Medienspiegel 16. Oktober 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Frontex-Ausbau: Referendum wird ergriffen
Das Bundesparlament hat der Schweizer Beteiligung am Ausbau von Frontex zugestimmt. Ein Referendum könnte den Entscheid umkehren. Die Ratslinke ist unentschlossen. Aktivist:innen planen jetzt einen Versuch von unten.
https://www.woz.ch/2141/frontex-ausbau/referendum-wird-ergriffen


+++BALKANROUTE
Die Pushbacks haben System
Nicole Vögele deckte illegales Zurückdrängen von Flüchtlingen durch die kroatische Polizei mit auf
Offiziell sind sie in der EU verboten: Pushbacks, also das Zurückdrängen von Flüchtenden hinter die Grenze. Tatsächlich aber ist diese Praxis Teil der EU-Außenpolitik, so Reporterin Nicole Vögele, die die Pushbacks dokumentiert hat.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157661.eu-aussengrenze-die-pushbacks-haben-system.html


+++GASSE
Zweiter Vorfall Freitagnacht Mann bei Streit auf Schützenmatte verletzt
In der Nacht auf Samstag erlitt ein Mann bei einer Auseinandersetzung auf der Schützenmatte in Bern Schnittverletzungen. Die Polizei sucht Zeugen.
https://www.derbund.ch/mann-bei-streit-auf-schuetzenmatte-verletzt-846145012339
-> https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=f77f37d2-e59a-45d5-a99d-5b4fc4eee5f7


+++SEXWORK
Co-Geschäftsleiterinnen des Vereins Lisa: Das sind Luzerns neue Kämpferinnen für Sexarbeiterinnen
Daniela Gisler und Eliane Burkart sind die neuen Co-Geschäftsleiterinnen des Vereins Lisa. Im Interview verraten sie, wo sie den grössten Handlungsbedarf von Sexarbeitern in Luzern sehen und was sie mit ihrem Engagement erreichen wollen.
https://www.zentralplus.ch/das-sind-luzerns-neue-kaempferinnen-fuer-sexarbeiterinnen-2210701/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Friedliche Demo mit Maske: «Linkes» Zeichen gegen Massnahmenkritiker
Rund 300 Leute haben am Samstag in Bern gegen «rechte» Massnahmenkritiker demonstriert. Sie zogen friedlich durch die Innenstadt.
https://www.derbund.ch/coronademonstration-mit-schutzmaske-336844449295
-> https://www.bernerzeitung.ch/coronademonstration-mit-schutzmaske-336844449295
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/gegenbewegung-zu-massnahmen-kritikern-solidarisches-buendnis-bern-will-gerecht-aus-der-krise-144054996
-> https://www.20min.ch/story/corona-demo-in-bern-hier-gehts-gegen-massnahmen-gegner-404604411552
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-gegendemo-solidarisches-bundnis-bern-66021948
-> https://www.watson.ch/!396457844
-> https://www.blick.ch/schweiz/in-baden-ag-und-rapperswil-sg-gleich-zwei-corona-skeptiker-demos-heute-id16913414.html
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/194251/
-> https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2021/10/16/linke-demonstrieren-in-bern-gegen-die-massnahmenkritiker.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/rendez-vous-bundesplatz-trotz-geldknappheit?id=12074001
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/das-neueste-zur-coronakrise-mehrere-corona-kundgebungen-in-schweizer-staedten
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/coronamassnahmen-mehrere-demos-und-eine-gegendemo-zu-den-demos?urn=urn:srf:video:b62f591d-4881-4145-b7b6-7cd032e6855f
-> https://twitter.com/Megafon_RS_Bern/status/1449355848136941570
-> https://twitter.com/__investigate__/status/1449358824008257541
-> https://twitter.com/weibel82/status/1449352144952471557
-> https://twitter.com/so_bue_be
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/4776



derbund.ch 16.10.2021

Demo gegen Corona-Demos: «Das darf man nicht einfach hinnehmen»

Ein neues Bündnis stellt sich in Bern gegen rechtsextreme Massnahmenkritiker und ruft zur Demo auf. Die Mitglieder wollen eigene Kritik an der Corona-Politik einbringen.

Calum MacKenzie

In Bern wird der Unmut über die wöchentlichen Demos gegen die Covid-Massnahmen immer grösser. Die Gewaltbereitschaft der Demonstrierenden nimmt zu, und wie deren Onlineforen zu entnehmen ist, sind sie zunehmend von Verschwörungstheorien und rechtsextremem Gedankengut beeinflusst.

Eine neue Gruppe will nun eine Alternative bieten: Das «Solidarische Bündnis Bern» plant für diesen Samstag in Bern eine eigene Demo «gegen Faschismus und Verschwörungserzählende» und für «eine linke Perspektive in der Corona-Krise». Für ihre Demo gilt Maskenpflicht, gewisse Punkte der Corona-Politik kritisieren aber auch sie. Wir haben uns mit der Aktivistin Max und dem Aktivisten Kim getroffen, die beide im Bündnis aktiv sind. Sie haben sich Decknamen ausgesucht, weil die Gefahr bestehe, auf rechtsextremen Plattformen angeprangert zu werden. Die beiden sind Mitte zwanzig und leben im Raum Bern.

Wer steckt hinter dem Bündnis?

Kim: Die Gruppe ist sehr divers. Wir sind nicht nur junge Studierende, es sind verschiedene Altersgruppen und Lebensumstände vertreten.

Max: Einige sind schon länger in der linken Szene in Bern aktiv. Es sind aber auch Leute dabei, die erst in der Pandemiekrise politisiert wurden.

Richten Sie sich vor allem an Linke?

Max: Der Demoaufruf ist an alle gerichtet. Es wäre cool, wenn dort viele verschiedene Menschen gemeinsam für unsere Anliegen einstehen. Wir wollen uns einfach von Verschwörungsgläubigen abgrenzen. Nicht zuletzt deshalb gilt für unsere Demo auch eine Maskenpflicht.

Kim: Wir erhalten aus anderen Lagern auch Zuspruch. Ein Mitglied einer eher konservativen Partei hat seine Teilnahme angekündigt. Das Bündnis versteht sich klar als links. Ich denke aber, das Anliegen bringt viele Menschen zusammen.

Was ist denn das Anliegen?

Kim: Seit Beginn der Pandemie haben Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker daraus Kapital geschlagen. Mittlerweile haben wir in Bern regelmässige Demos, bei denen Aussenstehende und Medienschaffende angepöbelt und bedroht werden. Das kann man nicht einfach hinnehmen. Wir wollen dagegen ein Zeichen setzen – und auch den Diskurs über die Corona-Politik aus der rechten Ecke herausholen.

Was heisst das?

Kim: Die Debatte ist unglaublich festgefahren. Solange sie von rechten Verschwörungsideologen dominiert wird, kann man keine sinnvolle Diskussion über die Massnahmen und deren Auswirkung führen. Dabei gibt es einiges, was diskutiert werden muss.

In den vergangenen Tagen wurden auch linke Stimmen gegen das Covid-Gesetz laut, über das im November abgestimmt wird. Ein Komitee, zu dem sich auch die Autorin Sibylle Berg zählt, wehrt sich gegen das Zertifikat, welches aus seiner Sicht den Aufbau von Überwachungsstrukturen begünstige. Ein umfassender Datenschutz ist schon lange ein linkes Thema. Gleichzeitig ist die Zustimmung zum Covid-Gesetz etwa im SP-Lager besonders hoch. Sorgt die Abstimmung auch im «Solidarischen Bündnis» für Spannungen?

Wie stehen Sie zum Covid-Gesetz?

Kim: Die Abstimmung steht nicht im Fokus des Bündnisses. Aber wir sind nicht gegen Schutzmassnahmen, bei uns lehnt niemand die Maske oder die Impfung ab.

Und das Zertifikat?

Max: In der Gruppe ist es bisher kein Diskussionsthema. Betrachte ich persönlich die peinlich tiefe Impfquote, kann ich nachvollziehen, warum sich die Behörden dadurch erhoffen, einen Hauch Normalität zu schaffen und dabei gesundheitliche Risiken zu minimieren. Eine Abwägung zwischen gesundheitlichem Nutzen und dem Risiko für Datenmissbrauch sollte für mich aber immer diskutiert werden.

Was ist denn die linke Perspektive auf die Pandemiekrise?

Kim: Wir wollen eher über Auswirkungen der Pandemiebekämpfung reden, die noch wenig beachtet sind. So trifft die Krise jene besonders hart, die etwa in Gefängnissen oder Heimen eingeschlossen leben. Schutzmassnahmen wurden in Rückkehrzentren ungenügend umgesetzt. Die Pandemie zeigte auch den Graben zwischen der Bedeutung systemrelevanter Arbeitender und der wirtschaftlichen Wertschätzung für sie.

Zuletzt ging die Polizei teilweise unzimperlich gegen die unbewilligten Demos der Massnahmenkritiker vor. Nun steht an diesem Samstag die Kundgebung des «Solidarischen Bündnisses» an, auch diese ist unbewilligt. Die Polizei teilt mit, sie beobachte die Situation laufend.

Weshalb ist Ihre Demo unbewilligt?

Kim: Wir haben bewusst kein Gesuch gestellt. Die Stadt Bern erwägt ja immer stärker, die Klausel des neuen Polizeigesetzes zur Überwälzung der Einsatzkosten auf die Organisierenden anzuwenden. Ein gefährlicher Präzedenzfall. Wir haben die Behörden über unsere Demo informiert, können ihnen aber aufgrund dieses Risikos keine Namen angeben.

Hat die Stadt Gründe, Ihnen die Einsatzkosten zu verrechnen?

Kim: Nein. Wir lassen uns auch nicht mit den Massnahmengegnerinnen gleichsetzen und sind nicht auf Gewalt oder Konfrontation aus. Das sieht die Stadt hoffentlich auch ein. Wenn am Samstag gegen uns vorgegangen wird, nachdem rechte Ausschreitungen quasi hingenommen worden sind, stellt sich die eigentlich linke Stadt Bern gegen unsere Demonstrationsfreiheit.

Sollte die Polizei bei massnahmenkritischen Demos härter durchgreifen?

Kim: Aus Sicht der städtischen Behörden ist der Wille, die gewaltsamen Demos einzudämmen, nachvollziehbar. Wenn es jedoch zu Polizeigewalt kommt, ist das nie in Ordnung. Nur weil wir uns gegen die Verschwörungsgläubigen stellen, heisst das nicht, dass wir in solchen Fällen wegschauen.
(https://www.derbund.ch/das-darf-man-nicht-einfach-hinnehmen-237508483424)


Solidarisches Bündnis Bern (SBB)
https://twitter.com/so_bue_be


Coronademos: Aus der Schockstarre erwacht
Endlich regt sich linker Widerstand gegen die Coronaleugner:innen. Auch auf der Strasse.
https://www.woz.ch/2141/coronademos/aus-der-schockstarre-erwacht


Wer war am 09.10. in Genf auf der Straße?
Am Samstag, den 9. Oktober, fand in Genf eine Demonstration “für die Rückkehr zum gesunden Menschenverstand, für die Abschaffung der sanitären Maßnahmen und gegen das COVID-Gesetz” statt. Wir hatten zum Boykott dieser Demonstration aufgerufen, die hauptsächlich von der extremen Rechten organisiert wurde. Wir gingen dorthin, um zu sehen, welche Gruppen vertreten sein würden und welche Rollen sie spielen würden. Hier ist ein kurzer Bericht darüber, was wir gesehen haben und warum wir trotz unserer Ablehnung des COVID-Zertifikats weiterhin der Meinung sind, dass es wichtig ist, sich solchen Mobilisierungen nicht anzuschliessen.
https://barrikade.info/article/4802


+++REPRESSION DE
Berlin: Ausschreitungen nach Räumung des Köpi-Wohnprojekts
Die Polizei setzte einen Gerichtsbeschluss um und räumte das Gelände des linksautonomen Camps in Berlin. Bei einer anschließenden Demonstration gab es mehrere Festnahmen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-10/berlin-bauwagen-koepi-raeumung-demonstration-festnahmen?wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.x&utm_medium=sm&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_campaign=ref&utm_content=zeitde_redpost_link_x


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN

SCHWURBELDEMO RAPPERSWIL:
«Verantwortliche der Pandemie müsste man vors Kriegsgericht stellen»
„Am Eishockey-Stadion ist eine Bühne aufgebaut. David Beeler, Kantonsrat SVP-SZ, spricht über die «Tyrannen» in Bern, ihre «perversen Massnahmen» und einen «Genozid der Worte». «Viele doppelt Geimpfte» würden auf den Intensivstationen sterben, sagt der Redner.
Und: «Der Bundesrat hat das Land verraten.» Polizisten würden auf Frauen und Kinder schiessen – dabei müsste man auf den Bundesrat schiessen. Ein Raunen geht durchs Publikum.“
https://www.bluewin.ch/de/news/schweiz/corona-skeptiker-ziehen-rapperswil-und-baden-926950.html
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/demonstration-massnahmenkritiker-marschierten-durch-baden-und-rapperswil-ld.2202284
-> https://www.20min.ch/story/corona-demo-in-rapperswil-289777299679
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/das-neueste-zur-coronakrise-mehrere-corona-kundgebungen-in-schweizer-staedten
-> https://www.toponline.ch/news/coronavirus/detail/news/mehrere-corona-kundgebungen-in-schweizer-staedten-1-00167356/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/auftakt-zum-synodalen-prozess-der-roemisch-katholischen-kirche?id=12073980 (ab 01:24)
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/coronamassnahmen-mehrere-demos-und-eine-gegendemo-zu-den-demos?urn=urn:srf:video:b62f591d-4881-4145-b7b6-7cd032e6855f


SCHWURBELDEMO BADEN:
Linke Gruppierungen auf beiden Seiten: An der Demo in Baden kommt es zu einem skurrilen Aufeinandertreffen
Am Samstag demonstrierten Massnahmenkritiker in Baden. Die Organisation «Aargau hält Abstand» hat dazu aufgerufen, diesen zu zeigen, dass sie in Baden nicht erwünscht seien.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/baden/massnahmen-gegner-demonstranten-versammeln-sich-heute-in-baden-die-kundgebung-startet-beim-loewenbrunnen-ld.2201861
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/das-neueste-zur-coronakrise-mehrere-corona-kundgebungen-in-schweizer-staedten
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/ruhige-demo-gegen-corona-massnahmen-in-baden?id=12074010
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-massnahmen-gegner-demonstrieren-in-baden-ag-66021457
-> https://www.telem1.ch/aktuell/massnahmen-kritiker-demo-in-baden-loest-gegendemo-aus-144055222
-> https://www.ag.ch/de/aktuelles/medienportal/medienmitteilung_kapo/medienmitteilungen_kapo/medienmitteilungen_kapo_details_174659.jsp



Über 800 Personen an Corona-Demonstration in Lausanne
Zwischen 800 bis 1000 Personen sind am Samstag in Lausanne gegen die Covid-Massnahmen auf die Strasse gegangen. Zu Vorfällen kam es dabei nicht. Der vielfarbige Umzug verlief in familiärer Atmosphäre.
https://www.bluewin.ch/de/news/vermischtes/bern-will-demonstranten-kosten-aufbuerden-skigebieten-fehlt-es-an-angestellten-926697.html


«Impfen statt schimpfen»: Plakataktion verärgert Corona-Skeptiker
Der Präsident der Freidenker-Vereinigung hat genug von den Massnahmenkritikern. Er befürwortet das Covid-Zertifikat und wirbt aktiv für die Corona-Impfung. Dort, wo es zur Skeptiker-Demo kommt, werden LED-Plakate der sogenannten «Freiheitsimpfler» geschaltet.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/impfen-statt-schimpfen-plakataktion-veraergert-corona-skeptiker-144054889


Kommunikation und Wissenschaft: Morddrohungen gegen Corona-Experten
Eine Umfrage zeigt, wie oft Forschende, die sich öffentlich äussern, bedroht und beschimpft werden. Die Pandemie wirkt für Hassrede offenbar wie ein Brennglas.
https://www.derbund.ch/morddrohungen-gegen-corona-experten-108738457125


Foto von der Zürcher Street Parade wird als Corona-Demo in Triest verkauft
In Italien braucht man seit Freitag einen «Grünen Pass» bei der Arbeit. In mehreren Städten kommt es deshalb zu Demonstrationen. Auf Twitter macht nun ein Bild die Runde, das angeblich riesige Menschenmassen in Triest zeigt. Tatsächlich stammt das Foto aus Zürich.
https://www.20min.ch/story/foto-von-der-zuercher-street-parade-wird-als-corona-demo-in-triest-verkauft-823774941951


+++HISTORY
Reto Delnon: 1962 als Kommunist entlarvt und als Nati-Coach gefeuert
Der Staatsschutz bespitzelte ihn und zog die Fäden. Deshalb wurde Reto Delnon 1962 als Eishockey-Nati-Coach nach wenigen Tagen im Amt ausgebootet.
https://www.blick.ch/sport/eishockey/nati/reto-delnon-1962-als-kommunist-entlarvt-und-als-nati-coach-gefeuert-id16911704.html


Pandora Papers – Gib dem Ausbeuter Zucker
Auf der kleinen Insel Madeira entstand einst der Kapitalismus. In den Leaks über die Steuerparadiese taucht sie wieder auf. Kein Wunder
https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/gib-dem-ausbeuter-zucker



bzbasel.ch 16.10.2021

Kulturgüter aus Kolonialzeiten: Sie wurden wie Obst geerntet

Die Museen Europas sind voll mit Kulturschätzen, die im Zuge der Kolonialisierung gesammelt wurden, und geraten deswegen immer wieder unter Druck. Wie geht das Museum der Kulturen damit um?

Tamara Funck

Im Zuge der Kolonialisierung wurden unzählige Kulturgüter nach Europa gebracht. Sie wurden wie Obst «gepflückt» und in Sammlungen aufgenommen. Die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy verwendet bewusst die Analogie der Nahrungsbeschaffung, um deutlich zu machen, dass Kulturgüter, ganz anders als Bananen, nicht nachwachsen. Seien sie erst einmal gesammelt und von ihrem ursprünglichen Standort entfernt worden, liessen sie Lücken und Trauer zurück.

Savoy forscht an der Technischen Universität Berlin zu Kunstraub und Beutekunst, Museumsgeschichte sowie Kunst- und Kulturtransfer in Europa im 18. und 19. Jahrhundert. Dabei liegt ihr Fokus auf der europäischen Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents. Im Auftrag des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron arbeitet sie daran, dass Kulturgüter zurückgegeben werden, allen voran jene im Pariser Musée du Quai Branly, das 69’000 Objekte aus Gebieten südlich der Sahara beherbergt. Die Objekte stammen fast ausschliesslich aus den französischen Kolonien, aus der Zeit des französischen Kolonialismus.

Die Schweiz als Sonderfall?

Die Schweiz hat eine andere Kolonialgeschichte wie zum Beispiel Frankreich oder Grossbritannien. Sie hat eine Sammlungsgeschichte, die vielmehr mit religiösen Missionaren, mit Bürgerschaft und Handel zu tun hat – aber auch bei uns stehen Objekte, die während Kolonialzeiten hergebracht wurden.

Wie geht das Museum der Kulturen damit um? Es gehört zu den bedeutendsten ethnologischen Museen Europas und hat Savoy, sozusagen die Expertin selbst, im Rahmen der Talkreihe «Extractive Zones» nach Basel eingeladen. «Wir gehen ganz offen mit Rückforderungen um», sagt der stellvertretende Museumsdirektor Richard Kunz. «Wir ermutigen sogar dazu, wobei wir nicht alle Herkunftsgemeinschaften, alle Clans, alle Familienverbände und Nationalstaaten einzeln kontaktieren können.»

Die Forderung nach maximaler Transparenz

Bénédicte Savoy empfiehlt dem Museum der Kulturen mehr Offenheit: «Ich rate immer zur maximalen Transparenz. Dem Publikum deutlich zu machen, woher und wie die Objekte hierhergekommen sind. Gerade die jüngeren Generationen wollen es wissen, wie sie auch wissen wollen, wo der Kaffee herkommt.» Das sei der erste Schritt. Danach würde sich der Schritt zur Rückgabe, falls es denn dazu Anfragen geben wird, ganz spontan einstellen.

Savoy legt zwar in ihrem Vortrag eindrücklich vor, wie in Deutschland und Frankreich seit den 1960er-Jahren Rückforderungsanfragen aus Afrika eingehen und diese Jahrzehnte unbearbeitet abgelegt wurden, doch einen solchen Stapel kennt Richard Kunz in Basel nicht.

Alexander Brust, Kurator der Ausstellung «Extractive Zones» vom Museum der Kulturen, bestätigt: «Es gibt viele Forschungsanfragen, was bestimmte Sammlungsgeschichten, Zeitepochen und Regionen betrifft. Da ist sicherlich eine Konjunktur. Dem Museum liegen jedoch keine aktuellen Rückforderungsanfragen vor.» Bisher habe das Museum eine für alle Parteien möglichst vertretbare Lösung gesucht. Ein eindrückliches Beispiel, das genannt werden könne, sei jenes der Yudja in Brasilien. Die indigene Gruppe wurde im 19. und 20. Jahrhundert von Kolonisatoren weiter ins Landesinnere getrieben und bat das Museum der Kulturen um die Bewahrung ihrer Sammlung. Ausserdem wurde 2016 ein tätowierter Maori-Kopf nach Neuseeland restituiert. Der «toi moko» oder «moko mokai» befand sich bereits seit 1992 als Dauerleihgabe am Te Papa Tongarewa Museum in Wellington. Er gelangte 1923 als Geschenk an das Museum der Kulturen.

Bénédicte Savoy ist sich sicher: Museen seien politische Orte, die in Zukunft öfter kritisch angegangen werden, wegen der zum Teil brutalen Machtkonstellationen, die ihre Entstehung begleiten. Besucher, die sich Kulturgüter im Museum anschauen, bittet sie um eine Geistesübung: «Wenn wir ein Objekt sehen, dürfen wir uns daran freuen, aber wir müssen gleichzeitig immer im Kopf haben, dass es irgendwo fehlt. Und ganz wichtig: Die Träger der Kultur sind auch die Träger der Abwanderung. Wie schwer sind die Objekte und wer hat sie getragen? Sie sind ja nicht mit kleinen Flügeln gekommen.»
(https://www.bzbasel.ch/basel/museen-und-ihre-schaetze-kulturgueter-aus-kolonialzeiten-sie-wurden-wie-obst-geerntet-ld.2202183)