Medienspiegel 20. Oktober 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Bundesasylzentren: Grundsatzkritik am System
Nach Recherchen von WOZ und «Rundschau» über Gewaltvorfälle in Bundesasylzentren kündigte das Staatssekretariat für Migration eine externe Untersuchung an. Nun liegt der Bericht vor. Er benennt gravierende Mängel im bestehenden Sicherheitsregime.
https://www.woz.ch/2142/bundesasylzentren/grundsatzkritik-am-system


Interview mit dem ehemaligen Bundesrichter Niklaus Oberholzer über die Gewaltvorfälle im Bundesasylzentrum Altstätten (ab 08:20)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/fall-kuemmertshausen-wird-unterbrochen?id=12075729


tagblatt.ch 20.10.2021

«Unverhältnismässige Gewaltanwendung» im Asylzentrum Altstätten: Alt Bundesrichter bestätigt Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte

Zwei der sieben von Niklaus Oberholzer untersuchten Gewaltvorfälle in Bundesasylzentren betreffen Altstätten. Im Fall eines 16-Jährigen, der wegen einer Lappalie spitalreif geschlagen wurde, geben die Vorwürfe Anlass für ein Strafverfahren gegen die Securitas-Beamten.

Marcel Elsener

Im Mai und im Dezember 2020 sollen Sicherheitsdienstleute im Bundesasylzentrum Altstätten (BAZ) gegen minderjährige Asylsuchende gewalttätig geworden sein. Die Vorwürfe waren diesen Frühling aufgrund von Recherchen der SRF-Rundschau und der Wochenzeitung WOZ bekannt geworden; diese stützten sich auf Berichte von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International.

Der St.Galler alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer hat im Auftrag des Staatssekretariats für Migration die mutmasslichen Gewaltvorfälle im Welschland (Boudry), in Basel-Stadt sowie in Altstätten untersucht. In dem über 100-seitigen Bericht, der am Montag publiziert worden ist, nehmen die beiden Fälle in Altstätten sechs Seiten ein. Als Untersuchungsbeauftragter griff Oberholzer in sechs der sieben Vorkommnisse auf eingeleitete Strafuntersuchungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zurück.

Die Tatsache der mehrheitlich bereits hängigen Strafuntersuchungen belege, dass der Rechtsschutz bei Gewaltanwendung in Asylzentren des Bundes funktioniere und eine unabhängige Untersuchung gewährt sei, wie er feststellt.

Jugendlicher hält sich nicht an Maskenpflicht

Der gravierendere der beiden Fälle im BAZ Altstätten trug sich am 20. Dezember 2020 zu und wurde auch in dieser Zeitung beschrieben: Ein unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender (UMA) ging nach Mitternacht ins Freie, um eine Zigarette zu rauchen. Er kehrte ohne Maske in das Gebäude zurück, worauf es zum Streit mit dem Sicherheitsdienst kam und der Jugendliche über Nacht in die Schleuse musste.

Am folgenden Tag stellte die Sonderpädagogin beim Mann, den sie betreute, Verletzungen fest. Diese benötigten Pflege im Kinderspital St.Gallen. Im Austrittsbericht des Spitals werden «verschiedene Prellmarken und Hämatome am rechten Gesicht und der linken Körperhälfte, eine Lockerung von drei Zähnen sowie Kontusionen an Kopf, Thoraxwand, Bauch, Schulter links, Arm links und Knie links diagnostiziert».

Im Rapport führte der Sicherheitsdienst aus, der Mann habe alle Anweisungen missachtet und sei gewalttätig geworden, worauf man ihn am Boden fixiert habe. Die Verletzungen wurden jedoch nicht erwähnt. Demgegenüber erklärte der Mann, er habe sich nach der Zurechtweisung wegen der Maske für die Schleuse entschieden, weil er sonst sein Handy hätte abgeben müssen.

Nachdem ihm die Bitte um eine Matratze verwehrt worden sei, sei er massiven Übergriffen ausgesetzt gewesen, wie der Fachbereichsleiter Sozialpädagogik festhält. «Er sei von Sicherheitsmitarbeitenden mit den Knien in verschiedene Bereiche des Körpers getreten worden und habe Verletzungen an Kopf, Nacken, Brustkorb, Beinen und Füssen davongetragen. Zudem sei er zu Boden gedrückt worden und habe mehrmals fast keine Luft mehr bekommen. Er habe sich mehrmals übergeben müssen, dies mit Blut, Schaum und weissem Auswurf.»

Im Gegensatz zum Sicherheitsdienst stellt der Sozialpädagoge fest, dass sich der Jugendliche im BAZ Altstätten «immer sehr normal und anständig» verhalten habe sowohl gegenüber Erwachsenen als auch gegenüber den anderen Jugendlichen.

«Die Verletzungen stehen in keinem Verhältnis»

Der Auslöser für die Intervention war «reichlich banal», stellt Oberholzer fest. «Von einem professionellen Sicherheitsdienst darf ohne weiteres erwartet werden, dass er die Hausordnung in einem Bundesasylzentrum in aller Regel auch ohne Anwendung körperlicher Gewalt durchsetzen kann. Dies gilt umso mehr, wenn es ‹nur› um die Befolgung der Maskenpflicht durch einen minderjährigen Asylsuchenden geht, der (…) bis anhin in keiner Weise durch unangepasstes Verhalten in Erscheinung getreten war.»

Die im Kinderspital diagnostizierten Verletzungen stehen laut dem Berichterstatter «in keinem Verhältnis zu dem ihm zur Last gelegten Fehlverhalten.» Das Missverhältnis zwischen dem banalen Anlass und den schwerwiegenden Folgen der Intervention deute «auf eine unnötige oder zumindest unangemessene und damit unverhältnismässige Gewaltanwendung hin», schreibt Oberholzer.

Erschwerend komme hinzu, dass im Rapport des Sicherheitsdienstes nur von einer Fixierung am Boden die Rede war und die Verletzungen mit keinem Wort erwähnt wurden. «Obwohl die Voraussetzungen klar erfüllt waren, zogen die Mitarbeitenden des Sicherheitsdienstes weder das UMA-Team bei noch informierten sie die Polizei. Trotz klar erkennbarer Verletzungen unterliessen sie es, für eine hinreichende medizinische Betreuung des UMA zu sorgen.» Ein sachlicher Grund dafür, dass der Jugendliche die Nacht ohne Matratze in der Schleuse verbringen musste, sei nicht ersichtlich.

Die von der Staatsanwaltschaft St.Gallen auf Veranlassung des Kinderspitals und des Fachbereichs Sonderpädagogik am BAZ Altstätten geführte Strafuntersuchung wird laut Oberholzer zeigen, wie dieses Verhalten unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei.

Die beteiligten Securitas-Mitarbeitenden wurden längst suspendiert. Ob gegen sie Anklage erhoben wird, ist laut Auskunft der Staatsanwaltschaft St.Gallen Sache des Bundes. Da die Sicherheitspersonen aufgrund ihrer Funktion im BAZ Altstätten als Beamte des Bundes gelten und deshalb unter das Verantwortlichkeitsgesetz fallen, muss vor Eröffnung eines Strafverfahrens eine Ermächtigung durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) erteilt werden.

Die Staatsanwaltschaft habe die nötigen Vorabklärungen durchgeführt und dem EJPD die Beweismittel zugestellt, lässt sie verlauten. Nun werde das EJPD darüber befinden, «ob eine Ermächtigung erteilt wird und somit ein Strafverfahren zu eröffnen ist».

Aggressionen auf beiden Seiten

Auch im zweiten Fall in Altstätten geht es um einen unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, über dessen Behandlung sich eine juristische Mitarbeiterin der Caritas beim SEM beschwerte. Sie beobachtete am Empfangsschalter, wie mehrere Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes einen Jugendlichen mit Gewalt anpackten und «kraftvoll gegen die Glaswand» schlugen. Der UMA habe heftig geweint und geschrien, aber selbst keine Gewalt ausgeübt.

Das SEM befragte in der Folge die beteiligten Mitarbeitenden der Betreuung und Sicherheit sowie die zuständige Sozialpädagogin. Diese sagten aus, dass der Asylsuchende «vermehrt durch stark selbst- und fremdgefährdendes Verhalten aufgefallen» sei. Im unmittelbaren Vorfeld der Szene im Eingangsbereich habe der UMA «wiederholt durch akut selbstverletzendes Verhalten gegen die Hausordnung protestiert» und mit Gewalt reagiert, weshalb er von Sicherheitsmitarbeitenden an den Armen festgehalten und «zur Stabilisation gegen die Glasscheibe gedrückt» worden sei.

Das SEM sei sich bewusst, dass «derartig unschöne Vorkommnisse von aussen und aus dem Gesamtzusammenhang genommen als grobe Gewalt wahrgenommen werden könnten». Gestützt auf die unabhängigen Aussagen der Mitarbeitenden, die diesen Vorfall sowie die Ereignisse, die dazu führten, beobachtet hatten, und vor dem Hintergrund der drohenden Selbstverletzung erachte das SEM die Intervention des Sicherheitspersonals in diesem Fall jedoch als verhältnismässig.

Das SEM habe ihre Beobachtungen bagatellisiert und den Gewaltakt gerechtfertigt, sagte die Caritas-Mitarbeiterin gegenüber Oberholzer. Zudem fehle jede Aussage des Jugendlichen. Einen psychisch belasteten und sich anscheinend auch selbstverletzenden und wehrlosen Jugendlichen derart gewaltvoll anzupacken, sei in einer Einrichtung für Schutzsuchende schockierend.

«Isolierte Beobachtung einer einzelnen Szene»

In seiner Würdigung geht Oberholzer ausführlich auf den Fall des Jugendlichen ein, der wegen seines Verhaltens zwecks Sondersettings und Time-outs vom BAZ Zürich nach Altstätten verlegt wurde. Der Vorfall zeige einmal mehr auf, in welch schwierigem Umfeld sich die Mitarbeitenden der Asylzentren bewegten, stellt er fest. Aus seiner Sicht sei dem Antwortschreiben des SEM jedoch nicht viel beizufügen. «Wird allein eine sehr kurze Sequenz aus einem Gesamtgeschehen beobachtet, kann dies durchaus zu einer möglicherweise falschen Bewertung der Ereignisse führen.»

Die Beobachtungen der Mitarbeiterin der Caritas wie auch die Intervention des Sonderberichterstatters UNHCR beziehen sich laut Oberholzer auf eine «Episode aus einem rund vierstündigen Gesamtgeschehen, während dessen sich Phasen der Deeskalation und der Eskalation abgelöst hatten». Von einer unverhältnismässigen Gewaltanwendung könne keine Rede sein, so das Fazit Oberholzers. «Dass der Mann im Anschluss daran zur Besinnung kam und weinend auf dem Boden sitzen blieb, passt nicht nur in das Gesamtgeschehen, sondern stimmt auch mit der im Austrittsbericht geschilderten Ambivalenz überein.»

Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft laufen in diesem Verfahren noch polizeiliche Ermittlungen. Auch in diesem Fall brauche es in einem Folgeschritt die Ermächtigung des EJPD, um ein Strafverfahren zu eröffnen.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/asylwesen-unverhaeltnismaessige-gewaltanwendung-im-asylzentrum-altstaetten-alt-bundesrichter-bestaetigt-vorwuerfe-gegen-sicherheitskraefte-ld.2203586)



Ausführungsbestimmungen zur Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Grenz- und Küstenwache: Eröffnung der Vernehmlassung
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 20. Oktober 2021 die Vernehmlassung zu den Ausführungsbestimmungen zur Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Grenz- und Küstenwache eröffnet.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-85517.html


+++DEUTSCHLAND
Deutschland will Kontrollen an Grenze zu Polen verschärfen
Die illegalen Einreisen von Belarus via Polen nach Deutschland nehmen zu. Deutschland schlägt Polen nun gemeinsame Grenzpatrouillen vor.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/deutschland-will-kontrollen-an-grenze-zu-polen-verschaerfen?urn=urn:srf:video:61f8ccbb-0ba3-44c6-9ea1-da85790d24a9
-> https://www.jungewelt.de/artikel/412873.eu-abschottung-seehofer-r%C3%BCstet-auf.html


+++POLEN
Grenzregion zwischen Polen und Belarus: Grünes Licht für Geflüchtete
In Polen kommen viele Geflüchtete aus Belarus an. Die Grenzregion gilt als rechtskonservativ. Doch viele Bewohner:innen zeigen sich solidarisch.
https://taz.de/Grenzregion-zwischen-Polen-und-Belarus/!5806085/


+++MITTELMEER
Italien: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Seenotretter ein
Das Schiff “Mare Jonio” war 2019 nach einer Seenotrettung von den Justizbehörden beschlagnahmt worden. Der Crew wurde damals Beihilfe zur Schlepperei vorgeworfen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-10/italien-seenotrettung-staatsanwaltschaft-einstellung-ermittlungen-sizilien-mare-jonio-lampedusa?utm_referrer=https%3A%2F%2Ft.co%2F


+++EUROPA
Pushbacks in Griechenland, Kroatien, Polen: Europas Sozialdemokraten fordern Vertragsverletzungsverfahren
Grenzbeamte misshandeln Flüchtlinge – und das mithilfe von EU-Geldern: Nach den Enthüllungen des SPIEGEL drängen Europas Sozialdemokraten auf Konsequenzen. Sie sprechen von einem »systematischen Angriff auf das Asylrecht«.
https://www.spiegel.de/ausland/fluechtlinge-sozialdemokraten-fordern-eu-vertragsverletzungsverfahren-gegen-griechenland-kroatien-und-polen-a-53435a90-58ba-484e-91f3-ce5ce15eb1e4


+++FREIRÄUME
Zürcher Kulturzentrum: Abrieb in der Fabrik
In den 41 Jahren seit ihrer Besetzung ist die Rote Fabrik professioneller und gemässigter geworden. Nun offenbaren interne Konflikte die strukturellen Schwächen des selbstverwalteten Betriebs. Von aussen droht zudem die Aufwertung des Quartiers.
https://www.woz.ch/2142/zuercher-kulturzentrum/abrieb-in-der-fabrik


+++DROGENPOLITIK
Der Basler Cannabis-Pilot startet Mitte 2022. (ab 03:42)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/soll-der-coronatest-fuer-jugendliche-bis-ende-jahr-bezahlt-werden?id=12075354


Cannabis: Sozialdirektorenkonferenz sieht viele offene Fragen
Das Generalsekretariat der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) hat zurückhaltend auf Bestrebungen reagiert, den Cannabis-Konsum in der Schweiz zu legalisieren. Wichtig sei insbesondere, dass eine allfällige rechtliche Neuregelung dem Jugendschutz Rechnung trage und den Schwarzmarkt für Cannabis austrockne.
https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/cannabis-sozialdirektorenkonferenz-sieht-viele-offene-fragen-00167576/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Solidarisch & antifaschistisch aus der Krise
Für den 23. Oktober hat ein Querfrontbündnis der «Anti-Corona» Kreise von der Stadt eine Demo-Bewilligung erhalten. Während der «linke» Gemeinderat nun nationalistischen und rechtsradikalen Kreisen wieder einmal eine Bühne bietet, wird eine linke Kundgebung unter dem Motto «Solidarität mit den Betroffenen der Krise» im Vorfeld an den Rand der Stadt auf den Helvetiaplatz verdrängt. Die Stadt hat somit faktisch im Nachhinein eine Gegendemonstration erlaubt, welche nicht nur thematisch, sondern auch räumlich Angriffe aus rechtsradikalen Kreisen zulässt. Denn der Umzug der «Anti-Corona» Kreise wird zeitgleich über den Casinoplatz laufen, wie es auch Teilnehmende der linken Kundgebung als Anreiseweg tun werden. Deswegen lasst uns ab 13:30 im Raum Casinoplatz/Helvetiaplatz präsent sein und spätestens ab 14 Uhr bei der Kundgebung auf dem Helvetiaplatz.
https://anarchistisch.ch/solidarisch-antifaschistisch-aus-der-krise/


Verhüllungsverbot soll bereits am Flughafen gelten – Ausnahme für Demos vorgesehen
Der Bundesrat hat präsentiert, wie er das Verhüllungsverbot umsetzen will. Vorgesehen ist ein breiter Ausnahmekatalog.
https://www.watson.ch/!507883808
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/burka-verbot-einheitliche-loesung-gefordert?partId=12075561
-> MedienmitteilungVernehmlassung: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-85515.html
-> https://www.blick.ch/politik/umsetzung-burka-verbot-bei-demos-soll-man-sich-verhuellen-duerfen-id16922575.html


+++BIG BROTHER
Ombudsstelle: Beschwerde zu Überwachungshilfen durch die EU
Die EU schult Strafverfolgungsbehörden in anderen Staaten an Überwachungstechnik und stellt Equipment zur Verfügung. Vorher müsste sie jedoch mögliche Menschenrechtsrisiken abwägen, sagen NGOs. Das sei nicht ausreichend geschehen. Nun soll die Europäische Bürgerbeauftragte die Vorwürfe untersuchen.
https://netzpolitik.org/2021/ombudsstelle-beschwerde-zu-ueberwachungshilfen-durch-die-eu/


++POLIZEI LU
33 Verletzte letztes Jahr – und kein Ende in Sicht Gewalt gegen Polizei: Stadt Luzern national auf Platz 1
Bespuckt, beschimpft, geschlagen: Nirgendwo in der Schweiz werden – im Verhältnis zur Bevölkerung – mehr Fälle von Gewalt und Drohung gegen Behörden registriert als in der Stadt Luzern. Was sind die Gründe? zentralplus macht sich auf Spurensuche.
https://www.zentralplus.ch/gewalt-gegen-polizei-stadt-luzern-national-auf-platz-1-2215495/
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/immer-mehr-drohungen-gegen-behoerden-144088105


+++FRAUEN/QUEER
Pink Cross und LOS reichen Strafanzeigen wegen Diskriminierungen ein
Die Schwulenorganisation Pink Cross und die Lesbenorganisation LOS reichen zwei Strafanzeigen wegen Diskriminierung ein. Eine Anzeige richtet sich gegen den Urheber eines Videos, in welchem homosexuelle Menschen beleidigte werden. Die zweite betrifft einen Artikel in der Zeitschrift «Theologisches».
https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/pink-cross-und-los-reichen-strafanzeigen-wegen-diskriminierungen-ein-00167573/



derbund.ch 20.10.2021

Umgang mit Gewalt gegen Frauen: ««Ausländische Täter ausschaffen» – «Toxische Männlichkeit bekämpfen»

Die SVP will härter gegen Gewalttäter vorgehen und greift dabei die Linke frontal an. Diese lehnt härtere Strafen ab und setzt auf andere Methoden.

Alessandra Paone

Sie ist eindrücklich und gleichzeitig erschreckend, die Landkarte, die SRF am Sonntag in der «Tagesschau» zeigte. Darauf waren 21 rote Punkte zu sehen, verteilt über die ganze Schweiz. Von Beringen im Kanton Schaffhausen bis Breganzona im Tessin, von Bussigny in der Waadt bis Buchs im Kanton St. Gallen. Jeder Punkt steht für eine Frau, die in diesem Jahr getötet wurde – von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner, von einem Familienmitglied oder Bekannten. Von einem Mann.

Das Rechercheprojekt Stop Femizid kommt sogar auf 24 getötete Frauen, weil auch Schweizerinnen berücksichtigt werden, die im Ausland ums Leben gekommen sind. Die letzte Tat in der Schweiz wurde am Sonntag in Rapperswil-Jona begangen. Das Opfer war ein zwölf Jahre altes Mädchen.

Femizide beschäftigen Menschenrechtsorganisationen und Politik immer mehr. Auch die SVP. Schon in der Vergangenheit hat sich die Partei mit der Gewalt gegen Frauen befasst. Die frühere Nationalrätin und aktuelle Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli forderte mehrfach, dass das Strafmass bei Vergewaltigungen erhöht wird. Nationalrätin Céline Amaudruz arbeitete ebenfalls darauf hin. Ihre Bemühungen blieben erfolglos.

Einbürgerungen nur «auf Probe»

Nun setzt die SVP aber noch einmal Druck auf und plant für die Wintersession eine Reihe von Vorstössen. Im Zentrum stehen die Täter und deren Herkunft. Bei den aufgeführten Fällen aus dem laufenden Jahr seien ausländische Männer aus frauenverachtenden Kulturen überproportional vertreten, sagt Nationalrätin Martina Bircher. Es handle sich oft um nicht integrierte Männer aus der Türkei, aus Balkanstaaten oder aus arabischen und afrikanischen Ländern, in denen Frauen wenig bis keine Rechte hätten. Die SVP stützt sich dabei auf Angaben in der Medienberichterstattung, die sich wiederum auf Mitteilungen der Polizei beziehen.

Konkret fordert die Partei, dass nicht integrierten Ausländern, die wegen häuslicher Gewalt und Drohung bekannt sind, das Aufenthaltsrecht entzogen und die Sozialhilfe gestrichen wird. Sie möchte zudem Einbürgerungen nur noch «auf Probe» erteilen: Wer eine Straftat innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Einbürgerung begeht, dem wird der Schweizer Pass entzogen.

Die SVP will zudem ausländische Gewalttäter ausschaffen. Sollte das nicht möglich sein, müsse man sie zumindest in Ausschaffungshaft nehmen. «Wir brauchen Ausschaffungsplätze und nicht mehr Frauenhäuser», sagt Bircher und spielt auf die Forderung von SP und Grünen an.

Bircher greift ihre politischen Gegnerinnen frontal an. Diese schützten lieber Täter als Frauen. Vor allem die SP, die stets vorgebe, an vorderster Front für die Rechte der Frauen zu kämpfen, verschliesse die Augen vor der Realität. Das sei nicht nur absurd, sondern auch gefährlich. Und Amaudruz betont: «Nur mit harten Massnahmen gegen die Täter können Frauen gerettet werden.» Und nicht mit Papierkram, wie Tamara Funiciello ihn produziere. «Ich frage mich, ab wie vielen statistisch erfassten Frauenmorden sie wirklich handeln möchte.» Die SP-Nationalrätin und Feministin hatte im Juni die statistische Erfassung von Femiziden gefordert.

Funiciello lehnt höheres Strafmass ab

Damit konfrontiert, sagt Funiciello: Die SVP mache es sich mit ihrer Argumentation zu leicht. «Ginge es ihr tatsächlich um die Sache, würde sie mithelfen, zu verhindern, dass Frauen getötet werden, anstatt Nebenschauplätze zu bewirtschaften.» Das Problem sei nicht in erster Linie die Herkunft, sondern das Geschlecht. «100 Prozent der Täter sind Männer. Unser Problem ist die toxische Männlichkeit, die Frauen wie Männern schadet. Wenn die SVP das nicht einsieht, betreibt sie Täterschutz für 50 Prozent der Täter.»

Funiciello will bei der Prävention, der Bildung und den Schutzplätzen für Frauen ansetzen. Neben kurzfristigen Massnahmen wie dem dringend notwendigen Ausbau von Beratungsangeboten und Präventionskampagnen gegen Gewalt müsse das Männlichkeitsbild verändert werden. «Die einzige Art des Ausdrucks negativer Gefühle, die die Gesellschaft Männern zugesteht, ist Wut und Gewalt. Das müssen wir ändern – auch den Männern zuliebe.» Das sei keine leichte Aufgabe und erfordere Zeit, aber nur auf diese Weise könne die Gewalt gegen Frauen bekämpft werden.

Ein höheres Strafmass hält Funiciello gestützt auf Studien für die falsche Methode, weil es Frauen nicht davor schütze, getötet zu werden. Doch genau darauf pocht die SVP: Der Staat müsse aufhören, Verbrecher und Gewalttäter mit Samthandschuhen anzufassen, sagt Bircher. Die anstehende Strafrahmenharmonisierung biete die Möglichkeit, die Strafandrohungen anzupassen.
(https://www.derbund.ch/wie-mit-femiziden-umgehen-linke-und-rechte-streiten-darueber-993877695458)


+++RECHTSPOPULISMUS
Die gerettete Ehre des Joel Thüring
Das Onlinemagazin Bajour findet in Joel Thüring einen gemässigten Politiker inmitten einer sich radikalisierenden SVP. Doch das ist mehr Wunschdenken als Realität. Eine Medienkritik.
https://daslamm.ch/die-gerettete-ehre-des-joel-thuering/


+++RECHTSEXTREMISMUS
Ehemaliger PNOS-Chef wegen Rassendiskriminierung verurteilt
Der Basler Ex-PNOS-Chef Tobias Steiger hatte einen Strafbefehl der Stawa angefochten, seine Einsprache nun aber zurückgezogen. Damit ist er wegen Rassendiskriminierung rechtskräftig verurteilt. Die Aussagen hat er vor allem auf Facebook getätigt, aber auch an einer Kundgebung in Basel 2018.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/ehemaliger-pnos-chef-wegen-rassendiskriminierung-verurteilt?id=12075642


Rechtsextreme Propaganda auf Game-Plattformen
42% der Menschen in der Schweiz spielen mindestens einmal in der Woche Videospiele – Games haben sich also in den letzten Jahren rasant vom Nischenhobby zum Massenphänomen entwickelt. Doch mit dieser Entwicklung geht auch immer häufiger politischer Missbrauch einher: Rechtsextreme Aktivist*innen nutzen online Spiele und Plattformen, um ihre menschenverachtenden Ideologien zu verbreiten.
Mick Prinz leitet das Projekt Good Gaming – well played democracy der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Das Radio Corax in Halle hat ihn gefragt, wer genau denn hinter dieser lauten rechtsextremen Minderheit stecke, welche versucht, die Gaming Kultur zu instrumentalisieren.
https://rabe.ch/2021/10/19/rechtsextreme-propaganda-auf-game-plattformen/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
derbund.ch 20.10.2021

Protest für Corona-Betroffene: Jetzt verärgert Nause linke Demonstranten

Der Berner Sicherheitsdirektor bewilligt für Samstag einen Umzug durch die Altstadt von Massnahmengegnern. Zuvor hat er dies linken Gruppierungen verwehrt.

Carlo Senn

Um die Situation der Corona-Demos zu entschärfen, hat die Stadt kurzfristig eine Demonstration von Massnahmengegnern für Samstag bewilligt. Das Gesuch kommt vom «Aktionsbündnis der Urkantone» und von der «Freien Linken Schweiz». Damit will Sicherheitsdirektor Reto Nause (Die Mitte) den unbewilligten Protesten am kommenden Donnerstag den Wind aus den Segeln nehmen, nachdem es zuvor bei solchen Demos regelmässig zu Ausschreitungen gekommen ist.

Mit dieser Aktion verärgert der Sicherheitsdirektor jedoch eine linke Vereinigung, die am Samstag ebenfalls protestiert. Allerdings für die «besonders Betroffenen der Corona-Pandemie». Zu den Unterstützern gehören unter anderem die SP Stadt Bern, das Grüne Bündnis, die Alternative Linke, die Partei der Arbeit, die Juso Stadt und Kanton Bern sowie das feministische Streikkollektiv Bern. Auch das Solidarische Bündnis Bern hat dazu aufgerufen, an der Demo teilzunehmen. Dieses hat bereits letzte Woche eine Demonstration in Bern organisiert – allerdings eine illegale.

Wie kam es dazu?

Doch während die Massnahmengegner durch die Altstadt vom Münster- zum Bundesplatz marschieren dürfen, hat die Stadt dem linken Kollektiv lediglich den Helvetiaplatz zur Verfügung gestellt.

Nora Krummen, SP-Stadträtin und Mitorganisatorin, ist verärgert: «Mit grosser Verwunderung stellen wir fest, dass es offenbar für eine Kundgebung in der Innenstadt doch noch Platz hat», sagt sie auf Anfrage. Nun habe die Stadt quasi «eine Gegendemonstration» bewilligt, was so eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Zudem habe das linke Kollektiv das Gesuch vor den Massnahmengegnern eingereicht. Dies bestätigt die Stadt auf Anfrage. Krummen macht sich auch Sorgen um den Zugang zum Helvetiaplatz: «Die Besammlung unserer Demonstration überschneidet sich mit dem Umzug der Massnahmengegner», sagt sie.

Wie kam es dazu? Auf Anfrage äussert Nause Verständnis für den Ärger der linken Protestierenden. Es sei tatsächlich «unglücklich verlaufen», sagt er. Unter normalen Umständen wäre dies nicht so geschehen. Die Ereignisse hätten sich allerdings «überschlagen». Aus diesem Grund müssten die linken Demonstrierenden nun mit dem Helvetiaplatz vorliebnehmen.

Für den Berner Sicherheitsdirektor ist die bewilligte Demo ein Erfolg. Er habe seit Wochen versucht, mit den Organisatoren der illegalen Demonstrationen Kontakt aufzunehmen – lange erfolglos.

Denn es ist nicht das erste Mal, dass sich Nause mit den Massnahmengegnern an einen Tisch gesetzt hat: Bereits vor einem Monat hat er mit diversen ihrer Vertreter verhandelt, darunter auch jenen von Massvoll und den Freiheitstrychlern. Allerdings konnten sich die Parteien trotz stundenlanger Verhandlungen letztlich nicht einigen.

Polizei am Anschlag

Die Kantonspolizei Bern sieht sich aufgrund der zahlreichen Kundgebungen und Veranstaltungen mit einer Mehrbelastung konfrontiert. Deshalb hat die Kapo das Polizeikonkordat Nordwestschweiz um Unterstützung angefragt. Somit sind am Samstag auch Polizisten aus anderen Kantonen in Bern im Einsatz. Zudem schliesst die Kantonspolizei am Donnerstag und am Samstag erneut Polizeiwachen.

Neben den Demos am Donnerstag und am Samstag finden noch weitere Veranstaltungen statt, die für die Polizei von Bedeutung sind: die Lichtshow Rendez-vous Bundesplatz am Samstag sowie Sportveranstaltungen von YB und SCB am Sonntag.
(https://www.derbund.ch/jetzt-veraergert-nause-linke-demonstranten-516713263623)



Bern: Lichtshow auf Bundesplatz am Demo-Donnerstag
In den letzten Wochen gab es in der Stadt Bern immer am Donnerstag illegale Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen, manchmal auch Gegendemos. Der Bundesplatz war jeweils abgeriegelt. Doch morgen sind dort tausende Menschen – wegen der Lichtshow «Rendez-Vous Bundesplatz». Wie soll das gehen?
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bern-lichtshow-auf-bundesplatz-am-demo-donnerstag?id=12075372


Massnahmen-Kritiker verscheuchen potentielle Kunden im Berner Abendverkauf
Mittlerweile sind an einem Donnerstag demonstrierende Corona-Massnahmen-Kritiker und die Polizei in der Berner Altstadt ein gewohntes Bild. Darunter leidet besonders der Abendverkauf in der Innenstadt – Gewerbler klagen über fehlende Kundschaft.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/massnahmen-kritiker-verscheuchen-potentielle-kunden-im-berner-abendverkauf-144088248
-> https://www.blick.ch/politik/abendverkauf-faellt-aus-berner-gewerbler-haben-nase-voll-von-corona-demos-id16921344.html



derbund.ch 20.10.2021

Geschäftsschädigende Corona-Demos«: Viele merken gar nicht, wie sehr sie dem Gewerbe schaden»

Bei Donnerstags-Demos bleiben Berns Beizen leer. Der neue Wirtepräsident Tobias Burkhalter über Bürokratie, dialogunfähige Massnahmengegner, frustrierte Beizer und den Wunsch nach «Weihnachtskitsch».

Claudia Salzmann, Markus Dütschler

Herr Burkhalter, kürzlich hörten wir an einem Demonstrations-Donnerstag, wie ein Kellner gegenüber einem Gast seiner Wut auf die Teilnehmer der unbewilligten Kundgebung Ausdruck gab, weil er weniger Umsatz macht. Ist das die allgemeine Stimmung beim Berner Gastgewerbe?

Tobias Burkhalter: Ja. Viele unserer Verbandsmitglieder sind hässig. Und sie sagen, dass auch die Gäste allmählich ‹stinkig› seien, wenn das jeden Donnerstagabend stattfinde.

Lassen sich die Umsatzverluste beziffern?

Die Gastronomie ist leider nicht so zahlenaffin wie der Detailhandel, aber ich gehe von einem Rückgang von 20 Prozent aus, den wir an Donnerstagen erleiden.

Die Kundgebungen finden sehr lokal statt, weshalb gibt es dennoch grosse Auswirkungen?

Die Menschen trauen sich dann kaum mehr in die Stadt. Gruppen mit Reservierungen annullieren oder wollen am Mittwoch kommen. Büroleute verzichten auf einen Apéro und eilen nach Hause, weil ihr Heimweg wegen Störungen beim ÖV ohnehin lange dauert.

Ausserhalb des Zentrums könnten doch die Trams fahren.

Das meinte ich auch. Doch inzwischen habe ich erfahren, dass Bernmobil den Strom abstellen muss, sobald ein Wasserwerfer zum Einsatz kommt. Dann ist der ganze Abschnitt lahmgelegt.

Jetzt wollen Sie mit einer Kampagne die Gäste zu einem Besuch in der Innenstadt ermuntern. Was ist Ihre Botschaft?

‹Haltig zeige. Lieber in Bärn: ou wenn am Donnschti demonstriert wird. Mir hei offe. Chömet verbi, mir fröie üs uf öich.› Diese Botschaft ist auf den Werbebildschirmen im ÖV aufgeschaltet.

Das tönt freundlich und harmlos. Warum nicht zupackender?

Zuerst wollten wir jenes mutmassliche Drittel der Demonstrierenden ansprechen, das weder auf Krawall aus noch zugedröhnt ist, sondern eine Meinung vertreten will. Wir vermuteten, dass diese Leute an sich KMU-freundlich eingestellt sind und vielleicht gar nicht merken, wie sehr sie dem Gewerbe schaden.

Weshalb haben Sie es anders gemacht?

Ich musste feststellen, dass es sehr schwierig ist, an diese Leute heranzukommen. Bei einer Kundgebung unter dem Baldachin sprach ich zwei Personen an. Als ich ihnen versicherte, dass ich kein Journalist sei, waren sie bereit, mir zuzuhören.

Haben Sie ihnen das Leid der Wirte geklagt?

Ja, ich habe ihnen gesagt, dass jede Kundgebung den Gewerbetreibenden schadet. Sie entgegneten, ich solle doch sämtliche Wirte für die Demo mobilisieren, so liesse sich noch machtvoller gegen die Diktatur protestieren. Da merkte ich, dass es keinen Sinn hat.

Wie stehen Sie zu den Massnahmen?

Genau darüber wollen wir nicht reden. Man kann eine Sache gut oder schlecht finden, es darf auch Demonstrationen geben, denn als Bundesstadt sind wir die Demo-Hauptstadt. Es ist einfach eine Frage des Masses. Und wenn die Sache unbewilligt abläuft, ist es noch schwieriger.
(,…)
(https://www.derbund.ch/ich-riet-stell-das-zelt-einfach-auf-und-schau-was-passiert-299270089976)



derbund.ch 20.10.2021

Umstrittene Corona-Demos Gewerbler planen Rettungsaktion für Berner Abendverkauf

Die Corona-Kundgebungen in Bern führen bei vielen Läden zu Umsatzrückgängen. Nun soll eine Kampagne von Gastro Stadt Bern und Bern City die Kundinnen und Kunden zurückholen.

Rahel Guggisberg

Eigentlich wollte das Berner Schuh- und Modegeschäft Olmo gerade den Abendverkauf am Donnerstag wieder einführen. Dies, nachdem er mit dem Ausbruch der Pandemie gestrichen worden war. Das Geschäft schliesst seither um 18.30 Uhr. Olmo-Chef Luc Pauchard plante, die Öffnungszeit am Donnerstag wieder bis um 20 Uhr zu verlängern. Doch daraus wird voraussichtlich nichts. «Wegen der andauernden Demonstrationen der Corona-Gegner werden wir wohl den Abendverkauf nicht mehr lancieren,» sagt Luc Pauchard.

Die Kundgebungen seien für die Kundinnen und Kunden sehr mühsam. Pauchard berichtet: Sie wüssten nicht, wie sie zum Laden an der Zeughausgasse gelangen könnten, weil der Weg oft versperrt sei. «Der Demonstrationstourismus ist für uns sehr belastend und anstrengend», sagt Pauchard. Er verlangt, dass die Politik tätig wird, damit die Berner Detailhändler nicht noch mehr Umsatzeinbussen verzeichnen.

Das Warenhaus Loeb benennt die Umsatzverluste. Firmenchef Ronald Christen sagt: «Wir verlieren in den Abendstunden bis 20 Prozent im Vergleich zu Donnerstagen ohne Demonstrationen. Diese haben einen starken Einfluss auf unseren Abendverkauf.» Keine Zahlen nennen will die Migros Aare für die Filiale an der Marktgasse. Sie leide aber sehr stark unter den Kundgebungen. Ein gemütlicher Einkaufsbummel und eine Demo passen laut der Detailhändlerin nicht zusammen.

«Demos schaden»

«Die Corona-Demonstrationen werden für die Berner Läden zu einem Problem und schaden ihnen», sagt Sven Gubler, der Direktor der Innenstadt-Vereinigung Bern City. Er weiss: Das Geschäft am Donnerstagabend laufe bei vielen Mitgliedern gar nicht mehr gut.

Bedeuten denn die Demonstrationen für den Berner Abendverkauf das Ende? Gubler entgegnet: «Nein. Definitiv nicht.» Aber der Berner Abendverkauf ist derart unter Druck, dass Bern City gemeinsam mit Gastro Stadt Bern am Montag die Kampagne «Haltig zeige» lancierte: Kundinnen und Kunden werden in Zeitungen, im Bahnhof und in den Fahrzeugen von Bernmobil darauf aufmerksam gemacht, dass Läden und Restaurants trotz der schwierigen Situation offen haben.

Gubler sagt, er sei in regelmässigem Kontakt mit der Politik. «Wir spüren die Bereitschaft des Gemeinderats, Lösungen für das Gewerbe zu finden.» Die ganze Entwicklung sei sehr schade, betont er. «Der Abendverkauf in Bern war nach der Pandemie gerade in der Phase der leichten Revitalisierung. Viele gingen gerade am Donnerstag wieder gern in die Stadt. Sie genossen die sozialen Kontakte.»

Doch Sven Gubler ist realistisch: «Eine Bedeutung wie vor fünfzehn Jahren wird der Abendverkauf in Bern nie mehr haben.» 1975 wurde er in der Stadt Bern eingeführt. Damals traf man sich zum «Lädele» und Flanieren. Der Abendverkauf war für viele Vollzeitangestellte die einzige Möglichkeit, um nicht am Samstag die Einkäufe machen zu müssen. Doch mit der Zeit wurde dieses Angebot immer weniger genutzt. Das veränderte Konsumverhalten – Onlineshopping, längere Öffnungszeiten in den Quartieren – sehen die Detailhändler als Grund dafür.

Coop wollte sich nicht dazu äussern, ob die Demos am Donnerstag zu Rückgängen führen. Sprecherin Patricia Straumann betont aber die Bedeutung: «Der Abendverkauf in den Coop-Verkaufsstellen in der Berner Innenstadt ist nach wie vor von grosser Wichtigkeit.» Die Coop Supermärkte in der Berner Innenstadt seien alle bis um 21 Uhr geöffnet, die Verkaufsstelle im Bahnhof bis um 23 Uhr.

Andere verzichten auf dem Abendverkauf

Es gibt auch Geschäfte, die seit der Pandemie ganz auf den Abendverkauf verzichten. Beispielsweise Peter von Gunten, Filialleiter des Schmuckgeschäfts Bucherer, sagt: «Wir haben seit der Wiedereröffnung nach der Pandemie keinen Abendverkauf mehr. Derzeit denken wir auch, dass wir ihn nicht wieder einführen.» Es scheine derzeit kein Bedürfnis der Kunden zu sein, am Donnerstagabend noch hochwertigen Schmuck zu kaufen. Er sagt: «Dass in Bern ständig demonstriert wird und es dabei Ausschreitungen gibt, schadet dem Image der Stadt. Auswärtige Kunden sprechen mich andauernd auf die Problematik an.»

In der unteren Altstadt verzichten viele Geschäfte schon etwa seit rund drei Jahren auf den Abendverkauf. Beispielsweise auch der Spielzeugladen Bilboquet in der Münstergasse. Das Geschäft ist nur noch im Dezember am Donnerstagabend länger geöffnet. Inhaberin Martine Adank sagt: «Wir spüren die Folgen der Demonstrationen. Viele Kunden kommen nur noch am Donnerstagmorgen in die Stadt. Am Nachmittag meiden sie diese.» Sie fordert rasche Lösungen von der Politik.
(https://www.derbund.ch/gewerbler-planen-rettungsaktion-fuer-berner-abendverkauf-482055502453)



«Diktatorisch»: Jammernde Skeptiker bleiben bewilligter Demo fern
Am Samstag findet in Bern eine bewilligte Demo der Massnahmen-Gegner statt. Einige Gruppen jammern über die Bedingung und sagen ihre Teilnahme ab.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/diktatorisch-jammernde-skeptiker-bleiben-bewilligter-demo-fern-66026420


Zürich: Rund 70 Teilnehmende an Demonstration gegen Berset
Alain Berset hat am Mittwoch eine Rede an der Uni Zürich gehalten. Rund 70 Demonstranten zogen deswegen durch die Zürcher Innenstadt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/zurich-rund-70-teilnehmende-an-demonstration-gegen-berset-66026756
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/rund-70-teilnehmende-an-demonstration-gegen-berset-in-zuerich-00167575/
-> https://www.20min.ch/story/rund-50-personen-demonstrieren-wegen-berset-besuch-in-zuerich-789899134137


Bundesgericht stützt Vorgehen gegen Coronarebellen-Beiz
Das Bundesgericht zeigt keine Gnade mit den Veranstaltern einer illegalen Feier im «Älpli» in Gommiswald. Die Polizei hat die Kollekte zurecht eingezogen, und der Glaube taugt nicht als Ausrede.
https://www.suedostschweiz.ch/aus-dem-leben/2021-10-20/bundesgericht-stuetzt-vorgehen-gegen-coronarebellen-beiz
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/illegale-corona-veranstaltung-in-gommiswald-sg-skeptiker-zogen-mit-religionstrick-vors-bundesgericht-id16921764.html?utm_source=twitter&utm_medium=social&utm_campaign=blick-page-post&utm_content=bot
-> Urteil Bundesgericht: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://05-10-2021-1B_359-2021&lang=de&zoom=&type=show_document



nzz.ch 20.10.2021

Der Impfgegner David B., die SVP und das Prinzip der reinen Weste

Die SVP tut sich in der Regel schwer damit, Mitglieder auszuschliessen. Doch der innerparteiliche Druck auf einen Schwyzer SVP-Kantonsrat und Impfgegner steigt.

Christina Neuhaus

Von David B. ist nicht viel bekannt: Landwirt, Mitglied des Kirchenrats seiner Wohngemeinde, SVP-Mitglied und Schwyzer Kantonsrat. Ende September sorgte er im Kantonsparlament für einen Eklat. Er hörte nicht mehr auf, über die «perversen Massnahmen» des Bundesrats zu schimpfen, und behauptete, im Kantonsspital Schwyz seien kürzlich zwei Personen nach einer Impfung gestorben.

Mikrofon abgestellt

Der Kantonsratspräsident, ebenfalls SVP-Mitglied, hörte sich das eine Weile an, mahnte, mahnte nochmals deutlicher und stellte dem Mann dann das Mikrofon ab. Der Fraktionschef der SVP bekam ebenfalls einen Rüffel und den Auftrag, den wilden Verschwörungstheorien nachhängenden Volksvertreter zu massregeln.

Damit wären David B.s 15 Minuten Ruhm vorbei gewesen, hätten ihn die Organisatoren einer Corona-Demonstration am vergangenen Sonntag nicht als Gastredner eingeladen. B. betrat die Bühne, fing an, von der Dreifaltigkeit und wahren Eidgenossen zu reden, und steigerte sich schliesslich immer mehr in seine Verschwörungsphantasien hinein: Erst sprach er von «Kriegsrecht» und «Kämpfen bis auf den letzten Blutstropfen», dann behauptete er, man erlebe in der Schweiz «einen Genozid der Gedanken, der Worte, der körperlichen Unversehrtheit». Das Covid-Zertifikat sei der neue Judenstern.

Es dauerte nicht lange, bis man sich in den sozialen Netzwerken über den Mann empörte. Erst machte ein falsches Zitat die Runde. Ein Journalist schrieb, er habe gesagt, man müsse den Bundesrat erschiessen. Dann tauchten Videos der Rede auf, auf denen deutlich zu hören ist, dass der Mann nicht von Schiessen, sondern scheissen sprach: Wörtlich sagte er: «Der Bundesrat scheisst auf die Verfassung.» Die Videos zeigten allerdings auch den Rest der Rede mit den unsäglichen Genozid- und Holocaust-Vergleichen.

Die SVP hat ein Problem

Die Medien nahmen den Fall auf, und seither hat die SVP ein Problem mit B. In jeder anderen Partei würde man den Mann wahrscheinlich rausschmeissen. In der SVP hat man sich aber schon immer am Grundsatz der Neutralisierung durch Einbindung orientiert. Sonst drohe erst recht Radikalisierung.

Christoph Blocher, der Erfinder der modernen SVP, sagte kürzlich in der NZZ: «Wissen Sie, weshalb Parteien Mitglieder mit anderen Ansichten so schnell ausschliessen? Damit die eigene Weste rein bleibt. Das ist reiner Fassadenschutz. Klüger ist es, auch mit diesen zu reden. Aber eine Politik zu machen, wo die extremen Ansichten keinen Einfluss haben.»

An dieser Einstellung orientierte sich auch der Präsident der SVP Schwyz, Roman Bürgi. Er verurteilte die Aussagen B.s zwar, sagte aber, ein Parteiausschluss stehe nicht zur Diskussion. Es handle sich um persönliche Aussagen, nicht um politische.

Viele in der Partei sehen das allerdings anders. Der ebenfalls aus dem Kanton Schwyz stammende SVP-Ständeratspräsident Alex Kuprecht nannte die Rede B.s «unwürdig», und die SVP Neuenburg versandte am Dienstag sogar ein Pressecommuniqué: Man distanziere sich klar von B.s Holocaust-Vergleich. Er sei «respektlos gegenüber den Opfern eines dunklen Kapitels der Geschichte» und beschmutze die politische Debatte um die Massnahmenpolitik.

Nun will die SVP Schwyz David B. doch noch einmal zur Rede stellen. Die SVP vermeidet zwar Parteiausschlüsse, wenn sie kann. Sie hat sich in der Vergangenheit allerdings immer wieder von Mitgliedern getrennt. 1999 musste die SVP Genf ihren rechtsextremen Parteisekretär auf Geheiss des damaligen Parteipräsidenten, Ueli Maurer, rauswerfen. 2015 trennte sich die Tessiner SVP von ihrem Mediensprecher, weil er rassistische Kommentare auf Facebook gepostet hatte. Zu schmutzig darf die Weste nicht werden.
(https://www.nzz.ch/schweiz/svp-parteikollegen-distanzieren-sich-von-schwyzer-kantonsrat-ld.1651106)



Covid-19-Gesetz: Gegner werben nun mit FDP-Präsident Burkart
Das Nein-Komitee zum Covid-19-Gesetz tut es schon wieder: Nach der Werbung mit Bundesrat Maurer missbraucht es jetzt ein Zitat von FDP-Präsident Burkart.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/covid-19-gesetz-gegner-werben-nun-mit-fdp-prasident-burkart-66026473


Sektenstelle betont weiterhin Gefahr durch Verschwörungstheorien
Aus dem Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen geht hervor, dass durch Corona deutlich mehr Anfragen zu Verschwörungstheorien kamen
https://www.derstandard.at/story/2000130578900/sektenstelle-betont-weiterhin-gefahr-durch-verschwoerungstheorien?ref=rss


+++HISTORY
Kolonialismus im Maghreb: Frankreichs Staatsverbrechen an den Algeriern
Erschossen, erschlagen oder ertränkt: Eine Demonstration zehntausender Algerier endete am 17. Oktober 1961 mit dem “Massaker von Paris”. 60 Jahre später fordern Historiker und Opferverbände ein Zeichen des Präsidenten.
https://de.qantara.de/inhalt/kolonialismus-im-maghreb-frankreichs-staatsverbrechen-an-den-algeriern