Medienspiegel 6. September 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BALTIKUM
Polens Grenzschutz ist alarmiert: In Weissrussland sollen über 10‘000 Migranten warten
Laut Schätzungen des polnischen Grenzschutzes halten sich Tausende Flüchtlinge aus Krisenregionen in Weissrussland auf. EU-Länder beschuldigen Machthaber Lukaschenko, gezielt Migranten über die Grenzen zu lassen.
https://www.derbund.ch/in-belarus-sollen-ueber-10-000-migranten-warten-104452229983


+++FREIRÄUME
Wie wollen wir wohnen? – RaBe-Info 06.09.2021
In Schweizer Städten und Agglomerationen ist preisgünstiges und partizipatives Wohnen selten geworden. Die Mietpreise sind in den vergangenen Jahren derart rasant angestiegen, dass sich Menschen mit niedrigem Einkommen kaum noch eine Wohnung in der Stadt leisten können. Eine entsprechende Trendwende scheint sich dabei nicht abzuzeichnen. Denn die Politik tut sich schwer damit, den verantwortlichen Hauseigentümer*innen einen Riegel vorzuschieben und das Immobilien-Business floriert wie nie zuvor. (Hier geht es zu einem aktuellen Beitrag von uns über das Problem «steigende Mietpreise»).
https://rabe.ch/2021/09/05/wie-wollen-wir-wohnen/


+++BIG BROTHER
derbund.ch 06.09.2021

Enthüllungen eines US-Magazins: Schweizer Polizisten testeten verbotene Gesichtserkennungs-App

Gemäss einer internen Kundenliste der Firma Clearview haben Beamte der Stadtpolizei Zürich und der Kantonspolizei St. Gallen die umstrittene Software genutzt. Zürich will das jetzt untersuchen.

Simone Luchetta

Zwei Polizeibeamte läuten im April bei einem Kleinkriminellen und verhaften ihn auf der Stelle. Der Mann soll in einer der vorangegangenen Nächte in einem Restaurant am Zürcher Hauptbahnhof einer Frau die Handtasche gestohlen haben. Und in der Nacht zuvor sei er bei einem versuchten Ladeneinbruch im Kreis 5 gefilmt worden. «Es gab weder Zeugen noch Indizien», sagt sein Verteidiger, der anonym bleiben will.

«Einzig und allein Gesichtserkennungssoftware kann zur Verhaftung geführt haben.»

Noch näher liegt diese Vermutung in einem zweiten Fall. Ebenfalls im April wurde eine andere Milieu-Gestalt verhaftet. Ihr wurden neun Einbrüche zur Last gelegt: in Bürogebäude, Kioske und Kellerabteile. «Diverse Vorwürfe wurden hier von den Polizisten anhand von Videoaufnahmen gemacht, und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass für solche ‹Beschaffungsdelikte›, bei denen es um eher geringe Vermögenswerte geht, Beamte tagelang vor dem PC Gesichtsbilder abgeglichen haben», sagt der Anwalt. Mit anderen Worten: Nur eine Gesichtserkennungssoftware konnte diese kleineren Fälle lösen.

Schwerer Eingriff in die Grundrechte

Beweisen lässt sich das nicht. Aber aktuelle Enthüllungen des US-Onlinemagazins «Buzzfeed News» lassen aufhorchen: In den Dokumenten, die dem US-Magazin zugespielt worden sind,
lassen sich Tausende von Nutzerdaten herauslesen. Darunter auch E-Mailadressen der Stadtpolizei Zürich. Doch die Polizei hat bisher immer beteuert, dass sie nie eine derartige Software eingesetzt habe.

Dass Clearview weltweit so grosse Verbreitung fand, dürfte nicht zuletzt auf kostenlose Testversionen zurückzuführen sein, die die Firma damals zu Werbezwecken anbot. Polizeibehörden weltweit benutzen solche Gesichtserkennungssoftware zur Verbrecherjagd. Dabei werden Fotos von gesuchten Verdächtigen eingespeist und mit einer Täterdatenbank abgeglichen. Das spart Zeit und hilft, mehrere Fälle miteinander zu verbinden.

Bloss: Der Einsatz ist problematisch. Und in der Schweiz verboten.

Von Rechts wegen ist die Nutzung von Gesichtserkennungstechnologie in der Schweiz untersagt. Monika Simmler, Strafrechtsprofessorin an der Universität St. Gallen, die zum Thema forscht, formuliert es so: «Generell gilt für den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie, dass diese aktuell in der Schweiz nicht rechtmässig ist. Die gesetzlichen Grundlagen fehlen, sowohl für den präventiven Bereich als auch für die Strafverfolgung.» Der Grund: Die Technik verarbeitet biometrische Daten, was laut Simmler, die auch SP-Kantonsrätin in St. Gallen ist, einen schweren Grundrechtseingriff bedeutet.

Kommt dazu, dass sich der Computer irren kann, nicht nur wegen schlechter Lichtverhältnisse oder schwacher Auflösung: Das Programm verschärft erwiesenermassen bestehende Diskriminierungen und Ungleichheiten, erkennt etwa Weisse zuverlässiger als Schwarze.

Die Folge: Plötzlich geraten unbescholtene Bürgerinnen und Bürger in die absurde Situation, beweisen zu müssen, dass sie nicht die Person sind, für die sie die Maschine hält. Im Fall Clearview ist die Sache noch problematischer, da die Datenbank Milliarden Fotos von Menschen umfasst, deren Bilder im Internet frei zu finden sind – und nicht nur von Straftätern.

Das Werkzeug ist laut «Buzzfeed» auch über Mailaccounts der Kantonspolizei St. Gallen – nebst jener Zürichs – benutzt worden. Beide sollen demnach bis im Februar 2020 je zwischen 11 und 50 Suchanfragen gestartet haben.

In einer Stellungnahme gegenüber dieser Zeitung bestreitet die Mediensprecherin der Stapo Zürich, Judith Hödl, dies und gibt die Verantwortung an die Beamten weiter: «Die Stadtpolizei Zürich verwendet keine Clearview-Software und hat auch keine Kenntnis davon, dass Mitarbeitende diese verwenden oder verwendet haben sollen. Wir können jedoch nicht ausschliessen, dass sich jemand mit seiner E-Mail-Adresse der Zürcher Stadtverwaltung registriert und das Tool privat nutzt.»

Einsatz von Erkennungssoftware bleibt unkontrolliert

Ein Polizei-insider sagt, es gebe durchaus Kollegen, die frei verfügbare Software nutzen und Bilder abgleichen, «so etwas wie die Google-Bildersuche und keine offiziell gekaufte Gesichtserkennungssoftware». Solche Tools würden aber nicht systematisch eingesetzt.

Auch die St. Galler Kapo sagt, die umstrittene Software gehöre nicht zu ihren Werkzeugen: «Die Kantonspolizei St. Gallen hat ein Projekt zur Evaluation von Gesichtserkennungssoftware durchgeführt. Dabei wurden mehrere Anbieter getestet. Clearview AI war nicht unter den offiziell getesteten Produkten. Wir haben über 1000 Mitarbeiter, und ich kann keine Auskunft über einzelne Handlungen geben. Die Kantonspolizei St. Gallen als Institution hat Clearview AI weder getestet noch eingesetzt.»

Kann man den Beteuerungen der Strafverfolger glauben?

Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum, ist skeptisch: «Es fällt mir schwer, die Erklärungen der beiden Polizeikorps für glaubwürdig zu halten. In jedem Fall fällt auf, dass die Dementi überspezifisch ausgefallen sind.» Die Auskünfte zeigten ausserdem, dass es an einer wirksamen Aufsicht mangle.

In der Tat ist fast alles rund um Gesichtserkennungstechnologie unreguliert. «Wenn eine Polizei eine derartige Software ins Repertoire aufnehmen will, müsste sie sich um eine Rechtsgrundlage bemühen. Die Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren könnten sich organisieren und beim Bund vorstellig werden», sagt Forscherin Monika Simmler. In einem Rechtsstaat brauche es dafür eine neue Norm auf Gesetzesebene: «Der Bundesgesetzgeber ist dringend gefordert.» Selbst für einen Testbetrieb müsste zumindest Rücksprache mit der jeweils zuständigen Datenschutz-Aufsichtsbehörde genommen werden.

Doch das passiert nicht – weder in Zürich noch in St. Gallen, auch nicht im Aargau oder in Schaffhausen, wo die Kantonspolizeien ebenfalls schon solche Programme eingesetzt oder getestet haben.

So geschieht also bereits die Anschaffung weitgehend im Dunkeln. Aber auch der konkrete Einsatz bleibt unkontrolliert. Zuständig wären die Datenschutzstellen, aber die können ihre Aufsichtstätigkeit mangels Ressourcen kaum wirksam wahrnehmen.

Untersuchung bei Stadtpolizei Zürich

«Die Behörden entziehen das Thema der politischen Diskussion. Mich erstaunt diese fehlende Transparenz bei Sicherheitsthemen immer wieder, denn mir ist nicht klar, was die Behörden fürchten», sagt Anwalt Steiger. Umfragen und Volksabstimmungen zeigten, dass ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung einen ausgebauten und wachsenden Polizei- und Überwachungsstaat befürworte.

Es müsste dringend eine öffentliche Debatte geführt werden, sind sich Monika Simmler und Martin Steiger einig. Ein erster Schritt ist die jetzt durch die Recherchen dieser Zeitung in Gang gesetzte Untersuchung durch den Städtischen Datenschützer bei der Stadtpolizei Zürich.

Derweil bleibt die New-Yorker Firma Clearview in der Erfolgsspur. Obschon in Europa und den USA mehrere Klagen gegen das Start-up laufen, hat es eben in einer Finanzierungsrunde weitere 30 Millionen Dollar eingesammelt.



Das System Clearview

Unter den Gesichtserkennungsprogrammen ist Clearview AI eine Klasse für sich. Dahinter steckt nach eigenen Angaben die grösste Gesichtsdatenbank der Welt mit rund drei Milliarden Bildern. Brisant: Das New Yorker Start-up hat sie mit sogenannten «Scrapern» auf sozialen Medienportalen wie Facebook und anderen Seiten gesammelt, heruntergeladen und gespeichert. Dazu kommt ein Algorithmus, der dank dieser enormen Trainingsdaten schlauer ist als jeder andere.

Gegen Clearview laufen diverse Klagen. Auch der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte hält das Vorgehen für persönlichkeitsverletzend und hat stellvertretend für die betroffenen Personen in der Schweiz im Januar 2020 ein Löschgesuch gestellt. Bis jetzt ohne Erfolg. «Es braucht kein neues Gesetz. Gesichtserkennungstechnologie gehört verboten», fordert Viktor Györffy, Präsident des Verein Grundrechte.ch.

Insgesamt haben laut «Buzzfeed News» bis im Februar 2020 fast 90 Strafverfolgungsbehörden, Polizeistationen und andere staatliche Organisationen in 24 Ländern ausserhalb der USA Clearview AI zumindest probeweise eingesetzt. (luc)
(https://www.derbund.ch/schweizer-polizisten-testeten-verbotene-gesichtserkennungs-app-772155431399)
-> https://www.inside-it.ch/de/post/wer-alles-die-gesichtserkennung-von-clearview-testete-20210830
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/hat-die-zuercher-stadtpolizei-illegale-software-eingesetzt?id=12050091
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/illegaler-einsatz-von-gesichtserkennungs-software-00165013/
-> https://www.derbund.ch/zuercher-stadtpolizist-testete-clearview-nach-einer-ausbildung-696840503794



Überwachungstechnologie in der Schweiz: Auch die Polizei muss sich an das Gesetz halten
Für den Einsatz von Gesichtserkennung gibt es keine gesetzliche Grundlage. Wendet die Polizei solche Software trotzdem an, ist das gefährlich.
https://www.derbund.ch/auch-die-polizei-muss-sich-an-das-gesetz-halten-616804935004



Police In At Least 24 Countries Have Used Clearview AI. Find Out Which Ones Here.
As of February 2020, 88 law enforcement and government-affiliated agencies in 24 countries outside the United States have tried to use controversial facial recognition technology Clearview AI, according to a BuzzFeed News investigation.
https://www.buzzfeednews.com/article/ryanmac/clearview-ai-international-search-table



Auf Anordnung von Europol: ProtonMail gab IP-Adressen von Nutzer:innen heraus
Der E-Mail-Anbieter ProtonMail wirbt mit Anonymität für seine Kundschaft. Doch eine Ermittlung französischer Behörden gegen Umweltaktivist:innen bringt den Anbieter nun in Erklärungsnot.
https://netzpolitik.org/2021/auf-anordnung-von-europol-protonmail-gab-ip-adressen-von-nutzerinnen-heraus/


+++POLICE BE
Regierungsratsantwort auf Interpellation 319-2020 Sancar (Bern, Grüne) Stopp von fragwürdigen Bodycams ohne rechtliche Grundlage.
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-ddf13ddeb2194706ab0f1e290b2d92a5.html


+++POLICE VD
Retour sur la manif’ contre les crimes policiers et info anti-repression
La manifestation de vendredi, débutée sur la Place de la Gare de Morges a rassemblé près de 150 personnes. Elle a été amorcée avec de la musique et des banderoles où on pouvait lire “Sans police pas de meurtres policiers”, “End police brutality”, “La police tue, la presse couvre, la justice blanchit” et “Encore un meurtre de l’Etat, sortons couverts”.
https://renverse.co/infos-locales/article/retour-sur-la-manif-contre-les-crimes-policiers-et-info-anti-repression-3211


+++POLIZEI INT
Europäischer Polizeikongress schließt netzpolitik.org schon wieder von Berichterstattung aus
Wir dürfen nicht vom Europäischen Polizeikongress berichten. Der Veranstalter hat unsere Akkreditierung erneut abgelehnt – wieder mit einer fadenscheinigen Begründung: diesmal muss Corona als Argument herhalten. Auf der Überwachungsmesse sprechen viele Politiker und Innenminister kurz vor der Bundestagswahl.
https://netzpolitik.org/2021/pressefreiheit-europaeischer-polizeikongress-schliesst-netzpolitik-org-schon-wieder-von-berichterstattung-aus/


+++RASSISMUS
antira-Wochenschau: Zapatistische Delegation in Basel, Hungerstreik im Bässlergut, Baumbesetzung in Berlin
https://antira.org/2021/09/06/zapatistische-delegation-in-basel-hungerstreik-im-baesslergut-baumbesetzung-in-berlin/


+++RECHTSPOPULISMUS
„Niemand hat gefordert, die Homosexuellen zu diskriminieren“ – Schweiz: Homofeindlicher Abgeordneter irritiert mit schrägem Covid-19/Aids-Vergleich
Während der Aids-Krise in den Achtzigern hätten alle Menschen Schwule unterstützt, jetzt solle man das doch auch mit Ungeimpften tun. Das ist die bizarre Forderung eines einflussreichen Verlegers und Politikers aus der Schweiz.
https://www.queer.de/detail.php?article_id=39908


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIIEN
Trotzige Unternehmer wollen sich über die Zertifikatspflicht hinwegsetzen: «Soll die Polizei doch kommen!»
Die Zertifikatspflicht ist in der Schweiz noch gar nicht eingeführt, und schon formieren sich Unternehmer, die sich offen dagegen auflehnen. In den sozialen Medien rufen die Corona-Rebellen zum Widerstand auf. Das Interesse ist gewaltig.
https://www.blick.ch/schweiz/trotzige-unternehmer-wollen-sich-ueber-die-zertifikatspflicht-hinwegsetzen-soll-die-polizei-doch-kommen-id16807235.html


Im Trailer zu einem Dokumentarfilm: Til Schweiger irritiert mit Impfaussagen
Für provokante Äußerungen ist Schauspieler und Regisseur Til Schweiger bekannt. Jetzt kritisiert er im Trailer zu einem Dokumentarfilm die Impfpolitik der Bundesregierung.
https://www.spiegel.de/kultur/filmtrailer-til-schweiger-irritiert-mit-impfaussagen-a-0f36e571-bbc6-4f2a-9e0a-85a1ef799c31
-> https://www.derstandard.at/story/2000129432123/entsetzlichtil-schweiger-haelt-impfung-von-kindern-fuer?ref=rss
-> https://www.watson.ch/international/leben/206417200-til-schweiger-sorgt-mit-impfaussage-fuer-empoerung



Die «Helvetia Trychler» aus dem Wägital gehen regelmässig gegen die Corona-Politk des Bundesrats auf die Strasse – jetzt sind sie Thema im SRF-Podcast «Einfach Politik» (ab 02:06)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/zentralschweiz-sorgt-fuer-paralympics-medaillenregen?id=12050094



suedostschweiz.ch 06.09.2021

Chur wird zum Mekka der Impfverweigerer

Zum zweiten Mal ist Chur Treffpunkt der Impfgegner, Coronaskeptiker und Maskengegner. Während in anderen Orten der Auflauf weniger wird, sind Tausende in die Bündner Hauptstadt gereist.

Pierina Hassler

Die Organisation «Stiller Protest» hat am Samstag unter dem Motto «Stoppt die Spaltung des Volkes» zur Kundgebung in Chur aufgerufen, und 4000 Leute sind gekommen. Jene, die gegen das Impfen sind. Jene, die gegen die staatliche Finanzierung der Medien sind. Jene, die überzeugt sind, die Demokratie werde gerade mit Füssen getreten. Jene, die gegen 5G kämpfen. Jene, für die eine Zertifikatspflicht verwerflich ist. Alle finden an der Kundgebung ihre Nische. Mitten auf der Quaderwiese liegen sogar Kartonplakate mit Textvorschlägen. Wer sich also noch nicht entschieden hat, für oder gegen was er an diesem Samstag die Stimme erheben will, hier hat sie oder er die Wahl.

Der Menschenauflauf ist gross. Die Stadtpolizei Chur meldet rund 4000 Personen. Menschen aus der ganzen Schweiz sind nach Chur gepilgert. Eher weniger Demonstranten vertreten den Kanton Graubünden, noch weniger Chur. Egal, die Teilnehmenden sind gut gelaunt. Ob aus dem Wallis, Luzern oder Nidwalden, alle sind gegen alles, was andere vernünftig finden. Widerspruch nützt nichts, auf der Quaderwiese sind die Meinungen schon längst gemacht. Schuld an allem sind Bundesrat Alain Berset im Einzelnen, der Bundesrat als Ganzes und die Kantonsregierungen.

«Hallo Chur», begrüsste der Mann auf der Bühne die Gastgeberstadt. Vor der Bühne umarmt eine Frau eine andere Frau und sagt: «Schön bist du hier, ich habe gehofft, dass du auch kommst.» Man kennt sich mittlerweile von anderen Kundgebungen her. Die eine will, dass der Staat die Finger von «unseren» Kindern lässt. Die andere hat sich im Zug von Zürich nach Chur einen Text für ihr Plakat ausgedacht. Stolz zeigt sie ihre Rückenansicht mit dem Text: «Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.»

Hohe Hürde

Punkt 14 Uhr löst sich die Versammlung auf der Churer Quaderwiese auf. Nein, fertig ist die mehrstündige Kundgebung noch lange nicht. Es folgt der Protestmarsch durch Chur. Kurz ist er. «Rund um den Block», würde man in Amerika sagen. In Chur geht er von der Quaderwiese zur Bahnhofstrasse über die Quaderstrasse und die Masanserstrasse zurück auf die Quaderwiese. Zuvorderst haben die Freiheitstrychler aus dem Kanton Schwyz ihren grossen Auftritt. Die Männer und Frauen in weissen Kutten mit Glocken über den Schultern wissen sich zu inszenieren. Ihr Geläut imponiert den Menschen. «Es hat etwas Erhabenes», sagt ein Mann, der von Wetzikon im Kanton Zürich angereist ist. «Etwas Freies, wie Schweizerinnen und Schweizer eben sein sollten, aber wegen Berset nicht mehr sind.»

Apropos freie Schweizer: Letzten Mittwoch im Kantonsspital Graubünden: Der Chefarzt der Intensivmedizin meldet eine volle Intensivpflegestation. Es könne jeden Tag eng werden. 30 Prozent der Betten seien mit Coronapatientinnen und -patienten belegt – alle seien ungeimpft. Im Laufe des Gesprächs fragt er, weshalb die Stadt Chur ausgerechnet jetzt eine solche Kundgebung ohne irgendwelche Auflagen bewilligt. Die Antwort darauf gibt der Churer Stadtpräsident Urs Marti: Jede Kundgebung werde auf die Rechtsstaatlichkeit hin überprüft. «Wir verbieten sexistische, rassistische oder die Bevölkerung bedrohende Demonstrationen.» Sei eine Demo aber staatskritisch, sei die Hürde, sie zu verbieten, sehr hoch. «Im Zweifelsfall ist eine Demo zu bewilligen. Das haben wir getan.»

Ordnend eingreifen

Trotzdem sei die Frage erlaubt, ob es dann nicht tatsächlich vernünftiger gewesen wäre, die erteilte Bewilligung zurückzuziehen. Immerhin würde die Churer Stadtregierung im Falle eines Coronaausbruchs wegen der Massenveranstaltung keine gute Falle mache. «Aus unserer Sicht ist es aus Gründen der Gefahr rechtlich nicht durchsetzbar, die Demo zu verbieten», sagt Marti. Die Demonstrantinnen und Demonstranten würden keine Gesetze verletzen. «Wir haben von den Organisatoren einen guten Eindruck und glauben an eine friedliche Demonstration.» Es sei aber nicht auszuschliessen, dass sich einzelne Personen falsch verhalten würden. «In diesem Fall müssten wir, auch wieder mit Blick auf die Verhältnismässigkeit, je nach Situation ordnend eingreifen», so Marti. «Dazu sind wir berechtigt.»

Zum Eingreifen ist es nicht gekommen am letzten Samstag. Die Polizei vermeldete eine friedliche Kundgebung. Laut verschiedenen aktuellen Medienberichten legen in der Zwischenzeit Ungeimpfte in der ganzen Schweiz die Spitäler lahm. Das Personal ist am Anschlag. Operationen müssen verschoben werden. Eine Demonstrantin aus Küssnacht am Rigi kommentiert diese Misere so: «Ich glaube, das stimmt einfach nicht.»



SVP-Grossrat hetzt gegen Impfbusse

Unter den Teilnehmenden an der Kundgebung befand sich auch Ruedi Weber, SVP-Grossrat aus Serneus. Auf der Bühne hielt er sich mit Kritik an Impfbefürwortern nicht zurück. Es sei eine ganz spontane Rede, sagt Weber zu Beginn seines Auftrittes. Danach ging es Schlag auf Schlag: Er sprach vom «fremdgesteuerten» Bundesrat und davon, dass er erst in den letzten Tagen mitbekommen habe, dass in Graubünden Impfbusse unterwegs seien. «Für mich ist das ein Verbrechen», sagte Weber. Es sei kriminell, wie Bündner vor Schulen fahren würden. «Wir müssen für Gegendruck sorgen», so der Grossrat. «Wir können nicht länger zuschauen. Wenn das Unrecht von der Regierung so gross ist, müssen wir eingreifen.» Das Publikum war von Webers Worten begeistert. Der Grossrat stellte aber auch klar, dass er nichts von Gewalt hält. Alles müsse friedlich über die Bühne gehen. (hap)
(https://www.suedostschweiz.ch/aus-dem-leben/2021-09-06/chur-wird-zum-mekka-der-impfverweigerer)



suedostschweiz.ch 06.09.2021

Wir gegen das Böse

Pierina Hassler

Seit dem Frühling protestieren nicht wenige Schweizerinnen und Schweizer gegen Coronamassnahmen, geeint im Glauben, die Pandemie sei ein Fake. Bestärkt werden sie von einem nicht versiegenden Strom von Desinformation.

Momentan ist es die Impfung, die sie völlig umtreibt. Dabei, sagt die Wissenschaft, sei diese der einzige Weg aus der Pandemie. Impfgegnerinnen und Impfgegner untergraben aber sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse. Das Gefährliche an der Sache sind nicht die vielen Mitläufer, sie wissen es hoffentlich nicht besser. Wirklich gefährlich sind die Organisatoren der Kundgebungen. Sie betätigen sich als Auffangbecken für Nichtverstandene. Dabei sind sie nichts anderes als Scharfmacher, die aus der Menschenmenge Kapital schlagen wollen.

Auch in Chur tragen die Demonstrierenden keine Masken. Aber Buttons mit der Aufschrift «Umarmbar». Sie begrüssen einander lautstark. Fallen sich provokativ in die Arme. Kaum nähert sich ihnen ein unbekanntes Gesicht, folgt der immer gleiche Spruch: «Achtung, wir werden vom Staat überwacht.»

Das «Wir-gegen-das-böse-System-Gefühl» ist der Kitt der Bewegung. Zum Lachen ist das nicht. Ignorieren geht auch nicht. Im Gegenteil. Wenn zu lange zu viele Menschen links liegen gelassen werden, muss sich niemand wundern, wenn sie rechts aufgefangen werden.

Und damit sind wir definitiv in der Politik gelandet. Oder bei der Manipuliermasse Mensch. Wenn ein Bündner SVP-Grossrat vor rund 4000 Gleichgesinnten den Impfbus, der durch Graubünden tourt, als «Verbrechen» betitelt, seine Worte frenetisch bejubelt werden, hat er die Menge im Sack.

Seine Partei wird sich freuen – obwohl sich Christoph Blocher und Roger Köppel schon längst zur Impfung bekannt haben. Unser Bündner SVP-Grossrat hingegen hat am Samstag einen grossen Auftritt hingelegt. Bestärkt von Menschen, für die Corona ein Fake ist.
(https://www.suedostschweiz.ch/aus-dem-leben/2021-09-06/wir-gegen-das-boese)



Komitee knackt 100’000er-Marke: Marco Rima und Co. bringen Impfpflicht vors Volk
Die Initianten der «Stopp Impfpflicht»-Initiative haben mehr als 100’000 Unterschriften gesammelt. Sie fordern, dass niemand gegen den eigenen Willen geimpft werden darf, obwohl dies bereits heute verboten ist.
https://www.blick.ch/politik/komitee-knackt-100000er-marke-marco-rima-und-co-bringen-impfpflicht-vors-volk-id16809093.html



bernerzeitung.ch 06.09.2021

Demo der Corona-SkeptikerUni Bern präzisiert Zertifikatspflicht im Hörsaal

Von einem Impfzwang an der Uni Bern könne keine Rede sein, widerspricht die Hochschule Corona-Skeptikern. Die Uni empfiehlt aber durchaus die Covid-Impfung.

Stefan von Bergen

Am Sonntagnachmittag trafen in Stadtberner Länggasse zwei gegensätzliche Welten aufeinander. Ein Demonstrationszug der Corona-Skeptikerinnen und -Skeptiker ergoss sich mit patriotischen Schweizer Fahnen ins Quartier. Im dezidiert rot-grünen Revier löste der Auftritt bei Anwohnerinnen und Anwohnern skeptische Gegenreaktionen aus. Bei Wortgefechten am Strassenrand gingen auch die Meinungen darüber auseinander, ob die Uni Bern nun wirklich einen Impfzwang verfügt habe. Das behaupteten Demonstrierende, die ihren Demonstrationszug deshalb eigens durch das Quartier mit all seinen Unibauten lenkten.

Zertifikatspflicht für Einzelanlässe

«Die Behauptung, die Uni Bern habe einen Impfzwang verfügt, ist absurd», erklärt Nathalie Matter von den Media Relations der Uni auf Anfrage. Wenn schon herrsche eine Zertifikatspflicht, für die Zertifikate aber würden alle drei G gelten: geimpft, genesen, getestet.

Matter präzisiert, dass seit dem 1. September für alle singulären Uni-Anlässe eine Zertifikatspflicht gelte – also für Sitzungen, Besprechungen, Workshops und Treffen von Universitätsangehörigen mit oder ohne externe Beteiligung, für Veranstaltungen mit externer Beteiligung, für alle Weiterbildungsveranstaltungen sowie Treffen von Gremien und Kommissionen.

In den Uni-Bibliotheken gilt für die Ausleihe eine Maskentragpflicht, für die Nutzung von Leseplätzen ebenfalls eine Zertifikatspflicht. Die Uni-Mensen können ohne Zertifikat besucht werden, jedoch gilt bis zum Sitzplatz die Maskenpflicht. Es gebe keine systematischen Kontrollen, sagt Matter, die Zertifikate würden nur stichprobenweise überprüft.

Bundesrat bestimmt die Regeln

Für die regelmässig wiederkehrenden Lehrveranstaltungen auf Bachelor- und Masterstufe gilt aber laut Matter keine Zertifikatspflicht. Denn dafür fehle eine nationale Rechtsgrundlage. Die Universität empfehle allerdings, sich impfen zu lassen. Und sie engagiere sich dafür, dass die entsprechenden Grundlagen geschaffen würden.

Das könnte schon am Mittwoch so weit sein, wenn der Bundesrat dann die Zertifikatspflicht auf weitere Bereiche ausdehnt, zu denen auch die Hochschulen gehören könnten. Wenn am 20. September an der Uni Bern das neue Semester beginnt, braucht es also womöglich auch für den Besuch von Lehrveranstaltungen ein Zertifikat.
(https://www.bernerzeitung.ch/uni-bern-praezisiert-zertifikatspflicht-im-hoersaal-965684456337)



Die geheimen Meinungsmacher – Wie wir im Wahlkampf manipuliert werden
„Die Story im Ersten“ über Beeinflussung der Wähler*innen im Netz durch Verschwörungstheorien, radikale Gruppen und ausländische Akteure.
https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/die-geheimen-meinungsmacher-video-100.html


+++FUNDIS
«Ritualmord der Vaterfigur»: Ehe-für-alle-Gegner schüren mit Zombie Angst vor Samenspende
Eine düstere Gestalt prangt am Hauptbahnhof Zürich auf einem Plakat, das gegen die Ehe für alle wirbt. Nicht zum ersten Mal sorgen die Initiantinnen und Initianten mit Schock-Bildern für rote Köpfe.
https://www.20min.ch/story/ehe-fuer-alle-gegner-schueren-mit-zombie-angst-vor-samenspende-214286893863