Medienspiegel 27. September 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++AARGAU
Eine Unterkunft für 300 Flüchtlinge in Aarau – doch wer realisiert das 30-Millionen-Zentrum?
An der Rohrerstrasse in Aarau soll bis 2028 eine Unterkunft für bis zu 300 Flüchtlinge entstehen. Der Kanton rechnet mit Kosten von knapp 30 Millionen Franken. Das Parlament behandelt den Projektierungskredit im Herbst 2022.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/integration-eine-unterkunft-fuer-300-fluechtlinge-in-aarau-doch-wer-realisiert-das-30-millionen-zentrum-ld.2194076


+++SCHWEIZ
Bundesrat muss Rückführungen nach Algerien auf Seeweg prüfen
Der Bundesrat muss Möglichkeiten prüfen, um bei zwangsweisen Rückführungen von Personen nach Algerien den Seeweg benützen zu können. Dafür soll er mit Algerien eine Vereinbarung verhandeln und bei einem Transitland wie Frankreich, Italien oder Spanien um eine Bewilligung für den Meer-Zugang anfragen.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210927182300637194158159038_bsd199.aspx


+++DEUTSCHLAND
Abschiebungen nach Sri Lanka: Ins Land der Folterpolizei
In Sri Lanka ist die tamilische Minderheit alltäglicher Repression ausgesetzt. Die Bundesregierung weiß das – und schiebt trotzdem dorthin ab.
https://taz.de/Abschiebungen-nach-Sri-Lanka/!5803212/


+++POLEN
Polen will den Ausnahmezustand an der EU-Aussengrenze zu Weissrussland um 60 Tage verlängern. Grund dafür ist die illegale Einreise von Migranten aus dem Nachbarland. Er werde dem Kabinett vorschlagen, den Präsidenten um diese Verlängerung zu bitten, sagte Innenminister Mariusz Kaminski am Montag (27. 9.) in Warschau. Die Situation an der Grenze sei ernst. «Es kommt zu einer Reihe von provokativen Vorfällen unter Beteiligung uniformierter weissrussischer Kräfte und zu Versuchen, die Integrität unserer Grenze zu verletzen.» Die Regierung in Warschau beschuldigt den weissrussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Aussengrenze zu bringen.

In Polens Grenzgebiet zu Weissrussland ist nach Angaben des polnischen Grenzschutz erneut ein Migrant ums Leben gekommen. In der Nacht zu Freitag sei 500 Meter von der Grenze zum östlichen Nachbarland eine Gruppe von Menschen aus dem Irak angehalten worden, teilten die Grenzschützer laut der Deutschen Presseagentur am Freitag (24. 9.) auf Twitter mit. Einer der Männer sei vermutlich an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Die Angaben des Grenzschutzes lassen sich nicht unabhängig überprüfen, da Polen in der Grenzregion den Ausnahmezustand verhängt hat. Journalisten und Vertreter von Hilfsorganisationen haben keinen Zutritt. Bereits am Sonntag waren im polnischen Grenzgebiet nach Angaben von Regierungschef Mateusz Morawiecki die Leichen von drei Menschen entdeckt worden. Die Personen sollen versucht haben, illegal nach Polen einzureisen. Die EU bat Polen am Freitag, den Einsatz von Kräften der europäischen Grenzpolizei Frontex zuzulassen.
(https://www.nzz.ch/international/migrationskrise-amnesty-international-fordert-entkriminalisierung-der-seenotrettung-ld.1535949)


+++GASSE
Neuer Seelsorger der Gassenarbeit: Valentin Beck über das Leben und den Tod in den Gassen von Luzern
Valentin Beck ist seit einem knappen halben Jahr Seelsorger bei der Gassenarbeit Luzern. Gleich zu Beginn seiner Arbeit musste er sich um mehrere Todesfälle kümmern. Im Gespräch mit zentralplus erzählt er, was das mit ihm gemacht hat und wieso dieser intensive Einstieg für ihn auch hilfreich war.
https://www.zentralplus.ch/valentin-beck-ueber-das-leben-und-den-tod-in-den-gassen-von-luzern-2194789/


+++MENSCHENRECHTE
Kein Freipass für Freihandel: Parlament sorgt sich um Menschenrechtssituation in China
Mit 102 zu 84 Stimmen hat der Nationalrat heute eine Motion seiner aussenpolitischen Kommission (APK) abgelehnt, die den Menschenrechtsschutz im Freihandelsabkommen (FHA) mit China stärken wollte. Der Vorstoss zeigt trotzdem das zunehmende Gewicht, welches das Parlament den Menschenrechten in der Handelspolitik gibt. Mit einem griffigen Aussenwirtschaftsgesetz könnte diesem Anliegen endlich grundsätzlich Rechnung getragen und dem Parlament zugleich mehr Mitsprache bei diesem wichtigen Thema eingeräumt werden.
https://www.publiceye.ch/de/mediencorner/medienmitteilungen/detail/kein-freipass-fuer-freihandel-mit-china-parlament-gibt-menschenrechten-staerkeres-gewicht-1


+++KNAST
Bei lebenslanger Strafe wird die frühzeitige Entlassung erschwert
Das Parlament will die frühzeitige Entlassung bei einer lebenslangen Haftstrafe erschweren. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat am Montag eine entsprechende Motion angenommen. Wer zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wird, solle nicht nach 15 Jahren wieder auf freien Fuss gesetzt werden.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210927181246423194158159038_bsd194.aspx


+++BIG BROTHER
Biometrie: London setzt drastische Gesichtserkennungstechnologie ein
Die Stadtpolizei London verwendet bald eine Überwachungstechnologie, die auch älteres Bildmaterial von Gesichtern auswertet. Gemeinnützige Organisationen zeigen sich erschüttert und sprechen sich gegen jegliche Werkzeuge zur automatischen Gesichtserkennung aus.
https://netzpolitik.org/2021/biometrie-london-setzt-drastische-gesichtserkennungstechnologie-ein/


+++POLICE VD
Der Tote von Morges
Wieder tötet die Waadtländer Polizei einen Schwarzen. Wer war der Mann, den seine Freunde Nzoy nannten?
https://www.republik.ch/2021/09/27/der-tote-von-morges


+++RASSISMUS
antira-Wochenschau: Frontex wird aufgerüstet, Holocaust wird verharmlost, Proteste in Afghanistan werden niedergeschlagen
https://antira.org/2021/09/26/frontex-wird-aufgeruestet-holocaust-wird-verharmlost-proteste-in-afghanistan-werden-niedergeschlagen/


Name als rassistisch eingestuft: Armee streicht «Reispfanne Zigeuner Art» aus Bestand
Wegen einer rassistischen Bezeichnung musste die Armee ein Fertigessen umbennnen. Es handelt sich um einen Einzelfall.
https://www.blick.ch/schweiz/wegen-rassimus-armee-streicht-reispfanne-zigeuner-art-aus-bestand-id16864854.html


C Wil: Medienchef Dani Wyler zieht Konsequenzen
Dani Wyler (69) kommentierte jahrelang für SRF die Fussballspiele. Als Medienchef begleitete er den FC Wil mit viel Herzblut. Bis zum Rassismus-Skandal.
https://www.nau.ch/sport/fussball/fc-wil-medienchef-dani-wyler-zieht-konsequenzen-66011223
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/knall-beim-fc-wil-dani-wyler-tritt-zurueck-143885014
-> https://www.tagblatt.ch/sport/ruecktritt-dani-wyler-tritt-als-medienchef-des-fc-wil-zurueck-ausloeser-ist-der-rassismus-eklat-in-neuenburg-ld.2194075


+++RECHTSPOPULISMUS
Analyse zum Kollegialitätsprinzip: Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich
In einer Rede sabotierte Bundesrat Ueli Maurer die Arbeit seiner eigenen Regierung. Doch der Gesamtbundesrat schaut weg – und gefährdet damit die eigene Glaubwürdigkeit.
https://www.derbund.ch/maurer-zuendeln-zu-lassen-ist-gefaehrlich-558909598126


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
EKR – Verschwörungstheorien, Fake News und Rassismus – ein gefährlicher Cocktail
Welche Berührungspunkte haben Verschwörungstheorien, Desinformation und Rassismus? Dieser aktuellen Frage geht die Zeitschrift Tangram der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) in ihrer neusten Ausgabe nach. Warum halten sich einige Verschwörungsmythen so hartnäckig? Warum zielen sie vor allem auf bestimmte Gruppen? Wie soll man auf dieses im Internet allgegenwärtige Phänomen reagieren? Mit dieser Tangram-Nummer will die EKR zum besseren Verständnis der unterschwelligen Mechanismen beitragen, die rassistische und diskriminierende Handlungen begünstigen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-85261.html
-> Tangram 45: https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/68343.pdf
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/rassismuskommission-warnt-vor-gefahrlichen-verschworungstheorien-66011083



derbund.ch 27.09.2021

Neue Demo-Aufrufe: Am Donnerstag droht das nächste Demo-Chaos

Die Stadt Bern bleibt auch in den nächsten Wochen das Ziel von Massnahmengegnern. Die städtische Politik sieht keinen Handlungsbedarf.

Sophie Reinhardt

Die Stadt Bern muss sich auch in den nächsten Wochen auf unbewilligte Demonstrationen gefasst machen. Im Netz werden erneut Aufrufe zu Demonstrationen gegen die aktuellen Corona-Bestimmungen verbreitet. Auf Flyern und in Chatgruppen wird dazu aufgerufen, die folgenden drei Donnerstage nach Bern zu kommen. Wer hinter diesem Aufruf steht, ist unbekannt.

Vergangene Woche kam es an einer Corona-Demonstration in Bern zu Ausschreitungen. Was kommt nun diesen Donnerstag auf die Stadt zu? Müssen sich Bernerinnen und Berner wieder auf Tränengas und ÖV-Unterbruch gefasst machen? Die Behörden wollen sich vorerst nicht zum Thema äussern. Auch ist nicht klar, inwiefern sich friedliche Massnahmengegner von der aggressiven Stimmung am letzten Donnerstag abschrecken liessen.

Einigkeit bei SVP und SP

Die Berner Parteien wollen bis anhin niemandem das Demonstrationsrecht absprechen, auch nicht nach der Eskalation letzte Woche: «Politische Kundgebungen sind unabdingbar für eine lebendige Demokratie und gehören zu unseren Grundrechten», sagt SP-Co-Chefin Lena Allenspach auf Anfrage. Es sei für sie jedoch zwingend, dass sich Demoteilnehmende an die geltenden Schutzkonzepte hielten. «Auch dürfen bei den Kundgebungen keine Personen zu Schaden kommen, und die nationalsozialistische Symbolik, welche von einigen Teilnehmenden an den Corona-Demonstrationen verwendet wird, darf nicht toleriert werden.»

Auch die SVP will die Demonstration dulden: «Ungeachtet des Themas sollen die Verantwortlichen aber ein Bewilligungsgesuch einreichen», fordert Thomas Fuchs, Präsident der Stadtberner SVP. Dies sei wichtig, um allenfalls «jemand zur Rechenschaft» ziehen zu können, so Fuchs. Ob die Stadt mit den Organisatoren Bewilligungsgespräche geführt hat, war am Montag nicht zu erfahren.

Bei der Kantonspolizei Bern macht man sich derweil für den nächsten Einsatz bereit: «Wir haben Kenntnis von den Aufrufen und beobachten die Lage», sagt Polizeisprecherin Ramona Mock. Die Polizei werde auch dieses Mal mit einem Aufgebot bereit sein, heisst es bei der Polizei.

Tränengas im Abendverkauf

Schon letzten Donnerstag war es zu einer unbewilligten Demonstration in der Stadt Bern gekommen. Der Gemeinderat hatte davor klar kommuniziert, dass er die Manifestation nicht dulde. Der Sicherheitsdirektor Reto Nause (Die Mitte) konnte sich vor der Demo mit den führenden Köpfen der Corona-Demos nicht auf gemeinsame Vereinbarungen einigen. Am Tag vor der Demonstration veröffentlichten die Massnahmenkritiker ein gemeinsames Video. Nicolas A. Rimoldi, Co-Präsident der Gruppierung «Mass-voll», rief darin alle Sympathisanten auf, nicht nach Bern zu fahren. «Ihr müsst mit Repressalien rechnen. Bleibt zu Hause», sagte Rimoldi.

Dennoch kamen rund 800 Massnahmenkritiker, die Kantonspolizei trat ihnen mit einem grossen Dispositiv entgegen. Zunächst tolerierte die Polizei einen Umzug vom Bahnhof in die Altstadt und zurück. Im Rummel des Abendverkaufs zogen die Massnahmengegner durch die Gassen. Als ein Teil der Demo die Sperre zum Bundeshaus durchbrechen wollte, griff die Polizei mit Tränengas und Gummischrot ein.
(https://www.derbund.ch/am-donnerstag-droht-das-naechste-demo-chaos-955572612567)



«Wir haben ganz gefährliche Tendenzen»: «Stiller Protest» verstummt nun ganz
Der Verein Stiller Protest hört auf, Corona-Demos zu veranstalten. Ihnen sei die Lust vergangen, weil der Widerstand zu zerstritten ist, machte eine der Gründerinnen in Chur klar. Auch «Massvoll»-Gesicht Nicolas Rimoldi bekam sein Fett weg.
https://www.blick.ch/schweiz/wir-haben-ganz-gefaehrliche-tendenzen-stiller-protest-verstummt-nun-ganz-id16865649.html


Wegen «Hohlköpfen»: Peach Weber nach Skeptiker-Kritik angefeindet
Peach Weber bezeichnete Corona-Skeptiker als «Hohlköpfe» und wurde deshalb per Mail beleidigt. Er veröffentlicht eine halbe Entschuldigung auf Twitter.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/wegen-hohlkopfen-peach-weber-nach-skeptiker-kritik-angefeindet-66010896


Peach Weber: «Ich war selber Skeptiker»
Peach Weber kritisierte Corona-Kritiker. Dann erhielt er Hass-Mails. Es folgen eine Entschuldigung und eine Offenbarung.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/peach-weber-ich-war-selber-skeptiker-66011228


Alain Berset über Massnahmen-Kritiker: «Wer zu Gewalt greift, gefährdet unsere Demokratie»
Am 28. November stimmt die Schweiz über das Covid-Gesetz ab. An einer Medienkonferenz erklärt Alain Berset, warum es aus seiner Sicht ein Ja braucht und richtet sich direkt an die Massnahmen-Kritiker. Er findet scharfe Worte für ihr Verhalten in den letzten Tagen.
https://www.blick.ch/video/aktuell/alain-berset-ueber-massnahmen-kritiker-wer-zu-gewalt-greift-gefaehrdet-unsere-demokratie-id16864523.html


«Hygiene-Faschismus», «Medizinal-Rassismus», «System-Handlanger»: Fitness-Personal kündigt nach Schimpf-Orgie
Die Zertifikatspflicht im Fitnessstudio bringt das Personal an die Grenzen der Belastung. Einige haben bereits die Kündigung eingereicht.
https://www.blick.ch/wirtschaft/hygiene-faschismus-medizinal-rassismus-system-handlanger-fitness-personal-kuendigt-nach-schimpf-orgie-id16864234.html


«Wichtig ist, dass wir keine Spaltung zulassen» – Ungeimpfte Polizisten: So reagieren Korps in Luzern und Zug
Die Polizeikorps in Luzern und Zug müssen in Zusammenarbeit mit Kanton und Gemeinden überprüfen, ob die Zertifikatspflicht in Fitnesszentren und Restaurants eingehalten wird. Teils haben die Polizistinnen selber kein Zertifikat. Wie gehen die Korps als Arbeitgeber damit um? zentralplus hat nachgefragt.
https://www.zentralplus.ch/ungeimpfte-polizisten-so-reagieren-korps-in-luzern-und-zug-2196507/


+++HISTORY
Flüchtlingspolitik: Sieben Schritte, die möglich sind
2013 – Nach der schockierenden Annahme der «Masseneinwanderungsinitiative» der SVP braucht es neue Impulse für die Asylpolitik. Die WOZ legt einen Siebenpunkteplan vor. Er enthält ganz praktische, schnell umsetzbare Forderungen bis hin zu systemischen Ursachen des Fluchtelends: von der Wiedereinführung des Botschaftsasyls bis zur Besteuerung ausbeuterischer Rohstoffkonzerne.
https://www.woz.ch/40-texte-aus-40-jahren-2013/fluechtlingspolitik-sieben-schritte-die-moeglich-sind


Nachruf auf einen viel zu bescheidenen Polizei-Nörgler – Zum schmerzlichen Tod von Heiner Busch
https://www.cilip.de/2021/09/26/nachruf_heiner_busch/


Antisemit Erwin Kessler verstorben
In der Nacht von Freitag auf Samstag verstarb der umstrittene und antisemitische Tierschützer Erwin Kessler an einem Herzstillstand.
https://www.tachles.ch/artikel/news/antisemit-erwin-kessler-verstorben


1921: Schwarze Garde
Der Anarchist Nestor Machno gibt in der Ukraine mit seinen Milizen den Kampf auf und flieht vor der Roten Armee ins Exil. Was folgt, ist eine Odyssee quer durch Europa
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/1921-schwarze-garde



derbund.ch 27.09.2021

100-Jahr-Jubiläum HC Davos: Als 10’000 Nazioffiziere dem HCD zujubelten

Die Davoser dienten 1941 an einem Clubturnier in Berlin NS-Propagandazwecken. Der sportliche Austausch im Zweiten Weltkrieg spiegelte die Schweizer Ambivalenz.

Simon Graf

Der Krieg tobte im Frühjahr 1941, eineinhalb Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in ganz Europa. Das nationalsozialistische Deutschland rüstete sich für den Balkanfeldzug, um Bündnispartner Italien zu Hilfe zu eilen. Derweil bereitete Adolf Hitler den Russlandfeldzug vor. Die Schweiz war im Herzen Europas als neutrales Land mittendrin und doch nicht dabei. Glücklicherweise. Ein weisser Fleck auf der Karte unter dem bedrohlichen Nachbarn.

In diesen explosiven Zeiten kam es zum dunkelsten Kapitel in der 100-jährigen Geschichte des HC Davos, die der Historiker Daniel Derungs in seiner kürzlich publizierten Dissertation (E-Book kostenlos) aufgearbeitet hat: dem Ausflug im März 1941 zum «Grossen Preis der Reichshauptstadt» nach Berlin, einem internationalen Clubturnier. Die Davoser, damals im Schweizer Eishockey das Mass aller Dinge mit dem legendären «ni-Sturm» mit Bibi Torriani, Hans und Pic Cattini, sicherten sich mit einem 4:2 im Final gegen Hammarby Stockholm den Turniersieg.

Der linke Flügel Charlie Gerst bezeichnete dies später gegenüber dem Sportjournalisten und HCD-Kenner Hansruedi Camenisch als Höhepunkt seiner Karriere, in der er auch zehn Schweizer-Meister-Titel errungen hatte. Gerst schwärmte: «Es war Krieg. An allen Fronten standen die Deutschen zuvorderst. Davos durfte trotzdem nach Berlin zu diesem Turnier reisen. Bei unserem Spiel gegen Budapest war der Berliner Sportpalast mit 10’000 SS-Angehörigen gefüllt, die uns alle anfeuerten. Alles um uns herum war schwarz, einfach wahnsinnig!»

Diese Faszination wirkt heute befremdlich. Wie schätzt das Christian Koller ein, Titularprofessor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich und Direktor des Sozialarchivs? «Nazideutschland befand sich damals auf dem Höhepunkt seiner Macht, nach der Eroberung weiter Teile West-, Nord- und Ostmitteleuropas und vor dem Angriff auf die Sowjetunion. Im März 1941 bedauerte EMD-Vorsteher Karl Kobelt gegenüber den Sportverbänden, dass seit Kriegsausbruch die Sportkontakte zu Deutschland stark zurückgegangen seien, und hiess eine Intensivierung ausdrücklich gut. Der HCD verhielt sich damals gemäss der Erwartungshaltung der Politik, dass man sich mit Nazideutschland längerfristig irgendwie arrangieren müsse.»

Moralische Bedenken habe man keine gehegt, sagte der 1986 mit 82 Jahren verstorbene Gerst. «Vor der Abreise erhielten wir strikte Anweisungen vom HCD-Vorstand, keine politischen Äusserungen zu machen. Schliesslich waren wir damals ja nur Sportler, nicht wie heute.» Ganz apolitisch war das Gastspiel der Davoser indes nicht. Sie nahmen sogar an einem Empfang teil beim Berliner Oberbürgermeister und überzeugten Nationalsozialisten Ludwig Steeg. Ihre Auftritte dienten also durchaus Propagandazwecken. Sport und Politik waren zu jener Zeit kaum zu trennen.

Der HC Davos seinerseits lud den NS Berliner SC zum Spengler-Cup 1941 ein – und besiegte ihn im Final 9:0. Christian Koller sagt: «Beiden Seiten ging es darum, irgendwie Normalität zu demonstrieren. Seitens der Schweiz durch Wiederaufnahme sportlicher Beziehungen zum übermächtigen Nachbarn, obwohl man sich von diesem weiterhin bedroht sah. Seitens Deutschlands, um die Kriegssituation ein wenig auszublenden und der eigenen Bevölkerung zu zeigen, dass Deutschland angeblich auch unter den neutralen Staaten Freunde habe.»

So kam es am 20. April 1941 im Berner Wankdorfstadion zum denkwürdigen Fussball-Länderspiel zwischen der Schweiz und Deutschland. 38’000 erlebten den 2:1-Sieg der Schweizer, und dies erst noch an Hitlers Geburtstag. «Dies löste eine grosse Euphorie aus, politische Untertöne in der Presseberichterstattung wurden von der Schweizer Zensur aber unterdrückt», sagt Koller. «Es war also die gleiche Gratwanderung zwischen Kollaboration und Ablehnung, die sich auch in den politischen Beziehungen zu Nazideutschland fand.»

David gegen Goliath

Einerseits habe man durch die sportlichen Wettkämpfe «korrekte» Beziehungen zum nördlichen Nachbarn demonstrieren wollen, mit dem man wirtschaftlich eng verflochten war, von dem man sich aber militärisch bedroht fühlte. «Andererseits waren es auch symbolische David-gegen-Goliath-Konfrontationen.» Reichspropagandaminister Joseph Goebbels hatte jedenfalls wenig Verständnis für die Niederlage in Bern. Aufgebracht wies er Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten an, künftig auf solche Spiele zu verzichten, falls eine Niederlage drohe.
(https://www.derbund.ch/als-10000-nazi-offiziere-dem-hcd-zujubelten-660805412944)


Schweiz – Deutschland 2:1, 20.4.1941, Freundschaftsspiel
https://www.youtube.com/watch?v=_xR8LF2O4C8