Medienspiegel 21. November 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Die Unsichtbaren sichtbar gemacht …
In der Schweiz leben über 100’000 sogenannte Sans-Papiers, Menschen ohne Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung. Das muss sich ändern.
https://www.infosperber.ch/wirtschaft/arbeit/die-unsichtbaren-sichtbar-gemacht/


+++DEUTSCHLAND
Hamburger Seenotretter über Solidarität: „Nur Nichtstun ist schlimm“
Seenotretter Dariush Beigui wendet sich per Brief an Peter Tschentscher – wegen der Situation in Polen und Belarus. Er selbst muss bald vor Gericht.
https://taz.de/Hamburger-Seenotretter-ueber-Solidaritaet/!5816299/


+++GROSSBRITANNIEN
Bericht: London plant schärfere Asylregeln für Migranten
Innenministerin Priti Patel will offenbar in den Auffanglagern «nach griechischem Vorbild» Ausgangssperren sowie Überprüfungen des Bewegungsprofils einführen.
https://www.nau.ch/politik/international/bericht-london-plant-scharfere-asylregeln-fur-migranten-66049331


+++POLEN/UKRAINE/EU/BELARUS
-> https://www.blick.ch/ausland/tausende-fluechtlinge-stecken-in-belarus-fest-am-grenzuebergang-der-letzten-hoffnung-id17003565.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158822.gefluechtete-an-der-grenze-zwischen-polen-und-belarus-polen-will-schutzsuchende-zurueckfuehren.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/414987.eu-abschottung-polen-sch%C3%BCrt-weiter-angst.html


+++BALKANROUTE
SOS Balkanroute: „Nein, wir wollen keine Welt der hässlichen Bilder!“
„Nein, wir sind nicht mit dieser europäischen Asylpolitik einverstanden“, sagt Petar Rosandić alias Kid Pex von SOS Balkanroute. „Wir wollen, dass die Menschen aus Polen, Weißrussland entlang der Grenze genauso wie in Bosnien, Kroatien, Griechenland und der Türkei endlich durchkommen.“ #Granica #WirHabenPlatz #OtvoriteGranice
https://www.youtube.com/watch?v=7XCOaV8cxqA


Bei Grenzübertritt: Deutscher Journalist in Kroatien an der Seite von Flüchtenden festgenommen
Kroatische Behörden haben mehrere Migranten festgenommen, an deren Seite war ein deutscher Journalist. Den Versuch der Schlepperei sah das Gericht nicht als erwiesen an, er wurde aber wegen illegalen Grenzübertritts belangt.
https://www.spiegel.de/ausland/kroatien-deutscher-journalist-an-der-seite-von-fluechtenden-festgenommen-a-0c3a58e2-a00a-4b58-9a58-b9597c1129e3


+++MITTELMEER
IOM: 75 Tote bei Schiffsunglück vor Libyen
Nur 15 Personen überlebten das Unglück. Die italienische Küstenwache konnte in anderen Rettungsaktionen insgesamt 420 Menschen retten
https://www.derstandard.at/story/2000131309958/iom-75-tote-bei-schiffsunglueck-vor-libyen?ref=rss


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Scheibenbruch bei Credit Suisse
In der Nacht auf heute, Samstag 20.11, haben wir bei der Credit Suisse in Ostermundigen bei Bern die Frontscheiben eingehämmert und die Nachricht «Fight for Rojava» hinterlassen.
Diese Aktion verstehen wir als Teil internationaler Solidarität mit dem Widerstand gegen die Angriffe der türkischen Armee in Rojava und in den Bergen Kurdistans, sowie gegen die neuen Kriegsdrohungen durch die türkische Regierung.
https://barrikade.info/article/4874


+++SPORTREPRESSION
NZZ am Sonntag 21.11.2021

Ausweispflicht im Stadion? Die Politik überrumpelt den Fussball

Nach dem Gewaltausbruch im Zürcher Derby drängen die Politiker nun auf die Ausweispflicht in allen Stadien der Super League.

Peter B. Birrer

Ja, zahlreiche Fussballspiele der Super League gehen ohne nennenswerte Vorfälle vonstatten. Woche für Woche. Das bleibt Faktum und war vor allem während Corona so. Zu konstatieren ist relativer Stadion-Frieden.

Was sich jedoch im Letzigrund am 23. Oktober nach dem Derby zwischen GC und dem FC Zürich ereignete, sprengte den Rahmen des Alltäglichen bei weitem. Dutzende Randalierer aus dem Umkreis des FCZ verliessen die Fankurve, begaben sich im Stadion zum GC-Sektor und bewarfen diesen mit Pyro-Material.

Die minuziös geplante Aggression kam aus dem Nichts, nach einem schönen Fussballabend ohne Verlierer (3:3), vor über 15 000 Anwesenden. Stossend ist, wie die gezielt vorgehenden Chaoten danach Unterschlupf in der Anonymität der Südkurve fanden. Diese hat sich bis heute nicht davon distanziert.

Es zeichnet sich stattdessen immer deutlicher ab, dass der skandalöse Epilog des Zürcher Derbys die Sicherheitsdebatte im Fussball beschleunigt – und dass von der Politik verordnete Verschärfungen nicht ausbleiben. Am Freitag sprach sich die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren KKJPD in Mendrisio einstimmig für personalisierte Billette aus. Flächendeckend für die Super League, einzuführen im Hinblick auf die Saison 2022/23. Das ist eine Empfehlung, ein «starkes Signal», wie es aus der betroffenen Konferenz heisst. Das letzte Wort haben die Bewilligungsbehörden.

Gleichzeitig wurde die Swiss Football League an ihrer Generalversammlung in Ittigen davon «auf dem falschen Fuss erwischt», wie ein dort anwesender Fussballfunktionär sagt, damit habe niemand gerechnet. Schliesslich ist eine Sitzung der Task-Force, die Polit- und Fussballkreise zum Thema Sicherheit vereint, auf den 10. Dezember angesetzt.

In der Fanszene ist mit Widerstand zu rechnen, wie sich der manifestiert, bleibt abzuwarten. Diverse Klubvertreter ducken sich nach dem Vorpreschen der Politik oder lassen wie zum Beispiel der FC Basel verlauten, dass «dazu derzeit nichts kommuniziert wird». Stadion-Eintritte mit ID-Kontrolle sind ein heisses Eisen, zumal in Schweizer Stadien, wo wegbrechende Publikumssegmente nicht einfach so ersetzt werden können, weder finanziell noch stimmungsmässig.

Das bringt dem Fussball nicht zu Unrecht den Vorwurf ein, zu nachsichtig zu reagieren. Trotzdem ist auch das Vorgehen der KKJPD-Konferenz zu hinterfragen. In Mendrisio waren nur 20 der 32 Mitglieder zugegen. Das relativiert die Einstimmigkeit. Der als Sprachrohr auserkorene Luzerner Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) sagt: «Wir mussten eine gemeinsame Haltung entwickeln.»

Noch geht es um personalisierte Tickets. Nächste Stufen sind selektiv oder temporär geschlossene Fan- und Gästesektoren, wie sie selbst von der Liga zur Diskussion gestellt werden. Oder die Abschaffung der Stehplätze. Der Fussball kann das Problem nicht mehr aussitzen. Einmal mehr dürfte der Sport zu Veränderungen gestossen werden.
(https://nzzas.nzz.ch/sport/die-politik-ueberrumpelt-den-fussball-ld.1656339)


+++KNAST
Über 2000 Arbeitsplätze, eine atemberaubende Aussicht und keine pinken Zellen: So sieht das neue Polizei- und Justizzentrum kurz vor seiner Fertigstellung aus
Das neue Polizei- und Justizzentrum bringt Polizei und Justiz ab 2022 an einen Ort. Bei einem dreistündigen Rundgang zeigten die Verantwortlichen, wie weit der Bau des Gebäudes fortgeschritten ist.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/zuerich-ld.2216753


+++RASSISMUS
Hallo. Hier spricht die Schweiz mit Migrationsvorsprung
«Was machen wir hier eigentlich?» Das Diasboah-Team stellt sich vor: woher wir kommen (also wirklich), was wir wollen, was die Schweiz mit uns gemacht hat – und was wir jetzt mit ihr machen.
In dieser Folge mit: Uğur Gültekin, Carlos Hanimann, Mona-Lisa Kole und Fatima Moumouni.
https://diasboah.podigee.io/1-woher-wir-kommen-also-wirklich


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
NZZ am Sonntag 21.11.2021

Covid-Gesetz: Gegner attackieren Abstimmung mit Beschwerdeflut

Vor der Abstimmung über das Covid-19-Gesetz gehen die Wogen hoch: «Wahlbetrug!», schreien die einen, vor «Trumpismus» warnen andere. Der Staat erlebt eine Vertrauenskrise.

René Donzé, Mirko Plüss

Fünf Ausrufezeichen. Als ob die Vorwürfe nicht schon hart und laut genug wären, unterstreicht der Mann jeden einzelnen Satz mit der schreienden Interpunktion. «Achtung Wahlbetrug!», schreibt er auf Facebook. Die Stimmzettel würden elektronisch ausgewertet, Software lasse sich ganz einfach manipulieren. «Hier muss unbedingt eine menschliche Kontrollzählung verlangt werden!»

Vier Ausrufezeichen. So viele braucht eine Userin auf Telegram, um zu betonen, dass auch eine Nachzählung nichts bringe: «Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass der Bschiss bei der Post passiert. In den Gemeinden kommen dann schon die falschen Zettel an. Dann nützt alles Nachzählen nichts mehr. Deshalb: meidet die gelben Kästen!! Nur direkt in den Briefkasten der Gemeinde werfen!!»

Was dieses Land gerade erlebt, ist eine neue Qualität des Misstrauens: Am Anfang der Pandemie wurden Zweifel an der Existenz des Virus verbreitet, dann Zahlen und Analysen der Wissenschaft angezweifelt, daraufhin die politischen Entscheide als Diktatur diffamiert.

Nun aber, da die Schweiz als weltweit einziges Land über Corona-Massnahmen abstimmen kann, werden selbst die demokratischen Prozesse infrage gestellt. «Dass Abstimmungskämpfe polarisierend und emotional geführt werden können, ist keine neue Entwicklung», schreibt Urs Bruderer, Sprecher der Bundeskanzlei.

«Dass die Institutionen der direkten Demokratie und die Abläufe selbst infrage gestellt werden, ist hingegen ein Novum.» Allerdings gingen diese Mutmassungen und unbelegten Behauptungen «von einer zwar lauten, aber kleinen Gruppierung aus, die auch unter den Gegnern des Covid-19-Gesetzes eine kleine Minderheit darstellen.»

Wirklich? Glaubt man Jean-Michel Scheidegger, so ist die Zahl derer, die den demokratischen Prozessen misstrauen, nicht klein. Der 34-jährige Werber hat vor einer Woche die Plattform «Wahlbeobachter.ch» aufgeschaltet. Dort steht: «Unsere Demokratie ist in Gefahr! Die bevorstehenden Wahlen sowie die vielen vorangegangenen wurden sabotiert.» Eine Behauptung, die er am Telefon gemässigter wiederholt. «Ich habe viele Hinweise erhalten, die mich sehr skeptisch machen.»

Es gehe ihm nicht nur um die aktuelle Abstimmung, er misstraue dem Verfahren generell. Auf seiner Plattform kann sich jeder registrieren und ein Foto der Identitätskarte und des ausgefüllten Stimmzettels hochladen. Der Datenschutz sei gewährleistet, behauptet er. Die Zahlen seiner Erhebung will er am Ende mit den offiziellen Resultaten vergleichen – quasi als Faktencheck.

Gegen 17 000 Personen seien schon registriert, eine Viertelmillion will er erreichen. Ist die Teilnehmerschaft nicht arg einseitig zusammengesetzt? «Sie werden staunen!», sagt Scheidegger. «Bis jetzt sind die Befürworter des Covid-19-Gesetzes in der Mehrheit.»

Überprüfen lässt sich solches nicht. Klar ist hingegen, dass das Narrativ des Abstimmungsbetrugs mittlerweile breite Kreise der Bevölkerung erreicht hat. Selbst die Post sah sich diese Woche gezwungen, auf Twitter den Gerüchten, sie unterstütze Wahlbetrug, entgegenzutreten: «Der sichere und vertrauenswürdige Transport von Informationen ist die Kernkompetenz der Post, seit 1849.»

    Der sichere und vertrauenswürdige Transport von Informationen ist die Kernkompetenz der Post, seit 1849. Das Briefgeheimnis ist in der Bundesverfassung festgeschrieben und Teil unserer Gene. Wir halten uns unter allen Umständen daran. 2/2 ^StKe
    — Die Post (@postschweiz) November 16, 2021

Am Donnerstag verbreitete die SVP-nahe «Weltwoche» online die Behauptung, es gebe «gute Gründe» für Skepsis: «Bisher konnten wir davon ausgehen, dass der Rechtsstaat in der Schweiz funktioniert», schrieb dort Joyce Küng. Doch: «Die Zeiten ändern sich.»

Küng war früher bei den Massnahmengegnern von Mass-Voll aktiv. Sekundiert wird sie von «Weltwoche»-Chefredaktor und SVP-Nationalrat Roger Köppel. Er sagte in seinem Video-Podcast: «Viele Gerüchte sind falsch, aber man muss sie ernst nehmen als Ausdruck einer Stimmung, in der immer mehr Leute der Regierung nicht mehr trauen.»

Das Misstrauen schwingt mit

Was ist los in diesem Land, in dem sich normalerweise selbst die erbittertsten politischen Gegner auf die Grundwerte der Schweiz als gemeinsamen Nenner berufen? Woher kommen diese plötzlichen Zweifel an der direkten Demokratie?

E-Mail an Sandro Meier, Vorstandsmitglied der «Freunde der Verfassung» und Co-Kampagnenleiter des Nein-Komitees. In seiner Antwort distanziert er sich von den Abstimmungs-Verschwörungstheoretikern. So schreiben die «Verfassungsfreunde» auf ihrer Website, sie gingen davon aus, die Wahlen würden nicht manipuliert. «Wir denken, ja, es funktioniert.»

Das hätten auch Abstimmungen wie zum CO2-Gesetz oder zur elektronischen ID gezeigt, die entgegen dem Willen des Bundesrats ausgingen. Um das Wahlergebnis zu drehen, müsste sich die «halbe Schweiz», also ein Grossteil der über 2000 Gemeinden, verbünden. «Die Frage ist, wer dies organisieren könnte.»

Es sind also nicht die Spitzen der Bewegung, die jetzt «Betrug!» schreien. Doch haben sie mit ihren monatelang wiederholten Behauptungen, die Grundrechte würden durch Bundesrat und Parlament verletzt, viele beeinflusst. Manche ihrer Anhänger haben das Vertrauen in den Staat verloren.

Auf der Website der «Verfassungsfreunde» schwingt dieses Misstrauen auch mit: Wer Evidenz habe, dass gewisse Kontrollpunkte nicht eingehalten würden, könne jederzeit Anzeige einreichen, steht dort. Und Sandro Meier schreibt: «Uns sind Bestrebungen von Menschen bekannt, die versuchen wollen, auf Gemeindeebene die Abstimmungsprotokolle zu beschaffen, um so die Gesamtstimmenzahl nachprüfen und nachvollziehen zu können.»

«Welcome in Trumpland», schrieb SP-Nationalrat Roger Nordmann diese Woche auf Twitter. Er braucht zwar keine Ausrufezeichen, jedoch ein deftiges Vokabular. «Die Methodik erinnert tatsächlich an Fake-News-Kampagnen aus den USA», sagt Nordmann im Gespräch. «Man erfindet wirre Vorwürfe, hat keinerlei Beweise dafür und kann sich nach einem verlorenen Abstimmungssonntag damit selber recht geben.»

Die Behauptungen stünden in einer Reihe mit gewalttätigen Demos, dem Angriff auf die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli, den Attacken auf Impfbusse und unzähligen Todesdrohungen gegen Politikerinnen und Politiker.

750 Abstimmungsbeschwerden

Nicht ganz so weit geht die Kritik von Peter Metzinger, FDP-Gemeinderat aus Dietikon und Leiter der Ja-Kampagne. Er sagt aber, die Hemmschwelle, «mit vollem Ernst irgendeinen Unsinn zu verbreiten», sei mittlerweile auf null gesunken. Darum rechnet auch er mit heftigen Reaktionen bei einem Ja am 28. November.

«In dieses Gesetz wird derart viel hineinprojiziert, dass man von gewaltsamen Aktionen oder Demonstrationen ausgehen muss. Die Abstimmungsgegner haben mehrere Millionen in ihre Kampagne investiert, da wird für einige eine Welt zusammenbrechen.»

Tatsächlich beschäftigen sich die Sicherheitsbehörden bereits jetzt mit möglichen Gewaltausbrüchen. Der Nachrichtendienst des Bundes schreibt, er gehe entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag Hinweisen auf eine Beteiligung von gewalttätigen extremistischen Gruppierungen oder Personen in den Reihen der Corona-Skeptiker nach. Man beurteile die Lage laufend und stehe mit den kantonalen Polizeikorps und dem Bundesamt für Polizei Fedpol in Kontakt.

Für die Massnahmenkritiker und Gegner des Covid-19-Gesetzes gehört das Trump-Narrativ zu den «feuchten Träumen einiger Politiker, die uns gerne in diese Schublade stecken würden». Ein Sturm aufs Bundeshaus würde bloss deren Vorurteile bestätigen, sagen einige auf Anfrage. «Demokratische Entscheide sind zu respektieren», sagt etwa Nicolas Rimoldi vom Verein Mass-Voll. Und Sandro Meier von den «Verfassungsfreunden» meint: «Was sollen wir anderes tun, als es zu akzeptieren?»

Der Kampf wird dennoch weitergeführt. Zuerst einmal auf juristischer Ebene. Das zeigt schon nur die schiere Menge von Abstimmungsbeschwerden: Rund 750 gingen in den letzten Wochen bei den Kantonen ein, wie eine Umfrage dieser Zeitung ergab. Viele dieser Beschwerden sind identisch. Sie gehen auf Mustervorlagen zurück.

Eine davon, unterzeichnet von 156 Personen, wurde in mehreren Kantonen eingereicht. Sie stammt von einem Verein, der sich «Wir Menschen» nennt. Deren Präsident und Gründer, der 75-jährige Ingenieur Franz Stadelmann, will gegen die Spaltung der Gesellschaft kämpfen, wie er sagt: «Auf der Strasse protestieren ist gut, aber wir müssen wesentlich mehr tun.» Eine andere Beschwerde hat der Thurgauer SVP-Kantonsrat und Anwalt Hermann Lei formuliert, im Namen von 95 Beschwerdeführern.

Die Argumentation der Beschwerden gleichen sich. Im Zentrum steht die Abstimmungsfrage. Darin ist der Titel des Gesetzes aufgeführt sowie der Zusatz «Härtefälle, Arbeitslosenversicherung, familienergänzende Kinderbetreuung, Kulturschaffende, Veranstaltungen». Jedoch sei keine Rede vom Zertifikat, das im Zentrum der Kritik steht.

Ebenfalls kritisieren die Beschwerdeführer, in den Abstimmungsunterlagen werde fälschlicherweise behauptet, das Zertifikat erleichtere sämtliche Auslandreisen. Die Bundeskanzlei bestreitet dies. Lei spricht von einer «doppelten Irreführung» und «Staatspropaganda».

Weitere Klagen in Vorbereitung

Die Kritik an der Abstimmungsfrage stützt auch Alt-Bundesrichter Karl Spühler, der sich seit Jahrzehnten mit solchen Fragen befasst. «Der freie Wille der Stimmberechtigten muss bei einer Abstimmung klar zum Ausdruck kommen», sagt der ehemalige SVP-Bundesrichter. «Um das zu erreichen, muss die Abstimmungsfrage unmissverständlich sein.»

Das Zertifikat müsse zwingend auf dem Abstimmungszettel erwähnt sein. Die Bundeskanzlei hingegen betont, dass sich der Text auf dem Abstimmungszettel auf den Titel des Gesetzes zu beziehen hat, über das abgestimmt wird. Und dort ist das Zertifikat nicht aufgeführt. Spühler sagt: «Das ist eine rein formale Argumentation, die in der Sache nicht stimmt. Und sie entspricht auch nicht der publizierten Praxis des Bundesgerichtes.»

Die Kantone traten nicht auf die Beschwerden ein, und vor Bundesgericht dürften sie einen schweren Stand haben. Erst einmal, bei der CVP-Initiative zur Heiratsstrafe, haben die höchsten Richter eine nationale Abstimmung für ungültig erklärt, weil Angaben in den Unterlagen krass falsch waren. Bereits beim ersten Referendum im Sommer sind die Covid-Gesetz-Gegner mit Beschwerden abgeblitzt. Darum haben die «Verfassungsfreunde» erst gar keinen weiteren Versuch mehr unternommen.

Beschwerden sind legitime Mittel für Unterlegene, sich zu wehren. Doch: Bleibt es dabei? Oder kommt da noch mehr?

Der Verein «Wir Menschen» zum Beispiel bereitet eine Klage gegen die Corona-Massnahmen des Bundes vor. «Das Vertrauen von rund einem Viertel der Bevölkerung in die Regierung ist verschwunden», schätzt Stadelmann. Das könnte selbst mit einer korrekt durchgeführten Volksabstimmung nicht wieder hergestellt werden.

Und Sandro Meier sagt: «Auch bei einem Ja bleibt das Covid-19-Gesetz krass verfassungswidrig. Aus unserer Sicht legitimiert selbst eine Volksabstimmung über ein Gesetz nicht, dass der Kerngehalt der Grundrechte ausser Kraft gesetzt wird.» Man werde das Ergebnis vom 28. November analysieren und «voraussichtlich in der Folgewoche über die weiteren Pläne informieren». Solche Aussagen zeigen: Das Land kommt nicht so schnell zur Ruhe.



Neue Massnahmen: Taktisches Abwarten

Andrea Kučera, Stefan Bühler

In Österreich gilt ein Lockdown. Auch in der Schweiz steigen die Zahlen steil an, jedoch regional stark unterschiedlich. Und in einer Woche stimmt das Volk über das Covid-Zertifikat ab – kurz: Gesundheitsminister Alain Berset und die Gesundheitsdirektoren der Kantone befinden sich wieder einmal in einer Lage, in der sie fast nur verlieren können.

Ein Regierungsrat sagt es so: «Man merkt, dass es bald Verschärfungen braucht, und bevor man sich dazu durchringen kann, orten alle Beteiligten den Handlungsbedarf lieber beim anderen, damit sie nicht selber neue Massnahmen verantworten müssen.» Dazu passt, dass der Politiker seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Im Ergebnis führt das dazu, dass zwar alle Seiten vor der sehr beunruhigenden Entwicklung warnen, aber niemand entscheidet, was zu tun sei. Im Umfeld des Bundesrats weist man darauf hin, dass manche Kantone schon jetzt Massnahmen nicht ergreifen, die der Bund empfiehlt: zum Beispiel die Einführung des 3-G-Prinzips für alle Altersheime und Spitäler sowie regelmässige Reihentests in allen Schulen – die notabene von Bern bezahlt werden. «Warum soll dann der Bundesrat neue Massnahmen erlassen?», so die rhetorische Frage.

Die Konferenz der Gesundheitsdirektoren teilt derweil mit, die Kantone würden Massnahmen bei Bedarf in Bereichen ergreifen, die typischerweise in ihre Kompetenz fallen, etwa Maskenpflicht und Tests an Schulen sowie Testpflicht in Pflegeheimen. Doch die Erfahrung zeige, «dass kantonal unterschiedliche Massnahmen bei einer schweizweit ungünstigen Entwicklung in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stossen». Man müsse deshalb mit Vorlauf auch über weitere nationale Massnahmen diskutieren. Die Zeit läuft.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/covid-gesetz-gegner-attackieren-abstimmung-mit-beschwerdeflut-ld.1656336)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/covid-19-gesetz-gegner-greifen-abstimmung-mit-beschwerdeflut-an-66049240
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/gegner-machen-auch-juristisch-mobil-covid-19-gesetz-beschwerdeflut-gegen-abstimmungsunterlagen-ld.2217239



Wüste Drohungen im Abstimmungskampf ums Covid-Gesetz: Politiker wollen nicht mehr auftreten
Ob nationale Figur oder Lokalpolitiker: Befürworter des Covid-Gesetzes sind teils massiven Drohungen ausgesetzt. Manche verzichten auf öffentliche Auftritte.
https://www.blick.ch/politik/wueste-drohungen-im-abstimmungskampf-ums-covid-gesetz-politiker-wollen-nicht-mehr-auftreten-id17003827.html
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/kampf-um-covid-gesetz-exponenten-aus-allen-lagern-massiv-bedroht-144422782


Coronaproteste in Wien: Mit Judenstern gegen die Impfpflicht
In Österreich haben Zehntausende gegen den kommenden Lockdown und die Impfpflicht demonstriert. Mit dabei: Rechtsextreme, die FPÖ und Xavier Naidoo.
https://taz.de/Coronaproteste-in-Wien/!5816787/


Radikalisierte Coronaszene in Österreich – Hand in Hand mit der extremen Rechten
Am vergangenen Samstag, 20.11.2021, versammelten sich knapp 40.000 Menschen in der Wiener Innenstadt, um gegen den erneuten Lockdown und die ab Februar bevorstehende Impfpflicht zu protestieren.
https://www.jfda.de/post/radikalisierte-coronaszene-in-wien


Griechenland: Wie Verschwörungsmythen und anderer Irrsinn zunimmt
Und welchen Anteil Vertreter der Regierung Mitsotakis an dieser Entwicklung haben
https://www.heise.de/tp/features/Griechenland-Wie-Verschwoerungsmythen-und-anderer-Irrsinn-zunimmt-6273224.html