Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++LUZERN
Flüchtlingstreff «Hello Welcome» zieht an neuen Ort – und sucht noch Geld
Der alte Pavillon hinter dem Hotel Astoria hat ausgedient: Im Spätsommer soll Hello Welcome an die Bundesstrasse ziehen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/stadt-luzern-fluechtlings-treff-hello-welcome-zieht-an-neuen-ort-und-sucht-noch-geld-ld.2157713
+++SCHWEIZ
Schweiz schafft nach Afghanistan aus – RaBe-Info 28.06.2021
Laut dem Global Peace Index ist Afghanistan das unsicherste Land der Welt. Trotzdem schafft die Schweiz regelmässig Menschen dorthin aus.
Letzte Woche machte in verschiedenen Medien eine Meldung die Runde, wonach die Schweiz Abschiebungen nach Afghanistan «wieder aufnehme». Dies suggeriere jedoch ein falsches Bild, erklärt Peter Meier von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. «Es hat in den vergangenen Jahren immer Ausschaffungen gegeben nach Afghanistan. Dass es im letzten Jahr einen Unterbruch gab, lag an Corona. Es gab also gar nie eine Praxisänderung», so Meier im Interview mit RaBe. Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sollen in den nächsten Wochen und Monaten 144 Menschen nach Afghanistan ausgeschafft werden.
https://rabe.ch/2021/06/28/boomender-onlinehandel/
+++FLUCHT
Dringender Bedarf an Resettlement-Plätzen
Die Covid-Pandemie und ihre Auswirkungen standen im Zentrum der «Annual Tripartite Consultations on Resettlement» (ATCR). Die weltgrösste Resettlement-Konferenz unter dem diesjährigen Vorsitz des Staatssekretariats für Migration (SEM) und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) geht heute zu Ende.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/dringender-bedarf-an-resettlement-plaetzen
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Der Durchgangsplatz lässt auf sich warten: Jenische und Sinti erhalten immer noch keinen Ersatz im Limmattal
Der Durchgangsplatz auf der Geissweid in Schlieren ist schon lange weg. Bis heute konnte im Bezirk Dietikon der Platz nicht ersetzt werden.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/fahrende-der-durchgangsplatz-laesst-auf-sich-warten-jenische-und-sinti-erhalten-immer-noch-keinen-ersatz-im-limmattal-ld.2150697
+++GASSE
«Man will uns am Bahnhof Bern nicht haben»: Randständige sind aber froh – Unter Baldachin stehen wieder Bänkli
Ende Mai hat die Stadt Bern die Rundbank unter dem Baldachin, wegen Beschwerden und Reklamationen von Passantinnen und Passanten, entfernt. Momentan stehen jedoch wieder neue Bänke am Bahnhof. Es ist eine Zwischenlösung – die Probleme im Perimeter Bahnhof sind damit aber noch nicht gelöst.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/man-will-uns-am-bahnhof-bern-nicht-haben-randstaendige-sind-aber-froh-unter-baldachin-stehen-wieder-baenkli-142707203
Jung und obdachlos – «Es gibt Minderjährige, die auf der Strasse leben»
Es gibt Jugendliche, die durch alle Maschen des sozialen Auffangnetzes fallen. In der aktuellen «Unzipped»-Reportage trifft Livio junge Menschen, die zum Teil jahrelang obdachlos waren und geht einem Phänomen nach, über das in der Schweiz wenig Worte verloren werden.
https://www.srf.ch/radio-srf-virus/unzipped/jung-und-obdachlos-es-gibt-minderjaehrige-die-auf-der-strasse-leben
Gemeinderatsantwort auf Interpellation Widmer „Übernahme polizeilicher Aufgaben durch private Anbieter in der Gemeinde Bern und im Falle Bern West im speziellen“ (PDF, 82.5 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-28-juni-2021/interpellation-widmer-ebernahme-polizeilicher.pdf/download
Bettelverbot: Das sagen die Betroffenen
https://telebasel.ch/telebasel-news/?channel=15881
Stadt Luzern: Gassenküche beklagt «sinnlose» Polizeipräsenz
In der jüngsten Ausgabe der «Gasseziitig» wird der Polizei vorgeworfen, sie patroulliere zu häufig vor der Gassenküche. Die Folge: Den suchtkranken Menschen werde der Zugang zum Konsumationsraum erschwert. Bei der Polizei sieht man die Dinge anders.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/stadt-luzern-ist-die-polizeipraesenz-vor-der-gassenkueche-zu-hoch-ld.2157395
+++DROGENEPOLITIK
Analyse zur ergebnislosen Drogenbekämpfung: Der ewige Krieg gegen die Drogenkartelle ist gescheitert
Razzien, die zum Massaker werden, volle Friedhöfe, volle Gefängnisse, gefährliche Fluchtrouten – und die Drogenmafia verdient weiter: Die Bilanz nach 50 Jahren «War on Drugs» ist verheerend. Die Welt ahnt längst, dass der Krieg eine Wende braucht.
https://www.derbund.ch/der-ewige-krieg-gegen-die-drogenkartelle-ist-gescheitert-858469095781
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Regierungsratsantwort auf Interpellation 076-2021 Imboden (Bern, Grüne) Warum verbietet die Berner Regierung – restriktiver als der Bund – «politische Demonstrationen» mit mehr als 15 Personen, sofern die Schutzmassnahmen eingehalten werden?
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-9a869b0b6caa49c6b2d441936da7418f.html
-> https://www.bernerzeitung.ch/berner-regierung-verteidigt-strenge-demo-regeln-vom-fruehling-924791109010
Il Molino, Praktiken des Kampfes und der Selbstverteidigung
Ein paar Worte zur Demonstration am 5. Juni
Die Räumung des CSOA Molino und der Abriss eines Teils der Gebäude des ehemaligen Schlachthofs haben im Tessin, in der Schweiz und in anderen Teilen der Welt eine Welle der Solidarität ausgelöst. Eine Solidarität, die unsere Herzen erwärmt und uns zeigt, dass das kleine Stück Land, das wir bewohnen, immer noch zu großen Dingen fähig ist. In diesen Tagen haben sich Tausende von verschiedenen Menschen, die den Raum im Laufe der Jahrzehnte besucht haben, sei es für einen Abend oder für einen längeren oder kürzeren Zeitraum ihres Lebens, auf der Straße (wieder)getroffen.
Das Molino war ein Ort, an dem künstlerische, kulturelle, politische, Breitensport-, Selbstproduktions- und Gemeinschaftsprojekte miteinander verflochten waren und zusammenlebten. Darunter immer wieder auch Momente von Schwierigkeiten, Diverenzen und Konfrontationen.
https://barrikade.info/article/4626
Farbangriff gegen Novartis Hauptsitz in Basel
In der Nacht vom 25.06 auf den 26.06 haben wir den Novartis Hauptsitz mit Farbe angegriffen.
Damit wollen wir ein wütendes Zeichen gegen das kapitalistische Gesunheitssystem setzen.
https://barrikade.info/article/4640
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Freispruch für den Autolenker: Von der «Amokfahrt» bleibt nichts mehr übrig
Im September 2015 fuhr ein Mann in eine Gruppe kurdischer Demonstranten. Rasch war die Rede von der «Amokfahrt von Bern». Nun wurde der Mann freigesprochen.
https://www.bernerzeitung.ch/freispruch-fuer-berner-amokfahrer-von-2015-875753618094
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/gerichtsprozess-in-bern-gerichtspraesident-der-fahrer-war-heillos-ueberfordert
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/freispruch-fur-berner-amokfahrer-von-2015-65955263
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/er-fuhr-mit-mercedes-in-gruppe-von-kurden-freispruch-fuer-berner-amokfahrer-id16635880.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/prozess-nach-demo-in-bern-gerichtspraesident-der-fahrer-war-heillos-ueberfordert
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/191597/
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derbund.ch 28.06.2021
Auto fuhr in Menschenmenge: Freispruch für «Amokfahrer»
Der Türke, der in Bern 2015 mit dem Auto mehrere Kurden verletzt hatte, handelte falsch, aber nicht schuldhaft. Deshalb spricht ihn das Gericht frei.
Markus Dütschler
Für die «Öffentlichkeit» war der Fall klar, sobald das Video in den sozialen Medien viral ging: Ein Türke rast mit dem Auto absichtlich in eine Ansammlung von Kurden, sodass Verletzte herumspicken. Das Regionalgericht Bern-Mittelland sichtete zwar dieses Video ebenfalls, arbeitete sich aber durch vier Bundesordner mit Aussagen, Berechnungen, Arztberichten und kriminaltechnischen Berichten.
Und es kam am Montag zu einem anderen Befund als einige Medien, die nach den Geschehnissen vom 12. September 2015 den Automobilisten als «Amokfahrer» und «Monster von Bern» titulierten. Das fünfköpfige Gremium unter dem Vorsitz von Peter Müller rekonstruierte die Ereignisse minutiös, an dem rund um den Berner Helvetiaplatz förmlich die Luft brannte. Eine nationalistische türkische Vereinigung führte dort eine bewilligte Kundgebung durch. Kurdische Gruppierungen riefen – ohne Bewilligung – zu einer spontanen Gegendemo auf. Die Polizei hatte Mühe, die Streithähne auseinanderzuhalten.
Von «Feinden» umzingelt
Mitten in diese aufgeheizte Stimmung platzt ein Mann aus der Region Zürich. Mit einem Freund und zwei Autoinsassinnen will er an der Kundgebung teilnehmen. Ein Polizist weist ihn an, die Schwellenmattstrasse hinunterzufahren und unten zu parkieren. Der Mann tut wie geheissen und gerät unversehens ins «Gefecht».
Kurden, von den schlimmen Vorkommnissen der letzten Tage im Irak und anderswo aufgewühlt, sehen im Auto Personen mit roten T-Shirts mit Türkenhalbmond. Sie schlagen aufs Autodach, der Beifahrer wird herausgerissen und verprügelt, ebenso der Fahrer. Hinten öffnet jemand den Kofferraum, um der beiden Frauen habhaft zu werden. Auf der Kühlerhaube stehen Leute, die die Frontscheibe eintreten. Der Richter bezeichnet den Vorfall als «beispiellose Gewaltorgie hochaggressiver Personen».
Dem Fahrer gelingt der Rückzug ins Auto, und er fährt weiter abwärts. Kurden setzen ihm zu Fuss nach. Die Frauen im Auto schreien hysterisch. Nach wenigen Augenblicken erkennt der Fahrer im Dalmazi ebenfalls Menschen auf der Strasse, soweit er durch das «Guckloch» der kaputten Scheibe etwas sieht. Seine Brille hat er bei der Schlägerei verloren, von seinem Kopf herunter fliesst Blut. Er sieht praktisch nichts.
Nachvollziehbare Panik
Schon unter normalen Umständen ist er kein schneller Denker. Zudem kennt er sich in Bern nicht aus. Würde er die Polizei anrufen, könnte er nicht einmal sagen, wo er sich befindet. Also fällt ihm nur eine Lösung ein: die Rückfahrt zum Helvetiaplatz. Dort hat es Polizei, zudem braucht sein verschwundener Beifahrer bestimmt dringend Hilfe.
Der Mann fährt die Strasse hoch, laut Gericht mit etwa 30 Kilometern pro Stunde – und nicht mit 50 oder 80, wie im Prozess vorgebracht wurde. Er sieht Menschen auf der Strasse, fährt aber weiter, um den «Feinden» keinen erneuten Zugriff auf seine Insassen zu ermöglichen. Mehrere Fussgänger werden verletzt, allerdings nicht wirklich schwer.
Einige der verletzten Kurden wurden in separaten Verfahren wegen Landfriedensbruchs verurteilt. In diesem Prozess gaben sie an, sie hätten auf dem Auto das Emblem der rechtsextremen Organisation «Graue Wölfe» gesehen – eine Provokation. Die Polizei konnte bei der Untersuchung kein solches entdecken.
«Keine Rachegedanken»
Im Urteil spricht das Gericht den Fahrer vom Vorwurf der «eventualvorsätzlichen versuchten schweren Körperverletzung» frei. Ebenso sieht es darin keine «eventualvorsätzliche versuchte Tötung», wie dies die Staatsanwaltschaft angeklagt hatte. Müller: «Es gibt keinen Hinweis, dass der Fahrer Rachegedanken hegte.»
Der Mann habe sich zwar nicht mehr in einer Notwehrsituation befunden, da er nach der ersten Auseinandersetzung weggefahren sei, aber in einem Notstand. Bei der Rückfahrt habe er befürchten müssen, dass er und seine Insassinnen erneut angegriffen würden. Deshalb habe er an einer engen Stelle nicht angehalten, obwohl sich dort Menschen aufhielten.
Für die Nichtjuristen im Assisensaal des Amthauses erklärte es Müller in einfachen Worten: «Der Fahrer handelte rechtswidrig, als er trotz der Menschen auf der Strasse weiterfuhr.» Das sei nicht erlaubt. Wegen der vorangegangenen Ereignisse billige ihm das Gericht aber zu, dass er «nicht schuldhaft» gehandelt habe. Somit entfällt die Strafe, die sich in unserem Strafrecht nach dem Verschulden bemisst.
Am Rande der Verhandlung war zu vernehmen, dass das Urteil wohl ans Obergericht weitergezogen wird.
(https://www.derbund.ch/freispruch-fuer-amokfahrer-110728171090)
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bernerzeitung.ch 28.06.2021
Protestcamp auf dem Bundesplatz: So viel müssen die Klimastreikenden zahlen
185 Personen wurden im Nachgang zum Klimastreik von letztem September angezeigt. Einzelne Strafbefehle zeigen nun, wie hoch deren Bussen ausfallen.
Michael Bucher
Es war ein Coup sondergleichen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion besetzten letzten September Hunderte Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Bundesplatz in Bern. Dort errichteten sie innert kürzester Zeit ein Zeltdorf. Sie zapften Strom an und bezogen Wasser von Hydranten.
Mit der Aktion überrumpelten sie die Stadtbehörden. Der Gemeinderat nahm im Vorfeld der Protestwoche an, die Klimabewegung würde lediglich dezentrale Aktionen durchführen. Zwei Tage liess der Gemeinderat die Streikenden gewähren, ehe das Klimacamp in der Nacht von der Polizei aufgelöst wurde. Während der Gemeinderat von rechten Politikern Schelte kassierte, weil er das illegale Treiben zu lange toleriert habe, empfanden linke Politikerinnen die polizeiliche Räumung des friedlichen Camps als übertrieben.
Hohe dreistellige Busse
Neun Monate später lässt sich aufzeigen, was für strafrechtliche Konsequenzen dieser aufsehenerregende Akt des zivilen Ungehorsams für die Betroffenen hat. Laut Kantonspolizei Bern wurde insgesamt gegen 185 Personen Anzeige eingereicht. Ein paar Tage nach der Räumung war vorerst die Rede von 85 Anzeigen gewesen.
Wie die Strafe ausfällt, zeigen drei exemplarische Strafbefehle der Staatsanwaltschaft, die dieser Zeitung vorliegen. Bei den Beschuldigten handelt es sich um eine 25-jährige Bernerin, einen 20-jährigen Berner und einen 21-Jährigen aus Schaffhausen. Die drei wurden zu einer bedingten Geldstrafe von 450 Franken verurteilt. Zahlen müssen sie diese nur, wenn sie sich in den nächsten zwei Jahren etwas zuschulden kommen lassen.
Was sie jedoch zahlen müssen, ist eine Busse von 200 Franken. Bei zwei von ihnen kommen Gebühren in der Höhe von 500 Franken hinzu. Beim 20-Jährigen betragen diese 650 Franken. Der junge Mann wurde bereits ein halbes Jahr zuvor in Zürich zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Schmerzhafter als die hohe dreistellige Busse dürfte für die Betroffenen allerdings der Eintrag ins Strafregister sein.
An Gitter gekettet
Die besagten drei hatten sich beim Eintreffen der Polizei an andere Personen oder an ein Gitter gekettet. Nachdem Feuerwehrleute die Ketten getrennt hatten, mussten die Streikenden weggetragen werden. Die Polizei hatte die Klimaaktivisten vor der Räumung per Megafondurchsage dreimal aufgefordert, den Platz zu verlassen, andernfalls müsse mit Anzeigen gerechnet werden. Über 100 Personen leisteten dem Folge, sie kamen mit einer Wegweisungsverfügung davon, die während 48 Stunden für die ganze Innenstadt galt.
Rund 200 Personen verharrten jedoch im Sitzstreik. Diese wurden vorübergehend in die Festhalteräume im Neufeld geführt, wo sie laut Aussagen von Betroffenen befragt und für die Polizeidatenbank abgelichtet wurden.
Teurer Polizeieinsatz
Laut der Stadt Bern kostete der Polizeieinsatz 426’000 Franken. Der Aufwand der Kantonspolizei sei im Pauschalvertrag mit der Stadt enthalten und werde dieser nicht verrechnet, hält die städtische Sicherheitsdirektion dazu fest.
Mit dem neuen Polizeigesetz haben Gemeinden die Möglichkeit, die Kosten einer unbewilligten Kundgebung auf die Organisatoren abzuwälzen. Dies geschah im vorliegenden Fall nicht. Die Begründung der Stadt: «Im kantonalen Polizeigesetz ist eine Kostenüberwälzung nur bei jenen Kundgebungen vorgesehen, bei denen Gewalt ausgeübt wurde.» Obwohl die Klimastreikenden ihr Protestcamp selber wegräumten, blieb die Stadt auf Reinigungskosten von rund 6000 Franken sitzen.
Die Organisatoren des Protestcamps sammelten für die Durchführung im Vorfeld Spenden. Die Gelder wurden teilweise auch gebraucht, um Bussen zu begleichen, wie die Gruppe Klimastreik Schweiz bestätigt. Sie ist eine von vier Organisationen, die das Klimacamp aufgegleist hatten. Es sei von Beginn an klar gewesen, dass das gesammelte Geld auch für mögliche Verfahren und Bussen eingesetzt werde, hält die Gruppe fest.
56’000 Franken kamen via Crowdfunding auf der Onlineplattform wemakeit.com zusammen. Weitere 20’000 Franken spendeten Privatpersonen. «Damit wurden vor allem die Infrastruktur und die Mobilisierungsmaterialien finanziert», schreibt Klimastreik Schweiz. Wie viel fürs Bezahlen der Bussen verwendet wurde, verrät die Gruppe nicht.
(https://www.bernerzeitung.ch/so-viel-muessen-die-klimastreikenden-zahlen-998265084201)
-> https://www.watson.ch/schweiz/klimastreik/679845061-klima-camp-bundesplatz-diese-strafen-kassieren-die-klimastreikenden
-> https://www.20min.ch/story/klimastreikende-muessen-bis-zu-1000-franken-bezahlen-489740734674
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Critical Mass spaltet weiterhin die Meinungen
Am Freitag versammelten sich erneut tausende Velofahrer um als «Critical Mass» durch Zürich zu ziehen. Die Bewegung braucht keine Bewilligung, weil dahinter keine Organisation steht. Nun wird ein brisanter Vorschlag in den Raum gestellt, der politisch auf der einen Seite für Empörung sorgt und auf der anderen Seite auf Begeisterung stösst.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/critical-mass-spaltet-weiterhin-die-meinungen-142707130
+++KNAST
Testbetrieb: Freiwillige gesucht fürs Gefängnis
Der Kanton Zürich sucht Testpersonen für die neue Haftan
https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/testbetrieb-freiwillige-gesucht-fuers-gefaengnis-ld.2157673
+++POLIZEI AG
Kanton Aargau prüft Einführung einer Einheitspolizei
Das Aargauer Departement Volkswirtschaft und Inneres prüft im Auftrag des Regierungsrates die Einführung einer Einheitspolizei im Kanton. Aber auch eine Optimierung des bisherigen dualen Systems mit Kantonspolizei und Regionalpolizeien soll untersucht werden.
https://www.watson.ch/schweiz/aargau/294509856-kanton-aargau-prueft-einfuehrung-einer-einheitspolizei
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/soll-es-im-aargau-nur-noch-eine-polizei-geben?id=12011322
+++POLIZEI INT
Das Phänomen „Thin Blue Line“
Dieser Artikel dient nicht dazu, konkret den Ursprung jeglichen polizeilichen Fehlverhaltens aufzuzeigen, sondern soll schlichtweg einen Einblick in Bewegungen geben, die um den Polizeiberuf herum, und oft aus diesem heraus, entstanden sind. Dazu gehört besonders das Phänomen der „Thin Blue Line“. Ursprünglich eine Anlehnung an den Krimkrieg 1854, als ein britisch-schottisches Infanterieregiment mit der Bezeichnung der „Thin Red Line“ den Einfall durch die russische Kavallerie verhinderte.
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/das-ph%C3%A4nomen-%E2%80%9Ethin-blue-line%E2%80%9C
+++FRAUEN/QUEER
Zwei Basler Grossräte wollen Verbot von Umpolungen in der ganzen Schweiz
Das Basler Parlament hat die Umsetzung eines Verbots von sogenannten Konversionstherapien bereits an den Regierungsrat überwiesen. Eine Grossrätin und ein Grossrat fordern dasselbe auf Bundesebene.
https://www.bzbasel.ch/basel/konversionstherapien-zwei-basler-grossraete-wollen-verbot-von-umpolungen-in-der-ganzen-schweiz-ld.2157574
+++RASSISMUS
antira-Wochenschau: Protestcamp vor Pariser Rathaus, Rainbow-Washing bei Frontex, Gerichtsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung
https://antira.org/2021/06/27/protestcamp-vor-pariser-rathaus-rainbow-washing-bei-frontex-gerichtsverfahren-wegen-unterlassener-hilfeleistung/
Rassismus: UN sehen systematische Benachteiligung von Schwarzen weltweit
Sie werden sozial, politisch und wirtschaftlich diskriminiert, nur wenige Länder stellen sich diesem Missstand: Der UN-Menschenrechtsrat fordert ein Ende des Rassismus.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/un-bericht-rassismus-gegen-schwarze-menschenrechte
-> https://www.spiegel.de/ausland/struktureller-rassismus-uno-studie-sieht-schwarze-vielerorts-benachteiligt-a-7150ee22-f20b-4b1c-a0a0-eb12a4e5d092
-> https://www.derstandard.at/story/2000127780019/un-bericht-schwarze-menschen-sind-vielerorts-opfer-von-strukturellem-rassismus?ref=rss
-> https://taz.de/UN-Bericht-zu-strukturellem-Rassismus/!5783330/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153808.black-lives-matter-uno-fordert-reparationen-fuer-schwarze-in-den-usa.html
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Coronavirus: Aufruf zu Demo in Aarau – Linke wollen sie verhindern
Am Samstag soll in Aarau die nächste Demonstration gegen die Massnahmen des Coronavirus stattfinden. Linke wollen nun aber dagegen vorgehen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-aufruf-zu-demo-in-aarau-linke-wollen-sie-verhindern-65954891
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/coronademo-aaraus-stadtpraesident-hanspeter-hilfiker-ich-sehe-nicht-gegen-was-man-jetzt-noch-demonstrieren-sollte-ld.2157412
-> Gegendemo-Aufruf: https://barrikade.info/article/4631
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aargauerzeitung.ch 28.06.2021
Kommt es zur Konfrontation? Aufruf zu erneuter Corona-Demo in Aarau – linkes Kollektiv will sie verhindern
Nach der unbewilligten Demo am 8. Mai wollen Gegner der Coronamassnahmen am kommenden Samstag erneut in Aarau protestieren. Gegen die Pläne regt sich allerdings Widerstand: Das linke Kollektiv «Aarau hält Abstand» will dagegenhalten.
Fabian Hägler
Es ist bald zwei Monate her, seit rund 1500 Personen am 8. Mai in Aarau gegen die Coronamassnahmen demonstrierten. Die unbewilligte Kundgebung hatte zahlreiche Strafanzeigen zur Folge, die derzeit noch hängig sind. Rund um die Kundgebung waren mehrere hundert Polizisten im Einsatz, die Demonstration dürfte Kosten von rund 100’000 Franken verursacht haben.
Der entscheidende Punkt, weshalb die Behörden die Demo verboten, war damals die Maskenpflicht: Diese werde bei solchen Kundgebungen nicht eingehalten, deshalb könnten sie nicht bewilligt werden, argumentierten Stadt- und Regierungsrat. Inzwischen hat der Bundesrat die Coronamassnahmen stark gelockert – seit Samstag gilt im Freien keine Maskenpflicht mehr, Clubs dürfen wieder öffnen, Grossveranstaltungen stattfinden – unter der Bedingung, dass die Besucher ein Covid-Zertifikat vorweisen können.
«Aarau 2.0»: Aufruf zur Demonstration am Samstag auf Telegram
Dennoch könnte es in Aarau am kommenden Samstag erneut zu Protesten von Coronaskeptikern kommen. In einem Telegram-Kanal, wo auf Demotermine hingewiesen wird, findet sich dieses Bild:
https://img.chmedia.ch/2021/6/27/cf7cc4ed-c91f-43d6-96aa-430a273bb44c.jpeg?width=1360&height=1172&fit=crop&quality=75&auto=webp
Aarau 2.0, also die zweite Coronademonstration in der Kantonshauptstadt, soll demnach am kommenden Samstag, 3. Juli, um 14 Uhr stattfinden. Wer hinter dem Aufruf steht, ist unklar, die bisherigen Demo-Organisatoren im Aargau scheinen es nicht zu sein. Auf den Social-Media-Kanälen und der Website des «Aktionsbündnis Aargau-Zürich für eine vernünftige Corona-Politik», das vergeblich eine Bewilligung für die Demo vom 8. Mai beantragt hatte, findet sich kein Hinweis. Auch beim Verein «Stiller Protest», der die bewilligte Kundgebung in Wohlen am 20. Februar organisiert hatte, steht keine Demo in Aarau am 3. Juli in der Agenda.
«Aarau hält Abstand»: Kollektiv mobilisiert gegen Demonstration
Unbemerkt blieben die Aufrufe allerdings nicht und Gegner einer erneuten Demo in der Kantonshauptstadt machen bereits mobil gegen die Pläne. In der Stadt hängen Plakate, auf denen unter dem Titel «Aarau hält Abstand» zum Widerstand gegen die Kundgebung aufgerufen wird.
https://img.chmedia.ch/2021/6/27/4a52d2bc-230c-4047-aec0-6e196cc0a1d8.jpeg?width=1360&height=1813&fit=crop&quality=75&auto=webp
Auf der Instagram-Seite von «Aarau hält Abstand» und auf dem Plakat heisst es: «Erneut mobilisieren angebliche Massnahmenkritikerinnen und -kritiker respektive Coronaleugnerinnen und -leugner nach Aarau.» Doch wer steht hinter den Plakate und dem Instagram-Account?
Als die AZ per Nachricht auf dem sozialen Netzwerk anfragt, kommt folgende Antwort: «Wir sind ein Kollektiv von Menschen aus und rund um Aarau herum, die diesen Verschwörungsideologinnen und -ideologen nicht nochmals Aarau als Plattform für ihre absurden Ideologien geben wollen.»
Rechtsextreme an Coronademos? Bisher keine Anzeigen bekannt
Geht es nach den Gegner der Demonstration, solle die Kantonshauptstadt «nicht erneut ein Brennpunkt von teilweise antisemitischen Verschwörungsideologinnen und -ideologen und deren gewalttätigen Nazi-Anhängen werden, damit sie mit ihrem unsolidarischen Verhalten die Bevölkerung belästigen und gefährden können.»
-> https://www.instagram.com/aarau_haelt_abstand/?utm_source=ig_embed
Aufgrund dieser Formulierung lässt sich leicht darauf schliessen, dass die Mitglieder von «Aarau hält Abstand» politisch links stehen. Dass sich Rechtsextreme unter die Demonstranten mischten, wurde bei einigen Coronakundgebungen kritisiert – soweit bekannt, gibt es bisher aber keine Anzeigen gegen Teilnehmer wegen Verstössen gegen die Antirassismus-Strafnorm.
Kritik an der Polizei, Lob für Gegendemonstranten
Auch mit dem Vorgehen der Polizei ist das Kollektiv nicht zufrieden, «Aarau hält Abstand» hätte offensichtlich eine Auflösung der unbewilligten Kundgebung erwartet. Bei der Demonstration am 8. Mai habe sich gezeigt, dass auf die Polizei kein Verlass sei, heisst es auf dem Plakat. «Erfreulicherweise gab es aber auch viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ihren Unmut auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht haben», schreibt das Kollektiv weiter.
So gab es unter anderem einen Protest von jungen Skatern, die Teilnehmer der Demo am 8. Mai zum Maskentragen aufforderten. Die Gruppe wurde von diversen Demonstranten beschimpft, angegangen und es kam auch zu Rangeleien. In der Stadt hielt zudem ein Anwohner ein Plakat mit der Aufschrift «Ich ghör nur mimimimimi» in die Höhe, beim Penny-Farthing-Pub gegenüber des Bahnhofs kam es zu einer Konfrontation zwischen FC-Aarau-Fans und Coronaskeptikern.
Konfrontation zwischen Demonstranten und «Aarau hält Abstand»?
«Aarau hält Abstand» ruft die Gegner einer erneuten Coronademo auf, sich in Gruppen zusammenzuschliessen und sich vorzubereiten. Auf die Frage, was für Aktionen das Kollektiv plant, erhält die AZ keine Antwort. Auf dem Plakat heisst es: «Verhindern wir gemeinsam den Aufmarsch rechter Schwurblerinnen und Schwurbler oder bereiten wir ihnen zumindest einen möglichst unangenehmen Aufenthalt in Aarau.»
Kommen die Coronaskeptiker am kommenden Samstag tatsächlich wieder nach Aarau, und macht das Kollektiv Aarau hält Abstand seine Ankündigung wahr, könnte es zur Konfrontation der Gruppen kommen. Wie bereiten sich die Sicherheitskräfte darauf vor? Corina Winkler, Sprecherin der Kantonspolizei Aargau, sagt dazu: «Wir haben Kenntnis von den beiden Aufrufen und beobachten die Lage laufend.»
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/protest-kommt-es-zur-konfrontation-aufruf-zu-erneuter-corona-demo-in-aarau-linkes-kollektiv-will-sie-verhindern-ld.2156919)
+++HISTORY
Löwendenkmal Luzern – Schweizer sterben für einen König – darum weint der Luzerner Löwe
Das weltberühmte Löwendenkmal wird 200 Jahre alt. Zum Jubiläum thematisiert Luzern seine undemokratische Geschichte.
https://www.srf.ch/news/schweiz/loewendenkmal-luzern-schweizer-sterben-fuer-einen-koenig-darum-weint-der-luzerner-loewe
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nzz.ch 28.06.2021
Schweiz als gefährlich eingestufte Literatur verbrannt wurde
Boulevardblätter, Groschenromane, Comics – alles, was die Jugend sittlich verderben könnte, sollte gesammelt und öffentlich vernichtet werden. Die Verbrennungsaktion 1965 in Brugg war der Schlusspunkt einer unheilvollen Geschichte. Ein Blick zurück.
Georg Kreis
Am 13. Mai 1965 kommen Vertreter von Jugendverbänden und Bildungsorganisationen in Zürich zu einer «Arbeitstagung» zusammen und besprechen die Grundzüge einer gesamtschweizerischen Bewegung gegen Schund- und Schmutzliteratur. Sogar das Eidgenössische Departement des Innern delegiert eine Vertretung in diese Runde. In jedem Kanton soll am Nationalfeiertag, so der Plan, mindestens ein Feuer für die Vernichtung von «unterwertigen» Schriften genutzt werden. Gemeint ist so ziemlich alles, was die Bevölkerung angeblich verblödet, verführt oder verhetzt – von erotischen Inhalten über die «Bravo» bis zum Romanheft «John Kling».
Natürlich sollen auch die Medien bei der Aktion mitmachen, besonders das noch junge Schweizer Fernsehen. Dies nicht nur in der eigentlichen Brandnacht am 1. August, sondern bereits in der Phase der Vorarbeiten. Es solle gezeigt werden, wie Jugendliche «Schundhexen» basteln, die dann zusammen mit den «Heftli» exekutiert würden.
«Miese Machwerke»
Am 22. Mai findet im aargauischen Städtchen Brugg die Hauptprobe statt, allerdings ohne «Schundhexe», aber mit vermeintlichen Schundheftli als Brennmaterial, mit zwei Brandrednern, einer Vielzahl Fackeln schwingender und Parolen skandierender Jugendlicher sowie Gratis-Grillwürsten – und mit den aufgebotenen Medien. Wäre es nur um Zulauf und Aufmerksamkeit gegangen, hätte dieser Samstagabend als Erfolg verbucht werden können. Allein, die Aufmerksamkeit, die es gibt, ist weitgehend negativ.
Einen offiziellen Anstrich erhält die Aktion durch die Mitwirkung des kantonalen Erziehungsdirektors, des SP-Regierungsrats Arthur Schmid. Er bezeichnet das Aufspüren, Sammeln und Verbrennen von Schund als wertvollen «geistigen Sport» und lobt die Aktion der Jungen. Er bemerkt aber auch, dass das Problem des süchtigen Schundkonsums nur durch «erzieherische Arbeit» gelöst werden könne. Der andere Redner ist der Badener Gewerbeschullehrer Hans Keller, der sich seit Jahren in der Bekämpfung minderwertiger Literatur einsetzt und in der Szene als «Schundpapst» bekannt ist. Eine Zeitung schreibt danach, dass der Klamauk zunächst nur komisch gewesen sei, «doch als Schulmeister Keller ins Mikrofon röhrte, es sei zu hoffen, dass am nächsten 1. August anstelle der ‹blöden bengalischen Feuer› Schund und Schmutz verbrannt werde, blieb einem das Lachen im Hals stecken».
Für die kritische Aufnahme ihres Anlasses machen die Veranstalter denn auch nicht die Art der Inszenierung verantwortlich, sondern die negative Berichterstattung der Medien. Doch bereits zuvor hat das katholisch-konservative «Aargauer Volksblatt» gewarnt: «Feuertod und Fanatismus sind eng verknüpft miteinander. Auch in Sachen Bücher- und Schriftenverbrennung.» Das freisinnig-liberale «Aargauer Tagblatt» reagiert, vielleicht wegen personeller Nähe zu den Veranstaltern, als einziges Lokalblatt zustimmend: Unter dem fett gesetzten Titel «Feuertod dem Schund» würdigt es die Aktion als «wegbereitend». Es sei «lobenswert», dass dem einen oder anderen der Teilnehmer «durch die eindrückliche Manifestation» die Augen aufgegangen seien, «für welche miesen Machwerke er bisher seine wertvolle Freizeit geopfert hatte». Wie sehr sich das Blatt mit der Aktion identifiziert, zeigt die Schlusspassage: «So ist in Brugg der erste Schritt zu einer grossen und schwierigen Auseinandersetzung gegen das Schlechte, Verlogene, Grobe und Gewissenlose dank jugendlicher Begeisterungsfähigkeit gelungen – den Verantwortlichen bleibt aber die Aufgabe, die leuchtende Flamme mit Zivilcourage, mit geistiger Überlegenheit und zäher Beharrlichkeit weiterzutragen. Geschieht dies nicht, wäre auch das ‹Fanal Brugg› ein Strohfeuer, das ohne Wirkung erlöscht.» Genau das ist es aber.
Erinnerungen an die Nazis
Die «Arbeitsgruppe» sieht nach dem Fiasko von Brugg davon ab, den bevorstehenden 1. August für die Entsorgung von Schundmaterial zu nutzen. Man ist sich bewusst geworden, dass sich das Freiheitsfeuer des Nationalfeiertags schlecht für eine Vernichtungsaktion eignet. Auch wegen definitorischer Probleme: Dem Brugger Brandabend ging eine breit angelegte Sammelaktion voraus. Da die «schlechte» Ware gegen als gut angepriesene Bücher eingetauscht werden konnte, förderte dies die Neigung, auch Drucksachen abzugeben, die offensichtlich nicht als Schund einzustufen waren, etwa «Das Tier», «Radio + Fernsehen», «Der Sonntag» und «Leben & Glauben». In der «Annabelle» bezeichnet der TV-Star Mäni Weber es als einen gelungenen Scherz, dass eine Fernsehreportage aus Brugg gezeigt habe, wie eine illustrierte Zeitung mit seinem Porträt auf dem Titelblatt den Flammen übergeben worden sei. Dass es zu überschiessender Vernichtung von Schriften gekommen ist, stufen die Veranstalter als bedauerliche Betriebsunfälle ein.
Nur sekundär erscheint ihnen problematisch, dass ihre Aktion eine ungute Nähe zu den berüchtigten Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten von 1933 aufwies. In der Nachbesprechung räumt man zwar ein, die nationalsozialistische Parallele verkannt und die noch bestehende «Empfindlichkeit der älteren Generation», die sich noch stärker an die tragischen Vorgänge erinnere, unterschätzt zu haben. Der Brandredner Keller rechtfertigt seinen Auftritt indes mit dem Argument, Hitler habe Geist verbrannt, «wir verbrennen Schund, Schmutz und Dreck». Die «Weltwoche» hingegen kritisiert, wie mit lodernden Schriften und zündenden Appellen ominöse Erinnerungen provoziert worden seien.
Wie die mehrheitlich negativen Reaktionen zeigen, kann die Inszenierung von Brugg nicht als Ausdruck eines vorherrschenden Zeitgeistes verstanden werden. Sie ist aber auch kein Einzelfall. Kurz vor und nach dem Feuerabend von Brugg finden in Deutschland ähnliche Aktionen statt: In Bietigheim organisiert ein von Lothar Späth, dem CDU-Politiker und späteren Regierungschef Baden-Württembergs, präsidierter Stadtjugendring eine Umtauschaktion namens «Schundliteratur gegen gute Bücher», die mit der öffentlichen Verbrennung Tausender Schriften endet. Und in Düsseldorf verbrennt die evangelische Jugendgruppe «Entschiedene Christen» Groschenromane, Sexmagazine und «Bravo»-Hefte, aber auch Bücher von Autoren wie Camus, Grass und Kästner. Wichtiger für die Schweiz ist jedoch eine im Februar 1965 in Romanshorn durchgeführte Aktion. Dort will ein junger Primarlehrer sein Dorf von Schundheftli säubern, gründet einen Verein gegen Schmutz und Schund – und lässt die in einem Umzug eingesammelten Schriften auf der Schlosswiese anzünden. Die Idee, bis zum kommenden 1. August in der Schweiz hundert Schulen zu gleichen Aktionen anzustiften, hat hier ihren Ausgangspunkt: «Nicht nur ein sauberes Romanshorn, sondern eine saubere Schweiz soll es geben!»
Politisches Dauerthema
Die Brandnacht in Brugg muss als ein bereits etwas unzeitgemässer Schlusspunkt einer langen Bewegung zur Bekämpfung von Schund und Schmutz betrachtet werden. Ab 1947 drängte das Departement des Innern, diesbezüglich die strafrechtlichen Bestimmungen zu verschärfen. Alphons Mettler, der zuständige Sektionschef im vom katholisch-konservativen Bundesrat Philipp Etter geführten Departement, trat im November 1948 an einer gesamtschweizerischen Konferenz als Einpeitscher auf: Es genüge nicht, sich theoretisch zum Problem zu äussern, vielmehr gehe es um ganz konkrete, in die Augen springende Missstände, «die mit Bezug auf die Gesundheit des heranwachsenden Geschlechts und die geistige Widerstandskraft unseres Volkes sehr ernst zu beurteilen sind». In den 1950er Jahren folgten verschiedene parlamentarische Vorstösse, nicht nur von katholisch-konservativer, sondern auch von sozialdemokratischer Seite. Sie führten aber nicht zu einer restriktiveren Praxis. Bereits 1947 hatten sich einzelne Kantone sowie die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) und der Schweizerische Schriftstellerverband dezidiert gegen Verschärfungen ausgesprochen, weil wegen der Unbestimmtheit des Schundbegriffs ungerechtfertigte Einschränkungen befürchtet wurden. Und immer wieder setzte sich die Meinung durch, dass das Schundproblem vor allem mit positiven Massnahmen, mit dem Angebot guter, das heisst pädagogisch wertvoller Schriften und der SJW-Hefte angegangen werden müsse.
Diese moderate Grundhaltung bildete den Hintergrund für die Versuche von Romanshorn und Brugg, der Schundbekämpfung neues Leben einzuhauchen. Etters Nachfolger in Departement des Innern, Hans-Peter Tschudi, nahm in dieser Frage eine entspanntere Haltung ein. Im Februar 1963 räumte er bei der Eröffnung der Schweizerischen Buchwoche zwar ein, dass schlechte Lektüre tatsächlich eine Gefahr sei für leicht beeinflussbare und sensible Burschen und Mädchen. Andererseits wies er darauf hin, dass das Buch auch seine Feinde habe, nämlich die Ablenkung durch Radio, Fernsehen, Film, Sport, Autoreisen, Motorradfahren usw. «Viel mächtiger ist heute die Gefahr, dass überhaupt nicht gelesen wird, weder gute noch schlechte Bücher.»
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Georg Kreis ist emeritierter Professor für Geschichte an der Universität Basel. Ende Jahr erscheint seine ausführliche Studie zur Schundbekämpfung der 1950er und 1960er Jahre.
(https://www.nzz.ch/schweiz/wie-in-der-schweiz-1965-schundschriften-verbrannt-wurden-ld.1632235)