gegen ihren Ausbau.
https://www.woz.ch/2147/fluechtlingspolitik/frontex-verfolgt-eine-salamitaktik