Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BASEL
Bundesasylzentrum Basel bleibt in Quarantäne
70 Infektionen, über 100 Personen in Quarantäne oder Isolation: Das Bundesasylzentrum auf dem Bässlergut ist de facto von der Aussenwelt abgeschnitten.
https://telebasel.ch/2021/08/06/bundesasylzentrum-basel-bleibt-in-quarantaene
+++SOLOTHURN
22 positive Fälle im Bundesasylzentrum Flumenthal: An Ausbruch ist vermutlich Verlegung schuld
Im Bundesasylzentrum in Flumenthal wurden mehrere Personen positiv auf das Coronavirus getestet. Informationen zum Ausbruch, die der Kanton nicht öffentlich machen wollte, können nun im Amtsblatt nachgelesen werden.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/flumenthal-22-positive-faelle-im-bundesasylzentrum-an-ausbruch-ist-vermutlich-verlegung-schuld-ld.2171272
+++SCHWEIZ
Kein Plan für Afghanistan: auch die Schweiz schickt Menschen zurück in den Bürgerkrieg
Die Schweiz will ausschaffen. 176 Personen warten derzeit auf eine Rückführung nach Afghanistan. Trotz der katastrophalen Lage vor Ort halten die Behörden an dem Vorhaben fest. Eine Spurensuche über die Hintergründe.
https://daslamm.ch/kein-plan-fuer-afghanistan-auch-die-schweiz-schickt-menschen-zurueck-in-den-buergerkrieg/
+++MITTELMEER
„Sea-Watch 3“ darf mit 257 Geflüchteten Sizilien anlaufen
Die Hilfsorganisation Sea-Watch darf die aus dem Mittelmeer geretteten Migranten in Italien an Land bringen. Die „Ocean Viking“ sucht dagegen noch einen Hafen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-08/sea-watch-3-migration-fluechtende-italien-seenotrettung
-> https://www.spiegel.de/ausland/sea-watch-3-darf-mit-mehr-als-250-menschen-an-bord-sizilien-anlaufen-a-7a2d0dfe-eff4-4a8a-9e15-17605980d740
42 Tote bei Untergang von Migrantenboot vor Westsaharas Küste
Beim Untergang eines Migrantenbootes vor der Küste der Westsahara sind nach Angaben spanischer Hilfsorganisationen 42 Menschen ums Leben gekommen.
https://www.nau.ch/news/ausland/42-tote-bei-untergang-von-migrantenboot-vor-westsaharas-kuste-65978046
+++EUROPA
EU beruft Sondersitzung zu illegalen Grenzübertritten aus Belarus ein
Derzeit steigenden die Migrantenzahlen an der litauischen Grenze zu Belarus stark. Die EU beruft nun eine Sondersitzung ein.
https://www.nau.ch/news/europa/eu-beruft-sondersitzung-zu-illegalen-grenzubertritten-aus-belarus-ein-65978125
-> https://www.deutschlandfunk.de/europapolitiker-lagodinsky-gruene-zu-belarus-lukaschenko.694.de.html?dram:article_id=501339
+++FREIRÄUME
Der Chessu, Wahrzeichen von Biel? (ab 06:40)
https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2021-08-06
+++GASSE
solothurnerzeitung.ch 06.08.2021
In Solothurn regt sich Widerstand gegen den Standort der Kontakt- und Anlaufstelle für suchtmittelabhängige Leute
Die Pläne der Perspektive Region Solothurn-Grenchen stossen bei den umliegendenden Geschäften auf Unverständnis. Wir haben uns umgehört.
Judith Frei
Die Coronapandemie legt die Schwachstellen der Kontakt- und Anlaufstelle für suchtmittelabhängige Leute im Adler an der Berntorstrasse offen: Die Räumlichkeiten sind zu klein, um die Hygienemassnahmen einzuhalten. Vor 15 Jahren wurden sie für 20 Personen pro Tag konzipiert, schon seit einigen Jahren kommen aber 60 bis 70 Personen pro Tag. Ausserdem hat sich die Art der Drogenkonsumation geändert. Heute werden die Drogen deutlich weniger häufig gespritzt, sondern vielmehr geraucht. Im gegenwärtigen Fumoir könnte unter den heute geltenden Distanzregeln lediglich eine bis zwei Personen Platz nehmen.
Jetzt ist die Stelle provisorisch an der Dornacherstrasse untergekommen. Damit sie wieder einen unbefristeten Standort hat, reichte die Perspektive Region Solothurn-Grenchen Anfang Juli ein Baugesuch ein: Der erste Stock des Adlers soll zum Konsumationsraum ausgebaut werden. Das Fumoir wird grösser, dafür wird es weniger Fixer-Plätze geben. Dabei soll die Kapazität die gleiche bleiben. Dagegen wurde Einsprache erhoben.
Die Räume werden durch das Alte Spital vermietet
Der Saal, ein Sitzungszimmer und Büro im ersten Stock werden seit 2014 vom Alten Spital gemietet. Die Räume werden vom Alten Spital für verschiedene Anlässe an Dritte vermietet. Ende September endet der Mietvertrag wegen der Umbaupläne. Über das Ende des Mietverhältnisses ist Betriebsleiterin Eva Gauch nicht unglücklich: «Die Raumvermietung im Adler kam nie ganz so ‹zum Fliegen› wie gewünscht.»
Die Gegebenheiten vor Ort, die Wohnungen im zweiten Stock und die Anlaufstelle im Erdgeschoss, hätten eine Nutzung wie angedacht nicht ermöglicht. Eine langfristige Weiterführung der Raumvermietung sei deshalb nicht angezeigt gewesen, jetzt wurde dem Alten Spital lediglich die Entscheidung abgenommen. «Ich bin der Meinung, dass der Adler mit der Kombination Gassenküche und Anlaufstelle eine gute und auch verträgliche Lösung ist», sagt Gauch. Es handle sich ja auch nicht um einen Ausbau, sondern um eine räumliche Optimierung, die für die Mitarbeitende zwingend nötig sei, ist sie überzeugt.
Vor der Coronapandemie wurden die Räume noch an zwei Organisationen für regelmässige Veranstaltungen vermietet: Pro Senectute und die Grauen Panther. Erstere haben schon neue Räumlichkeiten gefunden.
Die Seniorengruppe wird die Räumlichkeit vermissen
«Wir finden es schade, dass der schöne Raum zum Konsumationsraum umfunktioniert wird», sagt Irène Privé im Namen des Vorstandes der Grauen Panther. Sie haben bis anhin noch keinen neuen Raum gefunden, wo sich die rund 300 Mitglieder treffen können. Der Saal sei ideal für die Bedürfnisse der Seniorenorganisation: Er ist zentral und gut angebunden. Gleichzeitig habe es einen Lift in den Oberstock und die Einrichtung sei optimal.
Vor Corona haben sich die Senioren jeweils jede zweite Woche getroffen, dabei seien je nach Anlass 30 bis 60 Menschen gekommen. «Wir unterstützen die Einsprache. Die Konsumationsräume könnten ja durchaus in einer Wohnung in der Vorstadt eingerichtet werden», ist Privé überzeugt. Auch sie betont, wie die Einsprechenden, dass sie nur den Standort und nicht das Angebot der Perspektive hinterfragt.
Kontakt- und Anlaufstelle ja, aber nicht an der Berntorstrasse
In den umliegenden Geschäften hört man ähnliche Töne: Der Standort an der Berntorstrasse sei nicht ideal, die Gassen zu eng, zu belebt. An Notwendigkeit der Arbeit der Perspektive wird aber nicht gezweifelt.
«Natürlich waren wir nicht begeistert über die Pläne, da ein Teil der Kundschaft manchmal für eine etwas merkwürdige, teils aggressive Stimmung in der Berntorstrasse sorgt», erklärt Rolf Trechsel. Er führt das Hotel Roter Ochsen, der sich gegenüber des Adlers befindet. Es gäbe einzelne negative Erlebnisse mit den Klientinnen und Klienten, zwar nicht täglich und auch nicht wöchentlich, von ihren Gästen werden sie nur selten darauf angesprochen. Wirklich unhaltbar sei die Situation letztes Jahr gewesen, als der Konsumationsraum in ein Zelt vor dem Adler verlagert wurde. «Dass da die unmittelbaren Anwohnerinnen und Anwohner keinen Aufstand machten, hat uns erstaunt», sagt er. Trotzdem: «Manchmal gibt es lautstark ausgetragenen Streit unter den Adler-Klientinnen und -Klienten.»
Das hat auch Markus Moerler, Inhaber der Bar The Dock, beobachtet. «Ich habe das Gefühl, dass die Szene gewachsen ist.» Viele unbekannte Gesichter würde er an seiner Bar vorbeiziehen sehen. Manch eine Person würde auch beim Dock Halt machen, um zu betteln, doch würden sie eine Wegweisung meistens akzeptieren. Selten hat die Polizei alarmiert werden müssen. «Wir kennen uns ja und grüssen uns auch», sagt er über das Zusammenleben mit den Klienten des Adlers.
Besserer Standort könnte auch Befreiungsschlag für Perspektive sein
Bei Problemen habe die Kommunikation mit dem Adler auch gut funktioniert. «Ich finde aber, dass der Standort hier nicht mehr ideal ist», so Moerler. Es sei zu eng im und um’s Haus herum. «Vielleicht ist ein anderer Standort auch ein Befreiungsschlag für die Perspektive», sagt er. Gerne würde er sich mit den Beteiligten an einen Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen.
Auch für Trechsel ist es klar, dass es mittelfristig einen anderen Standort braucht. Aber: «Wir sehen gegenwärtig keine Alternative zum bestehenden Standort.» Er habe Verständnis für die nicht ganz einfache Situation, in der sich die Anlaufstelle befindet. «Die Anlaufstelle braucht es und der grössere Platzbedarf ist nachvollziehbar.»
«Ich habe die Einsprache mitunterzeichnet», erklärt Christian Küng von Johnny’s Plattenladen. Sein Laden befindet sich direkt neben der Institution. «Meiner Meinung ist der Standort falsch gewählt. Er sollte mehr peripher und mit Umschwung gewählt werden.» Für ihn ist klar, dass das Projekt nicht vorstadtverträglich ist.
Die Belastung der Bevölkerung soll durch Stelle vermindert werden
Karin Stoop, Leiterin der Perspektive, war nicht überrascht über die Einsprache. «Aber natürlich hätte ich mich gefreut, wenn diese nicht eingegangen wäre. Die Einsprecher stellen den Standort, nicht aber unsere Arbeit in Frage. Das schätzen wir sehr.» Wie sich die Einsprache auf ihr Projekt auswirken wird, wisse sie noch nicht. Der Ball liege jetzt beim Stadtbauamt.
«Der Adler ist zentral gelegen und deshalb ein guter Standort», erklärt sie weiter: «Ein zentraler Ort mit Umschwung wäre sicher noch besser. Für den Betrieb der Gassenküche und der Kontakt- und Anlaufstelle sind die Räumlichkeiten im Adler aber gut geeignet.»
Dass mit dem Umbau mehr Klientinnen und Klienten kommen, sei unwahrscheinlich. «Der Zugang zu unseren Einrichtungen ist durch den Wohnsitz der Klientinnen und Klienten geregelt.» Die regionale Zuständigkeit würde nicht ausgeweitet werden. «Die Anzahl unserer Klientinnen und Klienten bewegt sich seit mehreren Jahren auf gleichem Niveau.»
Dass in den Gassen gebettelt, gedealt wird und sich suchtkranke Menschen im öffentlichen Raum aufhalten, sei Realität. Mit dem Betrieb solcher Einrichtungen soll die Belastung der Gesellschaft reduziert werden. «Wenn wir uns die Zeiten der offenen Drogenszenen in den 1980er- und 1990er-Jahren in Erinnerung rufen, hat diese Belastung deutlich abgenommen.»
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/stadt-solothurn/kritik-in-solothurn-regt-sich-widerstand-gegen-den-standort-der-kontakt-und-anlaufstelle-fuer-suchtmittelabhaengige-leute-ld.2170788)
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Kundgebung von «Rise Up for Change»: Der Klimaprotest meldet sich auch in Bern zurück
Rund 1000 Personen demonstrieren auf dem Münsterplatz für Klimagerechtigkeit. Ursprünglich als Platzkundgebung bewilligt, dürfen die Demonstrierenden anschliessend auf die Schützenmatte ziehen.
https://www.derbund.ch/der-klimaprotest-meldet-sich-auch-in-bern-zurueck-418509267293
-> https://www.bernerzeitung.ch/demo-beginnt-mit-flashmob-auf-bundesplatz-265405190631
-> https://www.bern-ost.ch/BolligenBern—Gemeinderaetin-und-Demonstrantin-642795
-> https://twitter.com/klimastreik
-> Klimahalle: https://www.tourdelorraine.ch/klimahalle/
-> https://www.cash.ch/news/politik/klima-demo-bern-nimmt-nationalbank-ins-visier-1806454
-> https://www.watson.ch/schweiz/wirtschaft/154678554-klima-aktivisten-demonstrieren-in-bern-kritik-an-der-nationalbank
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/rise-up-for-change-1500-personen-demonstrieren-auf-dem-muensterplatz-fuers-klima-143280813
Farbe an der Credit Suisse Basel
Der Credit Suisse Standort beim Spalenberg in Basel wurde eingefärbt. Gründe dafür gibt es wohl genug, siehe die Arbeit von den Klimaaktivist*innen: riseupforchange.ch/ch-finanzplatz
In Zürich/Bern finden Aktionstage gegen den Schweizer Finanzplatz statt. Hoffentlich bringt das Bild ein Lächeln und etwas wärme in die nasse Kälte bei den Aktivist*innen vor Ort.
https://barrikade.info/article/4686
Zu Besuch auf dem Klima-Camp: «Nach der Aktion ist vor der Aktion»
Im Klima-Camp auf der Hardturmbrache plant das Bündnis «Rise Up For Change» Aktionen, malt Transparente und bildet sich weiter. Weshalb das in grünem Rauch und bunten Zettelchen mündet? Ein Augenschein vor Ort.
https://tsri.ch/zh/zu-besuch-auf-dem-klima-camp-nach-der-aktion-ist-vor-der-aktion/
+++POLICE BE
Kanton Bern: Pilotversuch mit Beweissicherungskameras startet
Am kommenden Wochenende beginnt der Pilotversuch der Kantonspolizei Bern mit Beweissicherungskameras, die am Körper getragen werden. Die Kameras sollen zur noch besseren Dokumentation von Straftaten beitragen. Die Aufnahme wird dann gestartet, wenn die Begehung einer Straftat unmittelbar bevorsteht oder eine solche bereits begangen worden ist. Präventive Einsätze der Kameras sind nicht Teil des Anwendungsbereichs.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=5093639e-9323-4531-9a4c-c0211244dd0c
-> https://www.derbund.ch/berner-kantonspolizei-startet-pilotversuch-mit-bodycams-728914485841
-> https://www.bernerzeitung.ch/berner-kantonspolizei-startet-pilotversuch-mit-bodycams-540529119287
-> https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/pilotversuch-mit-beweissicherungskameras-startet
-> https://www.20min.ch/story/kapo-bern-schaltet-die-bodycams-ein-111064775526
+++RECHTSPOPULISMUS
Die Zerstörungsmaschine
Der grösste Medienkonzern der Schweiz geht gegen Ex-Politikerin und Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin vor, sie wird mit allen Mitteln diskreditiert. Was sagt das über den Zustand des Schweizer Journalismus?
https://www.republik.ch/2021/08/06/die-zerstoerungs-maschine
+++RECHTSEXTREMISMUS
Der neue alte Frauenhass der extremen Rechten
Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem der Rechtsextremismus weltweit erstarkt ist, unterschätzen wir immer noch die offensichtliche Frauenfeindlichkeit der extremen Rechten.
https://www.derstandard.at/story/2000128715814/der-neue-alte-frauenhass-der-extremen-rechten?ref=article
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
bernerzeitung.ch 06.08.2021
Corona-Demo in Thun: Massnahmen-Gegner rufen zur Kundgebung auf
Auf Facebook kursiert ein Aufruf zu einer Corona-Demonstration in Thun. Diese soll am Samstag stattfinden.
Verschiedenen Posts auf Facebook, die zurzeit kursieren, ist zu entnehmen, dass am Samstag, 7. August, eine Demonstration gegen die Corona-Massnahmen stattfinden soll. Der Treffpunkt innerhalb der Stadt Thun variiert – so ist etwa vom englischen Garten rund um das Schloss Schadau, aber auch vom Rathausplatz die Rede. Um 14 Uhr soll die Aktion starten.
Die Stadt Thun verweist auf die Kantonspolizei Bern und nimmt keine Stellung zu der geplanten Demo. Bei der Kapo habe man Kenntnis von der geplanten Kundgebung, sagt Mediensprecherin Lena Zurbuchen auf Anfrage. «Wir beurteilen die Lage laufend», sagt sie. Weiter äussere sich die Kantonspolizei Bern aber nicht dazu, auch nicht zum Dispositiv, das vor Ort sein wird. Bewilligt ist die Demonstration indes nicht.
(https://www.bernerzeitung.ch/massnahmen-gegner-rufen-zur-kundgebung-auf-235981228358)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-skeptiker-wollen-in-thun-be-demonstrieren-65976557
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Corona-Verharmloser, Impfgegner und Gates-Verschwörer schauen besonders gerne Servus TV
Eine Studie zeigt, bei welchen Sendern sich Verschwörungstheoretiker und Maßnahmenkritiker wohlfühlen. Große Unterschiede zwischen Servus TV und ORF
https://www.derstandard.at/story/2000128742720/servus-tv-heimat-der-corona-verharmloser-und-impfskeptiker?ref=rss
Nach Hasstiraden gegen Ex-Bundestagsabgeordneten: Volker Beck gewinnt vor Gericht gegen Attila Hildmann
Wegen übler Beleidigungen in der Messenger-App Telegram hat das Landgericht Berlin ein Urteil gegen Attila Hildmann erlassen. Der von ihm geschmähte Volker Beck sagt: »Bei Wiedereinreise könnte es für ihn teuer werden.«
https://www.spiegel.de/netzwelt/attila-hildmann-landgericht-berlin-volker-beck-gewinnt-gegen-attila-hildmann-a-8daf0e84-6a4d-48c1-8a9b-939c540915b1
-> https://www.tagesspiegel.de/berlin/naechste-niederlage-fuer-antisemiten-attila-hildmann-erneut-verurteilt/27490790.html
-> https://www.spiegel.de/netzwelt/attila-hildmann-landgericht-berlin-volker-beck-gewinnt-gegen-attila-hildmann-a-8daf0e84-6a4d-48c1-8a9b-939c540915b1?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph
Querdenker im Kampfmodus
Die Querdenker haben sich in ihrem Kampf gegen eine angebliche Corona-Diktatur radikalisiert. Sie träumen vom Umsturz, später wollen sie die Bundeskanzlerin vor ein Kriegsverbrechertribunal bringen. Das soll eine Gruppe von ehemaligen Bundeswehrsoldaten und Ex-Polizisten erledigen, die sich als Freiheitskämpfer sehen: Sie werden angeführt von einem ehemaligen Oberst des Kommando Spezialkräfte (KSK). Ihre Einsatzfähigkeit hat die Gruppe nach der Flut in Ahrweiler erprobt.
https://www.ardmediathek.de/video/kontraste/querdenker-im-kampfmodus/das-erste/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUva29udHJhc3RlLzIwMjEtMDgtMDVUMjE6NDU6MDBfMjcxMzVhZTItYmQ4Mi00YWJlLWFjYTctMjhjMzU5NmNhZTkzL3F1ZXJkZW5rZXItaW0ta2FtcGZtb2R1cw/
Kritik an Massnahmen: Polizisten stellen sich bei Corona-Befehlen quer
Massnahmenkritiker in den Polizeikorps mahnen: Sollten zukünftige Corona-Massnahmen «den Interessen der Allgemeinheit zuwiderlaufen», seien viele nicht mehr gewillt, diese durchzusetzen.
https://www.20min.ch/story/polizisten-stellen-sich-bei-corona-befehlen-quer-856383349013
-> https://www.blick.ch/schweiz/wegen-unverhaeltnismaessigkeit-polizisten-rebellieren-gegen-corona-massnahmen-id16731303.html
Beanstandungen gegen Barbara Lüthis Sendung: Skeptiker-«Club» wird Fall für die Ombudsstelle
Der «Club» vom vergangenen Dienstag schlägt weiterhin Wellen. Nun muss sich die Ombudsstelle mit der Sendung beschäftigen.
https://www.blick.ch/people-tv/tv/beanstandungen-gegen-barbara-luethis-sendung-skeptiker-club-wird-fall-fuer-die-ombudsstelle-id16731814.html
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derbund.ch 06.08.2021
Debatte über «False Balance»Mit Corona-Skeptikern reden – aber wie?
Nach einer «Club»-Sendung wird der Vorwurf laut, das SRF räume Aussenseiterpositionen zu viel Platz ein. Ein Kommunikationsexperte sieht das Problem eher beim Moderationsduo.
Jacqueline Büchi
Der Basler Neurowissenschaftler Dominique de Quervain hatte genug gesehen. «Bald wird im SRF diskutiert, ob die Erde rund ist», twitterte er, nachdem sich die Talksendung «Club» am Dienstagabend dem Thema «Corona und die Kritikerinnen und Kritiker» gewidmet hatte.
Er war nicht der Einzige, der sich an der Gästeliste der Sendung störte. Rasch wurde der Vorwurf der «False Balance» laut: Davon spricht man, wenn einer krassen Aussenseitermeinung so viel Raum gegeben wird, dass der Eindruck von Uneinigkeit entsteht, obwohl es in Tat und Wahrheit einen wissenschaftlichen Konsens gibt.
Die beiden Moderatoren Barbara Lüthi und Sandro Brotz hatten drei Gäste ins Studio eingeladen, die den Corona-Massnahmen kritisch bis radikal ablehnend gegenüberstehen: Michael Bubendorf vom Verein Freunde der Verfassung, die Primarlehrerin Prisca Würgler und der TV-Journalist Reto Brennwald, der einen Dokfilm zum Thema gedreht hat und sich selber als «Massnahmenskeptiker» bezeichnet.
Auf der Seite der Befürworter nahmen der Basler Infektiologe Manuel Battegay sowie der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) Platz. (Hier geht es zu unserer Sendungskritik)
Ist der Vorwurf der False Balance gerechtfertigt? Oder war es im Gegenteil wertvoll, dass die Moderatoren versuchten, «Brücken zu schlagen», wie es ihr Anspruch an die Sendung war?
Es gibt Studien und Studien
Kritisch äussert sich die Historikerin Ariane Tanner: «Wenn man drei Corona-Skeptiker einem Infektiologen und einem Politiker gegenüberstellt, ist man bereits in die Falle der False Balance getappt.» Eine solche Konstellation bilde die realen Verhältnisse nicht ab. «Ganz zu schweigen von den qualitativen Unterschieden: Die Aussagen des Infektiologen basieren auf jahrelanger Forschung und empirischen Daten – was man von jenen einer maskenverweigernden Lehrerin nicht behaupten kann.»
Auch der Kommunikationswissenschaftler Marko Ković findet, die SRF-Sendung sei «ziemlich in die Hose gegangen». Für ihn greift es jedoch zu kurz, das Experiment mit Verweis auf die False Balance für gescheitert zu erklären. Er plädiert dafür, zwischen der wissenschaftlichen und der gesellschaftlichen Dimension der Debatte zu unterscheiden.
Massnahmenkritiker Bubendorf sagte vor laufenden Kameras, es gebe gleich viele Studien, welche die Wirkung der Massnahmen belegen, wie solche, die zu einem anderen Schluss kommen. Dies sei schlicht und ergreifend falsch, betonen sowohl Tanner als auch Ković.
Zu unterscheiden sei zwischen Studien, die «peer reviewed» sind, also von anderen Wissenschaftlern überprüft wurden, und solchen, die dieses Kriterium nicht erfüllen. Diese Einordnung sei in der medialen Debatte entscheidend, sagt Ković. «Die Moderatoren müssen sich entsprechend vorbereiten.» Es gebe eine starke Evidenz, dass Massnahmen gegen die Virusausbreitung wirken.
«Konsens» kein Totschlagargument
Ković, der sich lange in einem Verein für kritisches Denken in der Wissenschaft engagiert hat, hält gleichzeitig fest, dass der «wissenschaftliche Konsens» kein Totschlagargument sei. «Forschung ist ja per Definition ein Konkurrenzkampf: Jeder will zeigen, dass der andere unrecht hat.»
So komme es immer wieder vor, dass eine gängige Position widerlegt wird. «Bei Corona gibt es dafür ein gutes Beispiel: Am Anfang glaubten nur wenige Forscherinnen und Forscher, dass Aerosole, also kleinste Tröpfchen, bei der Übertragung eine Rolle spielen. Und je mehr man forschte, desto mehr Beweise fand man dafür – inzwischen wurde die Minderheits- zur Mehrheitsmeinung.» Für einen Paradigmenwechsel brauche es aber gute Belege. «Es reicht nicht, zu rufen: Ich bin der neue Galileo Galilei!»
Freilich ist es für Journalistinnen und Journalisten sowie für die Leserschaft anspruchsvoll bis unmöglich, die verschiedenen Belege in nützlicher Frist gegeneinander aufzuwiegen – gerade in einer Talkshow im TV. Das will auch Ković nicht wegdiskutieren. «Wir stecken hier in einem Dilemma, das nur schwer aufzulösen ist.»
Menschenverachtende Aussage
Zur gesellschaftlichen Dimension der Debatte gehört etwa die Frage, wie hoch die persönliche Freiheit im Vergleich zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewichten ist.
Ković verweist darauf, dass die Massnahmenkritiker in der Schweiz eine referendumsfähige Kraft sind. Im November stimmt die Schweiz zum zweiten Mal über das Covid-Gesetz ab, nachdem die Freunde der Verfassung fast dreimal so viele Unterschriften dagegen gesammelt haben wie nötig. «Ihre Positionen einfach auszublenden, wäre daher weder zielführend noch wünschenswert.»
Doch was, wenn Aussagen verbreitet werden, die menschenverachtende Züge annehmen? Michael Bubendorf von den Freunden der Verfassung sagte im «Club», dass er die Massnahmen selbst dann noch ablehnen würde, wenn 80 Prozent der Erkrankten an Corona sterben würden.
Für Historikerin Ariane Tanner ist klar: «Eine solche Aussage hat in einer Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nichts zu suchen.» Wenn SRF einem Gast wie Bubendorf schon eine Plattform gebe, müsse das Moderationsduo hier zwingend einschreiten und die «sozialdarwinistische Aussage» als solche benennen. «Fehlt diese Einordnung, dann erfüllt der Journalismus seine Informationsaufgabe nicht.» Der Umstand, dass solche Ansichten medial ungefiltert verbreitet wurden, habe das Zustandekommen des Covid-Referendums befördert, glaubt Tanner.
Ković stellt sich ebenfalls auf den Standpunkt, die Moderatoren hätten in dieser Situation deutlich zu zahm reagiert. Er sagt aber auch: «Problematische Sichtweisen verschwinden nicht, wenn wir sie in den Echokammern des Internets lassen.»
(https://www.derbund.ch/sollen-medien-ueberhaupt-mit-corona-skeptikern-reden-432790590781)
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nzz.ch 06.08.2021
Volksinitiative mit schweren Nebenwirkungen: Die Corona-Pandemie wird zur perfekten Welle für radikale Impfgegner
Corona hat Kritikern der Schulmedizin zu einer Plattform verholfen, wie sie sie schon seit Jahren nicht mehr hatten. Gelingt es ihnen, verunsicherte Bürger auf ihre Seite zu ziehen, kann es gefährlich werden. Dabei geht es um weit mehr als um die gegenwärtige Pandemie.
Erich Aschwanden, Daniel Gerny
«Immunsystem contra Impfungen» – was hilft besser gegen das Coronavirus? Mit dieser sonderbaren Frage muss sich der Nationalrat voraussichtlich schon in der Herbstsession befassen. Gestellt hat sie die Luzerner SVP-Parlamentarierin Yvette Estermann in einem Postulat im Juni 2020. Lange bevor die Vakzine gegen Corona entwickelt waren, stand für Estermann fest, dass eine Impfung weniger gut wirkt als die natürlichen Abwehrkräfte jedes Einzelnen. «Die Statistiken zeigen ganz klar, dass die Leute, die ein intaktes und starkes Immunsystem haben, von diesem Virus keinerlei Schaden genommen haben», argumentiert sie in ihrem Vorstoss – obwohl dies mitnichten zutrifft.
Dass ausgerechnet Estermann diese Errungenschaft der modernen Medizin infrage stellt, ist kein Zufall. Die Luzernerin ist seit Jahren in der impfkritischen Szene aktiv und gehört fast ebenso lange zur politischen Speerspitze auf diesem Gebiet. Estermann war 2012 Teil einer Handvoll von Nationalrätinnen und Nationalräten, die das Epidemiengesetz in der Schlussabstimmung verwarfen. Danach kämpfte sie im Referendumskampf Seite an Seite mit dem prominentesten Impfgegner der Schweiz, dem Naturheiler Daniel Trappitsch, gegen das Gesetz.
Angriff auf die wissenschaftliche Medizin
Nun beginnt die nächste Phase in diesem Seilziehen. Estermanns Postulat bildet dabei nur die Begleitmusik. Corona bietet für Impfgegnerinnen und Impfgegner die perfekte Gelegenheit, den alten Kampf nach Jahren wieder auf breiter Ebene zu beleben. Mittel dazu ist eine Volksinitiative, die sich direkt gegen die Impfung und gegen die wissenschaftliche Medizin wendet und die Bekämpfung von Pandemien künftig erschweren würde.
Für das Volksbegehren unter dem Titel «Stopp Impfpflicht» sind bereits rund 85 000 Unterschriften gesammelt worden. An vorderster Front dabei bei diesem Kampf: Estermann. Dass sich eine Homöopathin auf diesem Gebiet engagiert, ist nicht aussergewöhnlich. Bemerkenswert dagegen ist, dass sich eine aktive Politikerin für eine Initiative einsetzt, deren Komitee von deklarierten Impfgegnern durchsetzt ist. Auch Trappitsch ist mit im Zug.
Dabei klingt der erste Satz des Volksbegehrens unverfänglich, ja er bestätigt ein bereits heute unbestrittenes Recht: «Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit einer Person bedürfen deren Zustimmung.» Doch die Forderung im zweiten Satz, wonach einer Person aufgrund der Verweigerung der Zustimmung keine sozialen und beruflichen Nachteile erwachsen dürfen, hat es in sich. Denn entgegen dem Titel der Initiative wird damit längst nicht nur eine – schon heute nicht existierende – Impfpflicht gestoppt.
Blutalkoholtests infrage gestellt
Wie weitreichend die Initiative ist, verrät der Wortlaut: Selbst die Zulässigkeit von Blutalkoholtests nach Verkehrsunfällen oder DNA-Proben bei der Verbrechensbekämpfung wären danach künftig ohne Zustimmung der Betroffenen fraglich. Das erklärt Lorenz Langer, Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich, der sich intensiv mit dem Impfrecht auseinandersetzt. Doch so unsinnig eine solche Verfassungsbestimmung wäre: Für die öffentliche Gesundheit wäre diese Folge nicht einmal zentral.
De facto würden durch eine Annahme aber ganze Teile des Epidemiengesetzes unterminiert. Betroffen wäre nicht nicht nur Corona. Impfobligatorien für bestimmte Personengruppen würden verunmöglicht, selbst wenn die Schweiz von einer weitaus gefährlicheren Epidemie betroffen wäre. Pflegeheime oder Spitäler dürften ihre eine Impfung ablehnenden Angestellten gemäss Wortlaut nicht mehr gegen deren Willen auf Abteilungen ohne Patientenkontakt verschieben und eine Anstellung nicht von Impfungen abhängig machen – ein schwerer Eingriff in die Handlungsfreiheit medizinischer Institutionen.
Konzepte wie das Corona-Zertifikat würden erst recht ausgeschlossen, und zwar auch für Private. Ein Wirt oder eine Privatschule, die den Zutritt von einer Corona- oder Masernimpfung abhängig machen wollten, würden künftig gegen den Verfassungstext verstossen. Selbst Rachenabstriche oder vergleichbare Tests dürften nicht mehr verbindlich angeordnet werden, erklärt Langer. Das Problem der Initiative sei, dass sie ausserordentlich weit gefasst, aber sehr explizit sei: «Wie mit einer Schrotflinte wird alles ins Visier genommen, was nicht zur eigenen Ideologie passt.»
Virus wird geleugnet oder verharmlost
«Die Corona-Pandemie hat eine neue Welle der Impfkritik ausgelöst. Die Folgen der gegenwärtig laufenden Diskussion werden uns noch jahrelang beschäftigen», konstatiert der Medizinhistoriker Flurin Condrau. Einer der Haupttreiber seien Homöopathen und Naturheilpraktiker, also Leute wie Trappitsch und Estermann. Ausserdem hätten Firmen, die im Bereich der Alternativmedizin tätig seien, handfeste finanzielle Interessen an Skepsis gegenüber der wissenschaftlichen Medizin.
Gemäss Condrau gehen impfkritische Ärztinnen und Ärzte von einem anderen Verständnis aus, das sie mit ihren Patienten teilen würden. Viele Naturheiler stellten nicht die Krankheit in den Mittelpunkt, sondern sprächen ganz allgemein von der Gesundheit – beispielsweise nach dem Motto: «Wenn man gesund lebt und sein Immunsystem stärkt, kann einem dieses Virus nichts anhaben.»
Condrau teilt diese Auffassung keineswegs, kann aber verstehen, dass sie angesichts der Unsicherheit während der Pandemie vor allem bei Leuten auf Anklang stösst, die ohnehin nicht viel von der wissenschaftlichen Medizin halten. Diese Vorbehalte dürfe man nicht einfach als «unwissenschaftlich» oder «esoterisch» abschmettern. Er wirft den Vertretern der modernen Medizin eine gewisse Arroganz vor. Sie würden auf die Wirksamkeit der neuen Impfstoffe verweisen und meinten, damit sei es getan.
Ähnlich argumentiert der Basler Infektiologe Philip Tarr. Der Chefarzt am Baselbieter Kantonsspital untersucht im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 74 die Gründe für die Skepsis gegenüber der Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs. Ausserdem erforscht er, welches die Beweggründe für Eltern sind, ihre Kinder nicht impfen zu lassen. Gesundheitsbehörden und gewisse Ärzte hätten Schwierigkeiten, mit Patienten umzugehen, die eine aktive, eigenverantwortliche Rolle bei Entscheiden hinsichtlich ihrer Gesundheit übernehmen wollten, sagt Tarr.
Er habe sich mit vielen Patienten und ihrem Umfeld unterhalten. Dabei stelle er fest, dass sich viele impfkritisch eingestellte Menschen von der Medizin nicht ernst genommen fühlten, wenn sie über ihre Ängste sprächen. Während es in vielen Bereichen der Medizin normal geworden sei, gemeinsam mit den Patienten über mögliche Behandlungen zu entscheiden, lande man bei einer zögerlichen Haltung gegenüber einer Impfung rasch im Lager der Verschwörungstheoretiker. «Wir Ärztinnen und Ärzte müssen den Leuten stattdessen besser zuhören», sagt Tarr.
Condrau wirft in diesem Kontext auch dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) Versäumnisse vor. «Das BAG hat zu Beginn der Krise leider nicht thematisiert, welche Rolle das Immunsystem spielt, und die berechtigten Fragen in diesem Zusammenhang nicht beantwortet.» Dabei hätte es durchaus Anknüpfungspunkte gegeben. «Man hätte das Bespiel von Sportlern bringen können, die schwer erkrankten und monatelang ausfielen, obwohl sie vor der Ansteckung vollständig gesund und austrainiert waren.»
Die Position von Estermann – Immunsystem statt Impfung – hält er für vollkommen falsch, da die Impfung der grösstmögliche Boost des Immunsystems sei und damit keinen Widerspruch darstelle. Nur dank dem wissenschaftlichen Verständnis der Funktionsweise des Immunsystems liessen sich Impfungen wissenschaftlich erforschen, entwickeln und in der Zulassung begleiten. Dies müsse man den Skeptikern vermitteln.
Tarr erachtete es dabei als zwingend, Komplementär- und Alternativmediziner in künftige Impf- und Kommunikationsstrategien einzubeziehen. Er hat mit unzähligen von ihnen gesprochen und dabei ein «überraschend positives Bild» von ihrer Arbeit gewonnen: «Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass alle den Impfungen skeptisch oder gar ablehnend gegenüberstehen.»
Viele von ihnen besprächen Impfstoffe in einer für ihre Patienten nicht bedrohlichen Weise und würden die individuellen Informationsbedürfnisse und Anliegen gut berücksichtigen. In Europa nehmen zwischen 25 und 35 Prozent der Bevölkerung alternativ- und komplementärmedizinische Angebote in Anspruch.
Condrau ist trotz allem Verständnis skeptischer: «Ich warne davor, die Wirksamkeit von Aufklärungskampagnen und Gesprächen zu überschätzen», sagt der Historiker. «Es hat sich gezeigt, dass Corona die erste Social-Media-Pandemie ist. Grosse Teile der impfskeptischen Szene sind nur auf ihren Kanälen unterwegs und für Aufklärungskampagnen und wissenschaftliche Fakten gar nicht mehr erreichbar.» Das gelte insbesondere für Kreise, die zu Verschwörungstheorien neigten. Dieses Phänomen werde sich bei künftigen Krisen wohl regelmässig zeigen und den Behörden noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.
So ist Corona für die Gemeinde der Impfgegner zur grossen Chance geworden – zur perfekten Welle. Wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass der «Stopp Impfpflicht»-Initiative zugestimmt wird, lässt sich schwer vorhersagen. Ausgeschlossen ist es nicht: Das Referendum gegen das Epidemiengesetz hatte in unbelasteter Zeit bei vierzig Prozent der Stimmenden und in vier Kantonen Erfolg. Ausserdem dürfte der sehr allgemeine Initiativtext auch viele Leute ansprechen, die mit Impfgegnern nichts am Hut haben.
Selbstverständlichkeit wird hinterfragt
Doch eine Annahme würde für die Schweiz einen Rückschritt ins 19. Jahrhundert bedeuten – als Impfungen schon einmal mit irrationalen Argumenten der Kampf angesagt wurde. Es sei bemerkenswert, so der Jurist Langer, mit welcher Selbstverständlichkeit die Ergebnisse der Impfforschung in breiten Kreisen infrage gestellt würden – «in einer Weise, wie dies bei Klimafragen völlig inakzeptabel wäre».
Dabei erklärt der Bündner Homöopath Manuel Padrutt, ein weiteres Mitglied des Initiativkomitees, ganz offen, dass der Preis für diese befremdliche Weltanschauung kein anderer wäre als das eigene Leben: Der beste Schutz sei nicht eine Impfung, sondern ein intaktes Immunsystem, behauptet auch er: «Dieser Weg führt uns auch in die Sterblichkeit, der aber doch um einiges gesünder für die Menschheit ist, körperlich, seelisch, geistig wie auch spirituell.»
(https://www.nzz.ch/schweiz/corona-impfskeptiker-nutzen-pandemie-fuer-weitgehende-initiative-ld.1638653)