Medienspiegel 4. Juli 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++DEUTSCHLAND
Asylpolitik: Franziska Giffey für Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan
Die Union will Syrer oder Afghanen, die schwere Straftaten begehen, in die Heimat abschieben. Nun plädiert auch die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey dafür.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-07/franziska-giffey-abschiebung-deutschland-syrien-afghanistan


+++BELGIEN
Brüssel: Über 400 papierlose Geflüchtete im Hungerstreik
In Brüssel verweigern über 400 „Sans-Papiers”, Menschen ohne Papiere, seit 43 Tagen die Nahrungsaufnahme. Mit dem Hungerstreik fordern sie ein ständiges Bleiberecht in Belgien, die Regierung spricht von „Erpressung”.
https://anfdeutsch.com/menschenrechte/brussel-Uber-400-papierlose-gefluchtete-im-hungerstreik-27125


+++MITTELMEER
Einsatz im Mittelmeer – Die Ocean Viking rettet rund 70 Menschen aus Seenot
Auf dem Rettungsschiff der privaten Organisation SOS Mediterranee befinden sich damit mehr als 200 Gerettete.
https://www.srf.ch/news/international/einsatz-im-mittelmeer-die-ocean-viking-rettet-rund-70-menschen-aus-seenot


Migration nach Europa: Dutzende ertrinken im Mittelmeer
Bei der Havarie eines Bootes aus Libyen sterben mehr als 43 Menschen. Die Flüchtlingszahlen auf der südlichen Mittelmeerroute steigen.
https://taz.de/Migration-nach-Europa/!5780315/


+++EUROPOL
Neue Verordnung: Europol wird Quasi-Geheimdienst
Die EU-Polizeiagentur verarbeitet Milliarden personenbezogene Massendaten, viele davon stammen aus staatlichen Hacks oder geheimdienstlichen Quellen. Eine besondere Rolle spielt der neue Europol-Vize, der beim französischen Militär ausgebildet wurde. Nun ist das EU-Parlament dazu gefragt.
https://netzpolitik.org/2021/neue-verordnung-europol-wird-quasi-geheimdienst/


+++SEXWORK
Bordelle sind wieder offen: Sexarbeiterinnen kämpfen in Luzern um ihre Existenz
Noch 0 Franken auf dem Konto: Viele Sexarbeiterinnen in Luzern sind finanziell am Ende. Das halbjährige Berufsverbot hat sie an den Rand der Existenz gebracht. Und das Geschäft läuft nach wie vor harzig.
https://www.zentralplus.ch/sexarbeiterinnen-kaempfen-in-luzern-um-ihre-existenz-2126473/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
#Baselnazifrei: Solidarität mit den Angeklagten des 4.Juli-Kessels!
Am 4.7.2020 stellten sich in Basel etwa 150 Menschen vor die Staatsanwaltschaft um ihre Solidarität mit den Angeklagten des Baselnazifrei-Verfahrens zum Ausdruck zu bringen. Die Polizei kesselte die Demo sofort ein. Gegen mindestens 60 Personen wurde ein Verfahren eröffnet. Wir fassen zusammen was passiert ist. Und warum die Staatsanwaltschaft abgeschafft werden muss.
https://barrikade.info/article/4646


Il Molino : retour sur la manif du 5 juin
L’expulsion du CSOA Molino et la démolition d’une partie des ses bâtiments ont déclenché une vague de solidarité au Tessin, en Suisse et dans d’autres parties du monde. Une solidarité qui nous a réchauffé le cœur, nous montrant que ce petit bout de terre que nous habitons est encore capable de grandes choses. Ces jours, dans les rues, se sont rencontrés des milliers de personnes différentes qui ont fréquenté l’espace au fil des décennies, que ce soit pour un soir ou pour une période plus ou moins longue de leur vie. Le Molino a été un lieu où des projets artistiques, culturels, politiques, sportifs populaires, d’autoproduction et de vie communautaire se sont entrelacés et ont coexisté, y compris avec des moments de difficulté, de divergence et de confrontation.
https://renverse.co/infos-locales/article/il-molino-pratiques-de-lutte-et-d-autodefense-quelques-mots-sur-la-3133


+++HISTORY
Die Genfer NSDAP
Anfang der 1930er-Jahre war Genf tief zwischen rechts und links gespalten. Das waren gute Voraussetzungen für die Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe.
https://www.watson.ch/!895771087



landbote.ch 27.06.2021

Internationale Militärausstellung «W81»: «Alle Affen gaffen Waffen»

Vor 40 Jahren demonstrierten mehrere Tausend Personen gegen eine Militärausstellung in der Eulachhalle. Der Protest endete mit Ausschreitungen und Verhaftungen.

Miguel Garcia

Winterthur schien für einen Moment im Zentrum der weltweiten Misere des Kalten Krieges zu stehen: «Eine Schweizer Stadt öffnet ihre Tore für Waffenhändler aus aller Welt. Auch für jene aus der Dritten Welt […], die gezwungen sind, Waffen zu kaufen, weil in Ost und West aufgerüstet wird wie verrückt – währenddem ihre Kinder, ihre Frauen, ihre Männer verhungern», schrieb eine Leserbriefschreiberin in der «Winterthurer Arbeiterzeitung» (AZ). Sie bezog sich damit auf die Kriegsmaterial-Ausstellung «W81», die vom 29. Juni bis am 4. Juli 1981 in der Eulachhalle stattfand.

Hundert Produzenten aus einem Dutzend Ländern boten auf 10’000 Quadratmetern eine Gesamtschau der modernsten Waffentechnologie. Der Fokus lag auf elektronischen Geräten und Simulatoren, die damals die Kriegsführung revolutionierten. Daneben wollten die Veranstalter echte Waffen wie die fünf modernsten Panzer des Westblocks, ein brandneues SIG-Sturmgewehr, ein Kurzstrecken-Lenkwaffensystem von Oerlikon-Contraves sowie die gesamte Rad- und Kettenpanzerfamilie der Fabrik Mowag aus Kreuzlingen zeigen.

Armeefreundliche Garnisonstadt

Organisiert wurde die Waffenschau von der in Vaduz domizilierten Militärzeitschrift «Armada International». Sie hatte sich im Vorjahr für die Bewilligung an den Winterthurer Stadtrat gewandt. Man einigte sich darauf, die «Erste internationale Ausstellung für Simulation, Ausbildung, Logistik, Unterhalt und Spezialfahrzeuge», wie die «W81» offiziell hiess, in der Eulachhalle durchzuführen. Dass die Wahl auf Winterthur fiel, lag gemäss dem Veranstalter Carl M. Holliger zum einen an der Nähe zum Flughafen. Zum anderen stufte er Winterthur wegen seiner Tradition als offizielle «Garnisonstadt» als besonders armeefreundlich ein.

Das Vorhaben fiel in eine Zeit angespannter Stimmung. Die Welt befand sich in der letzten heissen Phase des Kalten Kriegs. In Zürich brachen im Mai 1980 mit dem Opernhauskrawall die «80er-Unruhen» vom Zaun. In Winterthur fand im Oktober desselben Jahres eine Grossdemo gegen den «Atomdeal» der Firma Sulzer mit der argentinischen Militärjunta statt.

Rückzieher in Bern

Bereits Monate vor der geplanten Militärschau formierte sich Widerstand. Im März wies Hansjörg Braunschweig, Nationalrat und Präsident der SP des Kantons Zürich, den Bundesrat auf die Waffenschau hin. Unter anderem monierte er die Teilnahme von südafrikanischen und israelischen Ausstellern: Diese Länder seien Spannungsgebiete, die gemäss dem «Bundesgesetz über das Kriegsmaterial» besonderen Restriktionen unterlagen.

Das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) wollte sich zuerst an der Veranstaltung beteiligen. Als man in Bern realisierte, dass neben militärischem Instruktionsmaterial auch Waffen gezeigt werden sollten, machte das EMD einen Rückzieher. Der Bund verweigerte die Einfuhrbewilligung für die ausländischen Panzer und sprach sich allgemein gegen das Vorführen von Kampffahrzeugen und Sturmgewehren aus.

«W» für «Winterthur»?

Im Kantonsrat reichte der spätere Stadtpräsident Ernst Wohlwend (SP) einen Vorstoss ein. Er machte darauf aufmerksam, dass ähnliche Ausstellungen in den USA und der BRD zu Demonstrationen und schweren Auseinandersetzungen geführt hätten. Der Regierungsrat sah jedoch keinen Grund zur Beunruhigung. Auch im Grossen Gemeinderat machten Vertreter von SP, Demokraten und Poch Sicherheitsbedenken geltend und versuchten die Ausstellung zu verhindern. Quer durch die Bevölkerung hindurch mache sich Unmut über diese Ausstellung breit, schrieb die Demokratische Partei in einem Pressecommuniqué.

Der Stadtrat hielt jedoch an dem Vertrag fest, zumal keine bewilligungspflichtigen Kriegsgeräte gezeigt würden. Auch der Veranstalter mischte in der Diskussion mit: Er wehrte sich gegen die Bezeichnung «Waffenmesse» und beharrte darauf, dass das «W» im Logo der «W81» für «Winterthur» und nicht für «Waffen» stehe. Dem Stadtrat drohte er gleichzeitig offen mit einer Schadenersatzklage in Millionenhöhe.

Skelette und Sensenmänner

Die Gegner der Waffenschau bezeichneten die Argumentation der Behörden als Augenwischerei und riefen für den Samstag, 27. Juni 1981, zu einer nationalen Grosskundgebung auf. Bis zu 5000 Personen folgten dem Aufruf des Schweizerischen Friedensrats, der die Demonstration mit der Poch und der Sozialistischen Arbeiterpartei sowie einer lokalen Aktionsgruppe organisierte. Dass am gleichen Tag in der Altstadt das Albanifest und auf der Schützenwiese ein Rock-Open-Air mit Barclay James Harvest stattfand, das knapp 30’000 Besucherinnen und Besucher anzog, verlieh der Protestkundgebung zusätzliche Brisanz.

Die Demo verlief friedlich bis auf einen kleinen Zwischenfall beim Gartenhotel, wo Veranstalter Holliger Symposien plante. Einige Teilnehmende waren als Skelette, Sensenmänner oder als Panzer verkleidet. Manche trugen ein Nudelsieb auf dem Kopf – Persiflage auf den Stahlhelm, «um die Lächerlichkeit der Kriegsspiele darzustellen», wie die AZ schrieb. Die Menge skandierte die Parole «Friede schaffe ohni Waffe». Auf den Transparenten prangten Sprüche wie «Entweder schaffen wir die Rüstung ab, oder sie schafft uns ab» oder «Alle Affen gaffen Waffen».

Nach dem offiziellen Umzug kam es bei der Eulachhalle zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und militanten Aktivisten. Am nächsten Tag wurden über 40 Personen aus der «Bewegung» verhaftet, die im Gartenhotel aus Provokation Kaffee trinken wollten. Bei einer Personenkontrolle im Jugendhaus wurden weitere vier Personen festgenommen. So bauten sich die Spannungen auf zwischen der lokalen Protestbewegung und der Polizei, die später in den «Winterthurer Ereignissen» eskalierten.



Die «Winterthurer Ereignisse»

Auf die Sulzer-Demo 1980 und die Proteste gegen die Waffenmesse 1981 reagierte die Polizei mit Verhaftungen von Aktivistinnen und Aktivisten. Als sich im Verlauf des Jahres 1984 Brand- und Sprengstoffanschläge in Winterthur zu häufen begannen, spannte sich die Lage an. In den frühen Morgenstunden des 20. November 1984 verhaftete sie 25 junge Männer und Frauen in drei WG. Die «Winterthurer Ereignisse», so die zeitgenössische Bezeichnung, führten schweizweit zu Kontroversen, die sich insbesondere um die rechtliche Behandlung der Beschuldigten und das Vorgehen der Bezirksanwaltschaft drehten. Als sich Gabi S. nach vier Wochen Untersuchungshaft in ihrer Zelle erhängte, wurden die meisten Inhaftierten freigelassen. Bis heute sind die genauen Umstände ihres Todes Gegenstand von Spekulationen. Die beiden Hauptverdächtigen, der Maler Aleks Weber und Res S., wurden 1987 nach drei Jahren Untersuchungshaft entlassen. Die Gerichtsverfahren zogen sich noch bis 1995 hin, weil die Urteile von höheren Instanzen mehrmals wegen Verfahrensfehlern aufgehoben wurden. (mga)
(https://www.landbote.ch/alle-affen-gaffen-waffen-159941533393)



landbote.ch 04.07.2021

Internationale Militärausstellung W81: Gülle auf Menschen gegossen

Mit einem Menschenteppich versuchten Demonstrierende vor 40 Jahren, die Waffenschau W81 zu behindern. Sie wurden mit Wasser abgespritzt, geschlagen und mit Gülle überschüttet.

Miguel Garcia

Weder politische Vorstösse noch eine nationale Grossdemonstration konnten verhindern, dass die umstrittene Militärausstellung W81 am Montag, den 29. Juni 1981, ihre Tore öffnete. Über 10’000 Gäste wurden in der Eulachhalle erwartet: Leser der auflagenstarken Militärzeitschrift «Armada International», die offizielle Gastgeberin war, Offiziere der Schweizer Armee und Kunden der Waffenproduzenten. Den Klischees von internationalen Waffenschiebern entsprechend, seien diese mit Range Rovers und Mercedes herangefahren worden, berichtete die «Arbeiter-Zeitung» (AZ) süffisant.

Allerdings wurde den Besuchern der Zutritt durch rund 100 junge Leuten erschwert, die sich vor den Eingang zur Halle legten. «Junge Männer mit kunstvoll geworfenem Turban auf dem Kopf steigen mühsam über den etwa fünf Meter breiten Menschenteppich, der sich vor dem Haupteingang ausbreitete: Muskelmänner der Organisation reichen ihnen hilfsbereit die Hand, damit die kleine Störung nicht gar zu unangenehm wird. Hinter Stacheldraht und Gittern geschützt, kann Kriegsmaterial bewundert werden», schilderte die AZ die groteske Szene. Etliche Besucher hätten es nicht über sich gebracht, über die Demonstrierenden zu steigen, und seien mit dem Taxi gleich wieder umgekehrt.

Die «Rundschau» berichtet

Was sich genau im Inneren der Messe abspielte, wussten die Berichterstatter der linken AZ vorerst nicht: Ihre Journalisten seien vom Veranstalter Carl M. Holliger persönlich hinauskomplimentiert worden. Da jedoch ein Redaktor der «Thurgauer AZ» Offizier war, konnte er einen Blick hineinwerfen. Er fand keine eindeutigen Verstösse gegen die bundesrätlichen Auflagen, die im Vorfeld so heiss diskutiert worden waren. Allerdings sei der Übergang Schiesstrainingssysteme zu Waffen fliessend. Waffen im engeren Sinn wurden zwar nicht im Original gezeigt, aber in Modellen, Filmen und Plakaten angepriesen.
-> Rundschau-Bericht: https://www.srf.ch/play/tv/ch-magazin/video/proteste-gegen-waffenschau-in-winterthur?urn=urn:srf:video:95c55554-2c1c-43cc-b7d2-1bdcd94f8abd

Die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens, die anlässlich der W81 eine ganze Sendung zum Thema Kriegsmaterial produzierte, kam zu einem ähnlichen Schluss. In lobendem Ton bezeichnete die Sendung den Menschenteppich als gewaltfreie Protestform und zeigte Bilder von am Boden liegenden jungen Erwachsenen, die den Besuchern zurufen: «Gönd hei, Waffeschieber!» Daneben prangte ein Transparent mit dem Spruch «Wer über uns geht, geht auch über Leichen» in drei Sprachen.

Privatarmee und Stacheldraht

Den Organisatoren der Waffenschau waren die jungen Erwachsenen ein Dorn im Auge. Schon am zweiten Tag kam es zum Eklat: Der private Sicherheitsdienst der Aussteller spritzte die Protestierenden mit Wasser aus einem Hochdruckschlauch ab und versuchte, das Trottoir, auf dem diese lagen, zu blockieren. Einige Demonstrierende seien zusätzlich «mit Tränengas und Schlagstock malträtiert worden», wie der «Landbote» berichtete.

«Vor der Eulachhalle sah es aus wie in einem Kriegslager. Stacheldraht, bissige Schäferhunde, Handschellen, Tränengas, Stahlruten, Uniformierte», war im «Armada-Versenker», der eigens für die W81 herausgegebenen Protestzeitschrift, zu lesen. Brisanterweise hatte der Chefredaktor der «Armada International» in der ersten Ausgabe im Jahr 1981 unter dem Titel «Kampf gegen die Gewalt im Inneren» ein Arsenal moderner Repressionsinstrumente gegen oppositionelle Bewegungen vorgestellt.

Tee, Kaffee und Sonnencreme

Die Polizei intervenierte – vermutlich auf Geheiss des damaligen Stadtpräsidenten Urs Widmer – und befahl dem privaten Sicherheitsdienst, sich zurückzuziehen und die Protestaktion weiterlaufen zu lassen. «Niemand kann einfach eine Privatarmee einsetzen», liess sich der Polizeikommandant zitieren. Später machte Bezirksanwalt Eugen Thomann eine Kehrtwende und liess knapp 30 Demonstrierende verhaften, weil diese einem Kleintransporter den Durchgang verwehrten und die Passagiere zum Aussteigen nötigten. Thomann spielte später in den Winterthurer Ereignissen eine wichtige Rolle als Vertreter einer harten Repressionspolitik.

Teile der Bevölkerung unterstützten dagegen die Protestierenden: Anwohnerinnen und Anwohner versorgten sie mit Kaffee, Tee, Sonnencreme oder Spenden. «Ohne diese aktive Unterstützung wäre es kaum gelungen, eine Woche vor der Halle zu bleiben», sagten die Beteiligten später an einer Pressekonferenz.

Dass jedoch nicht alle in der Stadt mit der Aktion einverstanden waren, zeigte ein weiterer Übergriff kurz vor Ende der sechstägigen Messe: Lokale Rechtsradikale gossen aus einem vorbeifahrenden Jeep Jauche über die Pazifistinnen und Pazifisten.

Keine Waffenschauen mehr

Trotz aller Querelen zeigte sich der Veranstalter Carl M. Holliger zum Schluss zufrieden. Er war zwar enttäuscht von der mangelnden Unterstützung durch die Behörden, meinte aber, das hätte nicht seiner Ausstellung, sondern nur dem Image der Schweiz im Ausland geschadet. Ausserdem kündigte er an, weitere solche Waffenmessen zu veranstalten, wenn er klare Zusagen bekäme.

Die Gegner zogen ebenfalls eine positive Bilanz. Sie reduzierten die offiziellen Besucherzahlen von 10’000 Personen des Veranstalters auf ein Viertel und sprachen von Gästen, die von «grosssprecherischer Propaganda» nach Winterthur gelockt worden seien und hier enttäuscht wurden. Besonders zufrieden stellte die Kritiker das Eingeständnis des Stadtpräsidenten, dass der Vertrag voreilig unterzeichnet worden sei und dass keine ähnlichen Ausstellungen in Winterthur mehr stattfinden würden. Ob Holliger «nochmals eine Stadtbehörde finden wird, die sich von ihm übers Ohr hauen lassen wird, dürfte zweifelhaft sein», schrieb die AZ.

Die Demokratische Partei doppelte in einem Communiqué nach und betonte, dass solche Ausstellungen weder zur Landesverteidigung noch zur Belebung des städtischen Kongresstourismus beitragen würden. Es sei richtig, wenn sich Bürger mit legalen Mitteln dagegen zur Wehr setzten. «Dazu gehört auch, dass im nächsten Frühjahr dem Stadtrat mit dem Stimmzettel mehr als nur ein Fingerzeig gegeben werden soll.» Eine weitere Waffenschau fand in Winterthur tatsächlich nicht mehr statt. An der Zusammensetzung des Stadtrats änderte sich allerdings nichts.



Die «Winterthurer Ereignisse»

Auf die Sulzer-Demo 1980 und die Proteste gegen die Waffenmesse 1981 reagierte die Polizei mit Verhaftungen von Aktivistinnen und Aktivisten. Als sich im Verlauf des Jahres 1984 Brand- und Sprengstoffanschläge in Winterthur zu häufen begannen, spannte sich die Lage an. In den frühen Morgenstunden des 20. November 1984 verhaftete die Polizei 25 junge Männer und Frauen in drei WGs.

Die «Winterthurer Ereignisse», so die zeitgenössische Bezeichnung, führten schweizweit zu Kontroversen, die sich insbesondere um die rechtliche Behandlung der Beschuldigten und das Vorgehen der Bezirksanwaltschaft drehten. Als sich Gabi S. nach vier Wochen Untersuchungshaft in ihrer Zelle erhängte, wurden die meisten Inhaftierten freigelassen. Bis heute sind die genauen Umstände ihres Todes Gegenstand von Spekulationen.

Die beiden Hauptverdächtigen, der Maler Aleks Weber und Res S., wurden 1987 nach drei Jahren Untersuchungshaft entlassen. Die Gerichtsverfahren zogen sich noch bis 1995 hin, weil die Urteile von höheren Instanzen mehrmals wegen Verfahrensfehlern aufgehoben wurden. (mga)



Proteste gegen Waffenschau in Winterthur
Schweiz, Winterthur, ZH: Nationale Demonstration linker Aktionsgruppen gegen Kriegsmaterial-Ausstellung in der Eulachhalle (Waffenschau W ’81)
https://www.srf.ch/play/tv/ch-magazin/video/proteste-gegen-waffenschau-in-winterthur?urn=urn:srf:video:95c55554-2c1c-43cc-b7d2-1bdcd94f8abd
(https://www.landbote.ch/guelle-auf-menschen-gegossen-832867509300)