Medienspiegel 14. September 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Motion SP-Juso, PSA, SP: Die Schweiz muss die Aufnahmevoraussetzungen für Flüchtlinge aus Afghanistan erweitern
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-8cb00e7b76ef4a059468f6dbb0bd8f38.html


+++SCHWEIZ
Ausreisepflichtige sollen zum Covid-Test gezwungen werden dürfen
Ausreisepflichtige sollen zu einem Covid-Test gezwungen werden können, wenn der Test für die Wegweisung, die Ausweisung oder die Rückführung notwendig ist. Der Nationalrat hat der Einführung solcher Zwangstests deutlich mit 120 zu 65 Stimmen zugestimmt.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210914123710280194158159038_bsd086.aspx
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/ausreisepflichtige-sollen-zum-corona-test-gezwungen-werden-durfen-66002232



derbund.ch 14.09.2021

Reiseverbot für Flüchtlinge: «Wem schadet es, wenn wir zur Geburt eines Kindes nach Deutschland fahren?»

Über 40’000 vorläufig aufgenommene Flüchtlinge sind in der Schweiz von strengen Reiseregeln betroffen. Auch Familie Suleiman aus Wädenswil.

Anielle Peterhans

Salah Suleiman weiss genau, wie lange er schon in der Schweiz lebt. Vier Jahre und fünf Monate. So lange hat der syrische Kurde die Schweiz nicht mehr verlassen. Suleiman ist 49 Jahre alt, lebt zusammen mit seiner Frau und vier Söhnen in Wädenswil. Auch seine Frau ist bei dem Treffen am See dabei, sie will jedoch nicht öffentlich reden.

Als sein Handy klingelt, antwortet Suleiman auf Kurdisch, zwischendurch fällt ein Wort auf Deutsch. Um seine Geschichte zu erzählen, hilft ihm ein Bekannter.

Salah Suleiman und seine Familie wohnen in einer Siedlung mit mehreren syrischen Familien. Manche seien aus derselben Region wie er. Trotzdem ist seine Familie nur vorläufig aufgenommen (F-Bewilligung), während viele seiner Nachbarn anerkannte Flüchtlinge (B-Bewilligung) sind. Die Unterschiede führen zu viel Gesprächsstoff unter den Syrern: «Hat man B, kann man reisen, hat man F, kann man es nicht», sagt Suleiman und nimmt seinen Ausweis hervor, als könne er es damit beweisen.

Seine Aussage stimmt nicht ganz. Noch kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Basis einer Verordnung Reisen auch für vorläufig Aufgenommene bewilligen. Die Voraussetzungen sind jedoch sehr restriktiv. Nur in begründeten Fällen, etwa bei schwerer Krankheit oder beim Tod von Familienangehörigen, können vorläufig Aufgenommene beim kantonalen Migrationsamt ein Reisevisum beantragen, wenn sie schon mehrere Jahre in der Schweiz sind. Die Bearbeitung eines Gesuchs kann bis zu drei Monate dauern.

Doch jetzt könnten die Regeln verschärft werden: Der Bundesrat will vorläufig Aufgenommenen Auslandreisen grundsätzlich verbieten. Menschenrechtsorganisationen wie das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisieren die Vorlage als unverhältnismässig und Grundrechtsverletzung.

Bürgerliche begrüssen die Verschärfung

Die Gesetzesänderung geht zurück auf eine Motion von Gerhard Pfister. Der Mitte-Nationalrat verlangte vor fünf Jahren eigentlich bloss ein Heimatreiseverbot für vorläufig Aufgenommene. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Personen, die in der Schweiz Schutz suchten, in ihr Heimatland zurückreisen könnten, schrieb er in der Begründung. Der Bundesrat erweiterte die Vorlage mit dem generellen Reiseverbot. Die bürgerlichen Parteien begrüssten den restriktiveren Vorschlag, weil so verhindert werden könne, dass das Heimatreiseverbot mit Zwischenstopp in einem Drittland ausgehebelt werde.

Salah Suleiman hat mehrere Verwandte in Deutschland und in Belgien. Er erinnert sich noch gut daran, als sein Neffe über zwei Monate im Spital gelegen hat und er ihn nicht besuchen konnte. Sie wären die einzigen Verwandten in der Nähe gewesen. Ein Gesuch habe er nicht gestellt, zu gross und unverständlich sei die Bürokratie dahinter, zu klein die Chance auf eine Bewilligung, wenn der Eingriff nicht lebensbedrohlich sei.

Die Familie habe auch die Hochzeit einer Cousine in Deutschland verpasst, und bald würden sie wohl auch der Geburt ihres ersten Kindes fernbleiben müssen. «Wir würden es so gerne in unserer Familie willkommen heissen. Familie ist die Heimat, die uns noch bleibt», sagt Suleiman. Er vermisst den emotionalen Halt, die Gespräche, die gemeinsamen Essen – «das gehört zu unserer Tradition und Kultur», sagt er.

Könnte er seine Verwandten in Deutschland besuchen, würde er wenigstens ein kleines bisschen selbstbestimmter leben können, sich hier weniger als Mensch zweiter Klasse fühlen, sagt Suleiman resigniert und fragt: «Wem schadet es denn, wenn wir für kurze Zeit für die Geburt eines Kindes nach Deutschland fahren?»

Einen Hoffnungsschimmer für Suleiman und seine Familie gibt es noch. Die grünliberale Nationalrätin Corina Gredig hat einen Antrag für eine Ausnahmeklausel eingebracht: Das SEM soll Ausnahmen für Reisen im Schengen-Raum bewilligen können, wenn besondere persönliche Gründe vorliegen. Dazu zählte unter anderem neu die Möglichkeit, nahe Familienangehörige zu besuchen – als explizite Ausnahmeregelung im Gesetz.

Eine Ausnahmeklausel im Gesetz wäre zudem verbindlicher als eine Ausnahmeklausel in der Verordnung: Das SEM müsste Reisen in den Schengen-Raum aus familiären Gründen zwar auch mit der Gesetzesklausel nicht bewilligen, wer aber keine Bewilligung für eine solche Reise erhält, könnte das anfechten.

Mit oder ohne Ausnahmeklausel?

Der Nationalrat stimmte Mitte Juni der Vorlage mit der von Gredig beantragten Klausel zu. Der Ständerat befindet voraussichtlich am 15. September darüber. Seine vorberatende Kommission hat die Ausnahmeklausel jedoch deutlich abgelehnt. Die Chance ist gross, dass ein generelles Reiseverbot ohne Ausnahmeklausel kommt.

FDP-Ständerat Andrea Caroni, Präsident der Staatspolitischen Kommission, lehnt zwar die Ausnahmeklausel auf Stufe Gesetz ab, der Bundesrat solle aber weiterhin auf Verordnungsstufe Ausnahmen aufführen. Diese würden im Zuge einer Revision sowieso überdacht. «Werden einige Ausnahmen im Gesetz und andere in der Verordnung geregelt, sorgt das für Probleme», sagt er.

Die ständerätliche Kommission sei nicht gegen das Reisen dieser Personen per se. Zu den schon geltenden Ausnahmen könne man sogar an eine zusätzliche Ausnahme für positive Familientreffen, selbst über den Schengen-Raum hinaus, denken. Eine solche Erweiterung müsse aber klare Leitplanken haben. Caroni schlägt eine Beschränkung auf wenige Male pro Jahr für wenige Tage vor. Das würde legitime Reisen ermöglichen, aber den Missbrauch, also die Reise ins Heimatland, verhindern.

Praxis sei Abschreckung

Die Zürcher Rechtsanwältin mit Spezialisation auf Migrationsrecht Stephanie Motz hält schon die jetzige Praxis für zu restriktiv. Die Schweiz wolle möglichst unattraktiv für Asylsuchende sein, und das geschehe auf dem Buckel der Ausländerinnen und Ausländer, die hier Schutz erhielten.

Die meisten ihrer Klienten mit vorläufiger Aufnahme seien Familien mit Kindern. Wie die Familie Suleiman würden auch sie gar nicht erst versuchen, ein Gesuch zu stellen. «Diese Menschen leben wie in einem Gefängnis. Für uns Schweizer ist das unvorstellbar», sagt Motz.

Dass viele kein Gesuch stellen, bestätigen die neusten Zahlen des Bundesamts für Migration. Ende 2019 lebten 47’965 Personen mit einer vorläufigen Aufnahme in der Schweiz (2020: 48’644). Insgesamt wurden im Jahr 2019 nur 2181 Gesuche eingereicht. Davon wurden 974 bewilligt.

Da nun ein generelles Verbot im Gesetz verankert werden soll, sollten auch mögliche Ausnahmen im Gesetz verankert werden, sagt Motz. Ohne Ausnahmeklausel könne man den Einzelfall nicht mehr betrachten. Dies sei eine unverhältnismässige Verletzung der Bewegungsfreiheit.

Die Erfahrung zeige, dass sich die Situation in den Herkunftsländern dieser Menschen kaum je in wenigen Jahren so weit normalisiere, dass eine Rückkehr wirklich möglich wäre. Gleichzeitig werde die Rückkehr mit zunehmender Zeit in der Schweiz immer weniger zumutbar. «Diese Umstände führen dazu, dass vorläufig aufgenommene Personen in der Realität oft viele Jahre mit prekärem Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben», sagt die Anwältin.

Hoffnung für die Kinder

Suleiman versteht nicht, warum seine Familie nur vorläufig aufgenommen wurde. Sie seien vor dem Bürgerkrieg geflohen, und ihnen drohe Verfolgung. Er sei «eine Art Vertrauensmann» auf einer Behörde gewesen, habe Stempel verteilt und Dokumente ausgestellt. Plötzlich habe ihm die Regierung vorgeworfen, er habe absichtlich ein Dokument an einen Oppositionellen ausgehändigt. Noch vor dem Prozess sei die Familie über die Türkei mit einem Touristenvisum in die Schweiz geflohen.

Überprüfen lässt sich Suleimans Geschichte nicht. Das SEM hat das Asylgesuch vor zwei Jahren abgelehnt – die Familie erhielt die vorläufige Aufnahme: Sie darf in der Schweiz bleiben, weil eine Rückkehr nach Syrien momentan unzumutbar wäre.

Hoffnung auf eine bessere Aufenthaltsbewilligung, um bald auch über die Grenze reisen zu können, hat Suleiman nur noch für seine Kinder. Sein jüngster Sohn kam mit zwölf Jahren in die Schweiz. Der Älteste ist heute 22 Jahre alt und arbeitet als Elektromonteur. Alle sprächen gut Deutsch, seien integriert.

Dieser Schritt ist für Salah Suleiman und seine Frau grösser. Sie leben von Sozialhilfe, sprechen nur gebrochen Deutsch. Momentan nimmt er an einem Beschäftigungsprogramm der Velostation in Wädenswil teil. Dafür erhält er 150 Franken im Monat.

Vorläufig Aufgenommene können nach fünf Jahren in der Schweiz ein Härtefallgesuch stellen, das dann unter Berücksichtigung der Integration, der familiären Verhältnisse und der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat geprüft wird. Eine Chance auf eine Bewilligung hätten wohl unter diesen Umständen nur Suleimans Söhne.
(https://www.derbund.ch/wem-schadet-es-wenn-wir-zur-geburt-eines-kindes-nach-deutschland-fahren-288422824691)


+++ÄRMELKANAL
So viele Flüchtlinge und Migranten wie noch nie am Ärmelkanal
Binnen einer Woche wurden knapp 2.000 Ankünfte in Großbritannien registriert. London kritisiert Paris, dort hat man dafür aber überhaupt kein Verständnis
https://www.derstandard.at/story/2000129645573/so-viele-fluechtlinge-und-migranten-wie-noch-nie-am-aermelkanal?ref=rss


+++EUROPA
EU bei Rückführungen von Migranten ineffizient
Obwohl die Europäische Union mit 18 Dritt-Staaten Rückübernahme-Abkommen abgeschlossen hat, kehrt nur ein Fünftel der abgewiesenen Asylbewerberinnen und Asylbewerber in ihre Heimat zurück. Zu diesem Schluss kommt der europäische Rechnungshof.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/eu-bei-rueckfuehrungen-von-migranten-ineffizient?partId=12054858


+++GASSE
Sozialpreis in Langenthal: Für Menschen am Rande der Gesellschaft
Der «Träffpunkt am Rand» unterstützt Personen, die von sozialer Ausgrenzung und Einsamkeit bedroht sind. Nun wird der Verein für sein Engagement von der Stadt ausgezeichnet.
https://www.bernerzeitung.ch/fuer-menschen-am-rande-der-gesellschaft-860448489073


Kanton Waadt will Nachfrage nach Drogen senken
Der Kanton Waadt hat einen Aktionsplan zum Kampf gegen Konsum und Handel illegaler Drogen erarbeitet. Im Vordergrund steht die Nachfrage.
https://www.nau.ch/news/schweiz/kanton-waadt-will-nachfrage-nach-drogen-senken-66002469



nzz.ch 14.09.2021

Nach Protestwelle: Die Waadt geht stärker gegen den Drogenhandel vor – aber nicht in erster Linie mit mehr Polizeiarbeit

Wegen der vielen Dealer schäumte die Wut der Bevölkerung 2018 über. Nun gibt es neue Massnahmen. Aber verschwinden wird der Drogenhandel nicht – dafür ist er schlicht zu lukrativ.

Antonio Fumagalli, Lausanne

Die Bilder sind in der Westschweiz noch in lebhafter Erinnerung: Ausgelöst durch den provokativen Meinungsartikel eines bekannten Filmemachers versammelten sich im Sommer 2018 mehrere hundert Personen in Lausanne. Sie alle wollten ihrem Unmut über die Drogenpolitik von Stadt und Kanton Luft machen: In der Tat waren die Dealer damals in gewissen Strassen Lausannes omnipräsent – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

Um sich nicht dem Vorwurf der Untätigkeit auszusetzen, verabschiedeten die Behörden damals eine ganze Reihe von Repressionsmassnahmen – mit der Folge, dass seither bedeutend mehr Personen wegen Drogendelikten verurteilt worden sind und die Gefängnisse an die Belastungsgrenze stossen. Rund die Hälfte aller Inhaftierten sitzen wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Der Drogenhandel im öffentlichen Raum findet seither nicht mehr ganz so offensichtlich statt. Aber verschwunden ist er nicht – und das wird er auch nie: Es gibt schlicht zu viele Konsumenten, und der Markt ist zu lukrativ. Gemäss Schätzungen des Kantons konsumieren allein in der Waadt rund 30 000 Personen Cannabis, 14 000 Kokain und 2000 Heroin. Mit den illegalen Rauschmitteln werden jährlich rund 80 Millionen Franken umgesetzt – insbesondere mit Kokain –, wobei die Dealer einen «phänomenalen» Gewinn von rund 40 Millionen einstreichen. Der Preis, den ein Schweizer Endkonsument für ein Gramm Kokain bezahlt, kann bis zu 150 Mal höher sein als das «weisse Gold» bei der Produktionsstätte in Kolumbien gekostet hat.

Erst 2018 ein «Fixerstübli»

Dagegen anzukämpfen, ist entsprechend schwierig. Wie sich in den vergangenen drei Jahren gezeigt hat, führt Polizeiarbeit allein nicht zum Ziel. Ohne «harte Massnahmen» geht es aber auch nicht. Aus diesem Grund stützt sich der Bund schon seit Jahren auf die sogenannte Vier-Säulen-Politik, basierend auf den Pfeilern Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Die konkrete Ausgestaltung variiert in den Kantonen jedoch erheblich.

Die Waadtländer Regierung hat nun eine «pluridisziplinäre Strategie» verabschiedet, die verschiedene Akteure vereinigen soll – von der Polizei bis zu den Sozial- und den Gesundheitseinrichtungen. Im Fokus sind nicht nur die Händler, sondern verstärkt auch die Konsumenten. Der Staatsrat stützt sich dabei auf die Erfahrungen von Deutschschweizer Kantonen, deren Drogenpolitik traditionell progressiver ist – die Waadt etwa hat erst Ende 2018 ein «Fixerstübli» eingerichtet, mehr als drei Jahrzehnte nach Bern.

So wird der bevölkerungsreichste Kanton der Westschweiz ein sogenanntes Drug-Checking aufbauen. Konsumenten können ihre Substanzen vorbeibringen und diese auf Inhaltsstoffe und Dosierung analysieren lassen. Die Abwicklung ist kostenlos und anonym, und die Polizei wird nicht vor dem Lokal «lauern». Ziel ist – getreu der dritten Säule der Drogenpolitik –, dass die Personen die Risiken ihres Konsums besser einschätzen können und die Gefahr einer Überdosierung sinkt. Ein Beispiel: Hanf, das mit synthetischen Cannabinoiden behandelt wurde, ist massiv gesundheitsschädlicher als klassisches «Gras» – doch ohne Test ist der Unterschied nicht zu erkennen. Auch bei Partydrogen wie Ecstasy können böse Überraschungen warten.

Animiert Testmöglichkeit zum Konsum?

Aber verleitet die Möglichkeit des Drug-Checking nicht zu zusätzlichem, weil «sicherem» Konsum? Anlässlich der Pressekonferenz von Dienstag schlug Waadts Gesundheitsdirektorin Rebecca Ruiz solche Bedenken in den Wind. Studien zeigten, dass nur diejenigen Personen ihre Drogen zum Testen bringen würden, die sie ohnehin konsumiert hätten.

Die Drug-Checking-Stellen sollen unter anderem an neuralgischen Orten des Nachtlebens aufgebaut werden. Denn dank einem neuartigen, von der Uni Lausanne entwickelten Verfahren stehen die Testresultate innert kürzester Zeit zur Verfügung – deutlich schneller als bei den entsprechenden Angeboten in der Deutschschweiz.

Rayonverbote bis zu drei Monaten

Neben der Schadensminderung baut die Waadt auch die Prävention, notabene im schulischen Bereich, und die Repression aus. Die Interventionseinheit der Polizei wird aufgestockt und mit neuen Mitteln gegen den Drogenhandel ausgestattet. So kann sie gegen Dealer vereinfacht Rayonverbote aussprechen – zuerst für 24 Stunden, im Wiederholungsfall für bis zu drei Monate. Kommen weitere Vergehen, etwa Verstösse gegen das Ausländerrecht, hinzu, wird der Fall der Staatsanwaltschaft zugeführt.

Die neuen Massnahmen des Kantons Waadt sind vorerst auf fünf Jahre ausgerichtet und sollen auch dafür sorgen, dass die Behörden sich ein besseres Bild davon machen können, welche Drogen überhaupt im Umlauf sind. Damit kann unter anderem die Präventionsarbeit gezielter ausgerichtet werden. Die zusätzlichen Kosten betragen rund zwei Millionen Franken pro Jahr.
(https://www.nzz.ch/schweiz/drogenhandel-neuer-anlauf-gegen-einen-allzu-lukrativen-markt-ld.1645401)



Bettler werden trotz ausgedehntem Verbot aus Basel nicht verschwinden, ist ein Bettler-Experte überzeugt (ab 08:24)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/nur-noch-geimpft-getestet-oder-genesen-an-die-uni-basel?id=12055149


+++DROGENPOLITIK
Cannabis-Pilotprogramm in Schweizer Städten
In der Schweiz sind Bestrebungen, Cannabis zu legalisieren, schon eine Weile am Laufen. Nun sollen Pilotprojekte wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, wie sich eine Legalisierung auswirken könnte. Zürich hat sein Projekt heute vorgestellt.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/cannabis-pilotprogramm-in-schweizer-staedten?partId=12055356


Legales Gras: Stadt Zürich sucht Kiffer für Studie
Wie würde sich die Legalisierung von Cannabis auswirken? Diese Frage untersucht die Stadt Zürich ab Herbst 2022 in einer Studie. Nun sucht sie Kifferinnen und Kiffer, welche sich am Experiment beteiligen möchten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/legales-gras-stadt-zuerich-sucht-kiffer-fuer-studie?id=12055230
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/stadt-zuerich-cannabis-legalisierungs-projekt?urn=urn:srf:video:0ed5d14b-b576-45c1-a333-ee0ade0c4549
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/stadt-zuerich-startet-studie-fuer-cannabis-abgabe-in-apotheken-00165537/
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/zueri-can-zuerich-startet-versuch-mit-regulierter-abgabe-von-cannabis-ld.2187579


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Hausbesetzer an der Worbstrasse: Gemeinde Muri toleriert Hausbesetzung während 48 Stunden
Werden die neuen Bewohner die beiden Häuser am Donnerstag nicht verlassen, will Muri einen Strafantrag stellen.
https://www.derbund.ch/gemeinde-muri-toleriert-hausbesetzung-waehrend-48-stunden-198118741564
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/gemeinde-muri-droht-mit-strafantrag-hausbesetzer-muessen-bis-donnerstag-raus-143751620



bernerzeitung.ch 14.09.2021

Bei der Schürmatt in Muri: Kurz vor dem Verkauf besetzt ein Kollektiv zwei Stöckli

Die Burgergemeinde Bern möchte die Schürmatt um zwei Stöckli arrondieren. Doch nun hat ein Kollektiv die alten Häuser in Beschlag genommen.

Stephan Künzi

Ist es Zufall? Oder gibt es am Ende nicht doch einen Zusammenhang?

Nächsten Dienstag wird das Parlament in Muri darüber diskutieren, ob die gemeindeeigenen Häuser an der Worbstrasse 104 und 108 für 650’000 Franken an die Burgergemeinde Bern gehen. Die zwei Stöckli stammen aus dem 18. Jahrhundert und gehören zu den letzten Zeugen der bäuerlichen Vergangenheit auf der angrenzenden Schürmatt. Sie stehen seit Jahr und Tag leer und lottern still vor sich hin.

Zumindest bis zum Wochenbeginn war das so, denn in der Nacht auf Montag ist auf dem Areal unvermittelt Leben eingekehrt. Ein Kollektiv, das sich «Los Vecinos Amables» – vielleicht auch «Las Vecinas Amables», zu Deutsch auf alle Fälle «die freundlichen Nachbar*innen» – nennt, hat die alten Gebäude in Beschlag genommen.

«Wir sind ein kreatives und durchmischtes Kollektiv», stellen sich die Besetzer auf Instagram gleich selber vor. «Uns alle verbindet der Wunsch nach Freiraum, selbst organisierter Kultur und Wohnraum.» Ein bunt gemischtes Programm mit gemeinschaftlichem Essen, Basteln oder sonstigem kreativem Gestalten soll diesem Anspruch gleich in der ersten Woche gerecht werden.

Keine Notwohnungen

Muri hatte die beiden Häuser 1994 mit dem Ziel gekauft, Notwohnungen schaffen zu können. Dazu kam es in der Folge allerdings nie. Hier wie dort waren langjährige Mieter zu Hause, die teils sogar über ein lebenslanges Wohnrecht verfügten.

Als die Gemeinde nach Jahren endlich freie Hand hatte, war es zu spät. Die beiden Stöckli waren mittlerweile derart heruntergekommen, dass es ohne umfassende und entsprechend teure Sanierungsarbeiten nicht mehr ging. Doch für Notwohnungen viel Geld ausgeben? Das erschien dem Gemeinderat wenig sinnvoll. Er schrieb die Liegenschaft deshalb zum Verkauf aus.

Dass letztlich die Bernburger den Zuschlag bekamen, überrascht wenig. Immerhin gehört ihnen seit letztem Jahr auch die benachbarte Schürmatt. Zudem besitzen sie auf der Zufahrt, die zwischen den beiden Stöckli hindurchführt, ein Wegrecht. Die zwei Häuser sollen nun für rund 2,2 Millionen Franken saniert und umgebaut werden und künftig so etwas wie das Tor zur neuen Schürmatt bilden.

Denn hier, auf der grossen Freifläche zwischen den Ortsteilen Muri und Gümligen, soll mittelfristig Grosses passieren. Schon seit Jahren gibt es Ideen, die Matte in ein neues Quartier zu verwandeln, in dem neben Wohnungen und Gewerbeflächen auch ein öffentlicher Platz zu finden sein wird. Die Pläne sind allerdings heftig umstritten. Zu sehr hängen viele Leute an der grünen Lunge in ihrer heutigen Form.

Nun 48 Stunden Frist

Über all dies scheinen die Besetzer bestens im Bild zu sein. Auf Instagram erinnern sie an den geplanten Park als zentralem Treffpunkt und Veranstaltungsort für die Schürmatt. «Wir möchten mit unserer Besetzung viele Ideen und Möglichkeiten dazu beisteuern.»

Wenn die Gemeinde über Wachstum und Entwicklung diskutiere, schreibt das Kollektiv weiter, denke sie zu wenig an den unkommerziellen Raum. Es reiche nicht, nur günstigen Wohnraum zu schaffen, «auch Freiräume sollen ihren Platz in Muri finden». Um das zu ändern, möchten die Besetzer beide Häuser «beleben und sanieren» und so einen Ort schaffen, «an welchem kein Konsumzwang herrscht, an dem Platz für Menschen ist, die sonst nirgends willkommen sind».

So weit wird es allerdings kaum kommen. Noch am Montag hat der Gemeinderat in einer Abendsitzung eine Forderung nach einer Zwischennutzung abschlägig beantwortet. Er tat dies nicht zuletzt mit Blick darauf, dass die beiden Häuser aus Sicherheitsgründen von Wasser- und Stromversorgung abgehängt worden sind.

Die Besetzer haben nun 48 Stunden Zeit, das Areal zu verlassen. Sollten sie bis am Donnerstagmorgen um 9 Uhr nicht abgezogen sein, will Muri Strafantrag stellen und einen Räumungsbefehl beantragen.



Schmutzige Gabel verriet Besetzerin

Die aktuelle Besetzung ist nicht die erste in der Gemeinde Muri. Ähnliche Schlagzeilen gab es schon vor bald sechs Jahren: In den letzten Dezembertagen 2015 nahm ein Kollektiv ein leer stehendes Haus an der Thunstrasse in Beschlag, das einer Pensionskasse gehörte. Die Besetzer räumten nach ein paar Tagen das Feld, und die Pensionkasse konnte die geplante Sanierung anpacken.

Nach dem Abzug der Besetzer untersuchte die Polizei die Hinterlassenschaften im Haus. Beim Abgleich mit den Datenbanken kam es zu einem Treffer: Schmutzpartikel an einer unabgewaschenen Gabel führten zu einem gespeicherten DNA-Profil, das seinerseits zu einer Studentin aus der linken Szene gehörte. Die Frau kassierte eine bedingte Geldstrafe und eine Busse. (skk)
(https://www.bernerzeitung.ch/kurz-vor-dem-verkauf-besetzt-ein-kollektiv-zwei-stoeckli-162416144183)



Ist die Basler Stawa auf dem rechten Auge blind? Die Aufsichtskommission findet deutliche Worte
Die Behörde, welche die Staatsanwaltschaft überwacht, spricht im Zusammenhang von den «Basel Nazifrei»-Prozessen von «Pannen». Ihr Bericht ist politisch brisant.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-nazifrei-ist-die-basler-stawa-auf-dem-rechten-auge-blind-die-aufsichtskommission-findet-deutliche-worte-ld.2187878
-> https://telebasel.ch/2021/09/14/aufsichtskommission-kritisiert-fall-priorisierung-von-basel-nazifrei-vor-pnos-demonstration
-> https://www.bazonline.ch/aufsichtskommission-kritisiert-basler-staatsanwaltschaft-839313718884
-> Bericht Aufsichtskommission (ab S. 13, Punkt 6.8): https://www.jsd.bs.ch/dam/jcr:f9ecdea3-d2e7-4481-a68d-c93d4c3b57f3/Bericht%20Aufsichtskommission%20Staatsanwaltschaft%202020_2021.pdf


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Uno-Migrationspakt bleibt mindestens ein weiteres Jahr blockiert
Das Parlament verzichtet vorerst darauf, den Uno-Migrationspakt zu beraten. Der Nationalrat ist am Dienstag dem Entscheid des Ständerats gefolgt und hat beschlossen, die Beratung auszusetzen – gegen den Willen von SP, Grünen und Grünliberalen.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210914095941511194158159038_bsd051.aspx


+++MENSCHENRECHTE
Weg frei für nationale Menschenrechtsinstitution
Eine nationale Institution für Menschenrechte (NMRI) soll künftig über die Umsetzung der Menschenrechte in der Schweiz wachen. Nach dem Ständerat hat am Dienstag auch der Nationalrat zugestimmt, das bereits existierende Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte in eine entsprechende Institution umzuwandeln.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210914093733738194158159038_bsd046.aspx


Schweizerische Menschenrechtsorganisationen fordern nach dem positiven Entscheid des Nationalrats genügend Ressourcen
Die Menschenrechtsorganisationen in der Schweiz haben während 21 Jahren für die Schaffung einer unabhängigen Nationalen Menschenrechtsinstitution gekämpft. Jetzt ist der Weg frei! Die Menschenrechtsorganisationen begrüssen den sehr deutlichen Entscheid des Nationalrats. Es ist ein grosser Erfolg, dass sich alle Fraktionen bis auf die SVP hinter die NMRI-Vorlage gestellt haben.
https://www.humanrights.ch/de/medien/nationale-menschenrechtsinstitution-nationalrat


+++ANTITERRORSTAAT
nzz.ch 14.09.2021

In Schweizer Polizei-Datenbanken sind Hunderte von Personen als mögliche Gefährder registriert

Gewalttaten verhindern, lange bevor es zur Eskalation kommt: Das ist das Ziel des polizeilichen Bedrohungsmanagements. Zwanzig Jahre nach dem Attentat von Zug haben viele Kantone das Instrument eingeführt. Gespeichert wird längst nicht nur, wer wirklich gefährlich ist.

Daniel Gerny

Vor bald zwanzig Jahren, am Morgen des 27. September 2001, stürmt ein schwerbewaffneter Mann, bekleidet mit einer selbst hergestellten Polizeiweste, ins Parlamentsgebäude des Kantons Zug und gibt im Saal des gerade tagenden Kantonsrates 91 Schüsse ab. 14 Menschen werden dabei getötet, zahlreiche schwer verletzt – ein regelrechtes Trauma für Zug und die ganze Schweiz. Fast auf den Tag genau zehn Jahre später erschiesst ein Sozialhilfeempfänger im zürcherischen Pfäffikon zuerst auf offener Strasse seine Ehefrau und danach die Chefin des Sozialamtes. Die Schreckenstat löst erneut Schockwellen aus.

So unterschiedlich die beiden Fälle sind – eines haben sie gemeinsam: Die Täter waren den Behörden als notorische Querulanten lange Zeit zuvor bekannt. Die beiden Anschläge führten zu einem grundsätzlichen Umdenken im schweizerischen Sicherheitsdenken: Einerseits wurden die Eingangskontrollen zu Parlamenten und öffentlichen Gebäuden massiv verschärft. Vor allem aber bauten viele Kantone Strukturen auf, um gefährliche Personen frühzeitig zu erkennen und gegen sie präventivpolizeilich vorgehen zu können. In knapp der Hälfte aller Kantone existiert heute ein solches Bedrohungsmanagement.

Solothurn und Zürich sind die Pioniere

In der Schweiz gelten die Kantone Zürich und Solothurn als Pioniere auf diesem Gebiet. So wurde in Zürich schon vor sieben Jahren ein kantonales Bedrohungsmanagement eingeführt und danach laufend ausgebaut und gestärkt. Unzählige Ansprechpersonen aus Gemeinden, Kesb, Kliniken und weiteren Institutionen sind darin eingebunden. Solothurn gehörte zu den ersten Kantonen, die im Rahmen des Bedrohungsmanagements auch Computerprogramme zur Bewertung von Warnsignalen einsetzten. Inzwischen setzen Polizeikorps in verschiedenen Kantonen solche Software ein.

Erstaunlich ist dabei, wie viele Personen in den einzelnen Kantonen im Rahmen dieses Bedrohungsmanagements inzwischen als potenziell gefährlich registriert sind. Die NZZ hat sich in verschiedenen Kantonen, die über eine gesetzliche Grundlage für eine solche Datenbank verfügen, erkundigt. So waren Anfang 2021 in der Gefährder-Datenbank des Kantons Luzern 435 Personen eingetragen. Innert den letzten drei Jahren wuchs die Liste um mehr als 80 Personen an. Die Gründe dafür liegen laut der Luzerner Kantonspolizei in einer immer besser funktionierenden Vernetzung der verschiedenen Institutionen sowie der wachsenden Bekanntheit des kantonalen Bedrohungsmanagements.

Auch in anderen Kantonen sind teilweise Hunderte von Personen in Datenbanken aufgeführt. Die Kantone Neuenburg und Solothurn haben gemäss eigenen Angaben jeweils zwischen 250 und 300 Personen erfasst. Die Berner Kantonspolizei beschäftigt sich derzeit im Rahmen des Bedrohungsmanagements mit rund 100 Personen, von denen möglicherweise eine Gefahr ausgeht. Insgesamt befinden sich so in der Schweiz weit mehr als 1000 Personen auf dem Radar der Polizeikorps. Deutlich tiefer sind die Zahlen, die der – allerdings auch bevölkerungsmässig kleine – Kanton Glarus vermeldet: Sie bewegten sich in den letzten Jahren zwischen 8 und 12 Personen, derzeit sind es 10.

Grosse Erwartungen an die Polizei

Die Zahlen aus den einzelnen Kantonen lassen sich allerdings nur bedingt miteinander vergleichen. So registriert der Kanton Zürich in seiner Datensammlung mit dem Titel «Geschäftskontrolle Bedrohungsmanagement» nicht Personen, sondern Fälle. Derzeit sind es 459, wobei diese Zahl gegenüber früheren Jahren ebenfalls angestiegen ist. Die bessere Vernetzung der involvierten Stellen führe zu mehr Meldungen, so begründet auch die Kantonspolizei Zürich den Anstieg. Die Anzahl der in der Datensammlung aufgeführten Personen ist jedoch tiefer. Das hat mit der Zählmethode zu tun: Bedroht nämlich eine Person ihre Familie zwei Mal im selben Jahr, werden zwar zwei Fälle, jedoch nur eine Person registriert. Ähnlich ist es im Kanton Basel-Landschaft, der 150 Fälle vermeldet.

Monika Simmler, Assistenzprofessorin für Strafrecht an der Universität St. Gallen, ist über diese hohen Zahlen nicht erstaunt. Simmler hat das Bedrohungsmanagement in verschiedenen Kantonen untersucht und dazu mehrfach publiziert. Die gesellschaftlichen Erwartungen an die Polizei hätten sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark verschoben, beobachtet die Juristin: «Wenn die Erwartung besteht, alle möglicherweise gefährlichen Personen im Blick zu behalten, können wir den Behörden nicht vorwerfen, dass sie solche Datensammlungen anlegt und möglichst viele Informationen zusammenbringt.»

Die kantonalen Gesetze über das Bedrohungsmanagement ähneln konzeptionell dem präventivpolizeilichen Anti-Terror-Gesetz (PMT), dem die Schweiz im Juni zugestimmt hat. Doch während sich gegen dieses Widerstand regte, wurden und werden die kantonalen Bestimmungen über das Bedrohungsmanagement praktisch geräuschlos verabschiedet. Volksabstimmungen finden in der Regel nicht statt.

Ein Grund dafür könnte sein, dass das PMT weitaus einschneidendere Massnahmen enthielt als die kantonalen Polizeigesetze: Während als gefährlich eingestufte Personen im Rahmen des kantonalen Bedrohungsmanagements allenfalls die verbindliche Teilnahme an einem Gespräch droht, sieht das PMT unter anderem einen mehrmonatigen Hausarrest vor. «Der direkte Kontakt zur mutmasslich gefährlichen Person ist für uns sehr wichtig», so ein Sprecher der Kapo Zürich: Die Situation lasse sich im direkten Gespräch besser und zuverlässiger beurteilen.

Häusliche Gewalt im Vordergrund

Gleichzeitig sind die kantonalen Polizeigesetze nicht nur auf Extremfälle wie terroristische Attentate oder Amokläufe ausgerichtet. Der Fokus hat sich im Verlaufe der Jahre verändert. Häufig geht es heute um Meldungen aus dem Bereich der häuslichen Gewalt, ein äusserst volksnahes und für viele Leute konkretes Thema. Ein Eintrag in einer der Datensammlungen deutet deshalb auch nicht automatisch auf ein exorbitantes Eskalationspotenzial hin. Bei der Datensammlung des Kantons Zürich handle es sich nicht um eine Gefährderliste, betont der Sprecher der Kantonspolizei Zürich: «Ein Eintrag sagt nichts über die Gefährlichkeit einer Person aus.»

Anhand der Angaben aus dem Kanton Solothurn lässt sich gut nachvollziehen, wie gross die Spannweite ist: So war in der Solothurner Datenbank per Ende des letzten Jahres von insgesamt 267 verzeichneten Personen nur gerade eine einzige mit hoher Gewaltbereitschaft aufgeführt. Bei 113 weiteren Personen bestand eine Gefährdungslage, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht entschärft werden konnte. Bei 153 Personen aber gelang es nach Angaben der Polizei, die Lage mit niederschwelligen Mitteln zu entschärfen. Dennoch bleiben die betroffenen Personen weitere zwei Jahre registriert.

Aus Sicht der Strafrechtlerin Simmler zeigt genau dies eines der Hauptprobleme des kantonalen Bedrohungsmanagements: Die Schwelle, um höchst persönliche Daten von Personen zu speichern, von denen angeblich eine Gefahr ausgehe, sei teilweise äusserst tief. Dabei stellten solche Datensammlungen einen schweren Eingriff in das verfassungsmässige Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, so Simmler. Das Dilemma liege darin, dass absolute Sicherheit immer grösstmögliche Überwachung erfordere, so Simmler: «Irgendwann müssenwir uns als Bürgerinnen und Bürger die Frage stellen, wie viel Freiheit wir aufgeben für das Ideal einer Null-Risiko-Gesellschaft.»
(https://www.nzz.ch/schweiz/in-schweizer-polizei-datenbanken-sind-hunderte-von-personen-als-moegliche-gefaehrder-registriert-ld.1644051)


+++BIG BROTHER
Die Revision des DNA-Profil-Gesetzes lässt systematische Diskriminierungen erwarten
Zukünftig soll es der Polizei in der Schweiz erlaubt sein, an Tatorten aufgefundene DNA auf äussere Merkmale sowie auf die sogenannte biogeografische Herkunft hin zu untersuchen. Hierfür muss allerdings das seit 2003 bestehende DNA-Profil-Gesetz revidiert werden. Während Fürsprecher*innen in der Gesetzesänderung eine zeitgemässe Erweiterung technischer Analysemittel sehen, warnen kritische Stimmen vor rassistischen Diskriminierungen und Stereotypisierungen.
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/polizei/revision-dna-profil-gesetz-systematische-diskriminierungen


+++POLIZEI CH
Coronavirus: Jeder zehnte Aargauer Polizist ist ungeimpft
Als Massnahme gegen das Coronavirus wurde die Zertifikatspflicht ausgeweitet. Polizisten kontrollieren es, brauchen selbst aber keins.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-jeder-zehnte-aargauer-polizist-ist-ungeimpft-66001197


+++POLICE FR
Macron ordnet Bodycams für Frankreichs Polizisten an
Eine neue Kontrollinstanz das Parlaments soll Berichte über übermäßige Polizeigewalt prüfen, die Berichte werden öffentlich
https://www.derstandard.at/story/2000129647487/macron-ordnet-bodycams-fuer-alle-polizisten-an?ref=rss


+++POLIZEI EUR
Staatsmacht rüstet auf
Feindbild Flüchtlinge, Abschottung der EU, militärisches Equipment: In Berlin tagt der »Europäische Polizeikongress«
https://www.jungewelt.de/artikel/410414.militarisierung-staatsmacht-r%C3%BCstet-auf.html


+++RECHTZSPOPULISMUS
KOSMOPOLITICS – RADIKALISIERTER KONSERVATISMUS
Wie entwickeln sich die konservativen Mitte-rechts-Parteien in Europa? Angesichts der Bundestagswahlen in Deutschland und der anhaltenden Dynamik rechtspopulistischer und rechtsradikaler Kräfte ist diese Frage aktuell von grösster Brisanz. In ihrem neuen Buch analysiert Natascha Strobl die unterschiedlichen Strategien der konservativen Parteien. Teils versuchen sie, sich gegenüber progressiveren, urbaneren Wählerschichten zu öffnen – teils setzen sie auf radikalen Konservatismus und Fremdenfeindlichkeit. Gast: Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin und Rechtsextremismusforscherin Moderation: Daniel Binswanger, Leiter Republik-Feuilleton
https://www.youtube.com/watch?v=x6B3FRRWd58


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Armeechef Thomas Süssli liked Maurers Shirt-Bild «aus Versehen»
Das Bild von Ueli Maurer im Shirt der «Freiheitstrychler» erhält viele Likes – darunter auch von Armeechef Thomas Süssli. Dies sei aber ein Versehen gewesen.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/armeechef-thomas-sussli-liked-maurers-shirt-bild-aus-versehen-66002103
-> https://www.watson.ch/schweiz/userinput/901529274-corona-armeechef-suessli-liked-skeptiker-foto
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/trumpismus-grunen-glattli-uber-ueli-maurers-trychler-shirt-66002016
-> https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/ueli-maurer-promis-spotten-uber-sein-freiheitstrychler-shirt-66001980
-> https://www.telezueri.ch/talktaeglich/-ueli-maurer-volksnah-oder-provokant-143562750
-> https://www.luzernerzeitung.ch/meinung/kommentare/kommentar-ueli-maurers-egotrip-wird-zur-belastung-fuer-ein-system-das-ohnehin-schwaechelt-ld.2187636


Auseinandersetzung bei der Einführung des Impftrames
Heute wurde in Zürich das Impftram als weitere mobile Impfmöglichkeit eingeweiht. Beim Anlass war ein grosses Sicherheitsaufgebot präsent. Prompt kam es zu einer Auseinandersetzung. Die Polizei hat einen 65-jährigen Mann abgeführt.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/auseinandersetzung-bei-der-einfuehrung-des-impftrames-143751675
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/151090216-corona-zwischenfall-bei-einweihung-des-zuercher-impftrams
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/polizei-verhaftet-mann-nach-einweihung-des-zuercher-impftrams-00165536/
-> https://www.20min.ch/story/mann-greift-bei-einweihung-des-zuercher-impftrams-security-an-102660785686


Widerstand gegen Zertifikatspflicht: Gegner wollen Busse, um sie vor Gericht anzufechten
Das Epidemien- und das Covid-19-Gesetz sind die Grundlage der neusten Massnahme. Doch genügt sie? Bald schon dürften sich die Gerichte damit befassen.
https://www.20min.ch/story/gegner-der-zertifikatspflicht-wollen-busse-vor-gericht-anfechten-372147445544


Coronavirus: Muotathaler Beizer übernimmt Bussen seiner Gäste
«Wenn es eine Busse gibt, dann halt.» Bruno Suter, der Wirt des «Hölloch» in Muotathal SZ will sich trotz Coronavirus nicht an die Zertifikatspflicht halten.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-muotathaler-beizer-ubernimmt-bussen-seiner-gaste-66001639


«Absoluter Hammer»: Bar will Zertifikatspflicht als Selbsthilfegruppe aushebeln
Seit Montag gilt die ausgeweitete Zertifikatspflicht auch in Bars und Restaurants. Eine Thurgauer Bar kündigt nun an, in der «Selbsthilfegruppe für Diskriminierungsopfer» auch Personen ohne Zertifikat zu bewirten.
https://www.20min.ch/story/bar-will-als-selbsthilfegruppe-zertifikatspflicht-umgehen-676855816374
-> https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/aus-bar-wird-selbsthilfegruppe-00165550/


Wirt krebst nach Berset-Drohung zurück: «Ich bin ungefährlich»
Gesundheitsminister Alain Berset wurde in einem Video von einem Innerschweizer Wirt massiv bedroht. «Komm nicht in die Innnerschweiz», droht der Corona-Skeptiker. Fedpol wurde alarmiert, nun krebst der Mann zurück und meint: «Ich bin ungefärlich.»
https://www.blick.ch/schweiz/wirt-krebst-nach-berset-drohung-zurueck-ich-bin-ungefaehrlich-id16829467.html


Coronavirus: Zertifikatsgegner picknicken vor Beizen auf Boden
An der Zertifikatspflicht wegen des Coronavirus scheiden sich die Geister. Gegner haben nun mit einer Fondue-Aktion in Winterthur ZH Aufsehen erregt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-zertifikatsgegner-picknicken-vor-beizen-auf-boden-66001937
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/anti-massnahmen-picknick-in-winterthur-00165503/


Nach Aktion von Hacker-GruppeAttila Hildmann – das letzte Kapitel?
Die Hacker-Gruppe Anonymous hat Dutzende Webseiten und Telegram-Kanäle von Attila Hildmann übernommen. Geholfen hat der Gruppe ein enger Vertrauter des Rechtsextremen und Verschwörungsideologen. Die Aktion könnte die Staatsanwaltschaft Berlin unter Druck setzen – und für Hildmann das öffentliche Aus bedeuten.
https://www.deutschlandfunk.de/nach-aktion-von-hacker-gruppe-attila-hildmann-das-letzte.2907.de.html?dram:article_id=503041
-> https://www.watson.ch/digital/anonymous/873729272-der-engste-vertraute-demontiert-attila-hildmann
-> https://www.watson.ch/digital/anonymous/518996118-twitter-sperrt-anonymous-germany


Coronavirus: Freiburger Spital will bei Sicherheit nicht aufrüsten
Skeptiker gelangten am Sonntag ins Kantonsspital Freiburg – sie protestierten gegen die Massnahmen zum Coronavirus. Aufrüsten will das Spital deswegen nicht.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-freiburger-spital-will-bei-sicherheit-nicht-aufrusten-66001191


Beschwerden nach Sendung mit Corona-Skeptikern: SRF-Ombudsstelle nimmt «Club»-Redaktion in Schutz
So einen kontroversen «Club» gab es schon lange nicht mehr: 27 Beschwerden gingen bei der Ombudsstelle ein, weil das SRF Corona-Skeptikern eine Plattform geboten habe. Nun ist der Bericht der Ombudsstelle erschienen.
https://www.blick.ch/people-tv/tv/sendung-mit-corona-skeptikern-srf-ombudsstelle-entlastet-die-club-redaktion-id16831448.html


Warum RT DE nicht gerügt werden kann
Immer wieder ist der russische Staatssender RT DE mit dem Vorwurf konfrontiert, irreführend zu berichten. RT DE beruft sich darauf, nie vom Presserat gerügt worden zu sein. Das ist allerdings auch gar nicht möglich.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/presserat-ruegen-rt-101.html



landbote.ch 14.09.2021

Corona-Demonstration in Winterthur: Impfskeptiker kommen nach Winterthur

Massnahmengegner haben für Samstag eine Kundgebung in Winterthur angekündigt. Die Veranstalter rechnen mit über 1000 Teilnehmerinnen, darunter prominente Redner wie Andreas Thiel und Philipp Gut.

Andrea Thurnherr, Gregory von Ballmoos

In Luzern demonstrierten am vergangenen Samstag über 1500 Personen gegen die Corona-Politik des Bundes. Bei der unbewilligten Demo kam es auch zu Ausschreitungen, die Polizei setzte Pfefferspray ein und wies rund 60 Personen weg. Ebenfalls am Wochenende zeigte sich SVP-Bundesrat Ueli Maurer in einem T-Shirt der Gruppierung «Freiheitstrychler». Diese ziehen an Corona-Demos mit ihren Treicheln gern vorneweg und gelten als radikale Impfgegner.

Diese Massnahmengegnerinnen und Impfkritiker kommen nun nach Winterthur. Laut einem Flyer, der in den sozialen Medien kursiert, demonstrieren verschiedene Gruppierungen am Samstag auf dem Neumarkt gegen eine angebliche Zensur und Impfdiktatur. Während der Kundgebung treten gleich 15 Rednerinnen und Redner auf. Viele von ihnen sind schweizweit für ihr Engagement gegen die geltenden Massnahmen bekannt – darunter der Kabarettist Andreas Thiel oder der frühere stellvertretende Chefredaktor der «Weltwoche», Philipp Gut.

Bekannter Impfgegner organisiert Demo

Der Verein Public Eye on Science organisiert die Kundgebung. Hinter diesem steht der Kantonsrat Urs Hans (Grüne) aus Neubrunn bei Turbenthal. Der bekannte Impfverweigerer wurde letzten Sommer aus der grünen Fraktion des Kantonsrats ausgeschlossen, nachdem er Corona-Verschwörungstheorien verbreitet hatte. Unter anderem nannte er die Krankheit eine «hartnäckige Grippe».

«Der Bund geht jetzt auf die Kinder los. Das war für mich der ausschlaggebende Grund, den Anlass zu organisieren.» Hans spricht sich unter anderem auch gegen die Maskenpflicht an Schulen aus und nennt sich selbst einen grossen Gegner sämtlicher Tests, da er diese für sehr ungenau hält.

Hans schätzte die Anzahl Personen, die an der Kundgebung teilnehmen werden, auf über 1000. Vergleichbare Anlässe aus anderen Städte wie Luzern oder Bern zeigen: Es könnten deutlich mehr Personen aufkreuzen.

Vor Ausschreitungen wie kürzlich in Luzern fürchtet sich der Organisator nicht. Schliesslich sei die Polizei vor Ort. Zudem sagt Hans: «Unsere Leute sind friedlich.» Trotzdem will er Personen aufbieten, die für Sicherheit sorgen: «Das sind Leute aus unseren eigenen Reihen, die Erfahrung mit deeskalierenden Massnahmen haben.»

Volles Programm

Am Samstagnachmittag ist ein dichtes Programm geplant: Auf einen einstündigen Umzug durch die Stadt folgen innert drei Stunden gleich 15 Rednerinnen und Redner. Darunter solche aus bekannten Gruppierungen, die sich gegen die Massnahmen aussprechen. So tritt Gzim Zymberi, Vorstandsmitglied der Jugendbewegung Mass-Voll auf. Er setzte im vergangenen Jahr ganze 1012 Tweets ab. Diese bezogen sich mit wenigen Ausnahmen ausschliesslich auf die Pandemie. Ebenfalls auftreten wird Christoph Pfluger, er gilt als treibende Kraft hinter den Corona-Demos, und Alec Gagneux, der im Vorstand der Ecopop-Initiative war.

Zu Wort kommt auch Dr. Thomas Binder, der im April 2020 wegen Drohungen im Zusammenhang mit Corona von einer Spezialeinheit verhaftet und kurzfristig in einer Psychiatrie untergebracht wurde. Auf dem Programm stehen mit Markus Häni (Freunde der Verfassung) und Prisca Würgler (Graswurzle) zwei Lehrpersonen, die wegen Corona-Verstössen ihren Job verloren haben. Letztere trat im SRF-«Club» als Kritikerin der gültigen Massnahmen auf.

Stapo willl sich für jede Situation wappnen

Die Stadtpolizei Winterthur befindet sich zurzeit in den Vorbereitungen auf die Demonstration. Laut Polizeisprecher Michael Wirz berücksichtigen sie dafür verschiedene Faktoren: «Wir beobachten beispielsweise, wie stark sich die Informationen zur Demonstration im Netz weiterverbreiten, und sind mit den Verantwortlichen in Kontakt.» Zudem erarbeite die Stapo ein Verkehrskonzept und informiere die Bevölkerung, da es zu Einschränkungen kommen könne.

Ob die Stapo mit gewalttätigen Ausschreitung rechnet, kommentiert diese nicht. Wirz sagt aber: «Wir bereiten uns so vor, dass wir für jede Situation gewappnet sind und das höchstmögliche Mass an Sicherheit gewährleisten können.» Ein Bewilligungsgesuch für eine Gegendemonstration wurde bisher nicht eingereicht.

Sitzdemonstration in der Steinberggasse

Einen kleinen Vorgeschmack gab es bereits am vergangenen Montag. Kritikerinnen und Kritiker der Zertifikatspflicht organisierten kurzfristig eine Sitzdemonstration. Rund 200 bis 300 Personen picknickten in der Steinberggasse und machten mit Tafeln und Flyern auf ihr Anliegen aufmerksam. Laut Polizeisprecher Wirz sei der Abend friedlich verlaufen und es sei zu keinen Zwischenfällen gekommen.
(https://www.landbote.ch/impfskeptiker-kommen-nach-winterthur-163000235697)


+++HISTORY
Zürcher Stapo legte Bombenattrappe
Spitzel? In der Schweiz? Noch vor der grossen Fichenaffäre von 1989/90 gelingt es Jürg Frischknecht 1986 in der WOZ, mehrere Spitzel der Zürcher Polizeikorps zu entlarven; einer von ihnen hat während der Jugendbewegungen 1980 als Agent Provocateur sogar ein Buttersäureattentat auf einen Bundesrat vorgeschlagen
https://www.woz.ch/40-texte-aus-40-jahren-1986/zurcher-stapo-legte-bombenattrappe
-> WOZ Nr. 42 vom 17. Oktober 1986: https://static.woz.ch/sites/woz.ch/files/text/download/woz_nr42_1986_seite1.pdf