![](https://antira.org/wp-content/uploads/2021/08/210809_WS_Titelbild.jpg)
- Holocaust verharmlosende Plakate bei Anti-Corona-Massnahmen-Demo in Luzern
- Grenze Belarus-Litauen: Machtspiele auf Kosten Geflüchteter Menschen
- Nach einer Woche erreichen über 700 aus Seenot gerettete Menschen sicheren Hafen
- Gerichshof für Menschenrechte stoppt Abschiebung nach Afghanistan
- Petition «Armut ist kein Verbrechen» unterstützen
- Solidaritätscamp für Menschen auf der Flucht
Was ist neu?
Holocaust verharmlosende Plakate bei Anti-Corona-Massnahmen-Demo in Luzern
![Holocaust verharmlosendes Plakat an der Anti-Corona-Massnahmen-Demo in Luzern.](https://www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2021/08/AnneFrank_Plakat-777x438.jpg)
Was ist aufgefallen?
Grenze Belarus-Litauen: Machtspiele auf Kosten Geflüchteter Menschen
![Der litauische Grenzschutz auf Patrouille an der Grenze zu Belarus.](https://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/grenze-belarus-103~_v-gross20x9.jpg)
Nach einer Woche erreichen über 700 aus Seenot gerettete Menschen sicheren Hafen
Letztes Wochenende retteten die zivilen Seenotrettungsschiffe Ocean Viking und Sea-Watch 3 während mehrerer Rettungsaktionen über 700 Menschen aus Seenot. Eine Woche mussten diese danach auf offener See ausharren.
Es ist ein groteskes Spiel, das die maltesischen und italienischen Behörden auf dem Mittelmeer spielen. Ein Spiel mit der psychischen und physischen Gesundheit von Menschen, ein Spiel um Leben und Tod:
1. Dass es keine proaktive staatliche Seenotrettung auf dem Mittelmeer gibt und dieses Loch von zivilen Seenotrettungsschiffen gefüllt wird.
2. Dass die maltesische und italienische Küstenwache häufig stundenlang nicht reagieren, wenn NGOs sie auf Boote hinweisen, die in Seenot geraten sind.
3. Dass zivile Seenotrettungsschiffe mit geretteten Menschen an Bord oft über Tage daran gehindert werden, in einen Hafen einzufahren.
4. Und dass diese Schiffe dann unter fadenscheinigen Vorbehalten über Wochen in ebendiesen Häfen festgesetzt werden, um zivile Seenotrettung zu unterbinden.
Alle vier Mechanismen kamen im Lauf der letzten Woche zum Zug. Zuerst wurden letztes Wochenende in mehreren Rettungsaktionen auf dem zentralen Mittelmeer über siebenhundert Menschen an Bord der Ocean Viking, der Sea-Watch 3, sowie der Nadir von ResQship genommen. Bereits Freitags und Samstags hatte die Ocean Viking 200 Menschen aus Seenot geholt, die Sea-Watch 3 knapp 90 Menschen. In der Nacht auf Samstag waren beide Schiffe schliesslich gemeinsam mit ResQship an einer mehrstündigen Rettungsorganisation beteiligt, bei dem ein Holzboot mit ca. 400 Menschen an Bord voll Wasser gelaufen war. Es gebe keine Schwerverletzten unter ihnen, die NGOs teilten jedoch mit: „Wir können aber nicht sicher sein, dass niemand ertrunken ist, da im Laufe der Nacht viele Menschen im Wasser waren.“
Die Schiffe mit den über siebenhundert Menschen an Bord wurden nach Anfrage auf sichere Häfen schliesslich im Stand-Off auf dem Meer gehalten. Die Sprecherin der Ocean Viking liess verlauten, sie hätten „bei allen zuständigen Behörden angefragt: Malta, Tunesien, Libyen und heute Italien“. Malta habe abgelehnt, Tunesien und Libyen nicht reagiert. Einige Menschen hatten chemische Verbrennungen erlitten, als sich Benzin mit Seewasser mischte, andere wiederum Verbrennungen durch einen Brand an Bord eines der Boote. Einzig diese 15 Menschen sowie eine schwangere Frau in kritischer Kondition wurden von der italienischen Küstenwache zur medizinischen Versorgung aufs Festland gebracht.
Per Twitter machte ein Mitglied des medizinischen Teams an Bord der Ocean Viking die Situation deutlich: „Viele sind seekrank. Einige sind an Deck bewusstlos geworden wegen der Hitze und dem, was sie erlebt haben.“ Auch die Auswirkungen auf die Psyche der Menschen sei verheerend: „Ein Schiff kann nur ein Übergang aus einer Notsituation zu einem sicheren Ort an Land sein. Menschen, die nur knapp dem Tod auf See entkommen sind, tagelang warten zu lassen, bevor sie von Bord gehen, bedeutet, ihre körperliche und geistige Gesundheit zu gefährden. Die Ungewissheit fügt einer ohnehin schon schlimmen Situation unnötiges Leid zu. In den letzten drei Jahren hat es zu viele Patt-Situationen auf See gegeben, und ich habe die äusserst schwerwiegenden Folgen gesehen, bei denen die Überlebenden in akute psychische Not geraten sind“, so Luisa Albera, Such- und Rettungskoordinatorin an Bord der Ocean Viking.
Erst am Samstag, nach einer Woche auf offenem Meer, wurde der Ocean Viking die Einfahrt in den Hafen von Pozzallo im Südosten Siziliens gewährt, der Sea Watch 3 in Trapani an der Westküste.
SOS Mediteranée, welche die Ocean Viking betreibt, fordert die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf,
die Küstenstaaten bei der Koordinierung der Ausschiffungen zu unterstützen. Von Sizilien aus wurde unterdessen auch die Festsetzung der Geo Barents von der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) aufgehoben. Das Schiff war letzten Monat von der italienischen Küstenwache unter Berufung auf technische Unregelmäßigkeiten beschlagnahmt worden. MSF sagt indes, sie seien vielmehr festgehalten worden, um sie an der Durchführung ihrer Rettungseinsätze zu hindern.
Das perfide Vorgehen der Behörden ist durchtränkt von Rassismus. Die Vorstellung, weisse Europäer*innen würden die gleiche Behandlung erfahren, wenn sie auf dem zentralen Mittelmeer in Seenot gerieten, scheint unglaubwürdig. Aufgrund dieser rassistischen Machtverhältnisse sind dieses Jahr bereits über tausend Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben gekommen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1155144.seenotrettung-hunderte-migranten-aus-dem-mittelmeer-gerettet.html
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/ocean-viking-rettungsaktion-103.html
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-08/migration-fluechtlinge-mittelmeer-hilfsorganisation-rettung
https://www.migazin.de/2021/08/03/mittelmeer-ocean-viking-sea-watch3/
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-08/seenotrettung-ocean-viking-hafen-555-gefluechtete
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1155179.seenotrettung-ueber-menschen-aus-dem-mittelmeer-gerettet.html
https://www.infomigrants.net/en/post/34101/italy-releases-geo-barents-rescue-ship
https://taz.de/Fluechtlinge-in-Seenot/!5790828/
https://sosmediterranee.com/press/press-release-ocean-viking-faces-a-new-standoff-at-sea-disembarkation-is-urgently-needed/
Was war eher gut?
Gerichtshof für Menschenrechte stoppt Abschiebung nach Afghanistan
Der Global Peace Index stufte Afghanistan 2020 wie auch schon 2019 als das gefährlichste Land weltweit ein. Trotzdem wollten österreichische Behörden den Mann am 3. August zusammen mit anderen per Sonderflug nach Kabul abschieben. Die Maschine blieb am Boden, nachdem der EGMR sich zu einer sogenannten „Rule 39-Entscheidung“ durchrang, um die drohende und nicht wiedergutzumachende Menschenrechtsverletzung in letzter Minute zu verhindern. Bis dahin behaupteten die Behörden skrupellos, dass Abgeschobenen in Afghanistan keine Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe. Diese Haltung ist nur durch Rassismus erklärbar. So klingen z.B. Reiseempfehlungen für europäische Bürger*innen ganz anders und sogar die afghanische Regierung entschied sich dazu, aufgrund der Sicherheitslage keine Abschiebungen anzunehmen.
Seit dem Truppenabzug der USA aus Afghanistan erobern die Taliban in einer brutalen Gewaltoffensive Gebiete im ganzen Lande. Die Zahl der kontrollierten Bezirke hat sich bereits von 73 auf 221 mehr als verdreifacht. Finnland, Schweden, Norwegen und die EU-Grenzschutzagentur-Frontex haben ihrerseits Abschiebungen nach Afghanistan gestoppt. In der Schweiz hält das SEM offiziell weiterhin daran fest, dass Abschiebungen nach Afghanistan problemlos seien, wenn die Abgeschobenen in Masar-I-Sharif, Kabul oder Herat Menschen kennen würden. In der Praxis haben die Behörden in den letzten vier Jahren einmal sechs Personen in einem Sonderflug abgeschoben. Mehr als überstürztes Untertauchen sind heute Aktionen gefragt, die das SEM dazu bewegen, offiziell von Abschiebungen nach Afghanistan abzusehen und sich bei den Betroffenen, die aktuell in Unsicherheit Leben müssen, zu entschuldigen.
Die SEM-Beamt*innen, die über Asylgesuche betreffend Afghanistan entscheiden, haben in der ersten Hälfte des Jahres 2021 nur gerade 14% der Asylsuchenden aus Afghanistan als „politische Flüchtlinge“ anerkannt. Das ist nur jede siebte Person, der sowohl die Flucht wie auch die lange, gefährliche und teure Reise – über Iran, Türkei, Griechenland, Balkanroute und einzelne Dublinstaaten – bis in die Schweiz gelingen. 86 Prozent dieser Personen lehnten die Behörden kalt ab. Zwei Drittel erhielten eine vorläufige Aufnahme (Ausweis F). Ein Drittel soll abgeschoben werden. Einer neueren Studie zufolge drohen den Abgeschobenen in Afghanistan Gefahren für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung. Die Flucht nach Europa wird ihnen von Aggressor*innen wie den Taliban als Verrat, Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen und bestraft. Bis auf einen Betroffenen haben alle bekannten Abgeschobenen das Land wieder verlassen oder planen dies. Zwei von ihnen haben Suizid begangen.
https://www.longwarjournal.org/archives/2021/07/nearly-half-of-afghanistans-provincial-capitals-under-threat-from-taliban.php
https://www.diakonie.de/pressemeldungen/neue-studie-zu-abgeschobenen-afghanen-diakonie-deutschland-brot-fuer-die-welt-und-diakonie-hessen-fordern-sofortigen-abschiebestopp
https://daslamm.ch/kein-plan-fuer-afghanistan-auch-die-schweiz-schickt-menschen-zurueck-in-den-buergerkrieg/
https://www.republik.ch/2021/07/22/wieso-die-schweiz-das-gefaehrlichste-land-der-welt-fuer-sicher-erklaert
https://www.migazin.de/2021/08/04/wahlkampf-bundesregierung-fuehrt-weiter-abschiebungen-nach-afghanistan-durch/
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/egmr-stoppt-rueckfuehrung-nach-afghanistan
https://beobachtungsstelle.ch/news/keine-rueckfuehrungen-nach-afghanistan/
![Und diese Umgebung soll für Rückkehrer*innen sicher sein?](https://cdn.repub.ch/s3/republik-assets/repos/republik/article-afghanistan-ausschaffungen/images/23409f61c5fdd0d7e2dadaa14f87ccedaf65cb1a.jpeg.webp?size=3500x2333&resize=1500x)
Was nun?
Petition «Armut ist kein Verbrechen» unterstützen
Aus dem Petitionstext: «Armut kann uns alle treffen. Gerade die Coronakrise hat das eindrücklich gezeigt. Das Recht auf Unterstützung in Not ist ein Grundrecht, das in unserer Verfassung verankert ist und für alle gilt. Wirklich? Über zwei Millionen Menschen ohne Schweizer Pass wohnen und arbeiten hier und bezahlen Steuern, viele von ihnen sind hier geboren oder als Kind in die Schweiz gekommen. Beziehen sie unverschuldet Sozialhilfe, können sie selbst nach vielen Jahren aus der Schweiz weggewiesen werden.»
Mit dem Inkrafttreten des neuen Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) im Januar 2019 gilt dies sogar für Menschen, die seit mehr als 15 Jahren in der Schweiz leben. Zwar hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Weisung herausgegeben, dass Sozialhilfebezug wegen der Coronasituation nicht gemäss AIG bestraft werden soll. Doch die Auslegung der Weisung liegt bei den Kantonen. Und einige haben diese Weisung bereits missachtet. Dieser Umstand führt auch dazu, dass viele Menschen aus Angst vor einer Abschiebung sich trotz einer unverschuldeten Notsituation, nicht bei den Behörden melden. Was wiederum schwerwiegende Folgen für die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen und deren Familien haben kann.
Unterstützt die Petition und macht euer Umfeld auf die Lage aufmerksam.
https://poverty-is-not-a-crime.ch
https://www.caferevolution.ch/mudza
Was steht an?
27.08.21 – 29.08.21 in Wil (SG): Solidaritätscamp für Menschen auf der Flucht
Wir wollen nicht mehr zu Hause sitzen und die schreckliche Situation der Geflüchteten in Europa mittragen. Wir wollen, dass die Menschen bei uns menschenwürdig aufgenommen werden. Denn wir haben genug Platz in der Schweiz und der gesamten EU.
Das nächste Solidaritätscamp soll im Spätsommer in Wil stattfinden, selbstverständlich wieder unter Einhaltung der Covid-19-Schutzmassnahmen.
– Weiter sind wir auch immer auf der Suche nach Menschen, welche sich dazu bereit fühlen, ihre Geschichte rund um die Flucht in die Schweiz zu erzählen und somit allen Besucher*innen des Camps einen ehrlichen Eindruck zu ermöglichen.
– Falls ihr noch weitere Ideen habt oder euch vielleicht sogar in die Organisation einbringen möchtet, meldet euch gerne bei uns!
Kollektiv «Solidaritätscamp Ostschweiz»
solicamp4moria@riseup.net | +41 77 480 79 66
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Literatur ist manchmal ein Zeugnis der Verdrängung. Unsere Autorin sucht nach Spuren der Sklaverei in der Karibik – in historischen Romanen.
https://taz.de/Schweigen-ueber-die-Kolonialgeschichte/!5784555/
https://www.ajourmag.ch/gefluechteten-lager-als-dumping-arbeitsmarkt/
Malta and the El Hiblu 3
The story of how three teenage refugees ended up being accused of terrorism in Malta.
https://www.bbc.co.uk/sounds/play/w3ct1gxn
Seenotrettung im Mittelmeer: Schiff »Ocean Viking« mit mehr als 500 Menschen an Bord auf sich allein gestellt. Ein Gespräch mit Petra Krischok.
https://www.jungewelt.de/artikel/407782.eu-abschottung-es-bleibt-die-t%C3%B6dlichste-fluchtroute.html