Medienspiegel 29. Juli 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BASEL
„!BREAKING! Die Lagerleitung des #Bundesasyllager #Bässlergut #Camp50 hat heute mitgeteilt, dass das Lager unter Quarantäne gestellt wird. Es soll eine 10-tägige Ausgangssperre geben. Mehr Infos folgen…„
(https://twitter.com/3rosen/status/1420731848767033351)


(FB 3 Rosen gegen Grenzen)
‼WIR RUFEN ALLE MIGRANTINNEN UND ALLE FREUNDINNEN ZUR SOLIDARITÄT AUF‼

HEUTE WURDE DAS BUNDESASYLLAGER CAMP 50 BASEL ABGERIEGELT!

Als Grund wird Corona angegeben. Das Staatssekretariat bringt Geflüchtete seit Jahren in beengten Lagern unter, anstatt dass sie menschenwürdig in Wohnungen leben könnten. Im Camp 50 schlafen bis zu 8 Personen pro Zimmer. Es gibt für über 100 Menschen nur einen Essraum. Es gibt keine ausreichende Gesundheitsversorgung im Lager, das Essen ist ungesund und die Psyche der Menschen wird durch die Campmauern, die herablassende und gewaltvolle Behandlung und die ständige Unsicherheit über die Zukunft schwer belastet. Und wenn dann Menschen krank werden, schliesst das SEM die Menschen gänzlich ein. Das können wir nicht hinnehmen.

Lager SCHLIESSEN – nicht ABschliessen!

#NoLager #GegenLager #noborders

Aus dem Lager schreiben uns die betroffenen Menschen:

Wir akzeptieren die unmenschliche Bedingungen für Flüchtlinge nicht!

Die Lagerleitung, die im Basler Lager Nr. 50 mehr als 100 Flüchtlinge gewaltsam aus ihren Zimmern entfernte, hat heute mitgeteilt, dass das Lager unter Quarantäne gestellt wird. Da alle Immigranten aus ihren Zimmern entfernt werden, werden die Immigranten aufgrund der Ausgangssperre welche 10 Tage dauern wird, im Lager eingesperrt, wo die Hygienebedingungen ohnehin schon schlecht sind, und das noch in Zimmern mit 8 Personen! Als Grund wurde die Corona Ansteckung einiger Menschen erklärt.

Natürlich wissen wir, dass ernsthafte Massnahmen gegen Corona notwendig sind, aber diese Verbote dienen nicht dem Schutz der Gesundheit der im Lager verbleibenden MigrantInnen, sondern um die MigrantInnen von der Gesellschaft zu isolieren, die Überführungsprozesse zu verzögern und um sie einzusperren und so psychisch zu zermürben!  Ein De-facto-Gefängnis wird geschaffen.

Wir fordern, dass die Lagerleitung so schnell wie möglich gesunde und menschliche Entscheidungen trifft.
Wir werden die Methode der Bestrafung unter dem Namen Quarantäne nicht akzeptieren.

ANFRAGEN
1-Beschaffung von Hygienematerialien und Öffnung des Weges zur individuellen Reinigung, Zugänglichkeit von Hygienematerialien in Gemeinschaftsräumen (Desinfektionsmittel, Masken, Feuchttücher, Servietten, Handschuhe)
 2-Erreichbare Sozialarbeiter, um falsche und unvollständige Informationen durch Securitas und ORS zu verhindern und den Grundsatz der Transparenz zu gewährleisten.
3- Den Covid-Managementprozess auf vernünftigere Weise durchführen, anstatt die Autorität über das Lager zu erhöhen und zu unterdrücken  (rechtzeitige Tests und Impfungen)
4-Ordnen der Zugangszeiten zum Camp und zu den Zimmern (den Raum zwischen 8 – 11 Uhr nicht betreten zu können)
 5- Durchführung des Camps, das für Kinder und Familien sehr schwierig ist, in einer geeigneten Umgebung, in der die Psychologie der Kinder nicht beeinträchtigt wird.

Die MigrantInnen von Bundesasylzentrum_Basel (50. Kamp)
(https://www.facebook.com/101224781613505/photos/a.133181428417840/357437802658867/)


+++DEUTSCHLAND
AnkER-Zentren: Drei Jahre Isolation und Ausgrenzung von Asylsuchenden
Vor drei Jahren wurden in Bayern die ersten AnkER-Zentren eröffnet. Doch das Konzept ist gescheitert, die Befürchtungen haben sich bestätigt: AnkER-Zentren sind Orte der Isolation. Ein breites Bündnis fordert mit Blick auf die Bundestagswahl die Abschaffung der Lager und eine neue Art der Aufnahmepolitik.
https://www.proasyl.de/news/anker-zentren-drei-jahre-isolation-und-ausgrenzung-von-asylsuchenden/


Menschenrechte: Asylbewerbern droht laut Gericht „unmenschliche Behandlung“ in Italien
Asylsuchende, die über Italien einreisen, dürfen nicht ohne Weiteres dahin zurückgeschickt werden. Es drohe extreme materielle Not, urteilt ein Oberverwaltungsgericht.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-07/asyl-flucht-menschenrechte-italien-rueckreise-verwaltungsgericht
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gerichtsurteil-deutschland-darf-gefluechtete-nicht-nach-italien-zurueckschicken-a-de64d85e-c609-45d2-bda6-850fba42241a?utm_source=dlvr.it&utm_medium=[facebook]&utm_campaign=[spontop]#ref=rss


+++LITAUEN
Neuer Migrations-Hotspot – Tausende erreichen Litauen von Belarus aus
Dort hatte Machthaber Lukaschenko gedroht, die Migranten passieren zu lassen. Nun gibt es Unterstützung aus europäischen Ländern – auch aus Österreich
https://www.derstandard.at/story/2000128562669/neuer-migrations-hotspot-tausende-erreichen-litauen-von-belarus-aus?ref=rss


+++BALKANROUTE
nzz.ch 29.07.2021

Mehr Grenzübertritte und die Angst vor einer neuen Flüchtlingswelle: Auf der Balkanroute gibt es wieder Bewegung

Ihre ausweglose Lage lässt feststeckende Migranten alles unternehmen, um nach Westen zu gelangen. Die Verlagerung der Routen führt zu Spannungen – auch zwischen Ungarn und Österreich.

Ivo Mijnssen, Spielfeld

Wenn in Österreich die Flüchtlingszahlen steigen, wird rasch das Gespenst von 2015 beschworen. Zum Symbol der verzweifelten Versuche, den Andrang unter Kontrolle zu bringen, wurde damals Spielfeld in der Steiermark: 180 000 Männer, Frauen und Kinder strömten während der Flüchtlingskrise innert weniger Monate über den Grenzübergang.

Erst 2016 stand für die Kanalisierung das «Grenzmanagement» zur Verfügung – ein zentrales Tor mit Zäunen, die sich links und rechts davon über mehrere Kilometer entlang der Grenze zu Slowenien erstreckten. «Türl mit Seitenteilen» nannte es der ehemalige Bundeskanzler Werner Faymann, weil er den Vergleich mit dem berüchtigten ungarischen Grenzzaun scheute.

Gespenstische Leere

Fünf Jahre später sind die Zaunpfähle leicht angerostet, doch in den Grosszelten am Grenzübergang steht weiterhin eine Infrastruktur für die Abfertigung von 2000 Personen pro Tag zur Verfügung. Laut dem Chefinspektor Fritz Grundnig von der Landespolizeidirektion Steiermark kann sie innert weniger Stunden hochgefahren werden, «wenn es brenzlig wird». Mehrere zehntausend Euro kostet der Unterhalt monatlich. Doch die Container mit den Computern, Druckern, Fingerabdruck-Scannern und «Doku-Boxen» zur Überprüfung der Papiere sind gespenstisch leer.

«Wir verzeichnen hier vielleicht zehn illegale Übertritte pro Tag», schätzt Grundnig, «in Spielfeld wird streng kontrolliert, das umliegende Gelände ist unwegsam, und der Grenzfluss Mur schwer zu überwinden.» Ganz im Gegensatz dazu herrscht im Burgenland Alarmstimmung: Entlang der flachen Ostgrenze zu Ungarn gibt es täglichbis zu 100 Aufgriffe; dieses Jahr waren es bereits 5000. Das ist ein Drittel der Gesamtzahl für Österreich, womit nach sechs Monaten fast so viele Migranten versuchten, unentdeckt ins Land zu gelangen, wie 2020 insgesamt.

Die Entwicklung spiegelt die zunehmende Aktivität auf der sogenannten Westbalkanroute. Diese stellte während der Flüchtlingskrise den Hauptweg in Richtung Deutschland dar, bevor sie durch den Migrationspakt zwischen der EU und der Türkei im März 2016 weitgehend geschlossen wurde. Seit 2019 steigen die Zahlen, von einem sehr tiefen Niveau ausgehend, wieder an. Zwischen Januar und Juni waren es 18 604 Menschen, die laut Frontex zwischen Griechenland und Österreich unterwegs waren, im Vergleich zu knapp 27 000 im Gesamtjahr 2020. Damals bremste die Corona-Pandemie das Wachstum.

Experten weisen darauf hin, dass die Zunahme weniger auf zusätzliche Überfahrten aus der Türkei als auf die Perspektivlosigkeit entlang der Route zurückzuführen ist. Die geschätzt 100 000 bis 120 000 festsitzenden Geflüchteten unternehmen offensichtlich alles, um den Elendslagern auf den Ägäisinseln und in Bosnien zu entkommen. Dies spielt den Schleppern in die Hände, deren Geschäft floriert.

Verschiebung der Routen

Die Verschärfungen der Abwehrmassnahmen an einigen Abschnitten führen offenkundig zu einer Verschiebung der Routen. So machen die gut dokumentierten gewalttätigen Pushbacks an der Grenze zwischen Kroatien und Bosnien diese über Spielfeld führende Route in Richtung Österreich und Deutschland unattraktiver.

Der etwas östlicher verlaufende Weg über Serbien, an dem Ungarn 2015 seinen Grenzzaun baute, besitzt weiterhin eine gewisse Bedeutung; erst jüngst kam es laut Meldungen aus Budapest erneut zu einem Angriff auf den Zaun durch eine kleine Gruppe von Migranten. Medien berichten auch über Schlepper-Tunnels darunter. Neu ist jedoch, dass die illegale Einreise seit letztem Jahr verstärkt über die rumänische Stadt Timisoara erfolgt, wo die ungarische Grenze nicht befestigt ist.

Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» hat in einer Reportage geschildert, wie bereitwillig die serbischen Behörden die jungen Männer aus Afghanistan, aber auch aus Pakistan, Syrien und dem Maghreb weiterreisen lassen und wie wenig Rumänien tun kann, um sie festzuhalten. Andere Medien schreiben, Schlepper verlangten für die Passage durch Ungarn nach Österreich zwischen 4000 und 5000 Euro.

Unruhe in Österreich

Die Entwicklungen sorgen in Österreich für Unruhe. Die Regierung will die Zahl der an der Grenze eingesetzten Soldaten um 400 auf 1400 erhöhen, um verstärkt gegen illegale Migration und Schlepper vorzugehen. Angesichts der immer noch tiefen Zahlen ist man zwar versucht, die Auftritte von Innenminister Karl Nehammer vor Militäreinheiten und gepanzerten Polizeiwagen als Sommerlochinszenierung abzutun; schliesslich verdankt Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen Aufstieg massgeblich der Behauptung, die Balkanroute fast im Alleingang geschlossen zu haben. In Migrationsfragen riskiert die Regierungspartei ÖVP nie, die rechte Flanke exponiert zu lassen.

Sie vermengt dabei Themen, die nur scheinbar eng zusammenhängen: Die jüngste migrationspolitische Offensive von Kurz und Nehammer folgt auf den Mord an einer 13-Jährigen mutmasslich durch afghanische Asylbewerber in Wien, der integrationspolitische Versäumnisse bei einem Teil dieser Gruppe aufzeigt. Gleichzeitig zeichnet sich eine neue Fluchtwelle ab als Folge des Abzugs der westlichen Truppen aus Afghanistan, die in der Türkei bereits zu Spannungen führt.

Kritik an Ungarn

Durch die verstärkte Präsenz an der Grenze will Österreichs Regierung Handlungsfähigkeit demonstrieren, obwohl sich dadurch keines der beiden Probleme wirklich lösen lässt. Wie nervös man ist, zeigt auch die ungewohnt heftige Kritik an Ungarn – einem Land, dessen harte Linie beim Grenzschutz Wien stets verteidigt hatte.

Nehammer warf dem Nachbarland am Dienstag vor, es habe ein Sicherheitsproblem und tue zu wenig gegen die illegale Migration. «Hier sind viele Migranten unterwegs, von denen niemand weiss, wer sie sind. Das darf Ungarn nicht zulassen. Sie müssen sich ans EU-Recht halten und ihre Aussengrenze effizienter schützen.» Gleichzeitig geisselte er die «gescheiterte Asylpolitik» der EU.

Hinter vorgehaltener Hand wird in Wien der Verdacht geäussert, Ungarn lasse bei der Kontrolle der Aussengrenzen bewusst die Zügel schleifen – als Retourkutsche für die Konflikte mit Brüssel über Migrations- und Rechtsstaatsfragen. Budapest kommentierte auf Nachfrage die Vorwürfe aus Österreich nicht.

Dass bereits eine vergleichsweise kleine Erhöhung der Zahlen auf der Balkanroute zu Spannungen unter eigentlich Gleichgesinnten führt, ist auch symptomatisch für die Ratlosigkeit in ganz Europa. Die von Ungarn angestrebte vollständige Abriegelung der Grenzen und Unterbindung der Migration bleibt dabei ebenso eine Illusion wie die von der Kommission angestrebte Verteillösung, die auch in abgeschwächter Form eine politische Totgeburt ist.

Sollten sich tatsächlich Hunderttausende aus Afghanistan in Richtung Europa aufmachen und die Türkei dereinst nicht länger bereit sein, mehrere Millionen Flüchtlinge zu beherbergen, dürften die Konfliktlinien von 2015 in der EU mit neuer Vehemenz aufbrechen.
(https://www.nzz.ch/international/migration-balkanroute-mehr-bewegung-und-sorge-um-afghanistan-ld.1637763)


+++MITTELMEER
1.000 Geflüchtete in Hotspot von Lampedusa, Sorge um Tunesien
15 Boote mit rund 250 Menschen an Bord sind am Donnerstag auf der italienischen Insel eingetroffen
https://www.derstandard.at/story/2000128564516/1-000-gefluechtete-in-hotspot-von-lampedusa-sorge-um-tunesien?ref=rss


+++FREIRÄUME
bernerzeitung.ch 29.07.2021

Widerstand gegen Sparmassnahme: Mit einer Enteninvasion gegen die Privatisierung des Lorrainebads

Berns Stadtregierung will das Lorrainebad an Private abgeben und so jährlich 380’000 Franken sparen. Das Bad sei identitätsstiftend, kritisiert das Quartier.

Christoph Hämmann

Im Verein Läbigi Lorraine (VLL) weiss man, wie Politik geht. Im Vorstand sitzen grüne und rote Ex-Stadtratsmitglieder zusammen mit Leuten, die teilweise schon dabei waren, als in den 1980er-Jahren der Q-Hof vor dem Abbruch bewahrt oder mit der Brasserie Lorraine eine Genossenschaftsbeiz eröffnet wurde. Ein aktuelleres Beispiel ist der Centralweg, wo auch dank des Widerstands aus dem Quartier – und des VLL – der Bau städtischer «Luxuswohnungen» verhindert wurde.

Das neuste Streitobjekt: Das Lorrainebad, das laut der Berner Stadtregierung privatisiert werden soll. Das Wappentier: die Lorraine-Ente, mit der vor einigen Jahren bereits in den (erfolglosen) Kampf gegen die Schliessung der Quartierpost gezogen wurde. Da der VLL zur «Entenkampagne» aufruft und Fahnen sowie Kleber vertreibt, ist davon auszugehen, dass es in den nächsten Wochen in der Lorraine zu einer eigentlichen Enteninvasion kommt.

Kämpferisch ist auch der Ton in der «Enten-Post», einer Wandzeitung, die seit einigen Tagen im Quartier ausgehängt wird: «Wir geben alles, dass das Lorrainebad nicht dem Sparplan des Gemeinderats zum Opfer fällt», heisst es dort etwa. Die für den Badebetrieb und Unterhalt jährlich notwendigen Mittel von rund 380’000 Franken seien «eine sinnvolle und nützliche Ausgabe».
Künftiger Pachtzins noch offen

Laut Catherine Weber, Alt-Stadträtin des Grünen Bündnisses und VLL-Vorstandsmitglied, ist das Lorrainebad ein Treffpunkt für die Lorraine und das ganze Nordquartier. Doch auch bei Bewohnerinnen anderer Stadtteile und bei Touristen sei das Bad beliebt – und für das Quartier geradezu identitätsstiftend. «Für uns ist das Bad ebenso wichtig wie das Marzili oder das Weyerli für andere Stadtteile», sagt Weber. Entsprechend nimmt der Widerstand Fahrt auf: Eine Petition für den Erhalt des Bads hat in den letzten Tagen tüchtig angezogen, inzwischen liegen rund 4000 Unterschriften vor.
Für den Verein Läbigi Lorraine ein Kleinod: Das Lorrainebad mit seinem Schwimmbecken neben der Aare, hier auf einer Aufnahme vom 20. Juli, als es nach dem Hochwasser gereinigt und aufgeräumt werden musste.

Mit der Privatisierung des Bads will der Berner Gemeinderat laut den Unterlagen zu seinem Sparprogramm jährlich rund 380’000 Franken sparen – die Summe, die ihn das Bad heute pro Jahr kostet. «Das Lorrainebad wird als reines Flussbad von Dritten betrieben», schreibt er dazu. Allerdings überweist das städtische Sportamt jährlich 200’000 Franken an Immobilien Stadt Bern (ISB), die Eigentümerin der Anlage. Bevor neue Betreiber wieder Miete bezahlen, schlägt das Sparvorhaben der Stadt also auch auf die Einnahmen durch – klammert man die Miete aus, bleibt ein jährliches Sparpotenzial von noch 180’000 Franken, dem bisherigen Aufwand für Personal und Nebenkosten.

«Wir können uns nicht vorstellen, dass eine private Trägerschaft ähnlich viel Miete bezahlen kann», sagt VLL-Vorstandsmitglied Weber. In diesem Fall würde das Sparpotenzial der Privatisierung also deutlich tiefer ausfallen. Bei ISB, der Badi-Eigentümerin, heisst es dazu bloss, dass die konkrete Umsetzung der Sparmassnahmen noch nicht beschlossen sei. Wie der künftige Betrieb im Lorrainebad aussehen werde, sei deshalb noch offen. Davon hänge aber die Höhe des künftigen Pachtzinses ab, ebenso vom geplanten Sanierungsprojekt. «Zahlen können wir zum jetzigen Zeitpunkt daher keine nennen», so ISB.

Sport- oder Freizeitanlage?

Die städtischen Pläne sehen offenbar vor, dass private Betreiber nicht nur Eintritt verlangen, sondern ihre Einnahmen auch mit Events aufbessern könnten – was der Stadt erlauben würde, die Miete höher anzusetzen als bei einem reinen Betrieb der Anlage mit Beizli. «Die Nachbarschaft lässt grüssen», sagt Weber dazu. Droht der Stadt der nächste Lärmkonflikt? Zumindest als Drohkulisse dürften mögliche Beschwerden gegen eine «Eventisierung» des Bads durchaus Wirkung entfalten.

Die geplante Abdeckung beziehungsweise Zuschüttung des heutigen Schwimmbeckens bekämpft der VLL ebenfalls und unabhängig vom künftigen Betrieb – das heutige Bad würde damit zum Park. Gerade der Charme des Beckens mache aus der Anlage «ein Kleinod», findet Weber. Und es sei auch nicht so, dass das Bad keine Sport-, sondern eine reine Freizeitanlage sei, widerspricht sie der Stadt: «Im Becken lernen Kinder schwimmen, und es finden regelmässig Schwimmkurse statt.»

Bleibt die teure Sanierung der Anlage, für die seit einigen Jahren Pläne vorliegen. Kostenpunkt: rund 10 Millionen Franken. «Viel zu viel», sagt Weber, die mit ihrem VLL für eine «zurückhaltende Sanierung» plädiert. Der schmale Fussweg entlang des Bads allerdings müsse unabhängig von der künftigen Nutzung saniert werden. Damit verbunden sind Kosten, um die die Stadt in keinem Fall herumkommt – egal, wie der Streit um das Lorrainebad ausgeht.
(https://www.bernerzeitung.ch/mit-einer-enteninvasion-gegen-die-privatisierung-des-lorrainebads-997476370791)


+++GASSE
Nach Gewaltexzessen im Hafenareal: Basler Polizei hält an heimlicher Überwachung fest
Die Polizei versucht, die Videokameras entlang der Uferstrasse mit Hinweisschildern zu legitimieren. Allerdings verrät sie die genauen Standorte nicht – was die Überwachungsgegner sauer macht.
https://www.bazonline.ch/basler-polizei-haelt-an-heimlicher-ueberwachung-fest-665742866606


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Extinction Rebellion: Aktivisten kleben sich ans Bundeshaus – Behörden leiten Untersuchung ein
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern macht ernst und eröffnet eine Untersuchung gegen die Personen, welche sich aus Protest mit Sekundenleim ans Bundeshaus hefteten.
https://www.20min.ch/story/aktivisten-kleben-sich-ans-bundeshaus-behoerden-leiten-untersuchung-ein-984091814420


Abseilaktion vom Klimastreik an der Monbijoubrücke
Am Donnerstagnachmittag haben sich Kletteraktivistinnen und -aktivisten an der Monbijoubrücke abgeseilt, um auf die klimaschädlichen Machenschaften des Schweizer Finanzplatzes aufmerskam zu machen.
https://www.bernerzeitung.ch/die-neusten-nachrichten-aus-der-stadt-bern-354633507199
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/illegale-klimaaktion-in-luftiger-hoehe-aktivisten-seilen-sich-von-monbijoubruecke-ab-143189487


Sprüche gegen das Migrationsregime
Aktuell sind in den basler Strassen verschiedene Sprüche gegen das Migrationsregime zu sehen. Hier eine Auswahl:
https://barrikade.info/article/4680


+++BIG BROTHER
«Apropos» – der tägliche Podcast: Was läuft schief beim Nachrichtendienst des Bundes?
Unzufriedene Mitarbeitende und Sexismusvorwürfe: Der Schweizer Geheimdienst hat interne Probleme. Jetzt ist die oberste Chefin und Verteidigungsministerin Viola Amherd gefordert.
https://www.derbund.ch/was-laeuft-schief-beim-nachrichtendienst-des-bundes-817387978622


+++POLICE BE
derbund.ch 29.07.2021

Rabiater Markenschutz: Grosseinsatz wegen Polizei-Logo

Weil sie ihr Recht an der Marke verletzt sah, brachte die Berner Kantonspolizei drei junge Modemacher in Handschellen auf die Wache.

Naomi Jones

Ginge es nicht um die Gewaltenteilung, so könnte man die kürzlich auf «Journal-B» publizierte Geschichte von der Berner Kantonspolizei als Posse lesen. Sie geht so: Eine kleine Gruppe junger Leute aus der unabhängigen Berner Mode- und Kunstszene stellte im Februar letzten Jahres unter dem Titel «Umordnung» 50 dunkelblaue Pullis mit dem gestickten und auf den Kopf gestellten Logo der Kapo her. Diese verkauften sie im Bus auf einer Fahrt von der Lorraine in die Länggasse. Der Nachmittag endete in einer Zelle auf der Polizeiwache am Waisenhausplatz.

«Wie im Film»

«Wir gingen zu Fuss Richtung Welle, als wie aus dem Nichts vor uns, hinter uns und neben uns Polizisten auftauchten», erzählt Ramon (Name geändert). Diese hätten die drei Pulliverkäufer noch auf dem Trottoir durchsucht, ihnen Handschellen angelegt und das Geld der verkauften Pullis konfisziert. Sogar die Bushaltestelle sei gesperrt worden. «Es war eine grosse Sache, wie im Film.»

Auf der Wache wurde den jungen Leuten Verstoss gegen das Markenschutzgesetz vorgeworfen. Denn das Kapo-Logo ist noch bis 2025 in vier von 45 Kategorien geschützt. Es darf zum Beispiel nicht auf Druckerzeugnissen, für Werbung und Geschäftsführung, in der Ausbildung oder im Umfeld von Sicherheitsdienstleistungen verwendet werden. Das verhindert, dass etwa private Sicherheitsdienste mit dem Logo der Polizei für ihr Angebot werben oder sich gar als polizeiliche Institution ausgeben. Auf Kleidern ist das Logo nicht geschützt.

Allenfalls liesse sich monieren, dass es im Rahmen einer kulturellen Aktivität verwendet worden sei. Ob der Pulliverkauf im Bus aber eine kulturelle Veranstaltung war, müsste wohl ein Gericht entscheiden. Zudem fallen kulturelle Aktivitäten zwar unter die gleiche Kategorie wie die Ausbildung, sind aber im Markeneintrag der Kapo nicht explizit erwähnt. Trotz dieser unsicheren Grundlage stellte die Polizei als Privatklägerin einen Strafantrag wegen Widerhandlung gegen das Markenschutzgesetz.

Eine «persönliche Geschichte»

Von der Staatsanwaltschaft delegiert, untersuchte sie den Fall gleich selbst, obwohl sie laut dem Berner Anwalt Willi Egloff aufgrund des persönlichen Interesses in der Sache in Ausstand hätte treten müssen. Ramon erzählt, dass auf der Wache immer wieder Polizisten vorbeigekommen seien, die zum Teil spöttische, zum Teil höhnische Kommentare zu den Pullis abgegeben hätten. «Für sie schien es eine persönliche Geschichte zu sein.»

Der Informationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft, Christof Scheurer, sagt dazu: «Die Staatsanwaltschaft ist – jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls – von keiner Ausstandsproblematik ausgegangen.» Aus den Akten gehe nicht hervor, dass das polizeiliche Ermittlungsverfahren in unsachlicher Weise geführt oder persönlich gefärbt gewesen wäre. Deshalb seien die Beweismittel «selbst bei Annahme eines Ausstandsgrunds» verwertbar gewesen.

Als der Strafbefehl im Mai letzten Jahres eintraf, hatten die jungen Modemacher weder das Geld noch das juristische Know-how, um eine Beschwerde dagegen einzulegen. Stattdessen zahlten sie die Busse. Sie hofften, die Sache sei damit erledigt. Doch die Polizei schickte eine Schadenersatzforderung hinterher. Auch diese zahlten die jungen Leute am Schluss. Erst ein halbes Jahr später versuchten sie auf Egloffs Anregung hin sich doch noch zu wehren.

Zu spät allerdings, befanden sowohl das Berner Obergericht als auch das Bundesgericht. Sie lehnten Egloffs Revisionsgesuch für die verurteilten Modemacher ab. «Das ist schockierend», sagt der Berner Anwalt. Juristische Laien seien ohne Rechtsgrundlage in einem unzulässigen Verfahren von zwei Behörden mit viel juristischem Wissen bestraft worden, und das Gericht sei nicht bereit gewesen, den Fall nochmals aufzurollen.

Eine Narrensache

Alles in allem bleiben die Modeschaffenden der beiden Labels «Pouxa» und «Jeteur de Pierres» auf einem Haufen Schulden sitzen. Rund 10’000 Franken kosteten Busse, Schadenersatzforderung und am Schluss der erfolglose Gang vor Gericht. Am 14. August verkaufen sie deshalb im Jugendclub New Graffiti ihre Werke.

Bleibt noch die Frage, was sie mit dem Polizeipulli überhaupt bezweckten: «Es war Fasnachtszeit, und wir fanden die Idee lustig», sagt Ramon. Viel gedacht hätten sie sich dabei nicht, nur dass der Pulli auf keinen Fall wie eine Uniform wirken dürfe. Das auf den Kopf gestellte Logo sollte irritieren und zum Denken anregen. «Es war eine Hofnarrensache und vielleicht eine subtile Polizeikritik.»
(https://www.derbund.ch/grosseinsatz-wegen-polizei-logo-903701919353)
-> https://journal-b.ch/artikel/marke-police/


+++RECHTSEXTREMISMUS
Zürcher Obergericht senkt Gebühren für deutschen Neonazi
Ein verurteilter deutscher Neonazi hat sich vor dem Zürcher Obergericht dagegen gewehrt, die ganzen Verfahrenskosten tragen zu müssen. Schliesslich sei er vom Bezirksgericht Hinwil teilweise freigesprochen worden. Das Obergericht hat ihm nun Recht gegeben. Er muss nun ein Viertel weniger zahlen.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-obergericht-senkt-gebuehren-fuer-deutschen-neonazi-00162838/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Corona-Kundgebung und Gegendemo: Die Polizei ist bereit und auch die Beteiligten treffen Massnahmen
Ein Anlass von Coronamassnahmen-Skeptikern sowie eine Gegendemo sind für Samstag bewilligt. Verkehrsbehinderungen werden nur für kurze Zeit erwartet. Beide Organisatoren zählen auf die Eigenverantwortung.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/corona-demo-in-der-stadt-luzern-fuer-die-kundgebungen-am-samstag-treffen-beteiligte-wie-behoerden-massnahmen-ld.2167801


Kanton Luzern nimmt Stellung zur Bewillung der Stadt Luzern einer Anti-Corona-Demonstration
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/infozentrum-soll-jaehrlich-bis-12-000-leute-nach-goeschenen-locken?id=12028950


Coronavirus: Zertifikats-Diskussion gibt Skeptikern neuen Aufwind
Aktuell gelten nur noch wenige Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus. Skeptiker haben sich deshalb einen neuen Angriffspunkt gesucht: Das Covid-Zertifikat.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-zertifikats-diskussion-gibt-skeptikern-neuen-aufwind-65971097


Bund verurteilt Ausnutzen von Krisensituation: Verbreitung von Falschmeldungen im Flutgebiet „niederträchtig“
Die Bundesregierung hat auf Attacken auf Helfer in den Katastrophengebieten reagiert. Aus der rechten Szene sollen auch Falschmeldungen verbreitet worden sein.
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/bund-verurteilt-ausnutzen-von-krisensituation-verbreitung-von-falschmeldungen-im-flutgebiet-niedertraechtig/27450322.html


Rheinland-Pfalz: Polizei räumt von Querdenkern genutzte Schule im Hochwassergebiet
Im von der Flut verwüsteten Bad Neuenahr-Ahrweiler hatten Querdenker ohne elterliche Erlaubnis Kinder betreut. Auch Aufräumarbeiten seien behindert worden.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-07/querdenker-hochwasser-rheinland-pfalz-polizei-raeumung-grundschule
-> https://www.rnd.de/panorama/querdenker-haben-schule-in-katastrophengebiet-verlassen-6TMYOSUOU2POJQP5I53OKTYVJU.html


Hochwasser in Deutschland: Lügen aus dem Lautsprecher
Aktivisten aus der Querdenker-Szene sind in die deutschen Flutgebiete gereist. Sie verbreiten Falschmeldungen, diskreditieren den Staat und behindern die Einsatzkräfte.
https://www.derbund.ch/querdenker-im-einsatz-134110403804


Rechtsradikale Fluthelfer Klicke mein Flut-Elends-Bild auf Social Media!
Wo es Menschen schlecht geht, hoffen rechtsextreme Ideolog:innen, aufwiegeln zu können und zugleich ihren schlechten Ruf aufzupolieren. Heutzutage aber mindestens genauso wichtig: Das schicke Schlammselfie für den Social-Media-Kanal. Unser Überblick, welche Teile der rechtsextremen Szene das Hochwasser zur Inszenierung genutzt haben.
https://www.belltower.news/rechtsradikale-fluthelfer-klicke-mein-flut-elends-bild-auf-social-media-119213/
-> https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2021/07/29/falsche-freunde-in-der-flut_30898?wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.sf&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_content=zeitde_redpost%20_link_sf&utm_campaign=ref&utm_referrer=twitter&utm_medium=sm


„Disinformation Dozen“: Amerikas prominente Anti-Vaxxer verlängern die Pandemie
In den USA attackiert eine Gruppe von Ärzten, Anwälten, Lobbyisten und Bloggern die Gesundheitspolitik der Biden-Regierung
https://www.derstandard.at/story/2000128529175/disinformation-dozen-amerikas-prominente-anti-vaxxer-verlaengern-die-pandemie?ref=rss
-> https://taz.de/Corona-Desinformation-in-den-USA/!5786116/


Corona beschäftigt auch die Berner Gerichte
Weil sie gegen die Corona-Verordnungen verstossen haben sollen, müssen sich immer mehr Personen vor Gericht verantworten. Dem Regionalgericht in Thun ist aufgefallen, dass wegen Covid-19 anteilmässig deutlich mehr Frauen angeklagt sind. Wegen dieser Fälle sind die Gerichte zusätzlich gefordert. (ab 06.40)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/corona-beschaeftigt-auch-die-berner-gerichte?id=12029112



nzz.ch 29.07.2021

Wie eine kleine Gruppe von Impfgegnern Falschinformationen verbreitet und Zweifel sät

Ein Viertel der Schweizer Bevölkerung lehnt die Covid-19-Impfung ab. Viele Skeptiker möchten aber nicht als generelle Impfgegner verstanden werden. Dennoch verbreiten sie die Argumente von Verschwörungstheoretikern.

Gioia da Silva

Daniel Trappitsch ist einer der bekanntesten Anführer der Schweizer Impfgegner. Seit mindestens zehn Jahren weibelt er auf verschiedenen Kanälen gegen Impfungen aller Art. Auf seiner Webseite impfentscheid.ch verlinkt er Halbwahrheiten und Impfmythen von Verschwörungstheoretikern aus ganz Europa. In seiner Telegram-Gruppe posten ein paar Dutzend aktive Nutzerinnen und Nutzer abstruse Geschichten über Bill Gates, schüren Angst vor Unfruchtbarkeit, verunglimpfen politische Entscheidungsträger.

Wir hätten Daniel Trappitsch gerne gefragt, was ihn antreibt, wie er seine Quellen prüft, bevor er ihre Informationen weiterverbreitet, ob er sich mit Forscherinnen und Forschern austauscht. Aber Trappitsch verweigert jede Stellungnahme. Auf zwei E-Mail-Anfragen reagiert er nicht. Ein Telefongespräch bricht er nach wenigen Sekunden ab, er habe keine Lust, mit der NZZ zusammenzuarbeiten.

Trappitsch lebt in einer Parallelwelt, wo Impfungen Menschen töten, die Regierung die Bevölkerung absichtlich schwächt, die grosse Mehrheit der Menschen sich von bösen Eliten blenden lässt. Er hat seine eigene Wahrheit, seine eigenen Quellen, und eine loyale Anhängerschaft, die seine Argumente weiterverbreitet.

Impfgegner, die keine sein wollen

Viele jener Menschen, die derzeit die Covid-19-Impfung ablehnen, verbreiten die gleichen Argumente wie Trappitsch. Trotzdem wollen sie nichts mit ihm zu tun haben, auch die Etikette «Impfgegner» lehnen sie ab. Nur weil sie sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollten, heisse das nicht, sie seien generell gegen Impfungen, schreiben sie.

Trappitsch selbst ist auf digitalen Kanälen mässig erfolgreich. Seine Webseite ist veraltet und unübersichtlich, der Twitter-Account findet kaum Beachtung, auf Telegram folgen seiner Gruppe «Netzwerk Impfentscheid» etwa 1100 Personen, ein Bruchteil im Vergleich zu Kanälen von anderen Covid-19-Massnahmen-Gegnern, die teilweise bis zu 30 000 Abonnenten zählen. Trotzdem werden die Argumente von seiner Webseite und aus seinen Reden im digitalen Raum immer wieder zitiert, geteilt, verschickt. Das macht Trappitsch zu einem Superspreader von Falschinformationen, ohne dass er im Umgang mit digitalen Tools besonders bewandert sein muss.

Insgesamt scheint sich die Impfgegnerschaft eine Art Arbeitsteilung zurechtgelegt zu haben: Manche halten Vorträge, sprechen auf der Strasse Passanten an, schreiben Magazine oder Leserbriefe, andere bespielen die sozialen Netzwerke mit impfkritischen Videos.

Argumente verfangen schnell

Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie waren die Impfgegner eine kleine, laute Gruppe mit überschaubarem Einfluss. Das zeigt sich an der hohen Impfbereitschaft punkto Masern: Die grosse Mehrheit der Eltern lässt ihre Kinder impfen, rund 93 Prozent.

Doch laut den aktuellsten Umfragen der Forschungsstelle Sotomo lehnt jeder vierte Einwohner der Schweiz die Covid-19-Impfung ab, in der SVP-Wählerschaft ist es gar über die Hälfte. Das ist nicht allein damit zu erklären, dass die Masernimpfung längst etabliert ist. Bei der Covid-19-Impfung zeigt sich vielmehr, dass aus einer nachvollziehbaren Skepsis gegenüber Neuem eine Glaubensfrage geworden ist. Argumente von Medizinern, die die Ängste relativieren könnten, dringen nicht zu den Menschen durch.

Dagegen haben die Botschaften der Impfgegner eine grosse Anziehungskraft. «Sie sind meist leicht verständlich, einfach und plausibel formuliert», schreibt Sabrina Kessler, Wissenschafterin an der Universität Zürich, die sich mit Falschinformationen in der Schweiz beschäftigt. «Sie bieten zudem vermeintliche Sicherheit und einfache Antworten in Zeiten grosser Unsicherheit.» Ausserdem seien sie oftmals emotional, sensationalistisch, überraschend, klar in ihrer Bewertung und oft auch ansprechend aufbereitet. Wenn sie dann auch noch ins eigene Weltbild passten, würden sie oft weiterverbreitet.

Prototyp Falschinformation: ein Youtube-Video, das via Whatsapp verschickt wird

Eine Untersuchung des deutschen Recherchezentrums Correctiv zeigt, wie wichtig digitale Kanäle für die Verbreitung von Falschnachrichten sind. Correctiv hat über 1800 Hinweise nach ihrer Herkunft ausgewertet. Während die Meldepersonen nur in 3,2 Prozent eine Falschnachricht im persönlichen Gespräch das erste Mal hörten, ordneten sie 34 Prozent Whatsapp und 29 Prozent Facebook zu.

Whatsapp sei die Autobahn für Corona-Fakes, Youtube-Videos hingegen die Rennwagen, schreibt Correctiv. Rund jede zweite Falschinformation stammt ursprünglich aus einem Youtube-Video.

Das liegt unter anderem daran, dass die Videoplattform in der Tendenz kontroverse Inhalte begünstigt. Wie Experimente zeigen, kommen Nutzerinnen und Nutzer auf immer radikalere Inhalte, wenn sie den automatisch vorgeschlagenen Videos folgen. Tech-Konzerne wie Facebook oder Youtube wird daher vorgeworfen, dass sie ihren Nutzern umstrittene Inhalte anzeigen, damit diese länger auf der Plattform bleiben.

Für eine effektive Bekämpfung fehlen die Grundlagen

Die Behörden versuchen seit Monaten, der Bevölkerung die Impfung schmackhaft zu machen. Zuletzt lancierte das Bundesamt für Gesundheit eine Kommunikationskampagne mit Videos, die Impfmythen widerlegen. Laut der Kommunikationswissenschafterin Kessler ist es allerdings sehr schwierig, eine einmal verbreitete Falschinformation zu korrigieren. «Es ist eine Fehleinschätzung, dass einfach nur mehr Informationen für die Öffentlichkeit ausreichen würden, um Falschinformationen zu widerlegen», schreibt sie auf Anfrage.

Das Debunking, also das Identifizieren und Widerlegen von Falschinformationen, müsse besser erforscht werden. Dazu müssten Tech-Firmen wie Facebook, Whatsapp und Telegram aber stärker mit unabhängigen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zusammenarbeiten. Bis jetzt fehlen Forschenden wie Kessler beispielsweise umfangreiche Daten darüber, wer welche Informationen verbreitet und welche Debunking-Strategien besonders erfolgreich sind. «Die Tech-Konzerne müssten meiner Meinung nach bei Gesundheitsthemen viel stärker dazu gebracht werden, gegen Fehlinformationen anzugehen», schreibt Kessler.

Tech-Konzerne haben nur teilweise auf die Forderung reagiert. Whatsapp hat die Weiterleitung von Nachrichten eingeschränkt: Nach fünf Weiterleitungen werden Nachrichten heute mit dem Label «häufig weitergeleitet» gekennzeichnet. Nutzerinnen und Nutzer können sie dann nur noch an einen Chat auf einmal schicken. Facebook kooperiert zwar mit unabhängigen Faktencheckern, muss sich aber immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, Falschinformationen nicht genügend konsequent und schnell zu löschen. Youtube gibt an, Videos mit falschen medizinischen Informationen von sich aus zu entfernen und gegebenenfalls Kanäle zu schliessen. Allerdings fehlt der Videoplattform bis heute die Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktencheckern.

In der Schweiz beschäftigen sich nur eine Handvoll Stellen intensiv mit Falschnachrichten. Davon profitiert der Impfgegner Daniel Trappitsch, schliesslich verdient er Geld, wenn seine Bewegung wächst. Die Mitgliedschaft im Netzwerk Impfentscheid kostet 80 Franken pro Jahr. Ausserdem vertreibt er in der Schweiz mehrere selbstgeschriebene Bücher. Für manche ist Impfkritik eben auch ein Geschäftsmodell.
(https://www.nzz.ch/eine-kleine-gruppe-von-impfgegnern-verbreitet-falschinformationen-und-saet-damit-zweifel-an-der-wissenschaft-wie-schaffen-sie-das-und-warum-laufen-gegenkampagnen-immer-wieder-ins-leere-ld.1637778)


Weil ihm Behörden zu nett sind: Luzerner Jurist zeigt reihenweise Corona-Skeptiker an
Aus der Sicht des Luzerner Juristen Loris Mainardi gehen die Behörden zu zimperlich mit den Organisatoren von Corona-Demos um. Mainardi nimmt das Ganze nun selbst in die Hand und lässt Anzeige um Anzeige raus.
https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/weil-ihm-behoerden-zu-nett-sind-luzerner-jurist-zeigt-reihenweise-corona-skeptiker-an-id16712615.html