Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++AARGAU
Streit um neue Asylunterkunft: Referendumskomitee erschien nicht zur Pressekonferenz
452 Niederwilerinnen und Niederwiler unterzeichneten das Referendum gegen den Bau einer neuen Asylunterkunft an der Hubelstrasse. Die Mitglieder des Referendumskomitees glänzten jedoch an der Pressekonferenz des Gemeinderates mit Abwesenheit. Was ihre Gründe gegen den Bau der Asylunterkunft sind, bleibt weiterhin unklar.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/freiamt/niederwil-streit-um-neue-asylunterkunft-referendumskomitee-erschien-nicht-zur-pressekonferenz-ld.2187054
+++SCHWEIZ
Bis zu 15’000 Franken für eine Rückführung nach Marokko: Thurgauer Nationalrätin kritisiert teure Ausschaffungen – der Bundesrat rechtfertigt die Kosten
In der Regel organisiert der Bund für die Zwangsrückführung von abgewiesenen Asylbewerbern Sonderflüge. Nach Marokko werden begleitete Ausschaffungen auch per Schiff durchgeführt. Der Bundesrat rechtfertigt die hohen Kosten, vorausgegangen war eine Interpellation der Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/asylwesen-bis-zu-15000-franken-fuer-eine-rueckfuehrung-nach-marokko-thurgauer-nationalraetin-kritisiert-teure-ausschaffungen-der-bundesrat-rechtfertigt-die-kosten-ld.2186957
-> Interpellation + Bundesratsantwort: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20213646
+++ÄRMELKANAL
So viele Flüchtlinge wie noch nie haben in den vergangenen sieben Tagen den Ärmelkanal durchquert. Wie die Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Behördenangaben am Montag (13. 9.) berichtete, hätten rund 2000 Menschen in kleinen Booten die Meeresenge in Richtung England in den sieben Tagen bis zum 10. September überquert. Insgesamt steigt damit die Zahl der Asylsuchenden, die 2021 auf diesem Weg nach Grossbritannien kamen, auf mindestens 14 000. Das sind rund 6000 mehr als im gesamten Vorjahr. Begünstigt wurden die illegalen Überfahrten in den vergangenen Tagen vor allem durch das warme Wetter.
Britische Grenzschützer sollen künftig Boote mit Migranten im Ärmelkanal in französische Gewässer zurückdrängen. Das berichten am Donnerstag (9. 9.) mehrere britische Medien übereinstimmend unter Berufung auf eine Mitteilung des Innenministeriums. Frankreich kritisiert die Pläne scharf: Der Schutz von Menschenleben auf See müsse Priorität haben vor Nationalität, Status und migrationspolitischen Überlegungen, allein aus Respekt vor dem internationalen Seerecht. Ob die Anweisung legal ist oder nicht, lässt sich so einfach nicht beantworten. In den vergangenen Wochen haben jeden Tag etwa 800 Migranten den Ärmelkanal in kleinen Booten überquert, um nach Grossbritannien zu gelangen; insgesamt liegt ihre Zahl in diesem Jahr bisher bei etwa 13 000. Seit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreiches können britische Behörden illegal eingereiste Asylbewerber nicht mehr ohne weiteres an EU-Länder zurückgeben.
(https://www.nzz.ch/international/migrationskrise-amnesty-international-fordert-entkriminalisierung-der-seenotrettung-ld.1535949)
+++FREIRÄUME
Wie wollen wir wohnen – heute und in Zukunft?
https://rabe.ch/2021/09/13/neue-hausbesetzung-in-muri/
Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit eine kleine Ausstellung im Berner Generationenhaus, über die wir vergangene Woche bereits berichtet haben. Porträtiert wird in dieser Ausstellung unter anderem die Wohnbaugenossenschaft Quartierhof in der Berner Lorraine. Der sogenannte Q-Hof konnte in den 80er-Jahren dank dem Widerstand seiner Bewohner*innen vor dem geplanten Abbruch bewahrt werden.
Offiziell gegründet wurde die Wohnbaugenoss*innenschaft (WBG) «Q-Hof» im Jahr 1989 gegründet wobei sie in ihren Statuten die sanfte Renovation der Liegenschaft sowie die Erhaltung kollektiven und preisgünstigen Wohnraums festlegte. 1996 kam letztendlich ein Baurechtsvertrag zwischen der Stadt Bern und der WBG Q-Hof zustande. 10 Jahre später übernahm die WBG Q-Hof das Nachbarhaus am Dammweg 41 ebenfalls im Baurecht. 2019/20 wurde die Liegenschaft am Dammweg 41 ausgebaut.
Die Genossenschaft ist selbstverwaltet, die Bewohner*innen kümmern sich selber um anfallende Arbeiten und entscheiden gemeinsam über Grundsätzliches. Heute leben in den insgesamt 10 Häusern 41 Erwachsene und 9 Kinder in meist kleinen Wohnungen.
Im Rahmen unserer Serie „Wie wollen wir wohnen“ haben wir der selbstverwalteten Genossenschaft in der Lorraine einen Besuch abgestattet. Dort sprach Salim Staubli mit den beiden Genossenschaftlern „Nicce“ und „Pole“ über das Leben in der Gemeinschaft und über ihre Beweggründe in einer Genossenschaft leben zu wollen.
+++GASSE
Offene Drogenszene in Chur: «Wir Drögeler sind denen da oben egal»
Im Churer Stadtpark hat sich eine der letzten offenen Drogenszenen etabliert. Die Süchtigen verwahrlosen immer mehr. Fachleute, Drögeler und die Stadt fordern ein Fixerstübli. Doch der Zuständige, der Kanton, blockt. Wo liegt das Problem? Ein Besuch im Stadtpark.
https://www.blick.ch/schweiz/graubuenden/letzte-offene-drogenszene-in-chur-wir-droegeler-sind-denen-da-oben-egal-id16821931.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/offene-drogenszene-in-chur-jetzt-braucht-es-ein-fixerstuebli-id16823645.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Neue Hausbesetzung in Muri
In der Nacht auf Montag hat das Kollektiv «L@s Vecin@s Amables» zwei leerstehende Häuser in Muri besetzt.
https://journal-b.ch/artikel/neue-hausbesetzung-in-muri/
-> https://twitter.com/ag_bern/status/1437327952505679883
-> https://www.instagram.com/p/CTwQjXqNb1P/
-> https://rabe.ch/2021/09/13/besetzung-der-schuermatt-in-muri/
-> https://barrikade.info/article/4747
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bzbasel.ch 13.09.2021
Basler Linke nehmen die Staatsanwaltschaft ins Visier
SP, Basta und Grüne starten eine Offensive gegen die Basler Staatsanwaltschaft (Stawa). Die Aufsichtsbehörde warnt vor Mittelkürzungen.
Benjamin Rosch
Als die nationalrätliche Kommission diese Woche aussprach, was alle dachten, waren die Folgen erwartbar. Nein, die Immunität der Basler Nationalrätin Sibel Arslan sei nicht aufzuheben, urteilte die Kommission. Mehr noch: «Die Kommission erachtet es als fraglich, ob die Handlungen, die Nationalrätin Sibel Arslan vorgeworfen werden, überhaupt eine strafrechtliche Relevanz aufweisen.»
Eine Steilvorlage für die Linke, die sie mit Anlauf annahm, Bumm, Empörung im Netz. Das Nachsehen hatte die Basler Staatsanwaltschaft (Stawa), deren Intervention in der Darstellung von Basta, SP und Grünen mindestens kleinlich, im schlimmsten Fall politisch sei.
Die Geschichte ist kein Einzelfall, sondern vielmehr ein weiterer Kulminationspunkt einer vorbelasteten Beziehung zwischen Linken und der Stawa. Seien es die Basel-nazifrei-Prozesse, unverhältnismässig entnommene DNA-Proben an Demos, die auffällige Nähe des Staatsschutzes zu Strafverfolgungsbehörden, wenn es um das Ahnden von Autonomen geht, Friktion gibt es genug. Da fällt dann auch stark ins Gewicht, dass die antisemitische Brandrede von Tobias Steiger von den Strafverfolgern lange unbeachtet blieb.
Schriftliche Anfrage bringt Auseinandersetzung in die Politik
Wenn die Auseinandersetzung nicht politisch war, dann wird sie es spätestens jetzt. SP und Grünes Bündnis haben im Sommer eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich der Angelegenheit Stawa annehmen will. Es sind keine Hinterbänkler im Grossen Rat: SP-Fraktionspräsident Thomas Gander gehört dazu, GPK-Präsident Christian von Wartburg (SP), Anwältin Michelle Lachenmeier (Grüne), Grünen-Co-Präsidentin Raffaela Hanauer und die ehemalige Basta-Präsidentin und Fraktionspräsidentin Tonja Zürcher.
Heute wird ihr erster Wurf eingereicht: Es ist eine schriftliche Anfrage, die sich nach den Ressourcen der Stawa erkundigt. Gander und Konsorten verlangen eine detaillierte Auflistung über den Head Count der Strafverfolger und wie sie diesen in den verschiedenen Themen einsetzen. «Die Ressourcen der Staatsanwaltschaft Basel wurden substanziell aufgestockt. Noch ist nicht klar, was die Aufstockung der Stellen auf den Pendenzenberg und die Schwerpunktsetzung für eine Auswirkung haben», heisst es im Schreiben, das der bz vorliegt.
Säbelrasseln vor der Budgetdebatte
Das klingt zunächst einmal harmlos. Spannend ist aber das Einreichdatum: Der Vorstoss muss innerhalb von drei Monaten beantwortet werden, also liegen die Antworten der Regierung bis Anfang Dezember vor. Eine gute Vorbereitung, um die entsprechenden Schlüsse für die nachfolgende Budgetdebatte im Dezember zu ziehen.
Es wird nicht der einzige Vorstoss bleiben. Zu Papier zu bringen ist eine Motion, die sich mit der Aufsichtsbehörde der Stawa beschäftigt. Das ist nicht ganz neu: Schon die frühere Justizkommissionspräsidentin und heutige Regierungsrätin Tanja Soland forderte, die Aufsichtskommission solle genauer hinschauen. Es bräuchte wohl einen politischen Entscheid, um die Kommission mit zusätzlichen Kompetenzen auszustatten.
Präsident verfolgt Debatte aus New York
Was aber sagt deren Präsident zum Zwist um die Staatsanwaltschaft? Die bz erreicht Daniel Kipfer in New York, wo er als Ombudsperson für den UNO-Sicherheitsrat amtet. Sein Wirkungskreis mutet auf den ersten Blick seltsam an: Kipfer überwacht Al-Kaida, den IS – und die Basler Stawa. Die Debatte hat er über den Atlantik dennoch genau verfolgt. Auch die kürzlich geäusserte Kritik der Geschäftsprüfungskommission, sein Bericht komme zu spät, hat er vernommen. Kipfer kontert: «Es handelt sich dabei um ein Kommunikationsproblem innerhalb der GPK.»
Aufgrund der Pandemiesituation mussten die Visitationen verschoben werden, weshalb sich auch die Berichterstattung verzögerte. «Das war so geplant und die Regierung und die GPK waren informiert, dass der Jahresbericht erst nach den Sommerferien vorliegen würde.» Demnächst soll dieser publiziert sein. Er enthalte durchaus «ein paar kritische Bemerkungen». «Allerdings», gibt Kipfer zu bedenken, «ist das Wirkungsfeld der Aufsichtskommission fokussiert auf den Einsatz der Ressourcen der Stawa zur Verfahrensbeschleunigung.» Zudem liesse es das Beurteilungsintervall nicht zu, schnell auf auftauchende Fragen zu Einzelfällen im laufenden Jahr zu reagieren. «Wir haben immer das vorhergegangene Jahr zu beurteilen», sagt Kipfer.
Ausweitung der Aufsicht wie in Baselland?
Aber würde er nicht eine Ausweitung der Aufsichtskompetenzen wollen? Kipfer antwortet ausweichend. Letzten Endes sei es eine politische Frage, was mit der Aufsicht bezweckt werde. Ja, andere Kantone legen die Rolle der Aufsichtsbehörde weiter aus. «Aber am Beispiel Baselland kann man erkennen, dass dies der Sache auch nicht unbedingt zum Vorteil gereicht.» Dort hatten sich Aufsicht und Stawa derart zerstritten, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich war. Die Aufsicht trat in corpore zurück. «Das legt den Schluss nahe, dass auch das System nicht perfekt ausgestaltet ist», sagt Kipfer. Die Rolle der Aufsicht sei sehr heikel im praktischen Zusammenspiel mit der Behörde – besonders, wenn sie beginne, sich ins operative Geschäft einzuschalten.
Und ganz zuletzt, da bricht Kipfer doch eine Lanze für die Stawa: «Personell ist sie sicher nicht überdotiert. Wir als Kommission haben uns mehrfach dafür eingesetzt, dass die Stawa mehr Mittel erhält. Dies vor allem auch darum, weil mit dem Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung objektiv mehr Personal erforderlich wurde.»
(https://www.bzbasel.ch/basel/schriftliche-anfrage-basler-linke-nehmen-die-staatsanwaltschaft-ins-visier-ld.2186700)
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Basler Zeitung 13.09.2021
Basler Staatsanwaltschaft ermittelt: Auf der Jagd nach den Demo-Strippenzieherinnen
Die Basler Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der unbewilligten Demonstration zum Frauenstreiktag 2020. Auch gegen zwei Grossrätinnen. Damit begehe sie Wortbruch, so der Vorwurf.
Mirjam Kohler
280 Ordnungsbussen wegen Verstosses gegen die Corona-Verordnung und Ermittlungen gegen 12 Personen, die sich der Polizei gegenüber unkooperativ verhalten haben sollen oder als Strippenzieherinnen gelten. Das ist die juristische Bilanz der unbewilligten Demonstration zum Frauenstreiktag vom 14. Juni 2020.
Zu diesem Zeitpunkt waren laut Corona-Verordnung Veranstaltungen mit bis zu 300 Personen erlaubt. Allerdings hätte dazu ein Schutzkonzept vorliegen müssen. Das war offenbar nicht der Fall. Spontane Menschenansammlungen mit mehr als 30 Personen waren aber verboten.
Als Strippenzieherinnen verdächtigen die Behörden unter anderem die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (Basta) und die beiden Grossrätinnen Raffaela Hanauer (Co-Präsidentin Grüne) und Jessica Brandenburger (Co-Präsidentin SP). Die drei Politikerinnen wollen sich dazu auf Anfrage nicht äussern.
Ein Versprechen – wofür?
Zur Gesamtsituation sagt Hanauer aber: «Wer sich freiwillig kontrollieren lässt, bekommt keine Anzeige. Das hat die Polizei so kommuniziert. Dieses Versprechen wird durch diese Ermittlungen gebrochen. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung den Aussagen der Polizei trauen kann.» Hanauer appelliert an die Staatsanwaltschaft, alle Verfahren einzustellen.
Gab es dieses Versprechen wirklich? Was vor Ort gesagt und getan wurde, ist schwierig zu überprüfen. Doch wegen massiver Vorwürfe gegen die Polizei – unter anderem soll es gemäss öffentlichen Vorwürfen im Rahmen der Personenkontrollen zu übergriffigem Verhalten durch Polizisten gekommen sein – gibt es dazu auch gesicherte Aussagen. Der damalige und inzwischen abgewählte zuständige Regierungsrat Baschi Dürr (FDP) nahm unter anderem gegenüber Telebasel Stellung zur Angelegenheit.
Dürr sagte: «Es wurde verhältnismässig durchgegriffen, in dem Sinne, dass es höchstens eine Ordnungsbusse gibt.» Wenige Minuten später präzisiert er aber im selben Gespräch: «Die, die nur teilgenommen und sich ansonsten nichts zuschulden haben kommen lassen, bekommen eine Ordnungsbusse, wie man das schon vor Ort klargemacht hat.» Ob diese Präzisierung an der Demonstration ebenfalls kommuniziert wurde und ob diese Information akustisch durchdrang, bleibt unklar. Denn dass Warnungen und Durchsagen der Polizei bei Demonstrationen nur schlecht wahrnehmbar sind, wird schon länger bemängelt. Gelöst wurde das Problem bisher aber nicht.
«Auf keinem Auge blind»
Über die Vermittlungsversuche von Nationalrätin Arslan zwischen Polizei und Demonstrantinnen sagte er: «Frau Arslan hat durchaus konstruktiv gewirkt, aber irgendwann ist dann auch mal fertig, und die Polizei führt die Kontrolle durch.» Der Dank an Arslan flatterte rund ein halbes Jahr später in ihren Briefkasten. Sie sollte, wie die anderen elf Beschuldigten auch, eine schriftliche Einvernahme ausfüllen. Eine schriftliche Einvernahme bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft Fragen zu Tatvorwürfen formuliert, zu denen man schriftlich Stellung nehmen soll. Wie bei mündlichen Einvernahmen kann die Aussage verweigert werden.
Damit die Staatsanwaltschaft überhaupt gegen die Nationalrätin ermitteln kann, müsste deren parlamentarische Immunität aufgehoben werden. Die erste der beiden zuständigen Kommissionen hat sich am Dienstag gegen die Aufhebung entschieden.
Auch Raffaela Hanauer, die die Stawa für eine Strippenzieherin der Demonstration hält, äusserte sich damals öffentlich: Die Polizei habe an der friedlichen Gruppe ein Exempel statuiert. Vorwürfe, die beispielsweise auch im Zusammenhang mit der Monsterprozess-Reihe zur «Basel Nazifrei»-Demonstration von 2017 immer wieder laut werden.
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement stritt das ab. Auch die Staatsanwaltschaft will solche Aussagen nicht im Raum stehen lassen: «In ihrer Strafverfolgungstätigkeit orientiert sich die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt streng an den einschlägigen gesetzlichen Regelwerken, namentlich dem Strafprozessrecht. Sie ist dabei auf keinem Auge – mithin weder auf dem rechten noch dem linken – blind, und schon gar nicht ‹statuiert› sie irgendwelche ‹Exempel›», erklärt die Stawa gegenüber dieser Zeitung.
Tendenz zur Verschleppung
Richtig sei aber, dass die Stawa mit Blick auf über 20’000 Anzeigen pro Jahr innerhalb der Strafverfolgung Prioritäten setzen müsse und dürfe, «beispielsweise auf Haftfälle, nach der Schwere der Tat, aufgrund von Offizialdelikten oder angezeigten Gesetzesverstössen bei namentlich bekannten mutmasslichen Täterschaften im Vergleich zu Bagatelldelikten mit unbekannter Täterschaft».
Es ist diese Prioritätensetzung der Staatsanwaltschaft, die etwa von der Geschäftsprüfungskommission (GPK) kritisiert wird. Die Oberaufsichtskommission des Grossen Rates hat die Aufgabe, den Behörden auf die Finger zu schauen. Im Bericht über das Jahr 2020 schreibt sie: Es scheint «eine Tendenz zu bestehen, dass weniger delikate Delikte nicht prioritär behandelt werden und bis zur Verjährung bei der Kriminalpolizei darben. Nicht nur für die betroffenen Personen wird dies belastend sein, geht es doch um Fälle wie Ehrverletzung, Tätlichkeiten und Drohungen.»
SP-Grossrat Christian von Wartburg ist Präsident der GPK. Der Jurist hat als Strafverteidiger auch beruflich viel mit der Staatsanwaltschaft zu tun. Im Zusammenhang mit der Demonstration vom 14. Juni 2020 wurde er von diversen Personen um juristische Unterstützung angefragt. Er sagt: «Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Stawa in dieser Sache Strafverfahren führt. Es handelte sich um eine friedliche Ausübung von Grundrechten.»
Die Stawa wiederum stellt sich auf den Standpunkt, dass man gar keinen Spielraum habe: «Wenn wir Kenntnis über ein Offizialdelikt erhalten und sich daraus ein Anfangsverdacht ergibt, dann sind wir von Amtes wegen verpflichtet, ein Verfahren zu eröffnen», so Stawa-Sprecher Martin Schütz.
(https://www.bazonline.ch/auf-der-jagd-nach-den-demo-strippenzieherinnen-230548932196)
-> https://telebasel.ch/2021/09/13/staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-zwei-grossraetinnen/?channel=105100
+++RASSISMUS
antira-Wochenschau: Frontex abschaffen, Kolumbus-Statue ersetzen, BAZ Zürich schliessen
https://antira.org/2021/09/13/frontex-abschaffen-kolumbus-statue-ersetzen-baz-zuerich-schliessen/
+++RECHTSPOPULISMUS
Nach Vorwürfen wegen vertuschter Fallzahlen«Niemand ist in der Lage zu sagen, welches Labor richtig gearbeitet hat»
Der bernische Gesundheitsdirektor äussert sich zum Vorwurf, seine Direktion habe die Zahlen aus den Massentests an Schulen zu tief kommuniziert.
https://www.derbund.ch/jetzt-nimmt-schnegg-stellung-127315772858
-> https://www.bernerzeitung.ch/es-gibt-keinen-grund-zahlen-zu-korrigieren-511576235005
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/massentests-an-berner-schulen-berner-gesundheitsdirektor-schnegg-weist-vorwuerfe-zurueck
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/vertuschte-corona-zahlen-gesundheitsdirektor-schnegg-weist-vorwuerfe-zurueck-143739504
-> https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2021-09-13#chapter-0298d106-e577-4d38-8301-1a8273105c6f
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
SVP-Bundesrat Ueli Maurer posiert an Parteiveranstaltung mit Shirt der «Freiheitstrychler»
Bundesrat Ueli Maurer hat an einer SVP-Veranstaltung ein T-Shirt der «Freiheitstrychler» übergezogen und sich damit Kritik wegen Verletzung des Kollegialitätsprinzips in der Regierung eingehandelt. Die Zentralschweizer Treichelschwinger gelten als ausgesprochene Kritiker der vom Gesamtbundesrat beschlossenen Corona-Massnahmen.
https://www.watson.ch/schweiz/svp/389708717-svp-bundesrat-ueli-maurer-posiert-mit-shirt-der-freiheitstrychler
-> https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/ueli-maurer-provoziert?partId=12053970
-> https://www.20min.ch/story/ueli-maurer-faellt-dem-bundesrat-in-den-ruecken-525544694279
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/freiheitstrychler-auftritt-von-svp-bundesrat-ueli-maurer-erntet-heftige-kritik-143739595
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/aufregung-in-bundesbern-kritik-an-maurers-freiheitstrychler-shirt-143739395
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittenes-t-shirt-an-anlass-verstoesst-bundesrat-ueli-maurer-gegen-das-kollegialitaetsprinzip
-> https://www.20min.ch/story/die-svp-will-massnahmengegner-ins-politische-system-integrieren-405589890707
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/freiheitstrychler-maurer-maurers-provokation-kommt-bei-den-anderen-parteien-nicht-gut-an
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittenes-t-shirt-an-anlass-verstoesst-bundesrat-ueli-maurer-gegen-das-kollegialitaetsprinzip
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/ueli-maurer-mike-egger-svp-verteidigt-trychler-auftritt-66001470
-> https://www.blick.ch/politik/bundesrat-giftelt-im-trychler-shirt-gegen-seine-kollegen-maurer-spaltet-aktiv-das-land-id16828972.html
-> https://www.derbund.ch/es-ist-die-falsche-zeit-um-zu-zuendeln-307723744928
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tagesanzeiger.ch 13.09.2021
Dialog oder gezielte Provokation?Bundesrat Maurer und der radikale Impfgegner
Am Sonntag traten Freiheitstrychler bei einem SVP-Anlass auf – und machten Fotos mit Bundesrat Ueli Maurer. Die Partei zeigt Verständnis für die Trychler.
Andreas Tobler, David Sarasin
Ein gemütlicher Sonntagmorgen in ländlicher Umgebung: In einem Stall weit oberhalb der Gemeinde Wald im Zürcher Oberland stehen neben Festbänken Kühe, es gibt Kaffee und Kuchen, das Trio Churfirste spielt mit Ländlern auf. Als Höhepunkt des jährlichen SVP-Gipfeltreffens der Sektionen St. Gallen, Thurgau und Zürich spricht Bundesrat Ueli Maurer zum Thema «Selbstbestimmte Schweiz».
«Was nicht angesprochen wird», lautete der Titel von Maurers Rede. Darin spricht der Bundesrat raunend darüber, wie gefährlich die Macht von Experten und Regierung sei. Das ist auf einem Video der Rede zu sehen, das in den sozialen Medien kursiert. Er meine das durchaus selbstkritisch, betont Maurer. Ebenso sei es wichtig, sich gegen den Mainstream zu wehren und ein Gegengewicht zur Macht darzustellen.
Unerwarteter Aufmarsch
Zu reden gibt gleichentags aber etwas anderes: Die inszenierte Nähe zwischen radikalen Impfgegnern und Bundesrat Maurer. Als die Veranstaltung in Wald beginnt, kreuzen Freiheitstrychler auf und suchen nach Ueli Maurer. Sie wollen ein Foto mit dem Bundesrat machen.
Der Aufmarsch der Freiheitstrychler sei «unerwartet» gewesen, betont der St. Galler SVP-Nationalrat Mike Egger, der an der Sonntagsveranstaltung in Wald ebenfalls eine Rede hielt.
Ueli Maurer jedenfalls war bereit zum Bild: Er posierte mit den Freiheitstrychlern. Zu zweit. Und als Gruppe mit Schweizer Fahnen und Glocken vor einem silberfarbigen Kombi.
Die lose Gruppe der Freiheitstrychler, die sich aus Vereinigungen der ganzen Schweiz zusammensetzt, wurde in den vergangenen Monaten dadurch bekannt, dass sie an den wöchentlichen, teilweise unbewilligten Demos der radikalen Impfgegner und selbsternannten Corona-Rebellen teilnimmt. Oftmals sind sie mit ihren Glocken das Zentrum der Demo. Ihre Kutten tragen den entsprechendem Schriftzug, sind mit Edelweiss-Blumen sowie Wappen der Schweiz, eines Kantons oder einer Gemeinde bestickt.
Eine dieser Kutten streifte sich Bundesrat Ueli Maurer bei der Veranstaltung in Wald über – für die Fotos.
«No-go!», «charakterliches Armutszeugnis»
Seit Sonntag kursieren die Bilder mit Ueli Maurer in den sozialen Medien – und stossen dort auf heftige Kritik: Maurer «verhöhne» damit die Arbeit des Bundesrates. Es sei nicht nur ein politisches, «sondern auch ein charakterliches Armutszeugnis», schreibt der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Marko Kovic auf Twitter. «Diesen Massnahmenkritikern noch mehr Auftrieb geben? Kollegialitätsprinzip wo? No-go!», schreibt die Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger. Andere verbreiten die Fotos mit dem Hashtag #nichtmeinbundesrat.
Ueli Maurer leiste einen «enormen Beitrag zum Zusammenhalt des Landes, während andere Öl ins Feuer giessen und die Zweiklassengesellschaft vorantreiben», ergänzt Benjamin Fischer, Präsident der Zürcher SVP. «Die Freiheitstrychler machen von ihren politischen Rechten Gebrauch und weisen zu Recht auf die schreiende Unverhältnismässigkeit gewisser Massnahmen hin.» Sie seien «nach wie vor Teil unserer Gesellschaft» – wie alle anderen auch.
Erst der Aufruf zur Demo, dann die Apfelschorle-Attacke
Klar ist: In Wald nutzten auch ultra-radikale Massnahmenkritiker den SVP-Anlass als Bühne für ihre Fotos. Einer von ihnen ist ein Schweizer, der etwas über vierzig Jahre alt ist und sich auf Telegram «Attila der Kluge» nennt. In Wald liess er sich am Sonntag ebenfalls mit Ueli Maurer abbilden. Beide trugen Kutten der Freiheitstrychler.
Auf seinen Kanälen teilt «Attila der Kluge» täglich Fake News zur Impfung. Anfang September forderte er seine Facebook-Follower und die Mitglieder seiner Telegram-Gruppe dazu auf, gegen den Start der mobilen Impfkampagne in Gossau im Kanton Zürich zu demonstrieren. Impfwillige sollten vom Impfen abgehalten werden. Am gleichen Anlass wurde Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) mit einer Apfelschorle überschüttet.
Molotowcocktails und die Zukunft der Schweiz
Geht es nach den Followern von «Attila dem Klugen» sollten die Impfbusse noch radikaler angegangen werden. So forderte jemand in seinem Chat, einen Molotowcocktail auf einen Impfbus zu werfen. Das Votum blieb auf Telegram unwidersprochen.
Mit Gewalt will die SVP indes nichts zu tun haben: «Das versteht sich von selbst», sagt SVP-Nationalrat Mike Egger. «Ueli Maurer stellt sich gegen Übergriffe und Gewalt aller Art», ergänzt Benjamin Fischer von der Zürcher SVP. «Eine übertriebene Aufregung» macht nach den ersten Medienberichten der Thurgauer SVP-Ständerat Jakob Stark aus, der in Wald eine Rede zur Zukunft der Schweiz hielt.
Teilweise mässigend äusserte sich auch Ueli Maurer in seiner Rede in Wald: Wir befänden uns in einer schwierigen Situation, sagte der Bundesrat. Wichtig sei, dass weder Ungeimpfte noch Geimpfte sich den anderen überlegen fühlten, dass man die Meinung der anderen akzeptieren solle.
Für eine weitere Stellungnahme zu den Fotos mit den radikalen Massnahmekritikern war Maurer nicht zu erreichen. «Die erwähnte Aufnahme haben wir zur Kenntnis genommen und äussern uns nicht weiter dazu», schreibt die Sprecherin seines Departements.
«Es handelt sich um eine gezielte Provokation»
Offen bleibt die Frage, ob sich die Freiheitstrychler in Wald in den SVP-Anlass gedrängt haben – oder mit offenen Armen empfangen wurden. Videos weisen auf zweites hin. «Es handelt sich um eine gezielte Provokation», sagt der Politgeograf Michael Hermann. Das sei etwas, was Ueli Maurer bereits als Parteipräsident ausmachte – und das auch zum Markenzeichen der SVP wurde. Als Bundesrat habe Ueli Maurer zwar einen Rollenwechsel vollzogen, «aber diesen Zug hat er beibehalten», sagt Hermann.
Ueli Maurer sei mit seiner impfskeptischen und massnahmekritischen Position ziemlich allein im Bundesrat. Die jüngste Provokation von Wald sei auch ein Ausdruck davon: «Er verschafft sich Gehör mit Provokation, weil er sonst kein anderes Mittel zur Verfügung hat», sagt Hermann.
Weisse Kutte im Trychler-Takt
Maurers Bereitschaft, Fotos mit den Freiheitstrychlern zu machen, entfaltet rasch eine Wirkung in den sozialen Medien. Dort werden Ueli Maurers Fotos mit den Freiheitstrychlern von radikalen Massnahmekritikern und Impfgegnern weiterverbreitet – und sein Auftritt teilweise gefeiert.
Auch Chrigi R. (Name der Redaktion bekannt) teilt die Videos vom SVP-Anlass in Wald. Auf einem Video ist zu sehen, wie er mit Glocken behängt im Takt langsam durch die Festbänke schreitet. Er trägt dabei die gleiche weisse Kutte wie die Trychler, wie später Bundesrat Ueli Maurer.
«Propagandalüge», «Höchststrafe»
Auf seinen Kanälen auf Facebook oder Telegram wirkt R weniger harmlos: Er ruft etwa dazu auf, sich die Namen der Ärzte, Politiker und Beamten zu merken, die «Propagandalügen» zur Impfung verbreiten würden. Er listet dabei die Namen von Regierungsrätinnen und Bundesräte auf und wirft ihnen «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» vor. «Die Strafe kann nur lauten: Höchststrafe», schreibt er dazu. Dahinter prangt ein Totenkopf-Emoji.
Vielleicht stimmt es auf den ersten Blick, dass der Anlass der SVP nur ein gemütlicher Morgen in einem Stall auf dem Land war. Doch unter der Oberfläche ist für alle, die wollen, ein dunkles Raunen hörbar.
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Reaktionen auf den Auftritt von Ueli Maurer
Auch im Bundeshaus gibt die Aktion des Finanzministers zu reden. «Bundesrat Maurer bricht die Kollegialität und sägt an der Glaubwürdigkeit der Schweizer Corona-Politik», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Er erschwere so die Bekämpfung der Pandemie und trage dazu bei, dass die Gesundheitskrise weiter andauere. Ähnlich äussert sich Jürg Grossen: «Bundesrat Maurer verletzt das Kollegialitätsprinzip und schürt die Corona-Gräben.» Ein solcher Auftritt sei für einen Bundesrat nicht angebracht, sagt der Präsident der Grünliberalen. «Ueli Maurer ist damit zwar ehrlich, aber nicht gerade vorbildlich.» Bei der nationalen SVP gibt man sich zurückhaltend – mit Ausnahme von Thomas Matter, Nationalrat und Mitglied der Parteileitung. «Wir haben es wahrlich weit gebracht, wenn ein Bundesrat kein urchiges Trychler-Hirtenhemd mehr tragen darf.» Es sei bedenklich, wenn mittlerweile jede andere Meinung in die extremistische, braune Ecke gedrängt werde. «Egal, ob diese andere Meinung von einem Bundesrat oder einem einfachen Büezer geäussert wird.» (sth)
(https://www.derbund.ch/maurer-und-die-impfgegner-959177485005)
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nzz.ch 13.09.2021
Oops, he did it again – Ueli bei den Treichlern
Es gibt zwei Ueli Maurer: Ueli, den Staatsmann, und Ueli, den Schmoller. Nun ist Ueli II. wieder einmal aufgetreten: mit einer subversiven Botschaft. Darf er das?
Christina Neuhaus und Nadine Brügger
Ueli Maurer ist untragbar. Ueli Maurer soll zurücktreten. Ueli Maurer tritt das Kollegialitätsprinzip mit Füssen. Die Kommentare auf Twitter und in den Kommentarspalten verschiedener Zeitungsportale sind mehrheitlich empört: Wie kann er nur?
Was ist geschehen? Bundesrat Ueli Maurer hat sich am Wochenende an einem lokalen SVP-Anlass in der Zürcher Oberländer Gemeinde Wald ein XL-T-Shirt der Freiheitstrychler übergestreift. Ein Herr namens Attila der Kluge postete das Bild auf Telegram, die Sittenwächter der Berner Reitschule, die das weltweite Netz offenbar gezielt nach den Faux-pas von Massnahmengegnern scannen, veröffentlichten es auf Twitter, und die Medien sprangen dankbar auf.
-> https://twitter.com/Megafon_RS_Bern/status/1437049960147599365
Die Freiheitstrychler sprechen sich klar gegen die Corona-Schutzmassnahmen aus, die der Gesamtbundesrat beschlossen hat. Sie nehmen regelmässig an Kundgebungen gegen die Schutzmassnahmen teil, zuletzt am Samstag an einer unbewilligten Demonstration in Luzern. Dass sich nun ein Mitglied dieses Gesamtbundesrats hinstellt und stolz in der Tracht der Widerständler posiert, ist natürlich eine gezielte Provokation.
Ueli Maurer wusste genau, was er tat. Er hat es auch nicht zum ersten Mal gemacht. Er beherrscht subtilere und weniger subtile Mittel, um seinen Unmut auszudrücken. Wenn er den Entscheid des Bundesrats nicht mitträgt, sagt er konsequent «der Bundesrat» und nicht «wir». Reicht das als psychohygienische Massnahme nicht, setzt er gerne noch einen drauf. Ziemlich genau vor einem Jahr, als das Schicksal der Begrenzungsinitiative noch nicht besiegelt war, trug Maurer im Landgasthof seines Parteikollegen Toni Brunner ein T-Shirt zur Schau, auf dem stand: «Tell, wo bist du? Die verfluchten Vögte sind wieder im Land.»
Maurer wird, so genau weiss man das nicht, den Entscheid des Bundesrats zur Ausweitung des Covid-Zertifikats nicht mitgetragen haben. In eingeweihten Kreisen wird sogar kolportiert, er habe die Bundesratssitzung wütend verlassen.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Finanzminister deutlich macht, dass er die Pandemiepolitik des Landes für übertrieben hält. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass er deutliche Signale an die Skeptiker aussendet. Im März sagte er an der Delegiertenversammlung seiner Partei, er höre auf seinen Reisen durch das Land immer öfter den Satz: «Me törfs efang nüme säge.» Das sei ein Alarmzeichen. Den offiziellen Grundtenor zu hinterfragen, sei kaum noch gestattet. Zu viele Menschen hätten sich mittlerweile damit abgefunden, nur noch zu glauben, was ihnen gesagt werde: «Ich komme mir manchmal vor, wie wenn ich Mitglied einer Sekte wäre. Kritiker werden sofort zu Leugnern und Ungläubigen.»
Vor wenigen Tagen nahm er in einem Interview mit dem «Sonntags-Blick» Menschen in Schutz, die die Impfung ablehnen. Wörtlich sagte er: «Das sind nicht einfach Spinner und Verschwörungstheoretiker, sondern senkrechte Schweizer, die sagen: Jetzt geht der Staat zu weit.» In einer freiheitlichen Gesellschaft hätten die Menschen ein Recht, sich selber zu verwirklichen. Das bedeute aber auch «Selbstbeschränkung».
Sowohl Ueli Maurers demonstrative T-Shirt-Politik als auch die empörten Kommentare darauf zeigen, wie politisch die Diskussion um die Gesundheitsmassnahmen mittlerweile geworden ist. Es geht nicht mehr nur um den grössten Nutzen bei kleinstmöglichen Eingriffen, sondern um die politische Haltung: Linke sind tendenziell für alle Massnahmen zu haben, Rechte lehnen sie ab.
In den USA hat sich diese Tendenz unter Donald Trump stark verschärft: Fortan trugen Liberale Masken, Republikaner nicht. Unter Biden änderte der Tenor der Regierung, an der Spaltung der Gesellschaft änderte sich nichts.
Insofern kann man Maurer von zwei Seiten betrachten: Man kann ihm vorwerfen, das Kollegialitätsprinzip zu ritzen, oder man kann ihm zugutehalten, dass er den vielen Unzufriedenen im Land zumindest inoffiziell magistrales Verständnis entgegenbringt. Die entscheidende Frage lautet: Reisst er den Graben, der sich durch die Gesellschaft zieht, weiter auf, oder wirkt er der drohenden Radikalisierung vielleicht sogar entgegen? Die nächsten Monate werden es zeigen.
(https://www.nzz.ch/bundesrat-ueli-maurer-posiert-im-shirt-der-coronamassnahmen-gegner-ld.1645138)
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Tag eins: Wirtin wehrt sich gegen Zertifikatspflicht
https://www.tvo-online.ch/aktuell/tag-eins-wirtin-wehrt-sich-gegen-zertifikatspflicht-143738950
100 bis 150 Demonstrantinnen: Massnahmen-Kritiker spazieren erneut durch Luzern
1 min Lesezeit 13.09.2021, 20:23 Uhr
Wie bereits am Samstagnachmittag fand auch am Montagabend in Luzern eine Demonstration gegen die Corona-Massnahmen und die Ausweitung der Zertifikatspflicht statt. Es nahmen ungefähr 100 bis 150 Personen daran teil.
https://www.zentralplus.ch/massnahmen-kritiker-spazieren-erneut-durch-luzern-2188815/
-> https://www.zentralplus.ch/erneute-corona-demo-in-luzern-diesmal-bewilligt-2188663/
Organisatoren müssen sich verantworten – Illegale Corona-Demo: Luzerner Polizei erstattet Anzeige
Rund 1500 Massnahmen-Gegner marschierten am Samstag durch die Stadt Luzern. Jetzt erstattet die Luzerner Polizei Anzeige
https://www.zentralplus.ch/luzerner-polizei-erstattet-anzeige-wegen-illegaler-corona-demo-2188335/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/stadt-luzern-unbewilligte-demonstration-von-gegner-der-coronamassnahmen-sorgt-fuer-verkehrsbehinderungen-ld.2186518
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/loeschwasser-mehr-hausbesitzer-sollen-zahlen?id=12053994
-> https://www.20min.ch/story/polizei-zeigt-organisatoren-von-unbewilligter-demo-in-luzern-an-579802752111
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/polizei-erstattet-anzeige-gegen-organisatoren-corona-demo-143739312
-> https://www.zentralplus.ch/illegale-corona-demo-in-luzern-hat-politisches-nachspiel-2188581/
-> https://www.zentralplus.ch/die-massnahmen-gegner-foutieren-sich-um-regeln-die-fuer-andere-gelten-2188623/
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luzernerzeitung.ch 13.09.2021
Kommunikationschef der Luzerner Polizei: «Gewaltsames Auflösen könnte ungewollte Reaktionen auslösen»
Die illegale Kundgebung gegen Coronamassnahmen am Samstag in Luzern wurde von der Polizei nicht unterbunden. Dies wäre unverhältnismässig gewesen, sagt Polizeisprecher Christian Bertschi im Interview.
Beatrice Vogel
Gegen die behördlich verordneten Coronamassnahmen haben am vergangenen Samstagnachmittag rund 1500 Personen in der Luzerner Innenstadt demonstriert – ohne Bewilligung. Die Luzerner Polizei war präsent und sprach 60 Wegweisungen aus. Als es am Kasernenplatz zu einer Konfrontation mit Gegendemonstranten kam, setzte die Polizei Pfefferspray ein. Darüber hinaus kam es zu keinen Zwischenfällen. Doch warum hat die Polizei die Demo nicht unterbunden? Wir haben bei Christian Bertschi, Kommunikationschef der Luzerner Polizei, nachgefragt.
Christian Bertschi, wusste die Luzerner Polizei im Vorfeld von der geplanten Kundgebung?
Ja, wir hatten Kenntnis davon. Aus diesem Grund wurde der Ordnungsdienst aufgeboten. Es waren zahlreiche Einsatzkräfte vor Ort.
Das Polizeiaufkommen hätte grösser sein können.
Wir haben nicht unbeschränkt Personal zur Verfügung. Zudem gab es am Samstag noch weitere Einsätze im Kanton Luzern wie etwa das Fussballspiel Luzern gegen GC.
Die Polizei hat 60 Personen weggewiesen. Wann kam es zu diesen Wegweisungen und was waren das für Personen?
Die Wegweisungen wurden vor dem in der Altstadt angekündigten Start der Demo vorgenommen. Wir haben an mehreren Orten Personen kontrolliert, die mutmasslich an der Kundgebung teilnehmen wollten. So wurde etwa eine Gruppe Trychler weggewiesen. Allerdings waren am Samstag sehr viele Leute in der Altstadt unterwegs. Den meisten sah man nicht an, ob sie demonstrieren wollten oder nicht.
Kam es während der Demo zu strafbaren Handlungen und Verhaftungen?
Wir haben keine strafbaren Handlungen festgestellt, die eine Festnahme gerechtfertigt hätten. Dies wäre beispielsweise bei Sachbeschädigungen der Fall gewesen.
Die Kundgebung war nicht bewilligt und somit illegal. Zudem wurde der Verkehr stark beeinträchtigt. Warum hat die Polizei nicht stärker interveniert und die Demo unterbunden?
Ein gewaltsames Auflösen einer solchen Demonstration könnte ungewollte Reaktionen wie Sachbeschädigungen oder Gegengewalt auslösen. Das wäre unverhältnismässig, da sich die Demonstranten weitgehend friedlich verhalten haben. Wir haben deshalb entschieden, die Kundgebung zu begleiten und zu dokumentieren. Jetzt im Nachgang wird Anzeige gegen die Organisatoren der Demo erstattet.
Zu wie vielen Anzeigen wird es kommen?
Da wir noch daran sind, die Verantwortlichen zu eruieren, steht diese Zahl noch nicht fest.
Am Kasernenplatz kam es zu einer Konfrontation mit Gegendemonstranten. Warum wurde diese nicht vermieden, wie man es etwa bei Fussballspielen tut?
Wir hatten Kenntnis vom Aufruf anderer Gruppierungen. Es war jedoch schwierig, vorauszusagen, ob, wo und wann die beiden Gruppen aufeinandertreffen. Deswegen haben wir die Kundgebung begleitet, um eine Konfrontation sofort zu unterbinden. Indem wir am Kasernenplatz umgehend dazwischen gegangen sind, konnten wir eine Eskalation verhindern.
Illegale Demos von Coronaskeptikern in Luzern wurden nun schon mehrmals von der Polizei toleriert. Es besteht die Gefahr, dass Luzern zum Hauptaustragungsort solcher Kundgebungen mit nationaler Ausstrahlung wird.
Ich denke nicht, dass die Luzerner Polizei toleranter ist als andere. Wir machen bei jeder Kundgebung – auch bei den Montagsspaziergängen – Personenkontrollen. Regelmässig kommt es im Nachgang zu Anzeigen.
Aus linken Kreisen vernimmt man, es seien auch Rechtsextreme an der Kundgebung dabei gewesen. Können Sie eine Aussage dazu machen, welche Gruppierungen oder politischen Strömungen an diesen Demos jeweils tonangebend sind und wie diese vorgehen?
Wir stellen fest, dass es jeweils sehr heterogene Gruppen sind. Die meisten Teilnehmenden lassen sich kaum einer bestimmten Strömung zuweisen. Darüber hinaus ist dies nicht unser Fokus. Bei den Personenkontrollen erheben wir Namen und Adressen. Die politische Gesinnung ist dabei nicht relevant, sofern keine strafbaren Handlungen diesbezüglich festgestellt werden.
Unbewilligte Demos werden in der Regel in den sozialen Medien angekündigt. Inwiefern bezieht die Polizei diese in ihre Vorbereitungen mit ein?
Das Monitoring der sozialen Medien ist eines von mehreren Mitteln, mit denen die Luzerner Polizei arbeitet.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/corona-demo-luzern-gewaltsames-aufloesen-koennte-ungewollte-reaktionen-ausloesen-ld.2187130)
«Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit»
Am Sonntag wurde das Restaurant des Thurgauer Gastro-Präsidenten Ruedi Bartel mit Schweinefüssen und Blut verwüstet. Der Grund: Er äusserte sich positiv zu einer Impfpflicht. Die Thurgauer Regierung verurteilt den Angriff scharf.
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/ein-angriff-auf-die-meinungsaeusserungsfreiheit-00165497/
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/nach-blutattacke-beizer-staerken-gastrochef-den-ruecken-143738957
Journalisten-Angriff und Schweinefuss-Attacke: «Wir haben ein neues Level der Radikalisierung erreicht»
In ihrem Kampf gegen die Zertifikatspflicht attackieren Massnahmen-Gegner Journalisten, beschmieren Restaurants mit Blut und stürmen Spitäler. Sozialwissenschaftler Marko Kovic warnt vor der gewaltbereiten Speerspitze der Massnahmen-Gegner.
https://www.20min.ch/story/wir-haben-ein-neues-level-der-radikalisierung-erreicht-160558863374
Krawall-Demos, Blut-Anschläge, Mord-Fantasien – Extremismus-Experte warnt: «Corona-Skeptiker überschreiten die rote Linie!»
Aufgrund der vom Bundesrat verkündeten Verschärfung der Zertifikatspflicht macht sich immer mehr Widerstand breit. Corona-Skeptiker überschreiten dabei immer häufiger eine Grenze mit Attacken und Übergriffen. Sie radikalisieren sich, wie Experte Dirk Baier feststellt.
https://www.blick.ch/schweiz/krawall-demos-blut-anschlaege-mord-fantasien-extremismus-experte-warnt-corona-skeptiker-ueberschreiten-die-rote-linie-id16827428.html
Schwurbeldemo Bern 16.09.2021
https://twitter.com/CovidiotenCH/status/1437329762364628999
Anonymous versetzt Corona-Leugner Attila Hildmann den finalen Schlag
Das Hackerkollektiv Anonymous will bei einem Angriff auf den Corona-Leugner über 100’000 E-Mails und Kontakte erbeutet haben. Darunter sollen Daten von Geschäftspartnern, Mitstreitern und sogar Dominas sein. Anonymous kündigt den Hack als das «Finale Kapitel» im Kampf gegen Hildmann an.
https://www.watson.ch/!319236860
-> https://twitter.com/AnonNewsDE/status/1437253337754308612
-> https://www.derstandard.at/story/2000129605681/operation-tinfoil-anonymous-kapert-website-und-telegram-kanaele-von-attila?ref=rss
-> https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/attila-hildmann-anonymous-hacker-uebernehmen-seine-telegram-kanaele-und-websites-a-9919785b-dc58-4f2e-a114-e2c92611d336
-> https://www.tagesspiegel.de/berlin/escorts-dominas-und-das-daisho-rezept-hacker-erbeuten-mit-insider-hilfe-daten-von-attila-hildmann/27607434.html
-> https://www.t-online.de/digital/id_90789578/attila-hildmann-wird-vom-engsten-vertrauten-zerstoert.html
-> https://www.nau.ch/politik/international/anonymous-kapert-offenbar-websites-von-attila-hildmann-66001463
-> https://www.watson.ch/digital/anonymous/518996118-twitter-sperrt-anonymous-germany
9/11 und Verschwörungstheorien: 20 Jahre danach | ZAPP | NDR
20 Jahre nach dem 11. September 2001 werden noch immer krude Verschwörungsmythen über die Attentate verbreitet: in sozialen Medien, Dokumentarfilmen oder im Deutschrap. Stets werden darin Schuldige ausgemacht – und zwar keine islamistischen Terroristen. Mal steckt angeblich die US-Regierung dahinter, mal eine “ jüdische Weltverschwörung“.
https://www.youtube.com/watch?v=rAVwmBNclQE
Bundestagswahl: »Querdenker«-Partei »Die Basis« droht Klage von gleichnamigem Geflüchteten-Netzwerk
In Deutschland gibt es zwei Gruppierungen namens »Die Basis«: Die eine engagiert sich ehrenamtlich für Kinder von Geflohenen, die andere entstand aus dem Coronaprotest und will in den Bundestag. Nun droht ein Rechtsstreit.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/querdenker-partei-die-basis-droht-klage-von-gleichnamigem-gefluechteten-netzwerk-a-376567af-87be-4637-a62b-f33ce30583f5
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luzernerzeitung 13.09.2021
Jetzt spricht der Wut-Wirt über Hass-Video gegen Alain Berset: «Ich bin ungefährlich»
Ein Selfie-Video, auf dem ein Nidwaldner Wirt gegen Alain Berset hetzt, alarmierte das Fedpol. Der Wirt sagt jetzt, er habe das Video selbst nie online gestellt. Er sei auch kein Risiko für andere Personen.
Anian Heierli, Martin Uebelhart und Christian Glaus
Das Selfie-Video ging viral: Darauf zu sehen ist ein Wirt* aus Nidwalden, der über die Ausweitung der Zertifikatspflicht auf Restaurantbetriebe schimpft. Der Wirt redet sich in Rage und hetzt gegen Gesundheitsminister Alain Berset. Dieser sei ein Volksverräter und gehöre vor ein Kriegsgericht. Er sagt: «Jetzt wird nicht mehr politisch geredet, jetzt reicht es, komm ja nie in die Innerschweiz.» Es sei mittlerweile sehr, sehr gefährlich für Berset, dieser solle sich vorsehen vor Angriffen von Dritten.
Auch medial wurde das Wut-Video schweizweit aufgegriffen. Die «Nidwaldner Zeitung» konnte nun mit dem Mann sprechen: Dieser sagt, er habe das Video zwar selbst aufgenommen, aber nie veröffentlicht. «Ich habe den Film nicht online gestellt», sagt er. «Ich habe diesen an zwei Freunde auf Whatsapp geschickt.» Einer von beiden hätte das Video dann ohne sein Wissen und ohne sein Einverständnis weiterverbreitet.
Aus dem Gespräch geht hervor, dass er dies bedauert. Er betont: «Ich habe Berset auch nicht gedroht, dass er wegen mir persönlich aufpassen muss. Ich bin nicht gefährlich.» Zu diesem Schluss sei wohl auch das Bundesamt für Polizei (Fedpol) gelangt. «Das Fedpol hat mich einvernommen, aber noch am selben Tag wieder gehen lassen», sagt er. Und: «Hätten sie mich als Risiko eingestuft, wäre ich sicher nicht auf freiem Fuss.»
Tatsächlich wirkt der Mann nicht zornig wie auf dem Video, sondern gelassen und gefasst. Weshalb hat er sich dann so wütend gefilmt? «Ich verstehe nicht, weshalb wir Wirte kontrollieren müssen, ob ein Gast ein Covid-Zertifikat hat oder nicht. Ich will niemanden diskriminieren», sagt er. Gleichzeitig würden Parlamentarier in Bundesbern aber kein Zertifikat brauchen, weil die gesetzliche Grundlage fehle. Dafür habe er kein Verständnis.
Die «Nidwaldner Zeitung» hat auch mit jener Person gesprochen, die das Video auf Facebook veröffentlicht hat. Diese Person hat den Clip nicht vom Wirt, sondern zugeschickt bekommen. Sie wusste nicht, wer der Wirt auf dem Video ist. Ja nicht einmal, in welchem Kanton er arbeitet.
Pachtvertrag wurde in gegenseitigem Einverständnis beendet
Konsequenzen hat die ganze Geschichte dennoch. Der Wirt arbeitet nicht mehr im Lokal des SC Buochs. «Wir haben meinen Pachtvertrag in gegenseitigem Einverständnis aufgelöst», sagt er. Er habe deswegen nie gegen den SC Buochs rechtlich vorgehen wollen. Medial sei das falsch verbreitet worden.
Das bestätigt auch der Sportverein: «Schon vor dem Wochenende sind wir zusammengesessen und haben übereinstimmend vereinbart, dass wir den Vertrag beenden», sagt Co-Präsident Daniel Gasser. Aktuell ist das Lokal geschlossen. Doch bereits am Donnerstag soll es voraussichtlich wieder aufgehen und ad interim geführt werden, bis ein neuer Pächter gefunden ist.
Der SC Buochs distanziert sich in einer Mitteilung deutlich vom Video: «Unsere Vereinsvision und Philosophie sieht vor, dass wir aktiv gegen negative Tendenzen wie zum Beispiel Gewalt, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, Bewegungsarmut, Drogenmissbrauch und Isolation vorgehen.» Und weiter: «Dies erwarten wir von unseren Mitgliedern, aber auch unseren Partnern und Personen, welche in direktem Kontakt zu uns stehen und mit denen wir zusammenarbeiten.»
Laut Auskunft der Kantonspolizei Nidwalden ist das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in diesem Fall zuständig. Zu Einzelfällen nimmt diese Behörde keine Stellung. Fedpol-Mediensprecherin Berina Repesa sagt allgemein, das Fedpol habe in Fällen von Bedrohungen gegen Schutzpersonen insbesondere im Internet unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten.
Zu den Schutzpersonen gehörten Magistratspersonen wie etwa Bundesräte, Parlamentarier oder exponierte Bundesangestellte. Entsprechende Meldungen würden geprüft und je nach Einschätzung könnten die Massnahmen stark variieren. «Das kann von einer allgemeinen Sicherheitsberatung bis hin zu Personenschutz gehen», so Repesa.
Fedpol setzt auf sogenannte Gefährderansprachen
Mögliche Straftatbestände im Zusammenhang mit Kommentaren oder Videos im Netz sind Beschimpfung, Verleumdung, Drohung, Aufruf zu Gewalt, Todesdrohung oder Nötigung. Je nach Fall greife man auf unterschiedliche Massnahmen zurück.
Das Fedpol könne einem Urheber einen Grenzziehungsbrief schreiben, in dem ihm mitgeteilt werde, dass er sich an der Schwelle zu einer Straftat befinde. Weiter würden auch am Wohnort der Personen Gefährderansprachen durchgeführt. «Mit diesen Massnahmen haben wir positive Erfahrungen gemacht», sagt Berina Repesa. Man hole die Droher damit aus der digitalen Anonymität in die reale Welt zurück.
Wenn in besonders gravierenden Fällen ein Strafverfahren eröffnet wird, müssten diese Personen auch damit rechnen, für eine Befragung vorübergehend festgehalten oder allenfalls gar in Untersuchungshaft gesetzt zu werden.
*Name der Redaktion bekannt
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/nidwalden/nidwalden-jetzt-spricht-der-wut-wirt-ueber-hass-video-gegen-alain-berset-ich-bin-ungefaehrlich-ld.2187258)
+++HISTORY
Parlamentarische Gruppe Geschichte – Rendez-vous
Geschichte und Politik spielen oft ineinander. Zum Beispiel bei den verschollenen Akten im Fall der geheimen Widerstands-Organisation P26. Oder bei der Aufarbeitung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Parlamentarierinnen und Parlamentarier gründen nun zu diesem Zweck eine Parlamentarische Gruppe.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/parlamentarische-gruppe-geschichte?partId=12054060
«Zigeuner»: Verfolgt mitten in der Schweiz
Isabella Huser erzählt von der Jagd der Behörden auf ihre jenische Familie. Die Sozialgeschichte wird dabei auch zur Musikgeschichte. Das Buch ist eine historische wie literarische Entdeckung.
https://www.woz.ch/2136/zigeuner/verfolgt-mitten-in-der-schweiz
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nzz.ch 13.09.2021
«Die Schweiz hat sich erpressbar gemacht»
Vor 140 Jahren weist die Schweiz den russischen Flüchtling Peter Kropotkin aus. Die Presse reagiert kontrovers, der anarchistische Fürst bleibt gelassen. Ein Blick zurück.
Urs Hafner
Am 30. August 1881 greift die «Züricher Post» den Bundesrat frontal an. Er kusche vor Russland und verletze das Asylrecht und das Völkerrecht, schreibt die liberale Zeitung – und mit scharfem Blick auf die allesamt freisinnigen Mitglieder der Landesregierung: «Liberale, die einst auf den Untergang der Tyrannenbrut ihr Glas leerten und mit Königsmördern fraternisierten, besinnen sich nurmehr eines Bessern», sie wechselten nämlich zu den Fahnen der mittlerweile mehrheitsfähigen Reaktion. «‹Mehr Polizei!› wimmert unsere Gesellschaft und nickt zu Gewaltmassregeln, die sie in jüngern und gesundern Tagen empört zurückgestossen hätte.»
Was ist passiert? Eine Woche zuvor, am 23. August 1881, hat der Bundesrat beschlossen, den russischen Flüchtling und Anarchisten Peter Kropotkin aus der Schweiz auszuweisen. Bundespräsident Numa Droz habe ja den «heroischen Entschluss zwischen der Suppe und dem ersten Fleisch» bereits angekündigt, bemerkt die «Züricher Post» sarkastisch. Droz gerät nicht von ungefähr ins Visier der Redaktoren: Der radikalliberale Jurassier ist vor seiner Politkarriere Journalist und Uhrengraveur gewesen, und just unter den jurassischen Uhrenarbeitern hat Kropotkin zum Anarchismus gefunden.
Gegen Befehl und Gehorsam
1842 in Moskau als Spross eines bedeutenden Adelsgeschlechts geboren, schlägt Fürst Peter Kropotkin zunächst in einem Eliteregiment die militärische Laufbahn ein. Doch zunehmend ist er von Zar Alexander II. enttäuscht, dessen Reformen ihm viel zu wenig weit gehen. Kropotkin wendet sich daher dem Studium der Mathematik und Geografie zu. Seine Arbeiten finden in der internationalen Fachwelt grosse Beachtung.
Auf seinen ausgedehnten Forschungsreisen macht Kropotkin in Sibirien Bekanntschaft mit den elendiglichen Lebensbedingungen der gegängelten Bevölkerung. 1872 begibt er sich in den Jura, um die anarchistischen Uhrenarbeiter und seinen Landsmann, den Anarchisten Michael Bakunin, zu treffen, der ebenfalls aus altem Adelsgeschlecht stammt. Hier wird Kropotkin selber Anarchist. Fortan lehnt der Fürst das Prinzip von Befehl und Gehorsam ab, dem er so lange hat folgen müssen, und verficht die Maxime «Wohlstand für alle».
Ihm schwebt nun eine herrschafts- und konkurrenzfreie Gesellschaft ohne Staat, Militär und Polizei vor, die genossenschaftlich-kommunistisch aufgebaut sein soll. Alle jungen Menschen sollen sich handwerklich und intellektuell betätigen. Kropotkin wird zu einem der bedeutendsten Theoretiker des Anarchismus. Er schliesst sich dem antiautoritären Flügel der Arbeiterbewegung an, die mit Karl Marx im Clinch liegt. Dieser hält den Anarchismus schlicht für eine «Kinderkrankheit».
Zurück in Petersburg, beginnt Kropotkin 1874 unter den Bauern und Arbeiterinnen für seine Lehre zu werben, worauf er von der Polizei in die berüchtigte Peter-Pauls-Festung eingekerkert wird. 1876 gelingt ihm spektakulär die Flucht. Er setzt sich in die Westschweiz ab, wo er die internationale Zeitung «Le Révolté» gründet. In seinen zwanzig Jahre später publizierten Memoiren schreibt Kropotkin, er habe die komplizierten historischen und ökonomischen Themen so zu formulieren versucht, dass jeder intelligente Arbeiter sie verstehe. Ein revolutionäres Blatt müsse die Ankunft einer neuen Gesellschaft verkünden und den wachsenden Widerstand gegen die antiquierten Institutionen aufgreifen: «Die Basis der erfolgreichen Revolution ist Hoffnung, nicht Verzweiflung.»
Ermordung des Zaren
Derweilen verschärft in Russland der Zar die Repression gegenüber der sozialrevolutionären Bewegung. Diese fordert vehement Wahlen sowie die Meinungs- und Pressefreiheit. Am 13. März 1881 fällt der Zar einem Attentat – es ist nicht das erste – zum Opfer. Die Täterinnen und Täter werden sogleich exekutiert. Nur rund fünf Monate später verweist der Bundesrat Kropotkin des Landes. Dabei beruft er sich auf Artikel 70 der Verfassung, wonach der Bund Fremde, welche die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährdeten, ausweisen dürfe. Diese Bestimmung treffe auf Kropotkin zu: Er habe die Arbeiter aufgerufen, die Ordnung umzustürzen, die Ermordung des Zaren verherrlicht und die Hinrichtung seiner Mörder verurteilt.
Während die kurz zuvor gegründete «Züricher Post» den bundesrätlichen Entscheid kritisiert, stellt sich die konservative, vom Basler «Daig» herausgegebene «Allgemeine Schweizer Zeitung» hinter die Landesregierung. Kropotkin habe lügenhafte, die Schweiz kompromittierende Telegramme zum Attentat verschickt, weiss sie zu berichten. Und die NZZ? Sie hält sich zurück, erinnert aber daran, dass Kropotkin am sozialistischen Revolutionskongress in London teilgenommen und dort den deutschen Kaiser beleidigt habe.
Dem Ausweisungsbefehl kommt Kropotkin freiwillig nach. Er begibt sich mit seiner Frau nach Frankreich, unweit von Genf, damit sie an der dortigen Universität ihr Studium weiterführen kann. 1883 wird er wegen anarchischer Agitation verhaftet, drei Jahre später begnadigt, worauf er nach London übersiedelt. Nach der russischen Revolution kehrt Kropotkin 1917 nach vierzigjährigem Exil nach Petersburg zurück, wo er von Tausenden von Menschen begeistert empfangen wird. Kurz darauf stirbt er in Moskau, nachdem er die zentralistische und autoritäre Politik der Bolschewisten als falschen Weg angeprangert hat. Wäre er noch älter geworden, hätte er sich wohl nochmals im Gefängnis wiedergefunden. An seiner Beerdigung soll in der Sowjetunion zum letzten Mal erlaubterweise das anarchistische Banner geschwungen worden sein.
Druck aus Russland
In seinen Memoiren von 1899 blickte der Anarchist gelassen auf die Ausweisung aus der Schweiz zurück. Das republikanische Land sei damals von den monarchischen Mächten angegriffen worden, weil es politischen Flüchtlingen wie ihm Asyl geboten habe. Er sei auf Druck der russischen Polizei abgeschoben worden, die damit gedroht habe, die vielen schweizerischen Gouvernanten und Dienstmädchen zurückzuschicken, die in Russland tätig waren. So oder so: Der Bundesrat wollte keinen Ärger mit den Grossmächten. Ihn habe der Entscheid nicht sonderlich getroffen, bilanzierte Kropotkin, aber die Schweiz habe sich erpressbar gemacht und ihre Unabhängigkeit geschwächt.
Der Fürst erinnerte sich, wie er Ende August 1881 mit seiner Frau zu Fuss nach Aigle ging, wo sie auf den nächsten Zug nach Frankreich warten wollten. Schlecht gekleidet, verschwitzt und staubig bestaunten sie ein letztes Mal die geliebten Berge. Da überreichte ihnen eine wohlhabende Frau aus der Kutsche ein christliches Traktat, um sie zum Glauben zu bekehren. Am Bahnhof gab Kropotkin ihr die Broschüre zurück, die er unterdessen mit dem biblischen Vers beschriftet hatte, wonach eher ein Kamel durch ein Nadelöhr als der Reiche ins Paradies komme.
(https://www.nzz.ch/schweiz/die-schweiz-weist-1881-den-anarchisten-kropotkin-aus-ld.1644039)
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
bernerzeitung.ch 13.09.2021
Uschi Waser, Schweizer Fahrende«Die Diebin schadet den Jenischen nur»
Corona hat viele Fahrende um den Verdienst gebracht, weiss Uschi Waser aus ihrer Arbeit als Beraterin. Deshalb zu stehlen, sei aber auch keine Option.
Stephan Künzi
Nein, der Diebeszug einer Schweizer Fahrenden, die im Frühling den Raum Bern unsicher machte, lässt sich nicht entschuldigen. Uschi Waser betont es mit Nachdruck. «Entweder ist die Frau eine notorische Schelmin und stiehlt aus lauter Gewohnheit. Oder sie ist eine Kleptomanin, die krankhaft stehlen muss.»
Ziel der Diebin waren bevorzugt Filialen von Migros, Coop und Denner. Mal schob sie einen Wagen voller unbezahlter Einkäufe zum Laden hinaus, mal liess sie Ware unter den Kleidern oder in der Handtasche verschwinden. Zweimal suchte sie gar einen Hofladen heim, was Uschi Waser besonders sauer aufstösst. «Eine meiner Töchter war Bäuerin, und ich weiss, wie hart dieser Beruf ist.»
Im familiären Umfeld rechtfertigte sich die Diebin offenbar damit, dass sie zu wenig Geld zum Leben habe. Verständnis für ihr Verhalten könne die Frau trotzdem nicht erwarten, sagt Uschi Waser.
Zweifelhaftes Hilfswerk
Als Präsidentin der Stiftung Naschet Jenische kennt Uschi Waser allerdings auch, wie sie es formuliert, «die andere Seite», die ein Leben als Fahrende, als Fahrender mit sich bringt. Ihr Wissen schöpft sie zum einen aus dem, was sie bei ihrer Arbeit als Beraterin für die Stiftung erlebt. Zum anderen redet sie aus eigener Erfahrung. Uschi Waser stammt selber aus einer Familie von Jenischen, wie die Schweizer Fahrenden genannt werden.
«Die Frau», fährt sie fort, «ist ja vielleicht ein Opfer der Aktion Kinder der Landstrasse.» Gleich ist sie mittendrin im Thema, das sowohl ihre Stiftung als auch ihr Leben seit je prägt: Jahrzehntelang hat das von Pro Juventute gegründete Hilfswerk den Fahrenden die Kinder weggenommen. Um sie zu anderen, vermeintlich besseren Menschen zu machen.
Involviert in die Machenschaften waren neben Pro Juventute auch die jeweiligen Vormundschaftsbehörden. Was den Betroffenen widerfuhr, dokumentiert Uschi Waser mit ihrem Lebenslauf. Die ersten 18 Lebensjahre wurde sie von Heim zu Pflegefamilie zu Heim geschoben, sah sich dabei andauernd rassistischen Vorurteilen und Schimpfwörtern ausgesetzt. «Der ‹Makel› Zigeuner klebte förmlich an mir.»
Folgen von Corona
Diese traumatischen Erlebnisse prägten viele Jenische bis heute, hält Uschi Waser fest. Nicht nur jene übrigens, die selber von ihren Familien getrennt worden sind, sondern auch ihre Nachkommen – die 68-Jährige spricht von einer eigentlichen Tragödie: «Die Angst vor allen Amtspersonen, auch vor Lehrern und Polizisten, wird von Generation zu Generation weitergegeben. Sie ist tief, tief verwurzelt.»
Wer so aufwächst, so ihre Botschaft, traut keinem mehr über den Weg. Welch verheerende Folgen das haben kann, zeigt die Corona-Krise. Mit ihr brach im Frühling 2020 den Fahrenden quasi über Nacht der Verdienst weg. Ans Hausieren war wegen der Kontaktbeschränkungen kaum mehr zu denken, und Messer gab es, weil die Gastronomie geschlossen war, keine mehr zu schleifen. Die Nachwehen sind bis heute spürbar. «In Zeiten der Pandemie haben die Fahrenden an der Haustür für niemanden mehr Priorität.»
Und weil viele Jenische von der Hand in den Mund lebten, sei das wenige Ersparte bald aufgebraucht gewesen, so Uschi Waser weiter. Klar unterstütze man sich gegenseitig in den Familien, doch: «Irgendwann reicht die kleine AHV der Eltern nicht mehr für alle.»
Dann lieber keine Hilfe
Was nun? Wie jeder und jede in der Schweiz konnten auch Jenische auf den Staat zurückgreifen und Sozialhilfegelder sowie in der aktuellen Krise gar Härtefallgelder geltend machen. Doch genau an diesem Punkt brachen die alten Wunden auf. «Viele wollten mit den Behörden nichts zu tun haben und verzichteten lieber.»
Wie schier unüberwindbar der Graben noch immer ist, erfuhr Uschi Waser eins zu eins bei ihren Beratungen. Mehrfach wurde sie von Hilfesuchenden gebeten, doch den Kontakt zu den Ämtern herzustellen – «aber so, dass es ganz sicher niemand aus unserem Umfeld erfährt». Zu gross ist ganz offensichtlich die Angst davor, von den eigenen Leuten zum Verräter gestempelt zu werden.
Uschi Waser wird nicht müde, zu betonen, dass auch Jenische Anrecht auf staatliche Gelder haben. Gleichzeitig stellt sie aber auch fest, dass die Sozialhilfe ihre Bedürfnisse nicht vollumfänglich abdeckt. In erster Linie denkt sie ans Auto, das für die Lebensweise der Fahrenden und vor allem für die Arbeit von Haus zu Haus unabdingbar ist. «Die Kosten dafür werden nicht übernommen. Das muss sich ändern.»
Schlecht fürs Image
Allen Problemen und allen Armutsrisiken zum Trotz, Uschi Waser bleibt dabei: «Die Diebin tut uns keinen Gefallen, sie schadet den Jenischen nur.» Wobei: Vielleicht sei sich die Frau gar nicht bewusst, «wie sehr unser Image unter solchen Vorfällen leidet».
Gleichzeitig entgegnet Uschi Waser all jenen, die nun gleich alle Fahrenden unter Generalverdacht stellen: Diebinnen und Diebe gebe es in allen Bevölkerungsgruppen und -schichten. Unter den Fahrenden also genauso wie unter den Sesshaften.
(https://www.bernerzeitung.ch/die-diebin-schadet-den-jenischen-nur-662353468147)