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+++ZÜRICH
tagesanzeiger.ch 18.06.2021
Asylzentrum Zürich in der Krise – 23.35 Uhr: Ambulanz trifft ein. 23.50 Uhr: Normalbetrieb wieder aufgenommen
Im Bundesasylzentrum Zürich kündigen Mitarbeitende gleich reihenweise. Was läuft schief in Zürich-West?
Martin Sturzenegger, Nicolas Fäs
Wer das Bundesasylzentrum Zürich (BAZ) betritt, passiert zuerst eine doppelte Glastür und dann einen Sicherheitscheck. Kontrolliert werden hier nicht primär die Gäste, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner. Das sind die maximal 360 Asylsuchenden, die hier ihren temporären Wohnsitz haben.
Angemeldete Journalisten werden durchgewinkt. «Heute keine Kontrolle für Sie», sagt der Sicherheitsmann der Protectas mit einem Augenzwinkern. Derweil steht ein Mädchen vor dem verglasten Sicherheitsbüro. Es ist vielleicht zwölf Jahre alt. Ein Sicherheitsmann fordert die Asylsuchende auf, in eine Kamera zu schauen und die Finger auf einen Scanner zu legen. Ihre erwachsene Begleitperson wird angewiesen, die langen dunklen Haare und die Kleidung des Mädchens abzutasten. Ein üblicher Neueintritt an einem schönen Vormittag im Juni.
Im November 2019 stand das BAZ Zürich letztmals in der Kritik. Das Zentrum war erst wenige Wochen in Betrieb, als verschiedene Medien über Kinder berichteten, die täglich durch einen Sicherheitscheck müssen, über Asylsuchende, die sagten, dass sie sich wie in einem Gefängnis fühlten. Auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter kritisierte die Praktiken der Bundesbetriebe.
Recherchen zeigen nun, dass im BAZ nach wie vor problematische Zustände herrschen. Diese Zeitung sprach mit sieben ehemaligen und aktuellen Angestellten der städtischen Asylorganisation Zürich (AOZ). Sie sagen übereinstimmend, dass die Betreuungsverhältnisse ungenügend seien. Deshalb komme es immer wieder zu Eskalationen. Protokolliert sind etwa Massenprügeleien oder 16 Selbstverletzungen, die sich seit 2019 ereignet haben. Auffällig ist die hohe Personalfluktuation: In eineinhalb Jahren haben 20 Festangestellte der AOZ das Zentrum verlassen. Die Sozialpädagoginnen und Betreuer, mit denen wir sprachen, haben eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet. Deshalb haben wir ihre Namen in diesem Artikel geändert und manche interne Informationen weggelassen.
Seit der Kritikwelle Ende 2019 ist es ruhig geworden um das BAZ. Die Ruhe könnte ein gutes Zeichen sein. Ist die Asylunterkunft inzwischen das Vorzeigezentrum geworden, das die Stadt Zürich bei der gewonnenen Volksabstimmung im Jahr 2017 versprochen hatte?
So ähnlich sehen es zumindest die Verantwortlichen: «Die Asylsuchenden sind etwas pandemiemüde», sagt Reto Kormann, Sprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM), das in den Bundeszentren die Regeln vorgibt. Ansonsten herrsche jedoch eine ruhige und respektvolle Atmosphäre. Der Zürcher Sozialvorsteher Raphael Golta (SP) sagt rückblickend auf die Zeit seit November 2019, es sei vieles noch nicht rundgelaufen. «Die Kinderkrankheiten sind wir aber grösstenteils losgeworden.»
Jene, die tagtäglich im Zentrum mit den Asylsuchenden arbeiten oder gearbeitet haben, sind anderer Auffassung. Matthias Kummermann verbrachte Ende 2020 als Zivildienstler mehrere Monate im BAZ. «Der Betrieb fühlt sich an wie ein überfordertes Start-up», sagt er. Die Zuständigkeiten seien unklar, es herrsche Chaos. Er habe in dieser Zeit zwei Sorten von Betreuerinnen und Betreuern kennen gelernt: «Die Gebrochenen und jene, die noch nicht gebrochen sind.» Sozialarbeiterinnen und Betreuer, die mit viel gutem Willen gestartet seien, um sich auf bestmögliche Art um die Asylsuchenden zu kümmern. Die dann jedoch nach wenigen Monaten resigniert die Kündigung eingereicht hätten.
Viele Personalwechsel stören den Betrieb
20 Angestellte hätten den Arbeitsort BAZ Zürich seit November 2019 verlassen, sagt AOZ-Sprecher Thomas Schmutz. Zur Einordnung: Derzeit beschäftigt die AOZ im Zentrum 51 Festangestellte. Die Dunkelziffer der Abgewanderten dürfte höher liegen. Personen, die einen befristeten Arbeitsvertrag hatten und diesen nicht verlängerten, sind nicht miteingerechnet. Ebenso wenig Angestellte, die sich über längere Zeit krankschreiben liessen.
Der heutige AOZ-Angestellte Ronny Bättig sagt, dass es durch die vielen Personalwechsel kaum möglich sei, vernünftige Arbeit zu leisten. «Allein das gesamte Pflegepersonal-Team wurde bis jetzt dreimal komplett ausgetauscht.» AOZ-Sprecher Schmutz spricht von einer relativ hohen Personalfluktuation im Bereich Gesundheit: «Das ist ein bedauerlicher Verlust, den es zu vermeiden gilt.»
Gemäss Bättig sind nicht nur die vielen Abgänge ein Problem. Die AOZ beschäftigt im Zentrum fünf Personen mit sozialpädagogischer Ausbildung. «Viel zu wenig», sagt Bättig. Die meisten Betreuungspersonen hätten keine wirklichen Kenntnisse in Konfliktbewältigung und gerieten deshalb schnell an ihre persönlichen Grenzen, seien gestresst. Das führe immer wieder zu Eskalation bei den Asylsuchenden. «Die AOZ stellt gerne solche Personen an, da sie günstig und einfacher zu kontrollieren sind.»
«Einige dieser Angestellten würden sofort kündigen, wenn sie eine andere Stelle hätten», sagt Ronja Plattmann. Sie arbeitet im BAZ als Betreuerin. Das Problem sei die Abhängigkeit. Viele Betreuerinnen und Betreuer seien auf die Stelle angewiesen, weil sie sonst in die Sozialhilfe abrutschen oder gar ihre Aufenthaltsbewilligung verlieren würden, sagt Plattmann. Die AOZ beschäftige überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund. «Sie verfügen manchmal über Abschlüsse, die in der Schweiz nicht anerkannt sind.» Diese Menschen hätten Angst, sich kritisch zu äussern. Wie viele ausländische Personen im BAZ-Betrieb arbeiten, möchte AOZ-Sprecher Schmutz nicht sagen. Lediglich, dass ihr Anteil aufgrund ihrer sprachlichen Kenntnisse überdurchschnittlich hoch sei.
Auch Plattmann möchte weg aus dem Zentrum, sobald sie einen neuen Job gefunden hat. Sie könne nicht mehr hinter dieser Arbeit stehen: «Ich fühle mich als Mittäterin einer Organisation, die Menschen unterdrückt und schikaniert.» Die Zeit im BAZ habe sie traumatisiert. Nicht, weil die geflüchteten Menschen ihr von ihren Erlebnissen berichteten. «Nein», sagt Plattmann, «weil ich täglich zusehen muss, wie Menschen, die eh schon Schreckliches erlebt haben, in diesen Strukturen zusätzlich belastet und nicht adäquat betreut werden.»
Sozialpädagogin Rahel Lampert hielt es nur ein paar Monate im BAZ aus. Sie hatte zuvor im Massnahmenbereich mit Mehrfachtätern, Vergewaltigern, Pädophilen und Mördern gearbeitet. Nach ihrer Zeit beim BAZ sagt sie: «Alle diese Straftäter hatten bessere Lebensbedingungen als Asylsuchende im BAZ Zürich.»
Die Arbeit im BAZ habe sie an ihre psychischen und physischen Grenzen gebracht – und manchmal darüber hinaus. Der Dezember 2019 ist Lampert besonders in Erinnerung geblieben. Zwischen Weihnachten und Neujahr war sie für die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) zuständig. Das bedeutete: Alleinige Verantwortung für rund 70 Jugendliche, viele von ihnen traumatisiert. «Von Betreuung konnte keine Rede sein; wenn, dann war es Schadensbegrenzung», sagt Lampert. Im Zürcher Testbetrieb Juch sei jeweils bei 35 Jugendlichen ein Zuweisungsstopp beantragt worden.
Sie hat noch eine SMS, die sie am 24. Dezember an einen Kollegen schrieb: «Hier geht alles drunter und drüber! Zweimal die Polizei, zweimal die Ambulanz – alles Einsätze wegen UMA!!» Zu dieser Zeit habe es grosse Spannungen zwischen Jugendlichen aus Afghanistan und aus Nordafrika gegeben, erzählt Lampert. «Du bist allein und merkst, dass du nichts unter Kontrolle hast, du fühlst dich verloren.»
Vier Tage später eskalierte die Situation. Im Speisesaal kam es zur Massenschlägerei. Im Protokoll der Sicherheitskräfte, das diese Zeitung auf Anfrage beim SEM einsehen konnte, ist vermerkt: «23.44 Uhr – mehrere Gesuchsteller aus Algerien und Afghanistan gehen aufeinander los. Sie bewerfen sich mit Stühlen, traktieren sich mit Schlägen und treten aufeinander ein.» Innert weniger Minuten verlagert sich die Schlägerei in den Innenhof. «Es war ein einziges Tollhaus», erinnert sich die Sozialpädagogin. «Es gab keine Möglichkeit mehr für Deeskalation.» Weiter heisst es im Protokoll jener Nacht: Um 23.55 Uhr trifft die Stadtpolizei Zürich zur Verstärkung ein, zehn Minuten später die Ambulanz. Die Bilanz: Drei Verletzte, einer davon ein Sicherheitsmitarbeiter. Letzter Eintrag des Sicherheitsdiensts, um 2.05 Uhr: «Normalbetrieb ist wieder hergestellt.»
Protestbrief an Golta
Gemäss Lampert kam es immer wieder zu Spannungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen. Der Grund für die Eskalationen liege in der mangelhaften Betreuungsstruktur, die das Staatssekretariat für Migration (SEM) festlege. «Im BAZ Zürich herrscht eine krasse Unterbesetzung der Betreuenden.» Für persönliche Begleitung oder Gespräche sei keinerlei Zeit. «Das hat nichts mit pädagogischer Arbeit zu tun.» Der Betreuungsschlüssel für UMA ist gemäss SEM inzwischen auf 1:15 festgelegt worden.
Kurz nach der Prügelei, am 16. Januar 2020, beschlossen die AOZ-Mitarbeitenden, in die Offensive zu gehen. Sie verfassten ein Schreiben an Sozialvorsteher Golta. Im Brief nannten sie insgesamt 26 Kritikpunkte. Bemängelt wurden etwa die Personalknappheit, eine zu hohe psychische Belastung, ein übertriebenes Sicherheitssystem, komplizierte Abläufe, eine schlechte IT-Infrastruktur oder die fehlenden Stühle und Tische in den Zimmern der Asylsuchenden.
Diese Zeitung fragte bei Goltas Sozialdepartement nach, ob sich die Betreuungssituation im BAZ seither verbessert hat. Einige Kritikpunkte wurden offenbar angegangen. So stellte die AOZ inzwischen einen Koch ein, der die Betreuenden entlasten soll, die zuvor täglich Stunden mit Küchenarbeit beschäftigt waren. Die Anzahl von 35 UMA sei seit Monaten nicht überschritten worden. Allgemein hält AOZ-Sprecher Schmutz fest, dass der Betrieb unterdessen «effizient organisiert und gut eingespielt» sei. «Damit bleibt mehr Zeit für Betreuungsarbeit.»
Für die AOZ-Mitarbeitenden Bättig und Plattmann kommt diese Aussage einem Hohn gleich. Für persönliche Gespräche mit den Asylsuchenden sei weiterhin keine Zeit. «Ich kenne die meisten gar nicht», sagt Betreuerin Plattmann. In der Arbeit mit traumatisierten Menschen brauche es in erster Linie «einen menschlichen und keinen effizienten Betrieb». «Unsere Arbeit mit den Gesuchstellern beschränkt sich darauf, dass wir sie über ihre Arzt- und Rechtstermine informieren.»
Sozialvorsteher Golta möchte selbst nicht auf die einzelnen Punkte eingehen, sagt aber, dass er diesen Sommer nochmals das Gespräch mit den AOZ-Mitarbeitenden suchen werde. Zugleich gab der Stadtrat vergangene Woche bekannt, dass er per 1. Juli aus dem AOZ-Verwaltungsrat austritt, dem er seit 2014 angehörte. Für ihn übernimmt Polizeivorsteherin Karin Rykart (Grüne). Golta wird als Sozialvorsteher jedoch weiterhin für die Ausarbeitung und Überwachung des AOZ-Leistungsauftrags verantwortlich sein.
Weitere von der AOZ-Leitung genannte Verbesserungen erachten die befragten Insider als falsch oder irreführend. Beispielsweise die Aussage, dass im BAZ seit Monaten nur rund 35 minderjährige Asylsuchende wohnen würden. «Stimmt nicht», sagt Bättig. Immer wieder würden 40 und mehr UMA im Zentrum leben. Die Behauptung, dass der Betreuungsschlüssel für die Jugendlichen verbessert worden sei, stimme nur halb. Als zusätzliche Fachkräfte würden nun Betreuer und Betreuerinnen ohne sozialpädagogische Ausbildung eingesetzt.
Eine weitere Verbesserung ist gemäss AOZ der Einsatz zusätzlicher «Floorwalkers», die vom SEM seit einigen Monaten eingesetzt werden. Dabei handelt es sich gemäss Bund um speziell ausgebildete Fachkräfte, die «deeskalierend» auf Asylsuchende wirken sollen und die Betreuenden entlasten würden. Bättig spricht von einem «Scheinprojekt». «Das sind normale Betreuungspersonen, die nun einfach den Namen Floorwalker erhalten haben.» Seine Kollegin Plattmann sagt, dass diese Personen weder eine spezifische Ausbildung noch eine Lohnerhöhung erhalten hätten, lediglich ein kleines Handbuch mit der Aufgabendefinition.
«Sie wollte sterben»
Plattmann ist überzeugt, dass es mit einer engeren Betreuung auch zu weniger Selbstverletzungen bei den Asylsuchenden kommen würde. 16 Selbstverletzungen oder Suizidversuche hat das SEM seit der Zentrumseröffnung registriert.
Laura Bruckner war Zeugin eines Suizidversuchs. Inzwischen hat auch sie das BAZ verlassen. Es war im Februar 2020, sie leistete als Betreuerin Nachtdienst. Sie sass im Büro, um administrative Arbeiten zu erledigen, als jemand plötzlich laut ans Bürofenster klopfte, ein syrischer Kurde, der Alarm schlug. «Er schrie mehrmals, dass seine Tochter im Sterben liege», erinnert sich die Betreuerin. Bruckner eilte ins Zimmer hoch, in dem die Familie untergebracht war. Da habe die 24-Jährige am Boden gelegen; regungslos, das Gesicht weiss-gelblich verfärbt. Die muss bereits tot sein, habe sie gedacht. «Ich rannte die Treppe hinunter, schrie um Hilfe, die Ambulanz wurde alarmiert.»
In den folgenden Nächten fand Bruckner kaum mehr Schlaf. Das blasse Gesicht der Asylsuchenden erschien ihr immer wieder vor Augen, dazu die quälende Frage, ob die junge Kurdin noch lebt.
Wenige Tage später die Erlösung. Bruckner läuft der 24-Jährigen im Zentrum über den Weg. Die junge Frau erzählt der Betreuerin von ihrer Flucht. Wie sie mit ihrer Familie aus dem kriegsversehrten Afrin geflüchtet sei, wie Menschen aus ihrem nächsten Umfeld vergewaltigt und ermordet worden seien. Die Schweiz habe sie sich als sicheren Ort mit menschlicher Wärme erhofft, sagt Bruckner. Stattdessen habe sie sich wie im Gefängnis gefühlt. «Der Krieg traumatisierte diese Frau, das Zentrum hat ihr Trauma noch vertieft. Sie wollte sterben.»
Im Protokoll der Sicherheitskräfte wird der Suizidversuch nüchtern als «medizinischer Vorfall» beschrieben: 23.13 Uhr: Gesuchstellerin N. «liegt leicht besinnungslos» im Bett. 23.35 Uhr: Die Ambulanz trifft ein. 23.48 Uhr: «Die Sanitäter verlassen das Bundesasylzentrum mit der Gesuchstellerin.» 23.50: «Normalbetrieb wird wiederaufgenommen.»
SEM-Sprecher: «Selbstverletzung als Druckmittel»
14 Monate nach dem Vorfall – im Juni 2021 – ist es gerade ruhig im BAZ Zürich. SEM-Sprecher Reto Kormann empfängt die Journalisten in einem Sitzungsraum im ersten Stock.
Über Einzelfälle könne er aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben, ebenso wenig auf anonyme Anschuldigungen eingehen, sagt Kormann. Klar sei jedoch: «Jede Selbstverletzung ist eine zu viel.» Oftmals seien bei solchen Aktionen Alkohol, Drogen und Medikamente im Spiel, was zu Kurzschlussreaktionen führe. Eine andere Realität sei aber auch, dass Selbstverletzungen oder Drohungen, sich selbst zu verletzen, von den Asylsuchenden oftmals als Druckmittel eingesetzt würden.
Das schon mehrfach kritisierte Sicherheitskonzept habe sich bewährt und sei nach wie vor nötig, sagt Kormann. Es komme im Zentrum immer wieder zu Auseinandersetzungen. «Es muss hier nur einmal zu einem Vorfall mit einer Schusswaffe kommen. Dann sind wir es, die zur Verantwortung gezogen werden», sagt Kormann und fügt an: Bei einem Fussballmatch würde man ja auch solche Kontrollen durchführen. «Wir können nicht auf Gutdünken vertrauen.»
Beim anschliessenden Rundgang durch das Zentrum werden die Journalisten mehrfach auf das Filmverbot hingewiesen. «Zum Schutz der Asylsuchenden», sagt ein Sicherheitsverantwortlicher. Die Kinder und Jugendlichen sind gerade in der Schule, dadurch wirkt das Zentrum etwas verlassen. Ein Mann liegt in einer Schaukel im Innenhof, sein Gesichtsausdruck wirkt apathisch, aus einer Boombox dröhnt Trap-Musik. Das sei für andere Bewohnende störend, sagt Kormann. «Gut möglich, dass wir da bald einschreiten müssen.»
Das Zentrum hat sich seit Ende 2019 nur leicht verändert: Es ist noch immer ein nüchterner, funktionaler Bau. Asylsuchende dürfen die Fenster in ihren 6-Betten-Zimmern aus minergietechnischen Gründen noch immer nicht selbst öffnen, Stühle und Tische sucht man in den Zimmern vergebens. Dafür verfügen die Badezimmer nun über Haken und Abfalleimer, ein Kaugummiverbot wurde inzwischen aufgehoben. Der Innenhof präsentiert sich etwas farbiger: Eine Blumenkiste, die vom Balkongeländer herab etwas Frühling verströmt. Ein runder Baumtopf aus Beton im Innenhof ist jetzt mit farbigen Schriftzügen versehen. Darauf steht: «Willkommen, bienvenue, bi xêr hatî!»
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Öffentliche Kritik nicht geduldet
Während dieser Recherche wurde deutlich, wie schwierig es ist, an Informationen über das BAZ Zürich zu gelangen. Die Angestellten unterzeichnen jeweils eine Verschwiegenheitsklausel. Wer dagegen verstösst, muss mit schwerwiegenden Folgen rechnen. Im BAZ gehen Gerüchte um, dass Angestellte ihren Job verloren hätten, weil sie mit den Medien in Kontakt getreten sind. AOZ-Sprecher Thomas Schmutz widerspricht: «Dieses Gerücht entbehrt jeglicher Grundlage.» Noch nie sei Mitarbeitenden fristlos gekündigt worden.
Dennoch weiss auch Alicia Giraudel, Juristin bei Amnesty Schweiz, Ähnliches zu berichten. Die Menschenrechtsorganisation führte im letzten Jahr 32 Interviews mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden der Bundesasylzentren. «Viele Mitarbeitende haben Angst davor, ihren Job zu verlieren, oder wissen nicht, an wen sie sich wenden können», sagt Giraudel. Eine ehemalige Sicherheitsangestellte habe ihr erzählt, dass sie entlassen worden sei. Dies kurz nachdem sie dem SEM gemeldet habe, dass ein Ereignisbericht nach einem Gewaltvorfall von ihren Kollegen verfälscht worden war. Einem weiteren Sicherheitsangestellten seien keine Einsätze mehr angeboten worden, nachdem er sich anonym in der Presse geäussert habe. «Es handelt sich oft um Personen mit Migrationshintergrund, die Angst um ihre Stelle haben», sagt Giraudel.
Auch Asylsuchende hätten oft Angst davor, Misshandlungsvorfälle zu melden. «Sie glauben, dass eine Beschwerde ihr Asylverfahren negativ beeinflussen könnte», sagt die Juristin.
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Die Hintergründe zur Recherche hören Sie in der aktuellen Folge des Podcasts «Apropos»: https://injector.simplecastaudio.com/7cb90634-5b73-4e76-9be4-4056aa5ceab6/episodes/62fba80d-2b10-4a04-8a5d-b9e91c61183c/audio/128/default.mp3?awCollectionId=7cb90634-5b73-4e76-9be4-4056aa5ceab6&awEpisodeId=62fba80d-2b10-4a04-8a5d-b9e91c61183c&aid=embed
Videos:
«Ich kann nicht zuschauen, wie wir so vielen Menschen das Leben zur Hölle machen»: Ehemalige Betreuerin.
Video: Nicolas Fäs, Martin Sturzenegger
https://unityvideo.appuser.ch/video/uv438238h.mp4
Eine Betreuerin schildert den Vorfall: Die junge Syrerin wollte nicht mehr leben.
Video: Nicolas Fäs, Martin Sturzenegger
https://unityvideo.appuser.ch/video/uv438241h.mp4
(https://www.tagesanzeiger.ch/23-35-uhr-ambulanz-trifft-ein-23-50-uhr-normalbetrieb-wieder-aufgenommen-866128994321)
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tagesanzeiger.ch 18.06.2021
Kommentar zum Zürcher Asylzentrum: Dieser Betrieb gehört durchleuchtet
Gewaltausbrüche, 16 Selbstverletzungen, reihenweise Kündigungen der Belegschaft: Das Regime im Zürcher Bundesasylzentrum funktioniert nicht.
Mario Stäuble
Bis zu 360 Menschen aus aller Herren Ländern leben im Zürcher Bundesasylzentrum. Darunter Kinder und Jugendliche, zum Teil ohne Eltern. Manche sind traumatisiert. Manche haben Suchtprobleme.
Sieben von zehn Zürcherinnen und Zürchern haben 2016 den Bau des Zentrums in Zürich-West gutgeheissen. Das Projekt ergab sich aus einem Asylpaket, das die damalige Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) geschnürt hatte. Fairer sollte der Asylprozess werden, menschlicher und vor allem auch schneller, weil alles an einem Ort untergebracht sein würde: Unterkunft, Verpflegung, kostenlose Rechtsberatung, das Prüfverfahren. «Ganzheitliche und qualifizierte Betreuung» versprach die städtische Abstimmungszeitung. Man werde die Menschenwürde achten.
So weit, so einleuchtend. So selbstverständlich.
Recherchen zeigen nun aber: Dieses Versprechen ist seit der Eröffnung 2019 nicht richtig eingelöst worden – und zwar bis heute nicht. Das Personal rotiert in hohem Tempo durch die Einrichtung, 20 Angestellte sind nach eineinhalb Jahren bereits wieder weg, viele davon desillusioniert. Ein Kleinkrieg um den Betrieb ist im Gang, vom streng regulierten Lüften der Schlafräume (es handelt sich um ein Minergie-Gebäude) bis zur Möblierung derselben.
Vor allem aber kritisieren Angestellte den Betreuungsschlüssel: Zu wenige Spezialisten seien für zu viele Asylsuchende verantwortlich. Was immer wieder dazu führe, dass die Situation eskaliere, bis hin zu Massenschlägereien. 16 Selbstverletzungen oder Suizidversuche sind dokumentiert. Schon kurz nach der Eröffnung hatte es Kritik am Regime gegeben. Bund und Stadt schoben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Vieles hat sich seither offenkundig verbessert. Entscheidendes nicht.
Der Betrieb gehört darum von einer kritischen Instanz durchleuchtet. Diese soll aufzeigen, wie sich das Asylzentrum so betreiben lässt, wie es die Stadt Zürich und ihr Sozialvorsteher Raphael Golta (SP) den Bürgern versprochen haben: vorurteilslos, die Menschenwürde achtend.
(https://www.tagesanzeiger.ch/dieser-betrieb-gehoert-durchleuchtet-591450172232)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/alles-laeuft-rund-mit-covid-zertifikat?id=12005582 (ab 03:18)
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tagesanzeiger.ch 18.06.2021
Zürcher Asylzentrum in der Krise: «Allein der Begriff ‹Besinnungsraum› ist entwürdigend»
Politikerinnen und Politiker fordern eine Aufarbeitung der Missstände im Zürcher Bundesasylzentrum. An Sicherheitsvorsteher Raphael Golta werden deutliche Worte gerichtet.
Martin Sturzenegger
2016 versprach der Zürcher Stadtrat ein «Asylzentrum mit Dorfcharakter». Präsentiert wurde eine Illustration, die ein Ort der Idylle zeigt: ein weitläufiger Innenhof, lichtdurchflutete Arkadengänge.
Fünf Jahre später sieht die Realität düster aus. Regelmässig kommt es im Zürcher Bundesasylzentrum zu Prügeleien und Selbstverletzungen. Mitarbeitende kündigen gleich reihenweise, teilweise weil sie die Zustände vor Ort nicht mehr länger mittragen und ertragen wollen. (Hier geht es zu den aktuellen Hintergründen)
Mehr als 70 Prozent der Stimmbevölkerung sagte 2017 Ja zum Zentrum im Zürcher Kreis 5 – eine überwältigende Mehrheit. Darunter auch Willi Wottreng. Heute stellt der AL-Gemeinderat ernüchtert fest: «Es darf nicht sein, dass mitten in der Stadt Zürich unter Oberaufsicht des Bundes ein rechtsfreier Raum entsteht.»
Er verlangt Sofortmassnahmen: «Die Nationale Kommission für Verhütung von Folter sollte dem Zentrum dringend einen Besuch abstatten.» Es brauche zudem mehr Betreuungspersonal, psychologische Sprechstunden, Tische in den Zimmern oder eine Offenlegung der Protokolle zu den Vorgängen im sogenannten Besinnungsraum. In diesem Raum können Sicherheitskräfte in eskalativen Situationen Asylsuchende wegsperren – so lange, bis die Polizei erscheint. «Allein der Begriff ‹Besinnungsraum› ist entwürdigend», sagt Wottreng. Raphael Golta habe inzwischen sicher realisiert, dass das Staatssekretariat für Migration nichts geleistet hat, um den versprochenen Dorfcharakter zu verwirklichen.»
Raphael Golta. Der Zürcher Sozialvorsteher (SP) steht durch die Unruhen im Bundesasylzentrum automatisch im öffentlichen Fokus. Golta ist der städtischen Asylorganisation AOZ übergeordnet. Das ist jene Betreuungsorganisation, die nun in der Kritik steht. Golta und die AOZ sind gleichzeitig aber auch Befehlsempfänger – vom Bund. Das Staatsamt für Migration legt nämlich im Zürcher Asylzentrum die Regeln fest. Wie in allen übrigen Bundesasylzentren der Schweiz.
Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bund verläuft nicht immer reibungslos. Schon 2019, kurz nach der Zentrumseröffnung, griff Golta das SEM aufgrund des Sicherheitsdispositivs an, das übertrieben sei. Im Gespräch mit dieser Zeitung äussert sich der Stadtrat nun abermals kritisch: «Es gibt eine grosse Differenz zwischen dem, was wir wollen, und dem, was der Bund will.» Golta meint in erster Linie die Sicherheitsleute, die zu dominant auftreten würden. Das SEM möchte sich zur Kritik von Golta nicht öffentlich äussern. Mediensprecher Reto Kormann sagt nur: «Das klären wir im persönlichen Gespräch mit Raphael Golta.»
«Wir sind nur für einen Teil der Betreuung zuständig, der Rest liegt beim Staatssekretariat für Migration», sagt Golta. Die Entscheide fälle der Bund. «Damit müssen wir leben, auch wenn es uns nicht immer gefällt.» Zu einzelnen Vorwürfen, die ehemalige und aktuelle AOZ-Mitarbeitende gegenüber dieser Zeitung äussern, will der Stadtrat sich deshalb nicht äussern. (Siehe Video oben)
Der Zürcher SVP-Gemeinderat Martin Götzl findet das falsch: «Golta hat es in der Hand, sein jetziges Schweigen zu beenden und zu den genannten Einzelvorwürfen Stellung zu nehmen.» Die Aufgabe des Sozialvorstehers sei, die harten Vorwürfe entweder zu klären, zu dementieren oder notfalls auch Bereitschaft für eine unabhängige Untersuchung zeigen. «Golta versucht, sich aus dem Schussfeld zu nehmen», sagt Götzl.
Andere Parteien nehmen den Sozialvorsteher in Schutz. Bisher habe Raphael Golta seine Aufgaben bezüglich AOZ gut wahrgenommen, sagt Gemeinderätin Isabel Garcia (GLP). «Die Grünliberalen haben an seiner Arbeit nichts auszusetzen.» Das Sozialdepartement erfülle lediglich die Vorgaben des SEM, die für jedes Bundesasylzentrum die gleichen seien. Das sei im Sinne der Gleichbehandlung von allen Asylsuchenden in der Schweiz wichtig: «Zürich soll und kann keine eigenen Regeln und Verfahren aufstellen.»
Mehr Kritik gibt es von SP-Gemeinderat Marco Geissbühler. Jedoch nicht gegen seinen Parteikollegen Golta, sondern gegen den Bund. Die Missstände im Zentrum seien gravierend und gründeten in der Art und Weise, wie das SEM sein «System Bundesasylzentren» betreibe: «mit viel zu wenig Mitteln und Personal für eine angemessene Betreuung». Der Fokus liege auf Überwachung und Kontrolle statt auf Betreuung und Schutz. Innerhalb des bestehenden Leistungsauftrags könne die AOZ kaum eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten. Golta habe früh «die Sicherheitsexzesse des SEM» kritisiert. Nun müsse der Stadtrat dem Bund nochmals klipp und klar sagen: «So kann es nicht weitergehen. Wir müssen über diese Leistungsvereinbarung reden.»
FDP-Gemeinderätin Elisabeth Schoch sieht die Verantwortung für die Missstände durchaus bei Golta – auch aufgrund dessen Einsitz im AOZ-Verwaltungsrat. Wenn mehrere Betreuer und Betreuerinnen derart harte Kritik ausübten und die Fluktuation so hoch sei, dann sei der Betrieb schlecht geführt. «Ab einer gewissen Eskalationsstufe liegt dies in der Verantwortung des Verwaltungsrats», sagt Schoch. Golta habe sich hinter dem SEM versteckt, statt Verantwortung in der Zusammenarbeit wahrzunehmen.
Lange wird Golta dem AOZ-Verwaltungsrat nicht mehr angehören. Vor gut einer Woche gab er in einer Medienteilung seinen Austritt auf Ende Juni bekannt. Für ihn übernimmt Polizeivorsteherin Karin Rykart (Grüne). Golta wird als Sozialvorsteher weiterhin für die Ausarbeitung und Überwachung des AOZ-Leistungsauftrags verantwortlich sein. Mit der Abgabe des Verwaltungsratssitzes gibt er jedoch gleichzeitig die Verantwortung für die Umsetzung des Leistungsauftrags ab.
Für FDP-Gemeinderätin Schoch ist der plötzliche Rückzug ein klares Zeichen: «Mit dem Rücktritt will er sich offensichtlich aus der Schusslinie nehmen – so kurz vor den Wahlen.»
Aktuelle und ehemalige Mitarbeitende der Betreuungsorganisation AOZ berichten nun von chaotischen Zuständen und Eskalationen innerhalb des Betriebs. (Hier geht es zur Recherche über das Bundesasylzentrum)
Ein Innenhof mit Arkadengängen soll nach innen Freiräume schaffen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/allein-der-begriff-besinnungsraum-ist-entwuerdigend-596204172198)
+++SCHWEIZ
«Frontex ist in den letzten Jahren immer stärker in Verruf geraten»
Die Grenzagentur Frontex soll ausgebaut werden. Weshalb dieses Vorhaben auch im Schweizer Parlament debattiert wird und welches aus linker Sicht die Knackpunkte sind, erklärt SP-Ständerat Daniel Jositsch im Gespräch mit Nicole Soland.
https://www.pszeitung.ch/frontex-ist-in-den-letzten-jahren-immer-staerker-in-verruf-geraten/#top
+++DÄNEMARK
Sozialdemokratische Abschottung
Dänemark will Flüchtlinge selbst bei einem positiven Asylbescheid nicht ins Land lassen
Dänemark will Geflüchtete selbst bei einem positiven Asylbescheid nicht ins Land lassen. Mit dem Gesetz soll die ohnehin restriktive Flüchtlingspolitik weiter verschärft werden. Das geht selbst der EU-Kommission zu weit.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153454.asylpolitik-in-daenemark-sozialdemokratische-abschottung.html
+++GRIECHENLAND
Griechenland: Die wahren Brandstifter sitzen nicht im Gerichtssaal
Neun Monate nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria werden sechs junge Afghanen zu langen Haftstrafen verurteilt. Und das, obwohl kein anwesender Zeuge diese in der vermeintlichen Tatnacht gesehen hat.
https://www.woz.ch/2124/griechenland/die-wahren-brandstifter-sitzen-nicht-im-gerichtssaal
+++MITTELMEER
Vier Flüchtlinge vor Lanzarote nach Kentern ihres Bootes ertrunken
Vier weitere Menschen werden noch vermisst. 41 Menschen wurden dank der Hilfe von Passanten im Hafen gerettet
https://www.derstandard.at/story/2000127536850/vier-fluechtlinge-vor-lanzarote-nach-kentern-ihres-bootes-ertrunken
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-06/lanzarote-bootsunglueck-migranten-fluechtlinge-seenot-suche
+++FLUCHT
UNHCR-Flüchtlingsbericht: Mehr Menschen denn je auf der Flucht vor Gewalt
Ungeachtet der Pandemie ist die Zahl der Geflüchteten weltweit im vergangenen Jahr auf 82,4 Millionen gestiegen. Auch der Klimawandel vertreibt Menschen aus ihrer Heimat.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-06/fluechtlinge-zugangszahlen-rueckgang-deutschland
-> https://www.deutschlandfunk.de/un-fluechtlingshilfswerk-immer-mehr-menschen-fliehen.795.de.html?dram:article_id=499015
+++GASSE
Zu wenig Fachkräfte: UPD muss Akutstation schliessen
Die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern, kurz UPD, kriegen den Pflegenotstand zu spüren: Aufgrund von zu wenig Fachkräften müssen sie die Akutstation Lenoir per Ende Monat vorübergehend schliessen. Für die Betroffenen und Patienten ein Schock.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/zu-wenig-fachkraefte-upd-muss-akutstation-schliessen-142528596
Anwohnerinnen und Anwohner der Basler Webergasse leiden unter Drogenszene
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/lauber-will-bei-eigenmietwert-nachbessern?id=12005579
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Teilfreispruch im Effy-Prozess – RaBe-Info 18.06.2021
Die Angeklagten im Effy-Prozess, wurden gestern vom Regionalgericht Bern-Mittelland vom Vorwurf der Drohung gegen Behörden und Beamte freigesprochen. Schuldig sind sie lediglich des Hausfriedensbruchs. Die 16 Personen wurden zu unterschiedlich hohen Geldstrafen verurteilt, die meisten mit drei Jahren Bewährung. Unsere Redaktorin und Juristin Noëlle Grossenbacher war bei der Urteilseröffnung im Gericht, Katrin Hiss hat mit ihr über den wohl grössten Prozess in der Hausbesetzungsgeschichte von Bern gesprochen.
https://rabe.ch/2021/06/18/transparenz-in-der-politikfinanzierung/
-> http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3947/Teilfreispruch-im-Effy-Prozess.htm
Berner Gerichtsurteil löst Kopfschütteln aus
Das Regionalgericht Bern hat 16 Hausbesetzerinnen und -besetzer wegen Hausfriedensbruchs mehrheitlich zu bedingten Geldstrafen verknurrt. Das milde Urteil löst auf Seiten der betroffenen Blaulichtorganisationen Unverständnis und Kopfschütteln aus. Denn in ihren Reihen gab es Verletzte.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/berner-gerichtsurteil-loest-kopfschuetteln-aus?id=12005588
Effy-Prozess Tag 10
Heute Donnerstag, 17. Juni 2021, endete mit der Urteilseröffnung das erstinstanzliche Verfahren der Effy-Prozesse. Der Einstellung des Verfahrens aus formalen Gründen – weil die Anklageschrift nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt – erteilte die Gerichtspräsidentin gleich zu Beginn eine Absage. Sie verwies dabei darauf, dass die erste Rückweisung der Anklageschrift durch das Gericht hauptsächlich aufgrund unzureichender Beweismassnahmen seitens der Staatsanwaltschaft erfolgte und sie nach Ansicht des Gerichts den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der vorgeworfenen Straftaten genüge. Zum Hausfriedensbruch hielt das Gericht fest, dass der Strafantrag gegen die Besetzer*innen korrekt gestellt wurde und aus den Akten klar der Wille der Hausbesitzer*in hervorgehe, dass sich keine*r im Haus aufhalten soll. Da keine der beschuldigten Personen sinnvoll erklären konnte, weshalb sie sich sonst im Haus aufgehalten haben soll (etwa als Journalist*in oder Nachbar*in) seien deshalb alle als Teilnehmer*innen an der Hausbesetzung zu werten.
https://barrikade.info/article/4615
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bernerzeitung.ch 18.06.2021
Prozess gegen Hausbesetzer: Mildes Urteil stösst auf heftige Kritik
Vorwiegend Freisprüche und nur Geldstrafen: Bei vielen löst das Urteil gegen die «Effy29»-Besetzer Unverständnis aus. So auch beim kantonalen Polizeidirektor.
Michael Bucher
Das Urteil gegen die 16 Hausbesetzerinnen und -besetzer an der Effingerstrasse hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Die Beschuldigten hatten sich im Februar 2017 gewaltsam gegen die Räumung durch die Polizei gewehrt. Feuerwerk, Steine und allerhand Mobiliar wurden dabei auf die Einsatzkräfte geworfen. Diese antwortete mit Gummischrot.
Am Donnerstag dann das überraschende Urteil am Regionalgericht: Die Angeklagten werden bloss wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Vom schwerwiegenden Vorwurf der Gewalt gegen Behörden und Beamte erfolgen reihum Freisprüche. Die vier Frauen und zwölf Männer kommen mit bedingten Geldstrafen davon.
«Skandalurteil» und «Kuscheljustiz»
In den Kommentarspalten dieser Zeitung sorgt dies für Empörung. Von einem «Skandalurteil» ist die Rede. Auch der Begriff «Kuscheljustiz» macht die Runde. Als einen «Freibrief» für alle folgenden Taten aus der linksradikalen Ecke bezeichnet es ein Leser. «Das Urteil macht den Besetzern Mut, weiter gegen Leib und Leben unserer Polizei vorzugehen», meint ein anderer.
Doch es gibt auch jene, die Verständnis fürs Urteil aufbringen. Eine Straftat müsse einer Person zugeordnet werden können, das sei im vorliegenden Fall offenbar nicht möglich gewesen, wirft ein Leser ein. «Was hier in den Kommentaren gefordert wird, nennt sich Kollektivstrafe, welche in unserem Land glücklicherweise nicht zulässig ist – ausser vielleicht im Militär», fügt er an.
Müller hadert mit Gesetzgebung
Zerknirscht zeigt sich am Tag nach dem umstrittenen Urteil auch der kantonale Polizeidirektor Philippe Müller (FDP). «Es kann doch nicht sein, dass derartig massive Gewalt keine strafrechtlichen Konsequenzen zur Folge hat», sagt er auf Anfrage. Er wertet das Urteil als fatales Zeichen an gewaltbereite Kreise. Es bedeute nämlich, dass Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten praktisch sanktionsfrei bleibe, wenn sie denn aus einer anonymen Masse heraus ausgeübt werde.
«Wenn das juristisch gesehen wirklich so ist, dann muss man sich ernsthaft überlegen, die Gesetzgebung anzupassen», findet Müller. Genau für solche Fälle gebe es den strafrechtlichen Begriff des «zusammengerotteten Haufens». Dass dieser beim Urteil nicht zur Anwendung kam, erschliesst sich ihm nicht.
Die Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Privatkläger hatten mit dem Begriff argumentiert. Es bedeutet, dass selbst wer keine Knallkörper, Steine oder Stangen geworfen hat, mit den Taten einverstanden gewesen sei. Mitgegangen, mitgefangen lautet der umgangssprachliche Ausdruck dafür. Dieses Prinzip kommt häufig bei Landfriedensbruch zur Anwendung, also etwa wenn sich Demoteilnehmende nicht entfernen, sobald es zu Gewaltausbrüchen kommt.
Die Frage wegen der Fristsetzung
Doch laut den Ausführungen der Richterin kann die damalige Situation an der Effingerstrasse nicht mit einer Kundgebung verglichen werden. Der Grund: Hätte jemand das Haus verlassen wollen, um sich von den Scharmützeln mit der Polizei zu distanzieren, so wäre dies aufgrund der anhaltenden Krawalle nicht möglich gewesen.
Auch warf die Richterin ein, dass die Beweislage eindeutiger gewesen wäre, hätte die Polizei den Besetzerinnen und Besetzern am Morgen der Räumung eine kurze Frist eingeräumt, um die Liegenschaft noch zu verlassen. Als «unverständlich» und «realitätsfremd» bezeichnet Polizeidirektor Müller solche Forderungen. «Da war niemand ‹zufällig› im besetzten Haus», ist er überzeugt. Es habe im Vorfeld mehrmals Aufforderungen gegeben, das Gebäude zu verlassen. «Man kann doch nicht vor jedem Einsatz noch warnen, dass die Polizei jetzt kommt», so Müller. Das würde ja die Polizeiaktion gefährden.
Unverständnis über das Urteil herrscht laut Müller auch im Polizeikorps. Die Polizistinnen und Polizisten müssten nun befürchten, dass sie bei solch heiklen Einsätzen zu wenig geschützt würden.
Bereits am Samstag wird die Polizei auf Sympathisantinnen und Sympathisanten der Hausbesetzer treffen. Die Anarchistische Gruppe Bern ruft für 16 Uhr auf dem Casinoplatz zur «Freiraumdemo» auf. Die unbewilligte Kundgebung läuft zudem unter dem Titel «Effy lebt». Bei den Einsatzkräften dürfte dies gemischte Gefühle auslösen, um es vorsichtig auszudrücken.
(https://www.bernerzeitung.ch/mildes-urteil-stoesst-auf-heftige-kritik-613410825656)
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Wieder wurden 30 Klimaaktivisten verurteilt
Der Klimaschutz gilt nicht als Rechtfertigung für unbewilligte Aktionen. Das Bezirksgericht Saanen hat 30 Klimaaktivistinnen und -aktivisten zu Bussen verurteilt. Sie haben in der Stadt Freiburg illegal eine Kundgebung gegen den Klimawandel durchgeführt. (ab 02:47)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/wieder-wurden-30-klimaaktivisten-verurteilt?id=12005891
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/klimaprozess-freiburger-gericht-verurteilt-klimaaktivisten
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/buehnen-bern-ktb-will-mit-neuem-namen-mehr-leute-erreichen?id=12005996
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/freiburger-gericht-verurteilt-klima-aktivistinnen?urn=urn:srf:video:00e40430-4011-41b1-957b-d83a261aa5b5
-> https://www.derbund.ch/freiburger-justiz-verurteilt-30-klimaaktivisten-550574318469
Chaosnacht in Winterthur-Töss: Hausbesetzer greifen in Winterthur Polizei mit Feuerwerk an
Mehrere Personen wollten am Freitag die leer stehende ehemalige Klostermühle Töss besetzen. Als die Stadtpolizei Winterthur einschritt, stiess sie auf Widerstand.
https://www.tagesanzeiger.ch/hausbesetzer-attackieren-in-winterthur-polizisten-134484194691
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/winterthur-hausbesetzer-greifen-stadtpolizisten-mit-boellern-an-ld.2152898
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/winterthurer-hausbesetzer-greifen-polizei-mit-pyros-an-00160337/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/trennung-per-sofort-mario-fehr-tritt-aus-der-sp-aus?id=12006104
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/winterthurer-hausbesetzer-greifen-polizei-mit-pyros-an-00160337/
-> https://stadt.winterthur.ch/gemeinde/verwaltung/sicherheit-und-umwelt/stadtpolizei/aktuelles-news/news/5195
Rund 100 Menschen demonstrieren gegen Räumung von Haus
In Winterthur finden sich am Freitagabend rund 100 Menschen zu einer Demonstration zusammen. Dabei protestieren sie gegen die Räumung eines Hauses.
https://www.nau.ch/news/schweiz/rund-100-menschen-demonstrieren-gegen-raumung-von-haus-65949634
Kein ruhiges Hinterland
Transpiaktion am Bachtelturm zum Frauen*streiktag
In der Morgensonne, zu Vogelgezwitscher und dem Gebimmel der Kuhglocken, erklommen wir den Bachtelturm. Ein wunderbares Transpi „Landfrauen* vereinigt euch! – Patriarchat ins Gülleloch! – 14.6.21 / 30 Jahre Frauen*streik“ macht dieses Idyll nun komplett.
Wenn hier schon alles zugeschissen ist mit SVP-Grussbotschaften und anderem Schund, so soll heute (und an allen weiteren feministischen Kampftagen!) auch eine progressive Botschaft das Züri Oberland erreichen.
Es gibt kein ruhiges Hinterland!
Es lebe der Feminismus!
Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!
https://barrikade.info/article/4576
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bernerzeitung.ch 18.06.2021
Thun: Feministischer Postenlauf – Eine Schnitzeljagd zum Mitmachen und Nachdenken
An 33 öffentlich zugänglichen Posten in der Region Thun wird das Thema Gleichberechtigung aus diversen Blickwinkeln beleuchtet. Wir haben den Postenlauf getestet.
Christine Megert
Der Kräutergarten für die Frauengesundheit liegt mitten im Areal des Solawi Erlengut in Steffisburg. Die Pflanzen sind fein säuberlich mit Schildern zu Name und Wirkung beschriftet. Immer wieder erstaunlich, was mit bekannten Pflanzen wie Schafgarbe oder Brennnessel alles gemacht werden kann. Der Kräutergarten ist eine von 33 öffentlich zugänglichen Stationen des feministischen Postenlaufs in der Region Thun. Die Tour ist am Montag lanciert worden und kann noch bis zum 27. Juni begangen werden (vgl. auch Info-Box).
In der Altstadt von Thun und beim Schloss werden im Rahmen der Tour Lebensläufe von Frauen in Thun nahegebracht oder aber Frauen gezeigt, die bereits früher aussergewöhnliche Leistungen an den Tag legten. Mit der «Pink Tax» wird ein aktuelles Thema aufgegriffen: Die Mehrwertsteuer wird deswegen im Oekoladen in Thun bis zum 26. Juni auf allen Menstruationsprodukten erlassen. Ebenso präsent ist das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit der Frage «Organisierst du noch oder arbeitest du schon?» wird auf einem Plakat beim Mundwerk über die aktuelle Situation aufgeklärt.
Im Bücherschrank am Aarequai Richtung Hünibach finden Interessierte ein Dossier mit passenden Büchern und Musik. Die Mädchen des Moditräff am Quai haben sich wiederum Gedanken darüber gemacht, warum sie auf sich stolz sind. Sätze wie «Weil ich das mache, was ich will, und nicht was andere erwarten» oder «Es gibt 8 Milliarden Menschen, jeder sagt, ich bin ich» zeigen ein aufgeschlossenes Bild der Jugendlichen. Es darf fleissig mitgeschrieben werden. Beim Schwäbisbad wird hingegen darauf aufmerksam gemacht, wie viel unbezahlte Arbeit immer noch durch Frauen geleistet wird: Die Stunden mit einem angenommenen Lohn gerechnet, ergeben schnell mal ein grosses Jahreseinkommen.
Wer sich ins Wocherpanorama im Schadaupark begibt, kann sich die Situation vor 200 Jahren ansehen. Dazu sind beim Parkeingang diverse Fragen aufgehängt. Im Garten des Gymnasiums Seefeld wird die Geschichte der Bildung – auch in Anbetracht des früheren Lehrerinnenseminars – beleuchtet. Vor der Johanneskirche wird klar, dass die Gleichstellung von Mann und Frau bereits in der Bibel stand.
An diversen Posten können Tourgängerinnen und -gänger auch selber etwas machen: Kreuzworträtsel lösen, boxen, malen, sich verkleiden oder einen Wettbewerb gewinnen. Diverse Workshops, unter anderem im Skatepark Steffisburg, stehen noch an. Fabienne Gamboni (27) aus Uetendorf fand es spannend, vor allem die historischen Daten zu lesen. «Ich finde es super, wird das Thema öffentlich behandelt. Ich bin der Meinung, dass sich zu wenig Menschen mit dieser immer noch aktuellen Thematik befassen.»
Die violett gefärbten Brunnen und angeleuchteten Gebäude in der gesamten Schweiz sowie der Frauenstreik am 14. Juni, unter anderem in Thun, waren der Start für diesen Postenlauf, der noch bis zum 27. Juni dauert. Solche Läufe existieren schweizweit in diversen Städten.
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Worum geht es?
Das Feministische Kollektiv Thun–BeO feiert mit dem Postenlauf 230 Jahre Erklärung Recht der Frau und Bürgerin, 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz, 40 Jahre Gleichstellung von Frau und Mann in der Schweizer Bundesverfassung, 30 Jahre Frauenstreik 1991 und 2 Jahre Frauen*streik 2019. (cme)
(https://www.bernerzeitung.ch/eine-schnitzeljagd-zum-mitmachen-und-nachdenken-175031073208)
++++REPRESSION DE
„Rigaer 94“: Innensenator für Räumung des Hauses
Der massive Angriff von mehr als hundert vermummten Linksautonomen auf die Polizei war strategisch geplant und entstammte keiner aggressiven Stimmung bei einer Demonstration. Die Politik fordert Konsequenzen.
https://www.morgenpost.de/berlin/article232570393/Rigaer-94-Innensenator-fuer-Raeumung-des-Hauses.html?utm_term=Autofeed&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1624016387
+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Kriminelle Ausländer schneller ausschaffen: Nationalrat peitscht Verschärfung durch
Das PMT hat die Diskussion über Grundrechte lanciert, jetzt peitscht das Parlament die nächste Einschränkung durch: Straffällige ausländische Personen sollen ohne Gerichtsverfahren ausgeschafft werden. Beobachter fragen sich: Wo bleibt die Opposition?
https://www.watson.ch/!279649571
+++ANTITERRORSTAAT
Polizeistaat Schweiz
Das Gesetz »Polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung vor Terror« stellt Angriff auf Grundrechte dar
https://www.jungewelt.de/artikel/404708.repression-polizeistaat-schweiz.html
+++POLICE BE
derbund.ch 18.06.2021
Umstrittener Polizeieinsatz: Der verhaftete Nordafrikaner sitzt in Moutier im Gefängnis
Der «Bund» hat den jungen Mann besucht, der jüngst bei der Berner Heiliggeistkirche festgenommen wurde.
Naomi Jones
Eine Woche ist es her, seit hinter der Heiliggeistkirche ein junger Mann von der Berner Kantonspolizei in teilweise brutal anmutender Weise verhaftet worden ist. Der «Bund» hat den Mann nun im kantonalen Ausschaffungsgefängnis in Moutier getroffen.
Von dort soll er gemäss Dublin-Abkommen nach Deutschland zurückgeführt werden, wo er ein hängiges Asylverfahren hat, wie Alexander Ott, Vorsteher der Berner Fremdenpolizei, sagt. Inzwischen hat die Berner Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnet, um den Fall zu untersuchen. Deshalb ist möglich, dass sie A. E. für eine Zeugenaussage etwas länger im Land behalten will. Sofern er nicht untertauche, könne er dazu aber auch in Deutschland aufgeboten werden, sagt Ott.
Keinen guten Schlaf
A. E. ist scheu und etwas unsicher, als er sich auf den zugewiesenen Stuhl setzt. Von der Platzwunde über dem Auge ist eine feine rosarote Narbe übrig geblieben. An den Ellbogen, Knien und Händen hat er ebenfalls frische Narben und verheilende Schürfungen. Allerdings ist schwer zu beurteilen, was frisch und was älter ist. Schon den Polizisten, die ihn am Freitag vor einer Woche angehalten hatten, waren seine verletzten Arme aufgefallen.
Wie geht es ihm jetzt? Der 27-jährige Mann, der laut eigenen Angaben aus Marokko stammt (was jedoch nicht bestätigt ist), spricht fliessend Italienisch, wenn auch nicht immer ganz deutlich. Er könne den Vorfall nicht vergessen, schlafe nicht gut und wache manchmal schreiend auf. «Ich habe grosse Angst vor der Polizei.» A. E. wirkt niedergeschlagen. Wenn er aber von der Verhaftung erzählt, wird er lauter, gestikuliert mit den Händen und scheint emotional aufgewühlt.
Obwohl die Polizei mehrmals seinen schlechten Zustand – sprich: einen durch verschiedene Substanzen verursachten Rausch – als Grund für die Verhaftung angegeben hat, will A. E. sich gut daran erinnern können. Auf den Rausch angesprochen, nennt er «etwas Alkohol». Als ihn die Polizisten beim Bahnhof angehalten hätten, sei er zuversichtlich gewesen und habe ihnen seine Dokumente zeigen wollen, die er bei seinem Schlafplatz aufbewahrt habe. «Ich war ruhig, nicht böse», sagt A. E. In Bern habe er auf der Strasse gelebt.
Kooperation und Todesangst
Tatsächlich wirkte A. E. zu Beginn der Aktion kooperativ. Doch dann eskalierte die Situation. Laut Polizei leistete er passiven Widerstand, als ihm die Beamten Handschellen anlegen wollten. Weshalb also beendete er seine anfängliche Kooperation? «Ich habe die Polizisten gebeten, mir die Handschellen vorne anzulegen», antwortet er. Denn er habe ein Rückenleiden.
Führte also ein Verständigungsproblem zur Eskalation? Die Polizisten sprachen kein Italienisch. Gemäss Manuel Willi, Chef der Regionalpolizei, gehört es zum Standardverfahren, Personen «zu Boden zu führen», wenn die Beamten entscheiden, dass eine «Arretierung» notwendig sei. Es folgte ein Kampf, an dessen Ende zwei Polizisten A. E. unter anderem mit einem Knie auf dem Hals am Boden festhielten. Im Nachhinein dreht sich vieles um die Frage, ob und wie fest der Polizist mit dem Knie auf den Hals drückte. A. E. sagt dazu: «Ich konnte nicht atmen. Ich dachte, ich sterbe.»
Doch damit endete die verstörende Szene nicht. Als A. E. gefesselt und wieder aufgerichtet war, führte ihn ein hinzugeeilter dritter Polizist zum Kastenwagen. A. E. war unsicher auf den Beinen, als ihn der Polizist in den Kastenwagen bugsierte. Die Polizei schrieb im Nachhinein, A. E. sei gefallen und dem Polizisten aus der Hand gerutscht. Doch wer die Szene beobachtet hat, wertet dies eher als ein «Hineingeworfenwerden». Auch A. E. verwendet das Wort «buttare», was so viel heisst wie «wegwerfen». Der Polizist habe ihn ins Auto geworfen, wo er, an Händen und Füssen gefesselt, auf dem Boden liegen geblieben sei. Danach sei das Auto so schnell und ruppig gefahren, dass er mehrmals den Kopf an den Innenwänden des Kastenwagens angeschlagen habe. Schliesslich hätten ihn die Polizisten wie einen Sack in die Wache geschleift. An das, was dort geschah, kann oder will er sich nicht erinnern. A. E. sagt, er sei ohnmächtig geworden und erst im Spital wieder aufgewacht.
Polizei widerspricht
Die Polizei widerspricht dieser Schilderung der Vorgänge im Auto und auf der Wache zumindest zum Teil. Die Fussfessel sei A. E. «erst aufgrund seines Verhaltens auf der Wache» angelegt worden. Auf der Fahrt und danach in der Wache habe sein Zustand «immer wieder zwischen sehr schläfrig (weggetreten) und aufbrausend, aggressiv und gewaltbereit» geschwankt. Im Spital habe er sediert werden müssen, um ihn medizinisch betreuen zu können.
Für A. E. sind die Details unter Umständen gar nicht so relevant. Im Gespräch scheint ihn am meisten der Vertrauensverlust zu beschäftigen. «Ich bin in die Schweiz gekommen, um sicher zu sein.» Er habe hier ein Leben aufbauen wollen «mit einer Frau, Kindern, einem Hund und einem Haus». Doch nun sei er auch hier geschlagen worden.
(https://www.derbund.ch/der-verhaftete-nordafrikaner-sitzt-in-moutier-im-gefaengnis-857504221110)
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Nach umstrittenem PolizeieinsatzNun ermittelt die Staatsanwaltschaft
Die heftig diskutierte Festnahme beim Berner Bahnhof wird untersucht. Die Staatsanwaltschaft hat zum Vorfall vom letzten Freitag bereits erste Ermittlungen getätigt.
https://www.derbund.ch/nun-ermittelt-die-staatsanwaltschaft-304926290391
-> https://www.bernerzeitung.ch/staatsanwaltschaft-eroeffnet-strafverfahren-999683398945
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derbund.ch 18.06.2021
Analyse zum Berner Polizeieinsatz: Es geht um mehr als um die Knie-Szene
Der Polizeieinsatz in Bern vom 11. Juni erinnert an den Fall George Floyd. Dieser Vergleich ist jedoch verfehlt – obschon im Kern das gleiche Rechtsgut tangiert wird.
Dölf Barben
Der «Bund» hat vor einer Woche über die Verhaftung eines Nordafrikaners bei der Berner Heiliggeistkirche berichtet. Illustriert war der Artikel mit einem Bild, das einen Polizisten zeigt, der über dem am Boden liegenden Mann kauert; sein Knie liegt auf dessen Hals.
Der Beitrag wurde von zahlreichen Leserinnen und Lesern kommentiert. Auch andere Medien haben über die Aktion berichtet. Dabei zeigte sich, dass der Vorfall zunehmend auf diese Knie-Szene reduziert wird.
Die Aktion, wie sie sich abspielte und von einer Reihe von Journalistinnen und Journalisten aus nächster Nähe beobachtet wurde, und vor allem das veröffentlichte Bild erinnerten in der Tat und fast zwangsläufig an den Fall von George Floyd. Der Afroamerikaner war im Mai vorigen Jahres in Minneapolis von einem Polizisten getötet worden; der Beamte hatte sein Knie auf den Hals gepresst – Floyd bekam keine Luft mehr.
Doch trotz dieser optischen Parallele ist es unzulässig und weit verfehlt, die beiden Fälle in eine Reihe stellen oder gar vergleichen zu wollen. Es sind andere Dimensionen. Dort ging es um Leben und Tod in einer US-amerikanischen Grossstadt, wo unter den Polizisten Rassismus und eine hohe Gewaltbereitschaft weitverbreitet sind. Hier geht es um leichte Verletzungen und um ein Vorkommnis in einer schweizerischen Stadt, in der sich soziale Spannungen in engen Grenzen halten.
Der Polizist in Bern verwendete die umstrittene Methode, um einen Mann zu überwältigen. Als das geschafft war, wurde dieser wieder auf die Beine gestellt. Ausserdem hat der Polizist mit seinem Knie nicht kontinuierlich Druck ausgeübt und vor allem nicht über eine sehr lange Zeit – ganz anders als sein Berufskollege in Minneapolis.
Blick auf das Gesamtbild
Und doch: Obschon der Massstab ein völlig anderer ist, steht im Kern ein und dasselbe Thema zur Diskussion – unverhältnismässige Polizeigewalt. Beim Einsatz bei der Heiliggeistkirche wird dies ersichtlich, wenn das ganze Bild betrachtet wird. Und es ist dieses Gesamtbild – und keineswegs allein die Knie-Szene –, das den verstörenden Eindruck hinterlässt.
Ein Mann wird kontrolliert, weil er «aufgrund seines schwankenden Ganges beinahe in eine Stange gelaufen wäre» (Zitat: Stellungnahme Polizei). Die Patrouille trifft ihn in einem «sehr schlechten gesundheitlichen Zustand an» (Zitat: Manuel Willi, Chef Regionalpolizei Bern, in der Sendung «TalkTäglich» von «TeleBärn»). Und eine Viertelstunde später liegt dieser Mann in einem offensichtlich noch viel schlechteren gesundheitlichen Zustand auf dem Kabinenboden eines Polizeitransporters.
Das Beunruhigende ist die generelle Rücksichtslosigkeit, die beim Einsatz neben der Heiliggeistkirche zu beobachten war, die Bereitschaft, Verletzungen einer Person in Kauf zu nehmen. Dies traf insbesondere auf die Polizisten zu, die als Verstärkung herbeieilten. Einer von ihnen war es, der den gefesselten Mann am Ende wie einen Sack in den Transporter bugsierte.
Und eigentlich ist es diese letzte sichtbare Szene, die zur schwierigsten Frage führt. Weshalb haben die Polizisten den Mann, als er unter Kontrolle und in ihrer Obhut war, nicht umsichtiger behandelt?
Mit Haut und Haar involviert
Polizistinnen und Polizisten üben einen schwierigen Beruf aus. Sie sind konfrontiert mit Situationen, die spannungsgeladen und für sie selber gefährlich sind. Sie sind körperlich und emotional involviert, wo andere aus sicherer Distanz beobachten und Urteile fällen können.
Über weite Strecken kommen die hiesigen Polizeikräfte mit ihrer delikaten Rolle klar. In Bern gibt es Dialogteams. Deeskalation ist ein alter Slogan: Die Dauerkritik von Antifa und schwarzem Block ist überzogen.
Aber auch hier: Es gibt diesen unrühmlichen Strang in der Berner Polizeigeschichte, der seit Jahrzehnten mit unschöner Regelmässigkeit sichtbar wird. Dann etwa, wenn ein unter Drogen stehender Mann auf einer Wache von zwei Polizisten erniedrigt wird – und eine Polizeipraktikantin als Zeugin aussagt. Oder wenn ein Polizist gegen eine bereits festgenommene Person tätlich wird und davon Videoaufnahmen existieren.
Wie am Freitag bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft zum Fall bei der Heiliggeistkirche eine Untersuchung eröffnet. Es stehen schwerwiegende Fragen zur Debatte. Denn wer wie die Polizistinnen und Polizisten das Gewaltmonopol innehat, muss nicht nur für Sicherheit sorgen, sondern auch die Menschenwürde schützen.
(https://www.derbund.ch/es-geht-um-mehr-als-um-die-knie-szene-104492308448)
+++POLIZEI DE
Rechtsextreme bei der Bundestagspolizei:Hitlergruß im Reichstag
Die Bundestagspolizei soll das Parlament schützen. Doch taz-Recherchen zufolge arbeiten dort Reichsbürger, Rassisten und Coronaleugner.
https://taz.de/Rechtsextreme-bei-der-Bundestagspolizei/!5777254/
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-06/rechtes-netzwerk-im-bundestag-url-bundestagspolizei-rechtsextremismus-verfassungsfeindlich-rassismus-querdenker-behoerde
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundestag-offenbar-mehrere-rechtsextreme-vorfaelle-bei-bundestagspolizei-a-bb440130-f34d-4262-a106-fa2540ca259c
+++RECHTSPOPULISMUS
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/zuercher-regierungsrat-mario-fehr-verlaesst-die-sp-im-streit?id=dc80bf32-fae5-4a99-9004-bbfd406b540b
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/zuercher-regierungsrat-mario-fehr-tritt-aus-der-sp-aus-142528380
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/knall-in-der-zuercher-sp-mario-fehr-tritt-aus-partei-aus?urn=urn:srf:video:abc3e35e-569c-4d50-81d5-031af78fe9fe
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/sp-kann-vorwuerfe-von-mario-fehr-nicht-verstehen-00160372/
-> https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/zuercher-regierungsrat-fehr-tritt-aus-sp-aus?id=3c12c3a0-58a2-4c61-a026-91c0c1366119
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-regierungsrat-mario-fehr-verlaesst-die-sp?id=12005903
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/trennung-per-sofort-mario-fehr-tritt-aus-der-sp-aus?id=12006104
-> https://www.watson.ch/schweiz/analyse/885320096-wie-es-zum-sp-austritt-von-mario-fehr-kam
-> https://www.watson.ch/schweiz/sp/220605123-mario-fehr-will-ueber-politische-zukunft-informieren
-> https://www.blick.ch/politik/aerger-ueber-erzfeind-so-heftig-stritt-fehr-mit-seiner-sp-id16610749.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/pressekonferenz-um-10-30-uhr-regierungsrat-mario-fehr-informiert-ueber-seine-zukunft-id16609792.html
-> https://www.blick.ch/politik/mario-fehr-hat-genug-von-der-sp-wermuth-und-meyer-schweigen-jusos-jubilieren-id16610481.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/chronik-einer-kampfscheidung-459584069076
-> https://www.tagesanzeiger.ch/es-war-zeit-dass-es-knallt-863477506726
-> https://www.tagesanzeiger.ch/sp-wollte-mario-fehr-nicht-mehr-unterstuetzen-juso-jubeln-469794810481
-> https://www.tagesanzeiger.ch/mario-fehr-ist-nach-rechts-gedriftet-171413880524
-> https://www.nzz.ch/zuerich/eklat-in-sp-zuerich-wie-sich-mario-fehr-mit-der-partei-zerstritt-ld.1631228?reduced=true
-> https://www.nzz.ch/meinung/zuerich-trennung-von-mario-fehr-von-der-sp-war-ueberfaellig-ld.1631133?reduced=true
-> https://www.nzz.ch/zuerich/was-tun-politiker-nach-dem-bruch-mit-ihren-parteien-ld.1631148?reduced=true
-> https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-regierungsrat-mario-fehr-tritt-aus-sp-aus-ld.1631118?reduced=true
-> https://www.nzz.ch/zuerich/mario-fehr-tritt-aus-sp-aus-parteipraesidentin-nimmt-stellung-ld.1631179?reduced=true
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/sp-zwist-nach-partei-austritt-bei-aller-sympathie-fuer-mario-fehr-aber-fuer-die-svp-reicht-es-nicht-ld.2153182
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-sicherheitsdirektor-mario-fehr-tritt-zurueck-00160329/
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/sp-kann-vorwuerfe-von-mario-fehr-nicht-verstehen-00160372/
-> https://www.20min.ch/story/eine-strafanzeige-und-streitereien-zur-asylpolitik-so-kam-es-zu-fehrs-austritt-aus-der-sp-627676364321
-> https://www.20min.ch/story/was-teilt-mario-fehr-mit-534976822103
Ungarn: Warum sich die Illiberalen gegen die sexuelle Freiheit verschwören
Das neue ungarische Gesetz gegen Pädophilie missbraucht Kinder für politische Zwecke. Doch gegen Ideologen wie Viktor Orbán sehen Europas Institutionen allein alt aus.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/ungarn-gesetz-gegen-paedophilie-viktor-orban-selbstbestimmung-sexualitaet/komplettansicht
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
tagblatt.ch 18.06.2021
«Manchmal halte ich es selber kaum aus»: Unternehmer Karl Müller versteht den Thurgauer Anwalt, der die Schweiz wegen der Coronamassnahmen verlassen hat
Über die Coronabeschränkungen ärgern sich beide: Der Roggwiler Schuhpionier Karl Müller kennt den Anwalt, der mit seiner Familie nach Tansania ausgereist ist. Er hat volles Verständnis für diese Reaktion.
Ida Sandl
Herr Müller, ein Thurgauer Anwalt hat mit sechs Kindern Knall auf Fall die Schweiz in Richtung Tansania verlassen, weil ihn die Coronamassnahmen genervt haben. Können Sie das nachvollziehen?
Das kann ich voll und ganz verstehen. Dieses diktatorische Gehabe des Bundesrates empfinde auch ich als schlimm. Manchmal halte ich es selber kaum aus.
Denken Sie auch daran, die Schweiz zu verlassen?
Nein, ich habe zehn Grosskinder. Wir sind ein kleiner Familienclan, den ich nicht verlassen möchte. Ich will hier bleiben und für die Freiheitsrechte in der Schweiz kämpfen, deshalb habe ich auch das Aktionsbündnis Ostschweiz gegründet.
War der Anwalt in diesem Bündnis aktiv?
Nein, er war weder Gründungsmitglied noch aktiv im Bündnis. Wir haben uns erst vor einigen Monaten kennengelernt. Er hat mich kontaktiert, weil wir ähnlich denken, was Corona betrifft. Er bearbeitet auch ein Projekt von mir.
Liegt das Projekt nun auf Eis?
Davon gehe ich nicht aus, das würde ich auch sehr bedauern. Ich denke aber, er kann es auch von Tansania aus betreuen.
Haben Sie von den Ausreiseplänen gewusst?
Davon hatte ich keine Ahnung. Ich bekomme momentan auch keinen Kontakt zu ihm, vielleicht gibt es Probleme mit der Handyverbindung.
Was würden Sie ihm gerne sagen?
Vor allem möchte ich wissen, wie es ihm geht. Ich hoffe natürlich auch, dass wir in Kontakt bleiben.
Soll Tansania in Sachen Freiheitsrechte wirklich besser sein als die direkte Demokratie in der Schweiz?
Das ist die Frage. Zumindest kann sich die Familie dort anscheinend freier bewegen. Sie müssen keine Masken tragen und können sich mit so vielen Menschen treffen, wie sie wollen. Wenn man unter dieser Bevormundung gelitten hat, macht das einen grossen Unterschied.
Auch in der Schweiz stehen die Zeichen auf Lockerung.
Momentan ist das so. Aber was wird im Herbst und Winter sein? In Deutschland redet man bereits wieder von neuen Virusvarianten. Das Interesse, sich gegen die Coronamassnahmen zu wehren, lässt gerade nach, das spüren wir auch beim Aktionsbündnis. Aber wir suchen weiter Sympathisanten, um vorbereitet zu sein.
Der Anwalt hat sechs Kinder. Sie hätten in der Schweiz die bessere Schul- und Ausbildung. Darf man den Kindern so etwas antun?
Da bin ich ganz anderer Meinung. Die Kinder werden von der Ausreise profitieren. Sie lernen eine neue Kultur kennen, sie sind auch mit Armut konfrontiert. Es öffnet ihren Horizont. Ich weiss, wie positiv die Zeit in Korea für meine Kinder war.
Sie sind aber in die Schweiz zurückgekommen.
Aber nur, weil ich damals schwer krank geworden bin. Sonst wäre ich in Südkorea geblieben. Ich war dort unternehmerisch sehr erfolgreich, bin daran aber wie gesagt gesundheitlich gescheitert.
Es gibt wohl wenige Länder auf dieser Welt, in denen der Bürger so viel mitbestimmen kann wie in der Schweiz. Sehen Sie das anders?
Das sehe ich schon auch so. Es gibt aber momentan Tendenzen, diese Freiheitsrechte einzuschränken. Der Bundesrat hat durch Corona Lunte gerochen und will jetzt mehr Macht. Wir müssen sagen: Stopp! Der Souverän hat in diesem Land das Sagen und nicht der Berufspolitiker.
Wäre es dann nicht besser, hier gegen die Einschränkungen zu kämpfen als auszureisen?
Man kann sich auch vom Ausland aus für oder gegen etwas in der Schweiz engagieren. Dieser radikale Schritt ist auch ein Zeichen, das die Diskussion anstossen und somit etwas bewirken wird.
Wie viele eingetragene Sympathisanten hat das Aktionsbündnis Ostschweiz?
Momentan sind es erst 5000. Wir sind aber daran, die Kommunikation auszubauen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die anvisierten 100’000 Sympathisanten finden. Eines unserer Ziele ist das Referendum gegen das Covid-19-Gesetz.
Der Thurgau hat das Covid-19-Gesetz abgelehnt, gibt es hier besonders viele Sympathisanten?
Wir sind im Thurgau sicher gut vertreten, aber auch aus der Innerschweiz bekommen wir viel Zustimmung. Ich denke, es sind vor allem die ländlichen Kantone, die auf ihre Freiheitsrechte pochen.
Was denken Sie, sitzen schon viele Schweizer auf gepackten Koffern, um auszureisen?
Das denke ich nicht, eine solche Ausreise ist ein persönlicher Schritt der Familie des Anwalts und erfordert auch sehr viel Mut. Das sind Einzelfälle.
Herr Müller, sind Sie ein Coronaleugner?
Sicher nicht. Ich streite nicht ab, dass es das Virus gibt. Aber ich halte die Massnahmen dagegen für unverhältnismässig. Für mich ist Corona mit einer Grippe vergleichbar. Auch an einer Grippe sterben Menschen und es gibt Verläufe, die mit Long-Covid vergleichbar sind.
Glauben Sie, dass Bill Gates die Pandemie im Hintergrund orchestriert?
Das weiss ich nicht. Grundsätzlich sollte man sich aber immer fragen, wer ein Interesse an bestimmten Dingen haben könnte und wer daran verdient. Es ist zum Beispiel eine Tatsache, dass bei Corona vor allem die Pharmalobby Gewinne einfährt.
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Ein ungewöhnlicher Erfinder und Unternehmer
Das Leben von Karl Müller ist eine unglaubliche Geschichte von Erfolg, Scheitern und erneutem Erfolg. Seine Unternehmerkarriere startet der 69-Jährige als Importeur in Südkorea. 1997 erfindet er den MBT-Schuh, abgekürzt für Masai Barefoot Technologie. Der Schuh ist ein weltweiter Erfolg. Er verkauft die Markenrechte an eine Investorengruppe. Dann verspekuliert er Millionen, landet aber 2008 den nächsten Coup mit dem Kybun-Gesundheitsschuh. Er lebt mit seiner koreanischen Frau in Roggwil. Müller hat das Aktionsbündnis Ostschweiz gegründet, das sich gegen die Coronamassnahmen wehrt. (san)
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/interview-manchmal-halte-ich-es-selber-kaum-aus-unternehmer-karl-mueller-versteht-den-thurgauer-anwalt-der-die-schweiz-wegen-der-coronamassnahmen-verlassen-hat-ld.2152608)
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«Eriksen hat sich gegen Corona geimpft»: Tausende Impfkritiker missbrauchen Herzstillstand von Christian Eriksen
Dänemark-Star Christian Eriksen geht es besser. Die Fussballwelt, sie ist froh darüber. Auf Social Media werden derweil falsche Theorien verbreitet.
https://www.20min.ch/story/tausende-impfkritiker-missbrauchen-herzstillstand-von-christian-eriksen-650669490317
Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?
Cui Bono erzählt die Geschichte von Ken Jebsen: dem ehemaligen Radiomoderator, der zu einem der wohl einflussreichsten Verschwörungsideologen Deutschlands wurde. Wie konnte es dazu kommen?
Der Podcast erzählt aber auch die Geschichte vom Einfluss der sozialen Medien, vom Erfolg von Verschwörungsideologien, vom erstarkenden Populismus in unserem Land – und wie all diese Kräfte sich in Zeiten von Corona gegenseitig verstärken und unsere Gesellschaft destabilisieren und beschädigen.
https://www.radioeins.de/archiv/podcast/cui_bono/
+++HISTORY
Nazi-Opfer erhalten in der Schweiz eine eigene Gedenkstätte
Die Schweiz erhält bald eine eigene Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus. Das hat das Parlament beschlossen. Dabei soll auch der Schweizer Widerstand beleuchtet werden.
https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/holocaust-nazi-opfer-erhalten-in-der-schweiz-eine-eigene-gedenkstaette-erhalten-ld.2152727
Dokumentarfilm über erste Konzentrationslager 1933: »Für Stottern fünf Schläge. Für Schweigen 15«
Die Doku »Zustand und Gelände« zeigt, wie die Nazis kurz nach der Machtergreifung Gegner des Regimes wegsperrten und quälten. Es sind vor allem die vorgelesenen Original-Dokumente, die den Zuschauer erschüttern.
https://www.spiegel.de/kultur/kino/dokumentarfilm-zustand-und-gelaende-ueber-deutschlands-wilde-konzentrationslager-nach-1933-a-7ec23c3c-300f-46ec-a542-33b98e5d2058
-> Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=hPqcCjPgpIM