Medienspiegel 21. Juni 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++AARGAU
Flüchtlinge und Schweizer rücken beim Essen näher zusammen: «Eine Chance, mehr über unglaubliche Schicksale zu erfahren»
Das Projekt «Eat and Meat» in Ennetbaden wird neu aufgegleist und erweitert: Flüchtlinge kochen dort für Einheimische und erzählen aus ihrem Leben.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/baden/ennetbaden-fluechtlinge-und-schweizer-ruecken-beim-essen-naeher-zusammen-eine-chance-mehr-ueber-unglaubliche-schicksale-zu-erfahren-ld.2153439

+++BASEL
bzbasel.ch 21.06.2021

Frau wurde nach Suizidversuch einfach liegen gelassen – vier Aufseher müssen sich vor Gericht verantworten

Eine abgewiesene Asylsuchende erhängte sich im Sommer 2018 im Untersuchungsgefängnis Waaghof. Ihr Tod hätte vermieden werden können, wenn die Aufseher nicht fahrlässig reagiert hätten – davon ist die Basler Staatsanwaltschaft überzeugt.

Jonas Hoskyn

Der tragische Fall, der zur Anklage von einer Aufseherin und drei Aufsehern des Untersuchungsgefängnisses Waaghof führte, ereignete sich im Sommer 2018. Eine abgewiesene Asylsuchende aus Sri Lanka wurde aus dem Regionalgefängnis Bern nach Basel gebracht. Die Frau war offenbar psychisch in einer sehr labilen Verfassung. Dazu kam, dass sie nur sehr gebrochen Englisch sprach. Eine vernünftige Kommunikation war kaum möglich.

Nachdem sie in der Nacht mehrfach herum geschrien hatte, wurde die Tamilin am Morgen in eine Zelle für «Personen mit besonderem Überwachungsbedarf» verlegt. Diese ist mit einer Kamera ausgerüstet, sodass die Person aus der Kommandozentrale jederzeit beobachtet werden kann. Doch auch in der neuen Zelle beruhigte sich die Frau nicht. Sie ging rastlos umher, klingelte mehrfach, zerriss die Decke, wälzte sich herum, schrie, schlug gegen die Wand und sich selbst und griff sich in würgeartiger Manier an den Hals.

Schliesslich befestigte sie ihr Traineroberteil am Zellenfenster und liess sich in die Schlinge fallen. Rund sechseinhalb Minuten dauerte es gemäss der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, bis ein Securitas-Mitarbeiter im Untersuchungsgefängnis auf dem Monitor die leblose Frau entdeckte, die halb am Boden lag. Die drei nun angeklagten Aufseher eilten daraufhin in die Zelle und durchschnitten das Traineroberteil. Laut Aussagen der Aufseher soll die Frau dabei geseufzt und auch geatmet haben.

Erst nach fast 19 Minuten Erste Hilfe geleistet

Was danach auf den Bildern der Überwachungskamera zu sehen ist, ist der Grund für die Anklage wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Der Fall wird Ende August vor dem Basler Strafgericht verhandelt.

Statt Vitalzeichen zu prüfen, Erste Hilfe zu leisten, die Frau in eine stabile Seitenlage zu bringen oder medizinische Hilfe zu leisten, taten die drei Aufseher gemäss Anklage lange Zeit wenig, ausser ihr mit einer Handvoll Wasser das Gesicht zu benetzen. Stattdessen liessen sie die regungslose Frau zusammengesackt mit dem Gesicht nach unten in der Ecke liegen und verliessen die Zelle. Auch eine zugezogene Kollegin – die vierte Angeklagte im Fall – ergriff keine Massnahmen, die der Frau geholfen hätten. Stattdessen zog sie ihr noch die Hose aus.

Anschliessend wurde die hilflose Frau alleine in der Zelle zurückgelassen. Rund zehn Minuten schauten die Aufseher tatenlos durch die Sichtöffnung zu, bevor die Rettungssanität alarmiert wurde. Nochmal mehrere Minuten später startete einer der Aufseher mit ersten Reanimationsmassnahmen. Die Staatsanwaltschaft schreibt: «Erst nach rund 18 Minuten und 40 Sekunden (seit Beginn der Erhängungssituation) wurde die Insassin zumindest auf den Rücken gedreht und damit einer Verbesserung der Atmungssituation herbeigeführt.»

Die Rettungssanität traf letztlich 25 Minuten, nachdem der Suizidversuch entdeckt worden war, ein – zu spät. Die Frau wurde ins Unispital gebracht, wo sie zwei Tage später an den Spätfolgen ihres Suizidversuchs verstarb.

Der Tod der Frau hätte wohl verhindert werden können

Gemäss dem Gutachten der Rechtsmedizin sei das Gehirn durch den anhaltenden Sauerstoffmangel so stark geschädigt gewesen, dass die Frau daran verstarb – hervorgerufen durch die Strangulation und das lagebedingte Ersticken. Die Staatsanwaltschaft ist der Überzeugung, dass der Tod der Frau aller Wahrscheinlichkeit nach abgewendet hätte werden können, wenn sich das Aufsichtspersonal pflichtgemäss verhalten hätte, und schreibt: «Die Todesfolge war nicht nur vermeidbar. Sie war auch vorhersehbar.» Zumal die Aufseher für solche Situationen geschult worden seien. Die Lebensgefahr sei erkennbar gewesen. Die Beschuldigten hätten die Frau im Stich gelassen, dabei elementare Sorgfaltspflichten verletzt und in Kauf genommen, dass die Frau sterben könnte. «Mithin haben sie jeweilig durch Unterlassen fahrlässig den Tod verursacht», so die Anklageschrift.

Welche Strafe die Staatsanwaltschaft beantragt, ist noch nicht klar. Beurteilt wird der Fall von einem Dreiergericht. Dieses kann Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren aussprechen. Für die Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/anklage-frau-wurde-nach-suizidversuch-einfach-liegen-gelassen-vier-aufseher-muessen-sich-vor-gericht-verantworten-ld.2152926)


+++ITALIEN
Madi, Houssein, und die anderen Namenlosen
Aktuell können wir die Hilfsanfragen nicht mehr bewältigen, die uns von migrierenden Menschen erreichen, welche alles verloren haben. Immer häufiger werden sie vom politisch-institutionellen System zu Sklaverei und Unsichtbarkeit verurteilt, die sie physisch und psychisch zerstört.
https://www.borderlinesicilia.it/de/monitoring/madi-houssein-und-die-anderen-namenlosen/


+++FREIRÄUME
Die «Familie Eichwäldli» verlässt die Soldatenstube – Gebäude wird noch im Sommer abgerissen
Die Bewohnerinnen und Bewohner der alten Soldatenstube geben auf: Sie verlassen das Gebäude am Murmattweg 2. Die Stadt will den Abbruch nun «unverzüglich» vorbereiten.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/stadt-luzern-wir-haben-viel-geweint-und-viel-geschrien-die-familie-eichwaeldli-verlaesst-die-soldatenstube-ld.2153769


Nach Auszug aus der Soldatenstube –  Manuela Jost: «Solche Zwischennutzungen sollen auch in Zukunft ihren Platz haben»
Die Familie Eichwäldli hat die alte Soldatenstube in Luzern verlassen. Damit zog man am Montag der definitive Schlussstrich unter die Geschichte. Im Interview blickt Stadträtin Manuela Jost auf die turbulente Zeit zurück und erklärt, warum es in der Stadt Luzern auch in Zukunft solche Zwischennutzungen geben wird.
https://www.zentralplus.ch/manuela-jost-solche-zwischennutzungen-sollen-auch-in-zukunft-ihren-platz-haben-2119255/


+++GASSE
Bank am Bahnhof weg – Linke kochen, SVP jubelt, Randständige konsterniert
Die bei Randständigen beliebte Rundbank am Bahnhof Bern wurde zeitweise abgebaut. Das wird nicht von allen goutiert.
https://www.20min.ch/story/bank-am-bahnhof-weg-linke-kochen-svp-jubelt-randstaendige-konsterniert-298387701853


+++DEMO/AKTION/REPRESSION

Das Strafmass heisst Staatstreue
„Der Assisensaal im Amtshaus ist schwer an diesem Morgen, stumpf vom Dunst der Anwesenden und der Sonne des eingefallenen Sommers. Richterin Bettina Bochsler entledigt sich zur Urteilsverkündung schon früh ihrer Maske – muss kurz innehalten, salbt ihre Stimmbänder mit einem tiefen Zug dieser feuchten Luft und setzt an.“
http://www.ksb.ist/doc/das-strafmass-heisst-staatstreue



derbund.ch 21.06.2021

«Amokfahrer» vor Gericht: War es Tötungsabsicht oder Notwehr?

Kurden und Türken gingen 2015 in aufgeheizter politischer Stimmung aufeinander los. Ein Mann, der attackiert und verletzt wurde, fuhr mit seinem Auto mehrere Menschen um.

Markus Dütschler

In Bern brannte an jenem Samstag die Luft. Eine der Erdogan-Partei AKP nahestehende Vereinigung rief zu einer genehmigten Kundgebung gegen «Terror» auf. In der Türkei war die Dialogphase zwischen der Regierung und den oppositionellen Kurden jäh zu Ende gegangen. Im Nordirak tobte Krieg zwischen der türkischen Armee und kurdischen Kämpfern. Es gab blutige Anschläge auf türkische Sicherheitskräfte.

Längst vorbei die Zeiten, als Dichterfürst Goethe sinnieren konnte, dass die sonntägliche Musse nicht gestört werde, «wenn hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen». Übers Internet riefen kurdische Gruppen zu einer – unbewilligten – Gegendemonstration auf. Die Berner Kantonspolizei konnte die erzürnten Menschengruppen auf dem Helvetiaplatz kaum voneinander fernhalten.

In diese aufgeheizte Stimmung geriet ein damals 40-jähriger Türke aus dem Aargau. Er fuhr im Auto mit einem Kollegen und zwei Frauen aus der Familie zur Demonstration. Die Polizei wies den Mann an, über die Schwellenmättelistrasse hinunterzufahren.

Wütender Mob schlug zu

Das hätte er besser nicht getan. Wütende Gegendemonstranten merkten, dass er türkische Embleme mitführte. Sie hielten das Auto an, rissen den Fahrer heraus und verprügelten und verletzten ihn. Im Gewühl gelang es ihm, sich wieder ins Auto zu begeben. Der Mob zertrümmerte seine Windschutzscheibe, sein Kopf war blutig geschlagen, die Brille weg.

Der Mann fuhr fast ohne Sicht los, wobei er zwei Kurden leicht verletzte. Unten wendete er den Wagen und fuhr – offenbar schneller – wieder bergwärts. Die Tempoangaben schwanken zwischen 20 und 80. Nach der Version des Verteidigers wollte der Automobilist nach seinem verschwundenen Mitfahrer suchen, von dem er befürchtete, dass er tot sein könnte. Dabei fuhr er das Auto mit unbestimmtem Tempo in eine Menschenmenge. Mehrere Kurden wurden dabei verletzt, zwei davon erheblich.

Sofort ging ein Handyvideo im Netz viral, auf dem zu sehen ist, wie Menschenkörper vom Auto weggespickt werden. Auch zirkulierte das Gerücht, wonach der Mann einen Aufkleber der rechtsextremen «Grauen Wölfe» gehabt habe, was die Attacken provoziert habe. Die Polizei fand auf dem Fahrzeug keinen solchen Kleber.

Prozess mehrmals verschoben

Seit Montag befasst sich am Regionalgericht Bern-Mittelland ein fünfköpfiges Kollegium unter dem Vorsitz von Peter Müller mit dem Fall. Eigentlich hätte der Prozess im März 2020 stattfinden sollen. Doch an jenem Tag, als in der Schweiz Zehntausende wegen des Lockdown nicht in die Büros gingen, entschied der Vorsitzende, den Prozess zu verschieben, das Verfahren könnte jederzeit wegen eines Corona-Falls abgebrochen werden. Der Beschuldigte G. kam leicht verspätet in den Saal und konnte wieder kehrtmachen. Im November 2020 war er krank. Am Montag nun fehlte er erneut krankheitsbedingt. Laut Strafprozessordnung ist es möglich, den Prozess dennoch zu führen, da sein Anwalt anwesend ist.

Die Anklage legte im Plädoyer dar, dass der Fahrer aufgrund der Attacken auf ihn voller Angst das Weite gesucht habe. Anstatt die Polizei aufzusuchen oder diese telefonisch zu verständigen, habe er den Wagen gewendet und sei wieder bergwärts gefahren. Dabei habe er in Kauf genommen, Personen auf der Strasse umzufahren und zu verletzen, ja gar zu töten. Angeklagt ist der Türke deshalb der «eventualvorsätzlichen versuchten Tötung», da er Tote billigend in Kauf genommen habe, sein Auto quasi als Waffe benutzte. Dafür sei eine Freiheitsstrafe von acht Jahren auszusprechen, so die Staatsanwältin. Eine «angemessene Bestrafung» verlangten auch die Privatkläger der Kurden, die bei der Kollision verletzt worden waren.

Harmloser Hobbygärtner

Naturgemäss anders sah dies der Verteidiger. Sein Mandant sei unpolitisch und kein Anhänger der «Grauen Wölfe», sondern ein «spiessiger Familienvater», der sich im Schrebergarten über eigene Tomaten freue. An jenem Tag habe er die Attacken auf eine befreundete Familie in ihrem Auto gesehen und selber massive Gewalt einstecken müssen.

Mit blutüberströmtem Kopf und zerschlagener Windschutzscheibe habe er versucht, der Situation zu entfliehen. Die Teilung in zwei Phasen, wie sie die Staatsanwaltschaft vornehme, sei «Mumpitz», sagte der türkischstämmige Anwalt in geschliffenem Hochdeutsch. In einer solch bedrohlichen Situation könne niemand einen vernünftigen Gedanken fassen. Der Mann habe in Notwehr gehandelt und sei freizusprechen. Die Berner Behörden hätten «gepennt», als sie die Nationalisten-Demo angesichts der damaligen politischen Lage genehmigt hätten.

Die Boulevardpresse habe seinen Mandanten als «Monster von Bern» apostrophiert. Entsprechend sei dieser von kurdischer Seite bedroht worden. Der Verteidiger sagte weiter, dass an der Demo Vertreter einer kurdischen Schlägertruppe aktiv gewesen seien. In der Tat gab es rund hundert Strafverfahren. Einige der Kurden, die nun eine Entschädigung einfordern, standen wegen Landfriedensbruchs an jener Demo als Beschuldigte bereits früher vor Gericht.

Das Urteil wird am 28. Juni verkündet.
(https://www.derbund.ch/war-es-toetungsabsicht-oder-notwehr-590501630478)



bernerzeitung.ch 21.06.2021 (Abend)

Todeskampf an der Demo: Amokfahrt oder Notwehr?

Das Regionalgericht verhandelt die berüchtigtste Szene der «Kurdendemo» von 2015. Die Staatsanwaltschaft fordert acht Jahre gegen den Hauptakteur, die Verteidigung einen Freispruch.

Cedric Fröhlich

Montagmorgen im Berner Amthaus, drei junge Männer schildern, wie sie von einem dunkelblauen Mercedes angefahren wurden. Einer der Männer berichtet von seinem Schädelbasisbruch und einer Fraktur des linken Schulterblatts, das ihm bis heute Probleme bereitet – der Nacken spannt, vor allem in der Nacht. «Ich bin als Opfer hier», sagt er. Der mutmassliche Täter liess sich derweil aus gesundheitlichen Gründen vom Prozess dispensieren. Wobei, Täter und Opfer sind in diesem Fall zwei schwierige Kategorien.

Das Regionalgericht Bern-Mittelland befasst sich jetzt mit den Ereignissen am Rande der «Kurdendemo» vom 12. September 2015. Damals trafen am Helvetiaplatz eine bewilligte Kundgebung der «Union Europäisch Türkischer Demokraten» (die der türkischen Regierungspartei AKP nahesteht) und eine prokurdische Gegendemonstration aufeinander. Anlass war der eskalierende Konflikt zwischen der türkischen Armee und der kurdischen PKK in Südostanatolien.

Die Polizei in Bern war darum einen Nachmittag lang damit beschäftigt, Brandherde zu löschen. Am Ende standen mehr als 20 Verletzte zu Buche sowie 96 Anzeigen wegen verschiedenster Delikte.

Die Handys filmten mit

Auf der Schwellenmattstrasse lief die Sache schliesslich komplett aus dem Ruder. Beteiligt waren daran auch die eingangs erwähnten Männer – und zwar zunächst als die Aggressoren. Auf dem Stutz hinunter Richtung Marzili stoppte ein wütender Mob aus dem kurdischen Lager zwei Fahrzeuge. In den Autos sassen türkische Sympathisanten. Die Angreifer zerrten die Fahrer auf die Strasse, prügelten und traten auch auf die Beifahrerinnen und Beifahrer ein. Sie demolierten die Fahrzeuge, traten die Windschutzscheiben ein.

Der Beschuldigte war einer dieser Autofahrer. Gemäss der Anklageschrift traten ihm seine Peiniger dreimal gegen den Kopf, hinzu kamen 13 Hiebe mit Stöcken und «länglichen Gegenständen». Passanten filmten die Attacke mit ihren Smartphones.

Einige der Angreifer gaben später zu Protokoll, sie hätten auf den beiden Autos Aufkleber der Grauen Wölfe ausmachen können. Die Polizei fand später nichts dergleichen. Auch bestreitet der Verteidiger des Beschuldigten, dass sein Mandant in irgendeiner Weise mit der Gruppierung in Verbindung steht.

Dann fuhr das Auto in die Menge

Der Mann rettete sich schliesslich kriechend in seinen dunkelblauen Mercedes, blutüberströmt und ohne seine Sehbrille. Trotz der zertrümmerten Frontscheibe setzte er den Wagen in Bewegung und fuhr dabei zwei der Angreifer an. Auf dem Rücksitz sassen seine Tochter und deren Cousine. Seinen Beifahrer musste er liegen lassen.

Eine Minute verging, der Mob drosch weiter auf das zweite Auto, dessen Insassen und den zurückgelassenen Beifahrer ein. Nur ein paar wenige aus der Menge versuchten, die Verletzten vor den Angreifern zu schützen. Dann kehrte der Mercedes zurück. Die Staatsanwaltschaft schätzt, dass er mit 30 bis 50 Stundenkilometern heranbrauste. Der Wagen fuhr in die Menge, sechs Menschen wurden weggeschleudert, gingen zu Boden, einige blieben liegen. Der Mann mit dem gebrochenen Schädel und der kaputten Schulter wurde regelrecht über das Autodach hinüberkatapultiert.

Der Mercedes kam schliesslich wieder am Helvetiaplatz an. Wo die Polizei die wütende Menge, die dem Fahrzeug gefolgt war, mit Gummischrot, Tränengas und unter Androhung der Dienstwaffe zurückhalten musste.

Staatsanwaltschaft fordert hohe Strafe

In Verfahren gegen Personen, die am Angriff beteiligt waren, sind bereits Schuldsprüche ergangen. Auch gegen die Männer, die nun als Geschädigte auftreten. Nicht alle diese Urteile sind rechtskräftig. Das Regionalgericht um Gerichtspräsident Peter Müller steht vor der vielleicht schwierigsten Würdigung der Vorgänge auf der Schwellenmattstrasse: Endeten sie in der von den Medien herumgereichten «Amokfahrt»? Oder ganz im Gegenteil: War es Notwehr?

Die Anklage unterteilt den Tatablauf in zwei Phasen. In der ersten Phase (bei der Flucht) habe er in Notwehr gehandelt, in der zweiten (bei der Rückkehr) nicht. «Wer so in eine Menschenmenge fährt, dem ist es egal, ob Menschen sterben», sagt die zuständige Staatsanwältin vor Gericht. Sie fordert einen Schuldspruch wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung und eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren.

Der Verteidiger des Mannes fordert einen Freispruch. Seinen Klienten bezeichnet er abwechselnd als «unpolitischen», «harmlosen» und «spiessigen» Mann, der sich nichts dabei gedacht habe, als er an die Demo nach Bern fuhr. Den Wagen habe er unter anderem deshalb gewendet, weil er gewusst habe, dass er am Helvetiaplatz bei der Polizei Schutz finden würde.

Das Regionalgericht wird sein Urteil am nächsten Montag verkünden.
(https://www.bernerzeitung.ch/amokfahrt-oder-notwehr-an-der-kurdendemo-autofahrer-vor-gericht-862735769185)



bernerzeitung.ch 21.06.2021 (Morgen)

Prozessauftakt in Bern: Amokfahrt oder Notwehr an der «Kurdendemo»? Autofahrer vor Gericht

Im September 2015 kam es in Bern am Rande zweier Demonstrationen von türkischen und kurdischen Sympathisanten zu wüsten Szenen. Die berüchtigtste davon wird nun vor Gericht verhandelt.

Cedric Fröhlich

Der unschöne Höhepunkt eines insgesamt bedenklichen Nachmittags spielte sich unterhalb des Helvetiaplatzes ab. Zunächst hielten rund ein Dutzend Personen aus dem prokurdischen Lager zwei Autos an. Sie zerrten die türkisch-stämmigen Insassen teilweise aus ihren Fahrzeugen und traktierten sie mit Fäusten, Füssen und Gegenständen.

Einem der attackierten Wagen gelang schliesslich die Flucht. Nur Momente später kehrte er zurück und fuhr mit beträchtlicher Geschwindigkeit durch die wütende Menschenmenge. Das Fahrzeug traf einige der Angreifer ungebremst. Verschiedene Passantinnen und Passanten dokumentierten den Zwischenfall mit ihren Smartphones. Die Videos kursierten auf den einschlägigen Plattformen und fanden den Weg auf die Newsplattformen im Land.

Der Vorfall selbst datiert zurück auf den 12. September 2015, als in der Stadt Bern sowohl Anhänger der türkischen Regierung als auch Unterstützer der kurdischen PKK demonstrierte. Am Rande der Kundgebungen kam es zu teilweise heftigen Scharmützeln. Die Polizei setzte Tränengas und Gummischrot ein, um die beiden Lager voneinander fernzuhalten. Am Ende des Tages standen 22 Verletzte zu Buche.

Seit dem Montagmorgen muss sich der Autolenker vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verantworten. Es gilt zu klären, ob der Lenker des sich der versuchten schweren Körperverletzung oder gar einer versuchten Tötung schuldig gemacht hat. In einem früheren Prozess war er als Privatkläger aufgetreten. Die Berner Justiz verurteilte damals einen der Angreifer wegen diverser Delikte zu einer bedingten Geldstrafe.

Das Regionalgericht steht in den Tagen bis zum Urteil vor schwierigen Fragen: Wer war im Zuge des chaotischen Demosamstags in Bern zu welchem Zeitpunkt Täter? Und wann Opfer? Wo beginnt in der Dramaturgie der Ereignisse die Notwehr? Wo endet sie?

Der Beschuldigte blieb dem Prozess am Montagmorgen fern – er liess sich aus gesundheitlichen Gründen dispensieren.
(https://www.bernerzeitung.ch/amokfahrt-oder-notwehr-an-der-kurdendemo-autofahrer-vor-gericht-862735769185)
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/raste-in-kurden-gruppe-tuerke-soll-fuer-berner-amokfahrt-in-den-knast-id16617768.html
-> https://www.swissinfo.ch/ger/staatsanwaeltin-fordert-acht-jahre-fuer–amokfahrt-von-bern-/46722660
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/2015-faehrt-ein-auto-durch-eine-kurdendemo-jetzt-steht-der-mutmassliche-amokfahrer-vor-gericht-142572819



«Extinction Rebellion» droht dem Bundesrat: Ist das Terrorismus?
Auf acht Seiten warnt «Extinction Rebellion» die Schweizer Regierung vor einer geplanten «friedlichen Lahmlegung» von Zürich. Wie gefährlich ist die Drohung?
https://www.nau.ch/news/schweiz/extinction-rebellion-droht-dem-bundesrat-ist-das-terrorismus-65950517


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
«Für ein Grundrecht auf Einbürgerung» – RaBe-Info 21.06.2021
Wer bekommt einen Schweizer Pass? Diese Frage beantworten die Behörden heutzutage teilweise sehr streng, die Auflagen um eingebürgert zu werden sind in kaum einem europäischen Land dermassen hoch wie in der Schweiz.
Gestern formierte sich deswegen die Aktion Vierviertel. Die zivilgesellschaftliche Bewegung fordert einen Paradigmenwechsel in Sachen Einbürgerung. Wer in der Schweiz geboren werde, hier aufwachse oder dauerhaft hier lebe, soll neu einen Anspruch haben auf die Schweizer Staatsbürgerschaft.
https://rabe.ch/2021/06/21/wer-bekommt-wann-einen-schweizer-pass/


+++
Gemeinderatsantwort auf Postulat Fraktion SP/JUSO „Kameraüberwachung des öffentlichen Raums durch Private“ (PDF, 87.4 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-21-juni-2021/postulat-fraktion-spjuso-kamerauberwachung-des.pdf/download


+++KNAST
Test im Gefängnis Zürich-West: Kanton will Freiwillige einsperren
Wie fühlt sich eine Untersuchungshaft an? Neben kantonalen Angestellten können sich im nächsten Frühling auch Freiwillige aus der Bevölkerung dafür melden.
https://www.tagesanzeiger.ch/kanton-will-neues-gefaengnis-mit-freiwilligen-testen-671974681207
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/wie-fuehlt-sich-u-haft-an-zuerich-will-neues-gefaengnis-mit-freiwilligen-testen-id16618564.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuerich-will-neues-gefaengnis-zuerich-west-mit-freiwilligen-testen-00160543/


+++BIG BROTHER
EU-Datenschützer fordern klares Verbot biometrischer Gesichtserkennung
EU-Datenschützer warnen vor dem Ende der Anonymität, wenn die EU-Kommission bei ihren geplanten KI-Regeln nicht nachbessert.
https://www.heise.de/news/EU-Datenschuetzer-fordern-klares-Verbot-biometrischer-Gesichtserkennung-6113288.html


+++POLIZEI SO
Für externe Einsatzkräfte und Fahrzeuge: Polizeieinsatz für Mini-Coronademo kostet rund 70’000 Franken
Ende Mai hatte sich eine kleine Gruppe Menschen im Zentrum der Solothurner Altstadt eingefunden, um gegen Coronamassnahmen zu protestieren. Zu einer richtigen Demo kam es nicht. Wesentlich mehr Polizistinnen und Polizisten waren in und ausserhalb der Altstadt anzutreffen. Mittlerweile sind mehr Details zum Grosseinsatz bekannt.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/solothurn-fuer-externe-einsatzkraefte-und-fahrzeuge-polizeieinsatz-fuer-mini-coronademo-kostet-rund-70000-franken-ld.2153123
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/corona-demo-solothurn-polizei-benennt-erstmals-kosten?id=12007040
-> https://www.20min.ch/story/70000-franken-fuer-externe-polizisten-und-einsatzfahrzeuge-509456270902


+++RECHTSPOPULISMUS
SVP-Kreise um Ex-Nationalrat Luzi Stamm sammelten zu wenig Unterschriften: Asyl-Initiative gescheitert
Mit einer Volksinitiative wollten SVP-Kreise um Ex-Nationalrat Luzi Stamm die Asylpolitik neu ausrichten. Mit mehr Hilfe vor Ort und Schutzgebieten für Flüchtlinge.
https://www.blick.ch/politik/svp-kreise-um-ex-nationalrat-luzi-stamm-sammelten-zu-wenig-unterschriften-asyl-initiative-gescheitert-id16617357.html
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/asyl-corona-und-fehlende-unterstuetzung-der-svp-luzi-stamms-asylinitiative-scheitert-ld.2153975


+++RECHTSEXTREMISMUS
Outing: Junge-Tat-Nazi Mario Giulivi
Ein kleiner Sneak Peak war bereits im Outing von Lukas Knöpfli zu erwischen. Nun folgt das Outing von Mario Guilivi, seines Zeichens Junge-Tat-Mitglied aus Brütisellen ZH, PNOS-Fanboy und gewaltsuchender Coronarebell.
https://barrikade.info/article/4623


++++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Wegen illegaler Demo: Corona-Skeptikerin (42) muss in Zürich vor Gericht
Eine Frau nahm an einer illegalen Corona-Demo im Mai 2020 in Zürich statt und muss sich dafür nun vor Gericht verantworten.
https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/wegen-illegaler-demo-corona-skeptikerin-42-muss-in-zuerich-vor-gericht-id16617687.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/massnahmen-gegnerin-muss-in-zuerich-vor-gericht-00160525/


Ende der Querdenker-Bewegung: Urlaub von der Wirklichkeit
Die Querdenken-Bewegung ist am Ende. Doch die mediale Infrastruktur, die sie aufgebaut hat, ist für Fake News jederzeit wieder reaktivierbar.
https://taz.de/Ende-der-Querdenker-Bewegung/!5777010/


Nahezu ausgedacht?
Sinkende Teilnehmerzahlen, Beobachtung durch den Verfassungsschutz, gesperrte Kanäle im Netz: Die „Querdenken“-Bewegung ist in der Krise. Doch im August sollen wieder Zehntausende in Berlin demonstrieren.
https://www.tagesschau.de/inland/querdenken-109.html


+++FUNDIS
Stadtrat lässt Demonstration zu: «Marsch fürs Läbe» darf durch Zürich ziehen
Die Stadtregierung akzeptiert einen Entscheid des Statthalters. Trotz Bedenken will sie nun eine Demonstration bewilligen.
https://www.tagesanzeiger.ch/marsch-fuers-laebe-wird-durch-zuerich-ziehen-duerfen-394572919018
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/abtreibungsgegner-koennen-in-zuerich-marschieren?id=12006935
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zwei-varianten-fuer-umzugsroute-marsch-fuers-laebe-kann-marschieren-00160496/
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/958736571-marsch-fuers-laebe-findet-statt-zuercher-stadtrat-akzeptiert-urteil
-> https://www.nau.ch/ort/zurich/marsch-furs-labe-in-zurich-darf-durchgefuhrt-werden-65950964
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/erfolg-fuer-marsch-fuers-laebe-abtreibungsgegner-duerfen-in-zuerich-marschieren
-> https://www.stadt-zuerich.ch/pd/de/index/das_departement/medien/medienmitteilung/2021/juni/210621a.html
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/der-marsch-fuers-laebe-darf-in-zuerich-doch-stattfinden-142572601



nzz.ch 21.06.2021

«Marsch fürs Läbe»: Abtreibungsgegner können ihren Demonstrationszug definitiv durch Zürich führen

Der Zürcher Stadtrat fügt sich dem Entscheid des Statthalters, dass ein «Marsch fürs Läbe» durch Zürich zu bewilligen sei. Die Stadträtin Karin Rykart will nun mit den Organisatoren über die Route verhandeln.

Frank Sieber

Die Abtreibungsgegner vom «Marsch fürs Läbe» können sich darauf einstellen, am 18. September einen Demonstrationszug durch Zürich zu führen. Der Stadtrat hat am Montag mitgeteilt, dass er den Streit um
die Durchführung nach dem Verdikt des Statthalters vom 25. Mai nicht weiterziehen werde. Das Sicherheitsdepartement der Stadt hatte ursprünglich nur eine stehende Kundgebung am Turbinenplatz bewilligen wollen, weil der Schutz des Protestzugs vor Gegendemonstranten nicht gewährleistet werden könne. Dagegen hatten die Organisatoren rekurriert, der Statthalter hatte in ihrem Sinn entschieden. Dieser Entscheid ist nun rechtskräftig.

Das Sicherheitsdepartement verweist nun auf den Ermessensspielraum bei der Festlegung der Route, die ihm der Statthalter zugestanden habe. Die beantragte Route im Kreis 1 eigne sich aus polizeitaktischen Gründen nicht für die Durchführung einer Demonstration mit erheblichem Sicherheitsrisiko, hatte der Statthalter festgehalten. Die Stadt will deshalb das Gespräch mit den Organisatoren suchen und ihnen zwei Alternativen vorschlagen. Die Sicherheitsvorsteherin hoffe auf einen konstruktiven Dialog, heisst es.

Nach den Erfahrungen aus vergangenen Jahren bleiben allerdings Bedenken. Die Stadtpolizei werde alles daransetzen, den «Marsch fürs Läbe» zu schützen, kündigt Stadträtin Karin Rykart an. Aber das Risiko für Passanten, Demonstranten, Polizisten und Rettungskräfte bleibe gross, wenn eine Demonstration von aussen angegriffen werde. 2019 konnte der Umzug erst mit Verspätung starten und musste aus Sicherheitsgründen vorzeitig zum Ausgangspunkt zurückgeführt werden.

In diesem Jahr lautet das Motto des Marschs laut den Veranstaltern: «Jung, schwanger, hilflos?» Junge schwangere Frauen in einer Notsituation sollen für die Möglichkeiten einer Weiterführung ihrer Schwangerschaft sensibilisiert werden.
(https://www.nzz.ch/zuerich/marsch-fuers-laebe-abtreibungsgegner-koennen-durch-zuerich-laufen-ld.1631515))


+++HISTORY
Adoptierte Personen auf Herkunftssuche – die Uhr tickt!
Der UNO-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen rügt die Schweiz: Sie unternimmt zu wenig, um die Betroffenen von illegalen Adoptionen aus Sri Lanka zu unterstützen, die Täter*innen zu verfolgen und das Recht auf Wiedergutmachung konkret umzusetzen. Die Mütter in Sri Lanka, die ihre verschwundenen Kinder suchen, sind häufig schon über 60 Jahre alt. Die nun erwachsenen Kinder warten bei der Suche nach ihrer Herkunft bis heute auf die Unterstützung der Schweizer Behörden.
https://www.humanrights.ch/de/ueber-uns/sri-lanka-adoption-schweiz


Studie: Aufarbeitung der Psychiatriegeschichte in Graubünden – Schweiz aktuell
Noch bis in die 70iger Jahre wurden in der Schweiz neue Medikamente an Patienten und Patientinnen ohne deren Einwilligung getestet. Der Kanton Graubünden hat in einer Studie seine Vergangenheit aufarbeiten lassen.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/studie-aufarbeitung-der-psychiatriegeschichte-in-graubuenden?urn=urn:srf:video:f7802c6a-ec16-44c7-b3f1-3fbd6c052980