Medienspiegel 7. September 2021

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+++ZÜRICH
nzz.ch 07.09.2021

Linke wollen das Bundesasylzentrum in Zürich schliessen

Nach der Kritik am Bundesasylzentrum auf dem Duttweiler-Areal werden radikale Forderungen laut. Dass die Stadt einen laufenden Vertrag mit dem Bund hat, kümmert Grüne und Alternative wenig.

Linda Koponen

Das Bundesasylzentrum auf dem Duttweiler-Areal in Zürich-West sollte Vorzeigecharakter haben. Eine «menschenwürdige Unterbringung» unter einer «liberalen Hausordnung» versprach der Stadtrat vor der Volksabstimmung und reagierte so auf den Druck der linken Parteien im Stadtparlament. Der Bund seinerseits wollte im neuen Zentrum die Asylverfahren beschleunigen.

Nach der Vorstellung von SP, Grünen und AL sollte das neue Zentrum aber auch eine «Willkommenskultur» ausstrahlen, die Stadt Zürich eine «gestalterische Rolle» im schweizerischen Asylwesen einnehmen. Von den Parteien sprach sich einzig die SVP gegen das Projekt aus. Im Herbst 2017 sagten die Zürcherinnen und Zürcher mit 70 Prozent deutlich Ja zum neuen Zentrum.

Vier Jahre später ist von der einstigen Hochstimmung nichts mehr zu spüren. Die Grünen und die AL verlangen nun sogar die Auflösung des Bundesasylzentrums auf Stadtzürcher Boden. «Der Stadtrat wird aufgefordert, zu prüfen, wie die öffentlich kritisierten Verhältnisse im Bundesasylzentrum Duttweiler beendet werden können», heisst es im entsprechenden Postulat.

Mit Unterstützung der SP wurde der Vorstoss vor zwei Wochen für dringlich erklärt. Am Mittwoch befasst sich das Stadtparlament inhaltlich mit dem Anliegen.

Wie konnte es so weit kommen?

Kritik an Sicherheitsvorkehrungen und Betreuung

Die Grünen und die AL begründen ihre Forderung, das Bundesasylzentrum zu schliessen, mit einer Reihe von Missständen. Die Verhältnisse im Zentrum entsprächen weder den Forderungen aus dem Parlament noch den Versprechungen vor der Eröffnung. Insbesondere das vom Bund gestellte Sicherheitspersonal erscheint den Postulanten als eines der Probleme, namentlich «sein dominantes Auftreten, aber auch die ständigen Kontrollen – selbst von Minderjährigen». Moniert werden auch die Qualität der Betreuung, die Möblierung der Zimmer und die erschwerte Zugänglichkeit zur psychiatrischen Betreuung.

Die Kritik ist nicht neu. Den Stein bereits im November 2019 ins Rollen brachte der zuständige Sozialvorsteher Raphael Golta (sp.) selbst. Nur zwei Wochen nachdem das Zentrum seinen Betrieb aufgenommen hatte, kritisierte er die Unterbringung vor dem Stadtparlament als «nicht menschenwürdig». Auch seine Kritik zielte insbesondere auf die «restriktiven Sicherheitsvorkehrungen». Die Rede war von kleinlichen Make-up-, Kaugummi- und Kugelschreiberverboten und Zimmerdurchsuchungen selbst zu Nachtstunden.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) reagierte auf den Medienwirbel und passte einige Verbote an. Gleichzeitig stellte das SEM aber unmissverständlich klar, dass auch das Zürcher Zentrum nach seiner Betriebsverordnung geführt werden würde. Ein Sprecher sagte im Interview mit der NZZ: «Grundsätzlich sind die Betriebsverordnungen schweizweit einheitlich, es gibt keine Lex Zürich.» An den Eingangskontrollen hielt das SEM fest.

Mit der Pandemie verschwand das Zürcher Bundesasylzentrum aus den Schlagzeilen – vorerst. Im Juni entfachte ein Bericht der Tamedia-Zeitungen die Kritik erneut. Sieben ehemalige und gegenwärtige Mitarbeiter der städtischen Asylorganisation Zürich (AOZ) kritisierten die Betreuungsverhältnisse als ungenügend. Die Rede war von Massenprügeleien und Selbstverletzungen der Asylsuchenden, aber auch von einer hohen Fluktuation des Personals.

Interessenkonflikt der SP?

Markus Baumann politisiert für die GLP im Zürcher Gemeinderat und präsidiert die zuständige Spezialkommission Sozialdepartement. Er sagt: «Die GLP ist bestimmt nicht gegen eine menschenwürdige Wohnsituation, wir werden das Postulat aber nicht unterstützen.» Beim Thema Bundesasylzentrum fehle den Linken der Pragmatismus. Die Stadt könne den bestehenden Vertrag von mindestens 15 Jahren mit dem SEM nicht einfach so auflösen.

Auch würden immer wieder sehr starke Wörter benutzt wie «Folter» oder «menschenunwürdig». «Vergessen geht dabei, dass wir in und um das neue Zentrum weder ein Kriminalitäts- noch ein Standortproblem haben, was von der SVP befürchtet wurde. Und die beschleunigten Asylverfahren funktionieren.» Die Versprechen von 2017 seien also eingelöst worden, nur: «Ich glaube, die Linken haben sich etwas anderes vorgestellt.»

Das Problem verortet Baumann nicht beim SEM, sondern bei der Betreiberorganisation AOZ. Ein Interessenkonflikt erlaube es der SP jedoch nicht, auf die AOZ zu zeigen: «Der Verwaltungsrat der AOZ wurde bis vor kurzem vom ehemaligen SP-Stadtrat Martin Waser präsidiert, und der SP-Sozialvorsteher Golta hat den Stadtrat darin vertreten.» Waser trat Mitte Jahr aus dem Verwaltungsrat zurück, und Raphael Golta übergab sein Mandat der grünen Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart.

Ähnliches wie Baumann sagt der FDP-Gemeinderat und Sozialpolitiker Alexander Brunner. Auch er ist überzeugt: «Das Problem liegt bei der AOZ, aber statt den Finger auf den eigenen Betreiber zu richten, zeigt die SP lieber auf das Sicherheitspersonal.» Grundsätzlich zeigt sich aber auch Brunner zufrieden mit dem Zentrum. «Die FDP hat das Projekt wegen der verkürzten Verfahren unterstützt. Das Zentrum ist nur für eine kurze Unterbringung gedacht. Wir wollten kein Integrationszentrum, keinen Klub Med, sondern klare Regeln.»

Position der SP noch unklar

Ob das Postulat am Mittwoch überwiesen wird, entscheidet das Abstimmungsverhalten der SP-Fraktion. Zwar haben die Genossen die Dringlichkeit des Anliegens unterstützt. Inhaltlich hat die Partei aber noch keine Position bezogen.

Der SP-Gemeinderat Marco Geissbühler will der Debatte seiner Fraktion nicht vorgreifen, sagt aber: «Auch im beschleunigten Asylverfahren muss eine menschenwürdige Unterbringung möglich sein. Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, dürfen nicht wie Gefangene behandelt werden.» Von den versprochenen humanitären Verhältnissen sei man im Bundesasylzentrum derzeit weit entfernt. Das SEM lege mehr Gewicht auf Kontrolle als auf Betreuung, das Personal sei chronisch überlastet, die Zimmer bestenfalls funktional eingerichtet.

Für Geissbühler liegt die Verantwortung für die monierten Missstände klar beim SEM. «Wir würden es begrüssen, wenn die AOZ grösseren Spielraum hätte, aber derzeit hat das SEM das Sagen.» Und dieses schalte auf stur. «Es stellt sich daher die Frage, was wir noch tun können, um die Verhältnisse im Zentrum zu verbessern.»

Das SEM hat in der Vergangenheit mehrfach zu den Vorwürfen Stellung bezogen. Gegenüber der NZZ sagte ein Sprecher im November 2019, Zürich habe die liberalste Hausordnung aller Bundeszentren schweizweit. Ein anderer Sprecher sagte in den Tamedia-Zeitungen kürzlich, dass sich das mehrfach kritisierte Sicherheitskonzept bewährt habe. Man könne nicht auf Gutdünken vertrauen, sondern müsse Kontrollen durchführen wie bei einem Fussballmatch.

Die Forderung nach einem Wegzug des Zentrums dürfte aber ohnehin nicht realistisch sein. Mit dem deutlichen Ja hat das Stimmvolk 2017 einer Betriebszeit von mindestens 15 Jahren zugestimmt. Hinzu kommt, dass die Kosten für den Bau – 24,5 Millionen Franken – in dieser Zeit vom Bund durch den Mietzins refinanziert werden. Würde der Vertrag frühzeitig aufgelöst, bliebe die Stadt wohl auf der Restsumme sitzen. Das aber widerspräche dem Wählerwillen, war doch die Kostenfrage eine der gewichtigsten Argumente im Abstimmungskampf.

Weiter müsste die Stadt andere Asylsuchende aufnehmen – und selber betreuen. Das Bundesasylzentrum bietet Platz für 360 Personen. Diese Plätze werden dem sogenannten «Unterbringungskontingent» der Stadt angerechnet. Damit spart die Stadt gemäss den Abstimmungsunterlagen von 2017 jährlich rund eine Million Franken, weil sie diese Personen nicht selber betreuen muss.

Der Stadtrat lehnt das Postulat ab. Wird der Vorstoss jedoch vom Parlament überwiesen, muss er sich auch gegen seinen Willen mit der Forderung auseinandersetzen.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-linke-wollen-bundesasylzentrum-schliessen-ld.1644090)


+++SCHWEIZ
Tausende Afghanen vertrieben: UNO will mehr Flüchtlinge in der Schweiz unterbringen
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hofft auf eine solidarische Geste des Bundesrats. Bislang vergeblich.
https://www.derbund.ch/uno-will-mehr-fluechtlinge-in-der-schweiz-unterbringen-351445963335


+++GRIECHENLAND
EIN JAHR NACH BRAND IN MORIA: ALAFAAT HAT ANGST VOR DEM WINTER
Auf der griechischen Insel Lesbos hat sich die Lage für viele Geflüchtete kaum verbessert. Für Menschen im Rollstuhl ist sie besonders schwer.
https://taz.de/Ein-Jahr-nach-Brand-in-Moria/!5795520/


Vergessenes Elend: Ein Jahr nach dem Brand in Moria
Am 8. September 2020 brannte das Elendslager Moria auf Lesbos ab. Aber anstatt die Menschen endlich vernünftig unterzubringen, wurde in Windeseile Moria 2.0 aufgebaut und die Abschottung intensiviert. Leider erfolgreich: Heute spricht kaum mehr jemand vom Schicksal der Geflüchteten, die in Griechenland festsitzen. Eine Chronik des Vergessens.
https://www.proasyl.de/news/vergessenes-elend-ein-jahr-nach-dem-brand-in-moria/


+++SYRIEN
Auch Kinder betroffen: Amnesty dokumentiert Folterungen von Syrien-Rückkehrern
66 Menschen sind laut einem Bericht von Sicherheitskräften verschleppt, vergewaltigt oder misshandelt worden. Amnesty fordert deshalb, Flüchtlinge dürften nicht zur Rückkehr gezwungen werden.
https://www.derbund.ch/amnesty-schildert-folterungen-von-syrien-rueckkehrern-142349994567
-> https://www.amnesty.ch/de/laender/naher-osten-nordafrika/syrien/dok/2021/geheimdienste-foltern-zurueckgekehrte-fluechtlinge


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Kommission will Immunität von Sibel Arslan nicht aufheben
Die Basler Staatsanwaltschaft will die Basler Nationalrätin belangen. Der Vorwurf: Sie habe am Feministischen Streik 2020 an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen. Die nationalrätliche Immunitätskommission tritt nicht auf das Gesuch der Stawa ein.
https://bajour.ch/a/zglBzQP150Y70OCN/kommission-will-immunitat-von-sibel-arslan-nicht-aufheben
-> https://www.bzbasel.ch/news-service/inland-schweiz/demonstration-kommission-will-immunitaet-von-nationalraetin-sibel-arslan-nicht-aufheben-ld.2184463
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/kommission-will-arslans-immunitaet-nicht-aufheben?id=12051069
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/entscheid-aus-dem-nationalrat-immunitaet-von-sibel-arslan-soll-nicht-aufgehoben-werden
-> https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-ik-n-2021-09-07-a.aspx
-> https://telebasel.ch/2021/09/07/kommission-will-immunitaet-von-nationalraetin-arslan-nicht-aufheben
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/sendung/schweiz-aktuell?id=cb28dd84-f0c8-4024-8f20-1a29f5a4ceb7
-> https://primenews.ch/news/2021/09/kommission-hebt-immunitaet-von-sibel-arslan-nicht-auf
-> https://www.bazonline.ch/sibel-arslan-geniesst-weiterhin-immunitaet-960216616224
-> https://www.watson.ch/schweiz/basel/836507849-kommission-will-immunitaet-von-nationalraetin-arslan-nicht-aufheben


+++KNAST
Brian meldet sich aus dem Gefängnis: «Ich bin nicht ‹Carlos› und die Leute sollen das begreifen»
Brian sitzt seit über drei Jahren in Isolationshaft. 20 Minuten hat dem 25-Jährigen Fragen übermittelt.
https://www.20min.ch/story/ich-bin-nicht-carlos-und-die-leute-sollen-das-begreifen-814490474936


+++BIG BROTHER
Videoüberwachung wird für Luzerner Behörden immer wichtiger
Der Kanton und die Gemeinden überwachen Dutzende öffentliche Plätze und Gebäude. Der Nutzen ist allerdings umstritten. Ein CVP-Kantonsrat fordert daher mehr Polizeipräsenz.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/kriminalitaet-videoueberwachung-wird-fuer-luzerner-behoerden-immer-wichtiger-ld.2183804


+++RASSISMUS
SVP-Nationalrat Yvan Perrin wegen Rassendiskriminierung vor Kantonsgericht
Der ehemalige SVP-Nationalrat Yvan Perrin muss sich am Dienstag wegen Rassendiskriminierung vor dem Neuenburger Kantonsgericht verantworten. Das Polizeigericht hatte ihn im Juli 2020 freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein.
https://www.watson.ch/schweiz/romandie/886050564-svp-nr-yvan-perrin-wegen-rassendiskriminierung-vor-kantonsgericht
-> https://www.swissinfo.ch/ger/freispruch-fuer-yvan-perrin-in-rassendiskriminierungs-fall/46928084


Rassistische Diskriminierung in der Schweiz wird sichtbarer
Rassistische Diskriminierung betrifft alle Lebensbereiche und wird immer mehr als ernstes gesellschaftliches Problem wahrgenommen. Das zeigt der neueste Monitoringbericht der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) für die Periode 2019/2020. Gemeldete Diskriminierung nahm in der Berichtsperiode weiter zu, besonders auch im Internet.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-85000.html


+++RECHTSPOPULISMUS
Bundesrat zur Pandemiebekämpfung: Ueli Maurer bekommt heftige Kritik für Aussagen zur Eigenverantwortung
Bundesrat Ueli Maurer sagte in einem Interview, der Staat habe nicht die Aufgabe, jeden vor dem Tod zu schützen. Auf Twitter folgten heftige Reaktionen.
https://www.20min.ch/story/ueli-maurer-bekommt-heftige-kritik-fuer-aussagen-zur-eigenverantwortung-697912030150


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
derbund.ch 07.09.2021

Demonstration in angespannter Lage: Nause und Müller warnen vor Eskalation

Erneut gibt es eine Kundgebung gegen Corona-Massnahmen. Behörden von Stadt und Kanton sind besorgt wegen der aufgeheizten Stimmung. Der Hauptorganisator setzt auf Eigenverantwortung.

Sarah Buser

Er habe die letzten Tage praktisch durchgehend am Telefon verbracht, sagt Nicolas A. Rimoldi. Ihm ist es wichtig, dass das A. zwischen Vor- und Nachname nicht vergessen geht. Der 26-Jährige aus dem Kanton Luzern ist Co-Präsident der Gruppierung Massvoll, die in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrmals Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen organisiert hat, so auch die Demonstration diesen Mittwoch. Der Hauptorganisator, wie er sich selber bezeichnet, hat mobilisiert, Polizei und Behörden informiert. Wenn der Bundesrat die Zertifikatspflicht ausdehnt, was wahrscheinlich ist, gehen die Massnahmengegner auf den Bundesplatz. In mehreren Chatforen wird dazu aufgerufen.

Grosse Mobilisierung erwartet

Bereits am Sonntag fand eine Kundgebung gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht statt. Rund 500 Leute nahmen teil. «Diese Häufung der Demonstrationen ist ungut», sagt Reto Nause (Mitte), Direktor für Sicherheit, Umwelt und Energie der Stadt Bern.

Der Sicherheitsdirektor geht bei der kommenden Demonstration von mehr Teilnehmern aus. «Bei einer möglichen Ankündigung des Bundesrates zur Ausweitung der Zertifikatspflicht ist mit einer erheblichen Teilnahme von Demonstranten zu rechnen», sagt Nause.

Darauf hofft auch Rimoldi: «Die ganze Bürgerrechtsbewegung wird teilnehmen – es wird riesig.» Die Bewegung Massvoll, deren Mitglieder ein violettes Herz hinter ihre Namen setzen, wenn sie in den sozialen Medien aktiv sind, gibt sich betont friedlich. «Bei uns ist auch in den Statuten verankert, dass man nicht gewalttätig an Demonstrationen sein soll», hält Rimoldi fest. Er hoffe sehr, dass dies auch so geschehe.

Behörden sind alarmiert

Doch bei der städtischen Sicherheitsdirektion ist man davon nicht überzeugt. Sorgen bereiten die zunehmende Mobilisierung und eine veränderte Ausgangslage: «Wir haben in der jüngeren Vergangenheit festgestellt, dass die Stimmung aufgeheizt ist», sagt Nause. Das sei keine gute Entwicklung. Zudem bestehe Eskalationsgefahr, weil bereits zu einer Gegendemonstration aufgerufen worden sei.

Die Kantonspolizei Bern hat Kenntnis der für Mittwoch und Donnerstag angekündigten Demonstrationen. Man werde die beobachtete angeheizte Stimmung in die Vorbereitung der Einsätze einfliessen lassen, sagt Christoph Gnägi, Chef der Medienstelle.

«Es ist eine schwierige Situation, wenn die Gesellschaft so stark gespalten ist bei dieser Thematik der Corona-Massnahmen», sagt auch Philippe Müller (FDP), Sicherheitsdirektor des Kantons. Dazu komme, dass aktuell unklar sei, ob es nochmals zu mehr Einschränkungen des öffentlichen Lebens, ähnlich dem Lockdown, kommen könnte. «Dann besteht das Risiko, dass die Stimmung kippt.»

Verhärtung der Fronten?

Neben Massvoll und weiteren Gruppen rufen auch die «Freunde der Verfassung» im Telegram-Chat zur Spontandemonstration auf, sofern die Zertifikatspflicht ausgeweitet wird. Radikalisiert sich die Bewegung? Diese telefonische Anfrage will niemand beantworten. «Wir möchten nicht Teil eines weiteren Hetzartikels der Medien werden», sagt ein Mitglied gegenüber dem «Bund».

Auskunftsfreudiger ist Rimoldi. Extremismus habe in der Schweiz nichts verloren. «Wir sind keine Impfgegner, doch wir wollen keine Einschränkungen.» Die Gegendemonstranten würden zunehmend übergriffig und pöbelten Demonstranten an, klagt Rimoldi. In den eigenen Reihen verlaufe es hingegen friedlich, man setze auf Eigenverantwortung.

Kann das funktionieren, wenn sich eine Gruppe immer mehr in die Ecke gedrängt fühlt? Corona-Schnelltests werden kostenpflichtig, Ungeimpfte werden sich bald vor einem Restaurantbesuch testen lassen müssen. «Es bestehen Tendenzen, dass sich die Gruppierungen gegen die Corona-Massnahmen extremisieren», sagt Müller. Doch auch bei den Geimpften könnte die Stimmung kippen, wenn ihre Unzufriedenheit über erneute Massnahmen zunehme. Die Sicherheitslage sei für die Polizei nicht einfach, so Müller. Die Leute seien allmählich Corona-müde. «Man dachte, man sei jetzt damit durch, doch jetzt stehen wir wieder vor Herbst und Winter, was das Virus begünstigt.»
(https://www.derbund.ch/mueller-und-nause-warnen-vor-eskalation-264948320331)



«Mass-Voll»-Gründer Rimoldi tritt aus der FDP aus
Nicolas Rimoldi, Gründer der gegen die Corona-Massnahmen kämpfenden Gruppe «Mass-Voll», tritt aus der FDP aus.
https://www.nau.ch/politik/regional/mass-voll-grunder-rimoldi-tritt-aus-der-fdp-aus-65997676
-> https://www.zentralplus.ch/nicolas-rimoldi-tritt-aus-der-fdp-aus-2184227/



Blick-Reporter angepöbelt: Skeptiker protestieren vor Impf-Bus in Amriswil TG
Am Dienstag kommt es beim mobilen Impf-Bus des Kantons Thurgau in Amriswil erneut zu Protesten von Impfgegnern. Ein Blick-Reporter gerät zwischen die Fronten.
https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/blick-reporter-angepoebelt-skeptiker-protestieren-vor-impf-bus-in-amriswil-tg-id16812619.html



tagblatt.ch 07.09.2021

Nach Polizeieinsatz beim Impfbus: Der Kanton schirmt Impfwillige von den Impfgegnern ab

Auch in Horn wollen Demonstranten die Leute von der Corona-Impfung abhalten. Dennoch ist der Andrang auf den spontanen Piks gross. «Die sollen doch behaupten, was sie wollen», sagt eine Frau und geht ungläubig an den Demonstranten vorbei.

Silvan Meile

«Ich möchte Leben retten», sagt der Mann im Pensionsalter, der sich mit leicht englischem Akzent als Peter vorstellt. Peter steht auf dem Trottoir vor dem Seniorenzentrum in Horn. Hier macht am Montagabend der Impfbus des Kantons Halt. Bereits um 16.10 Uhr, zehn Minuten nach dem Start, warten 50 Personen, um ohne Anmeldung eine Corona-Impfung zu erhalten. Peter versucht zusammen mit knapp einem Dutzend Mitstreitern in seinem Alter vergeblich, die Leute von der Spritze fernzuhalten.

Beim Impfbus treffen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite bietet hier Personal des Kantons der Bevölkerung eine spontane und unkomplizierte Impfung gegen das Covid-19-Virus an. Auf dem Weg dahin streckt die Gruppe um Peter den Passanten Transparente mit der Aufschrift «Ich sage Nein zur Covid-Impfung» entgegen. Die Impfung mache das Immunsystem kaputt, sei verantwortlich für Fehlgeburten, sagen sie. Die Pandemie sei nicht mehr als eine Grippe und gesteuert. Die Mächtigsten dieser Welt würden viel Geld mit denen verdienen, sagt Peter und zeigt in Richtung Hintereingang des Seniorenzentrums, wo sich die Leute für die Spontanimpfung einreihen.

«Die sollen doch behaupten, was sie wollen», sagt hingegen eine Frau und geht ungläubig an den Demonstranten vorbei.

170 Impfungen in Aadorf

Die Impfgegner begleiten den Impfbus auf seiner Tour durch den Thurgau. An seiner ersten Station, vergangenen Donnerstag in Diessenhofen, kam es zu einem Vorfall: Die Demonstranten traten so nahe ans Zelt, in welchem vor dem Bus die Impfungen verabreicht wurden, dass sich die Mitarbeiter belästigt und bedrängt fühlten. Zu einem Wortgefecht kam offenbar noch eine kleine Rangelei, sodass zwei Kantonspolizisten in Zivil herbeigerufen wurden, die sich in der Nähe bereithielten. Zurückgeblieben sind Ermittlungen wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Auch in Horn ist die Kantonspolizei in der Nähe, hält sich aber um die Ecke beim Gemeindehaus dezent zurück.

Aufgrund des Vorfalls in Diessenhofen haben die Verantwortlichen reagiert. Wenn immer möglich finden diese mobilen Impfungen nun in Gebäuden statt, um auf Abstand zu den Demonstranten zu gehen. Dadurch könne das Personal besser geschützt werden, sagt Karin Frischknecht, Leiterin des Thurgauer Gesundheitsamts. Bereits beim zweiten Stopp in Aadorf am Freitag wurden die Spritzen im Gemeindehaus angesetzt statt in den Zelten neben dem Bus. Die Nachfrage war mit 170 Personen enorm. Frischknecht sagt: «Unser Team ist eine Stunde länger geblieben, hat extra noch mehr Impfstoff besorgt.»

Impfwillige und Mitarbeiter werden abgeschirmt

In Horn finden die Impfungen nun ebenfalls hinter Mauern statt. Die Leute warten auf dem Hinterhof des Seniorenzentrums. Das ist Privatgelände, auf dem die Demonstranten nicht zugelassen sind. Dafür sorgen ein Sicherheitsmitarbeiter und ein Zivilschützer. Michael Brouwer, Leiter der mobilen Impfteams des Kantons Thurgau, erklärt, dass man damit die Impfwilligen von den Demonstranten abschirmt. In Diessenhofen war das anders. Dort redeten die Demonstranten ohne jeglichen Abstand auf die Wartenden und Mitarbeitenden ein, bevor es zum Eklat kam.

Es ist die Unverbindlichkeit, das Spontane, das die Leute in Horn bis zu zwei Stunden anstehen lässt für die Impfung. Das sei ihr lieber, als nach Weinfelden fahren zu müssen, sagt eine Arbonerin. Es gebe aber auch Leute mit Sprachproblemen, die froh seien, wenn sie sich nicht über ein System anmelden müssten, sondern einfach so für eine Impfung vorbeikommen können «und man das dann zusammen anschaut», sagt Karin Frischknecht.

Wo der Impfbus hält, kreuzen Demonstranten auf

Auch bliebe die Nachfrage nach dem Walk-in-Angebot im Impfzentrum Weinfelden sehr hoch. «250 bis 300 Personen lassen sich dort täglich impfen», sagt Frischknecht. Das seien mittlerweile mehr als bei den Impfungen mit Voranmeldung.

Die Impfungen in Horn reichen für 120 Personen. «Danach ist Schluss», sagt Brouwer. Am nächsten Tag geht es in Amriswil weiter, danach in Sirnach. Jeden Abend fährt der Impfbus in einer anderen Gemeinde vor, bevor er vier Wochen später für die Zweitimpfung wieder zurückkehrt.

Und auch die Demonstranten werden aufkreuzen. Sie glauben, die Menschen vor der Impfung bewahren zu müssen, weil die Leute – im Gegensatz zu ihnen – schlecht informiert sind. «Verzichten Sie auch auf Ihren Platz auf der Intensivstation?», will ein genervter Velofahrer wissen, der vor den Demonstranten abbremst. Eine Antwort bleiben sie ihm schuldig.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/corona-nach-polizeieinsatz-beim-impfbus-der-kanton-schirmt-impfwillige-von-den-impfgegnern-ab-ld.2184069)



Folge 12: Phänomen „Freie Linke“
In der zwölften Folge unseres Podcast wird es investigativ. Wir haben an dem ersten Kongress der „Freien Linken“ und einen Monat lang an einem entsprechenden Telegram Chat teilgenommen. Nun wollen wir unsere Eindrücke und Einschätzungen zur „Freien Linken“ mit euch teilen. Zuerst beschäftigen wir uns mit der Frage, was die „Freie Linke“ überhaupt ist und wie sie sich zusammensetzt. Dann wenden wir uns einiger Kritikpunkte, die wir haben, zu, dass Verständnis und Verhältnis von Rechts und Links, wie es mit Verschwörungsideologien aussieht und welche Rolle die soziale Frage bei der „Freien Linken“ gefällt.
https://www.youtube.com/watch?v=xVuv5beal9g