Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++SCHWEIZ
Erstes Flüchtlingsparlament – Nicht über, sondern mit Flüchtlingen politisieren
Rund 75 Menschen, die in der Schweiz Zuflucht suchen, haben in Bern Anliegen formuliert, die sie Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentariern mitgeben.
https://www.srf.ch/news/schweiz/erstes-fluechtlingsparlament-nicht-ueber-sondern-mit-fluechtlingen-politisieren
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/erstes-fluechtlingsparlament-tagt-in-bern?id=894ca51c-c3e6-4d42-b08e-a3395e57a59e
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/erste-fluechtlingssession-in-bern?urn=urn:srf:video:9f6f6c06-779f-467c-8096-8052f90d32f3
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/erstes-fluechtlingsparlament-in-bern-142294392
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/kurznews-142293921
-> https://www.srf.ch/audio/info-3/1-schweizer-fluechtlingsparlament-forderungen-an-die-politik?id=11998091 (ab 03:40)
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/fluechtlinge-moechten-besseren-zugang-zu-bildung-00159568/
-> https://www.swissinfo.ch/ger/fluechtlinge-moechten-besseren-zugang-zu-bildung/46682070
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/damit-in-der-politik-auch-gefluechtete-zu-wort-kommen
-> https://www.kath.ch/newsd/was-ein-katholik-aus-eritrea-mit-dem-fluechtlingsparlament-aendern-will-die-politiker-sprechen-nicht-mit-uns/
-> https://www.kathbern.ch/pfarrblatt-bern-angelus-biel/pfarrblatt-bern/news-artikel/news/erstes-schweizer-fluechtlingsparlament-tagt-in-der-pfarrei-dreifaltigkeit/detail/News/
+++DEUTSCHLAND
Abschiebungen an den Hindukusch: Sie sind in Gefahr
Einer Studie zufolge droht abgeschobenen Afghanen Gewalt. Doch das Innenministerium plant den nächsten Abschiebeflug nach Kabul.
https://taz.de/Abschiebungen-an-den-Hindukusch/!5773062/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1152915.abschiebungen-nach-afghanistan-fortgesetzte-realitaetsverweigerung.html
+++FREIRÄUME
Das autonome Jugendzentrum sammelt Spenden, um den Chessu umzubauen. Ohne diesen Umbau hat der Saal keine Zukunft. (ab 03:20)
https://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2021-06-06
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Sprengsatz, Buttersäure, kaputte Scheiben: Anschlagsserie gegen Erdogan-Anhänger in der Schweiz
Seit Monaten verüben Unbekannte Anschläge auf Firmen und Privathäuser von Vertretern des türkischen Staates. Die Spuren der Angreifer führen zu militanten Schweizer PKK-Sympathisanten.
https://www.blick.ch/schweiz/sprengsatz-buttersaeure-kaputte-scheiben-anschlagsserie-gegen-erdogan-anhaenger-in-der-schweiz-id16576566.html
Kleine Sabotage gegen das Lagersystem
Vor einer Woche haben wir bei der Universitätsbibliothek in Basel ein Dienstauto der Securitas AG erwischt: 4 platte Reifen und ein bisschen Farbe überall waren das Resultat.
https://barrikade.info/article/4543
Nach Razzia bei Klimaschützern: Keller-Sutter lehnt Treffen mit Klimaaktivisten ab
Die von Hausdurchsuchungen betroffenen Waadtländer Klimaaktivisten haben die Justizministerin um eine Aussprache gebeten. Doch diese will davon nichts wissen.
https://www.derbund.ch/keller-sutter-lehnt-treffen-mit-klimaaktivisten-ab-979572237031
+++KNAST
Sonntagszeitung 06.06.2021
Kranke im Strafvollzug: Die Psychiater im Gefängnis kosten Hunderte Millionen
Mit viel Aufwand wurde in der Schweiz der Massnahmenvollzug ausgebaut. Jetzt drohen die Kosten aus dem Ruder zu laufen.
Martin Stoll
Es ist eine dieser schwierigen Geschichten, für welche die Justiz eine Lösung finden musste: Im Wahn köpfte ein 21-jähriger Nordmazedonier im Oktober 2018 seine Grossmutter. Der verwirrte Mann wurde verhaftet, als er mit dem abgetrennten Schädel im Gepäck den Flughafenzoll in Zürich passieren wollte. Das Bezirksgericht Frauenfeld entschied sich letztes Jahr zu einer stationären therapeutischen Massnahme.
Der junge Elektroinstallateur ist einer von 800 Menschen, die in der Schweiz in einer geschlossenen Vollzugseinrichtung ihre Strafe absolvieren – und gleichzeitig therapiert werden. Seit 2007 kennt das Schweizer Strafgesetzbuch das «Gesundstrafen» von psychisch kranken Straftätern. In Spezialeinrichtungen werden «kurative Massnahmen» vollzogen. Damit soll erreicht werden, dass die Delinquenten geheilt und wieder in die Gesellschaft integriert werden können.
Je nach Therapiekonzept und Sicherheitsstufe verrechnen Institutionen den Vollzugsbehörden zwischen 550 und 1800 Franken pro Tag – bis zu einer halben Million Franken und mehr pro Insasse und Jahr also. In den letzten Jahren haben psychiatrische Kliniken, Massnahmenvollzugszentren und Gefängnisse damit begonnen, den einträglichen Bereich zu bewirtschaften. Jetzt warnen Planungsbehörden des Strafvollzugs vor Überkapazitäten und einer Kostenfalle. Befürchtet werden Zustände wie im Gesundheitswesen, wo trotz Überversorgung zusätzliche Betten geschaffen werden.
Viele Betten in Kliniken
Noch vor einigen Jahren waren Vollzugsplätze für psychisch Kranke indessen Mangelware: «Die gesetzlichen Vorschriften können nicht eingehalten werden, insbesondere weil zu wenig geeignete Therapieplätze zur Verfügung stehen», warnte 2014 der spätere Sekretär des Strafvollzugskonkordats Nordwest- und Innerschweiz, Benjamin F. Brägger. In der Schweiz fehlten 400 gesicherte Therapieplätze, rechnete der Jurist vor.
Brägger war nicht der Einzige, der einen Notstand kommen sah. In den Kantonen wurde der Aufbau von spezialisierten therapeutischen Stationen vorangetrieben. Es entstanden vom Bund subventionierte Einrichtungen, die 50 Millionen Franken und mehr kosteten. Das Engagement der staatsnahen Einrichtungen war gross – auch weil diese den Betrieb mit den satten Betreuungspauschalen quersubventionieren können.
So sind bis Mitte letzten Jahres allein in der Deutschschweiz laut einer Erhebung des Strafvollzugkonkordats Nordwest- und Innerschweiz 527 Plätze mit einem forensisch-psychiatrischen Angebot entstanden. Das grösste Angebot schafften psychiatrische Kliniken (261 Betten), gefolgt von spezialisierten Massnahmenvollzugszentren (209) und Spezialeinrichtungen in Gefängnissen (57).
Aufbau trotz Entspannung
Die Situation habe sich in den letzten Jahren bei den Massnahmenplätzen für psychisch gestörte Straftäter «sehr entspannt», schreibt Konkordatssekretär Brägger in seinem neusten Planungsbericht. Auch andere Strafvollzugspraktiker bestätigen den Eindruck. Doch eine Zusammenstellung der aufgegleisten Projekte zeigt: Obwohl die Sättigungsgrenze erreicht scheint, wird die Zahl der Therapieplätze nochmals um 20 Prozent aufgestockt.
So wird im Herbst die psychiatrische Klinik in Königsfelden AG eine Abteilung mit 26 stark gesicherten Plätzen eröffnen. In der Klinik in Münsterlingen TG ist eine Station mit 19 Betten im Bau, und im Kompetenzzentrum für Forensik Wil SG sollen für rund 15 Millionen Franken nochmals 19 Plätze entstehen. Das grösste Projekt ist in der Psychiatrie in Rheinau ZH geplant. Hier sollen in der forensischen Psychiatrie 39 neue Plätze entstehen.
Kontroverse um Standard
Werden die Projekte im Ostschweizer Konkordat alle realisiert, würde dies «zu einem Überangebot führen», heisst es im Planungsbericht des Strafvollzugskonkordats Nordwest- und Innerschweiz. «Es ist zumutbar, dass Verurteilte einige Monate auf einen Massnahmenplatz warten», sagt Brägger. Es sei nicht zu verantworten, dass ein derart teures System auf Belegungsspitzen ausgelegt werde.
Das sehen nicht alle gleich: «Es bestehen Wartezeiten für die Einweisung in gesicherte psychiatrisch-forensische Kliniken», sagt Joe Keel, der Sekretär des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats. Deshalb müssten die geplanten Projekte bald realisiert werden.
Unterstützung erhält er von der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF). Im Auftrag des Bundes überwacht diese die Haftbedingungen in Gefängnissen. «Vor allem für weibliche Gefangene ist das Angebot an psychiatrischen Leistungen nach wie vor unzureichend», kritisiert NKVF-Präsidentin Regula Mader.
(https://www.derbund.ch/die-psychiater-im-gefaengnis-kosten-hunderte-millionen-421864105120)
+++ANTITERRORSTAAT
Grüne verlangen Gesetzesänderung: Razzia bei Klima-Aktivisten hat politisches Nachspiel
Die Grünen fordern eine unabhängige Untersuchung der Polizeiaktion im Waadtland. Und die Abschaffung eines Gesetzes, das Aufrufe zum Armee-Boykott verbietet.
https://www.blick.ch/politik/gruene-verlangen-gesetzesaenderung-razzia-bei-klima-aktivisten-hat-politisches-nachspiel-id16576582.html
Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle zum Anti-Terror-Gesetz: «Man darf radikale Ideen haben»
Die Direktorin des Bundesamts für Polizei Nicoletta della Valle verteidigt das Anti-Terror-Gesetz. Bisher hätten die Behörden nicht genügend Möglichkeiten, gegen Gefährder vorzugehen.
https://www.blick.ch/schweiz/fedpol-chefin-nicoletta-della-valle-zum-anti-terror-gesetz-man-darf-radikale-ideen-haben-id16576605.html
+++POLICE CH
NZZ am Sonntag 06.06.2021
Ein Armeepanzer für 95 Franken pro Tag
Für das Gipfeltreffen in Genf mietet die Polizei Militärfahrzeuge – ein Trend unter den Schweizer Korps.
Mirko Plüss
Die Genfer Kantonspolizei rüstet auf. Rund um das geplante Treffen von Joe Biden und Wladimir Putin am 16. Juni in Genf wird sie unter anderem mit militärischen Fahrzeugen für Sicherheit sorgen. Von der Schweizer Armee mietete die Polizei schon bisher eine gepanzerte Version des Mannschaftstransportwagens «Duro». Nun kommt extra für den Gipfel «eine Mehrzahl weiterer gepanzerter Fahrzeuge» hinzu, wie die Polizei auf Anfrage mitteilt.
Die kantonalen Polizeikorps mieten seit einigen Jahren immer häufiger Fahrzeuge und Material von der Schweizer Armee. Als Auslöser dieser Entwicklung werden die Terroranschläge von Paris 2015 genannt. Die Schiessereien und Detonationen jenes Abends hatten damals auch den Schweizer Polizeien vor Augen geführt, dass ihr klassisches Equipment für gewisse Bedrohungslagen nicht ausreichen könnte.
Jahresmiete lohnt sich
Der Trend geht indes hin zur Dauermiete: Vermehrt werden Fahrzeuge gleich für längere Zeit den Kantonspolizeien überlassen, wie das Verteidigungsdepartement (VBS) auf Anfrage bestätigt. Diese Möglichkeit gibt es erst seit 2019, mittlerweile sind schon fünf Kantone an Bord. Bei den dauerhaft abgegebenen Fahrzeugen handelt es sich um 13 geschützte Mannschaftstransportwagen «Duro», 3 Radschützenpanzer «Piranha», 12 zivile Polizeifahrzeuge aus dem Bestand der Militärpolizei und einen Kleinbetankungslastwagen.
Für einen Transportwagen oder einen Panzer verlangt die Armee 95 Franken pro Tag und 10 Franken pro gefahrenen Kilometer. Wer ein Fahrzeug für ein ganzes Jahr mietet, bezahlt 34 675 Franken – ohne zusätzliche Kilometerverrechnung. Die zivilen Fahrzeuge von der Militärpolizei kosten gar nur 15 Franken am Tag oder 5500 Franken pro Jahr. Die Polizistinnen und Polizisten sitzen selber ans Steuer, sie werden vor dem Mietbeginn durch Armeepersonal geschult. Die Fahrzeuge müssen zudem ordentlich im Einsatzkanton immatrikuliert werden.
Ein Beispiel für einen Dauermieter ist die Kantonspolizei Aargau. Sie verfügt über ein geschütztes Mannschaftstransportfahrzeug. Primärer Einsatzzweck seien «Bedrohungslagen aller Art, bei denen für Polizei- und Rettungskräfte sowie für Zivilpersonen eine Gefährdung durch Schusswaffen oder Sprengmittel besteht», heisst es auf Anfrage. Die Hauptaufgabe des Fahrzeuges liege darin, Personen aus einer Gefahrenzone zu retten, zu evakuieren und sicher zu transportieren.
Auch die Kapo Zürich mietet permanent zwei solche Fahrzeuge. Im Alltag patrouillieren diese auf dem Flughafengelände, stehen aber jederzeit für spontane Einsätze auf dem ganzen Kantonsgebiet zur Verfügung. Die Kantonspolizei Bern hingegen greift nur wenige Tage im Jahr und in «Fällen von möglichen Terrorlagen» auf einen Radschützenpanzer «Piranha» der Armee zurück.
Eine Kooperation zwischen Polizei und Armee findet auch bei der Ausbildung statt. Polizeibeamte besuchen regelmässig das Schweizerische Polizei-Institut in Neuenburg und werden dort von Armeeangehörigen in Schiess-, Interventions- und Observationskursen geschult.
Mehr Material als nötig?
Die Vermietung von schwerem Armeegerät sei eine Win-win-Situation, findet das VBS. So könne man «kostenintensive Doppelspurigkeiten» verhindern. Spezielles Material wie etwa geschützte Mannschaftstransporter komme in der inneren Sicherheit nur selten zum Einsatz, weshalb dessen Anschaffung nicht für alle Staatsebenen sinnvoll sei.
Das Departement wehrt sich gegen die allfällige Annahme, dass die Armee beim Einkauf falsch kalkuliere und deshalb auf überzähligem Material sitze. «Die Materialbeschaffungen der Armee richten sich nach den Bereitschaftsauflagen und nicht nur nach betriebswirtschaftlichen Kriterien», sagt ein Sprecher. «So kann es sein, dass die Armee in einzelnen Bereichen über mehr Material verfügt, als es der aktuelle operationelle Bedarf ist.»
Die militärische Aufrüstung der Polizei hat in der Schweiz noch zu keiner grösseren politischen Debatte geführt – ganz anders in den USA, wo das Phänomen ungleich verbreiteter ist. Den Sicherheitsbehörden wird regelmässig überzähliges Militärequipment überlassen; das martialische Auftreten sorgte zuletzt bei den Protesten gegen Polizeigewalt für Kritik. Im Gegensatz zu den USA dürfen in der Schweiz keine Waffen, keine Munition und keine Sprengmittel abgegeben werden.
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Bund sperrt Luftraum
Während des Gipfeltreffens wird der Luftraum über Genf zur «restricted area». Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) erarbeitet derzeit mit der Luftwaffe, der Flugsicherung Skyguide und mehreren Bundesstellen die Details der Luftraumsperrung. Laut Bazl handelt es sich um einen «etablierten Prozess, analog zum World Economic Forum». Dem Vernehmen nach inspizierten Sicherheitskräfte in den letzten Tagen die bekannte Plage des Eaux-Vives für eine allfällige Installation von Flugabwehrgeräten.
Nächste Woche dürfte bekannt werden, ob der Bundesrat einen offiziellen Einsatz der Armee bewilligt. Dies war beispielsweise während der Syrien-Konferenz in Montreux im Jahr 2014 der Fall.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/ein-armeepanzer-fuer-95-franken-pro-tag-ld.1628928)
+++RECHTSPOPULISMUS
Drei Jahre nach «No-Billag»: SVP kündigt Volksinitiative gegen SRF an
Die Volkspartei setzt das Schweizer Fernsehen unter Druck. Sie will die Gebühren senken – oder die Redaktionen neu zusammensetzen.
https://www.blick.ch/schweiz/drei-jahre-nach-no-billag-svp-kuendigt-volksinitiative-gegen-srf-an-id16576632.html
+++RECHTSEXTREMISMUS
«Ich bin kein Terrorist»: So entkam Bombenbastler Miran S. (19) den Behörden
Miran S. (19)* kündigte auf Social Media ein Attentat gegen Muslime an. Im Herbst flüchtete der Ostschweizer aus dem Massnahmezentrum Uitikon ZH – nun hat er sich aus dem Balkan gemeldet.
https://www.20min.ch/story/so-entkam-bombenbastler-miran-s-19-den-behoerden-888666854319
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Sekteninfo 2020 mit vielen Corona-Verschwörungsmythen konfrontiert
Im Coronajahr 2020 ist die Sekteninformationsstelle Infosekta mit vielen Verschwörungsmythen rund um das Virus konfrontiert worden.
https://www.nau.ch/news/schweiz/sekteninfo-2020-mit-vielen-corona-verschworungsmythen-konfrontiert-65940565
So dicht am gefälschten Impfpass – und bei Anonymous gelandet
Manche Käufer von gefälschten Impfpässen haben nun drei Probleme: Anonymous, weniger Geld und immer noch keinen Impfpass.
https://anonleaks.net/2021/optinfoil/so-dicht-am-gefaelschten-impfpass-und-bei-anonymous-gelandet
+++HISTORY
Sonntagszeitung 06.06.2021
Starautor wurde abgehört: Geheimakte Dürrenmatt
Während fast fünfzig Jahren wurde der Schriftsteller vom Schweizer Geheimdienst überwacht. Das zeigt Friedrich Dürrenmatts Fiche, die wir heute erstmals veröffentlichen.
Andreas Tobler
Die Schweiz sei «der Angsthase Europas», erklärte Friedrich Dürrenmatt in einem Interview, das zum 1. August 1966 mit ihm geführt wurde. Unser Land würde Gefahr laufen, «ein Polizeistaat mit demokratischer Fassade zu werden», so Dürrenmatt weiter, «jeder Esel, der sich amtlich befugt hält, kann mich abhören».
Was das Abhören von Gesprächen anbelangt, hat Friedrich Dürrenmatt recht behalten: Sein Telefon wurde wiederholt angezapft. Die wortgetreuen Protokolle davon wurden einer Geheimakte hinzugefügt, die während fast eines halben Jahrhunderts über ihn geführt wurde.
Hysterischer Antikommunismus
Heute veröffentlichen wir erstmals die Geheimdienstakten zum Autor, der schon zu Lebzeiten Schulstoff war. Dürrenmatts Akte erzählt uns viel über die verdrängte Geschichte der Schweiz im Kalten Krieg. Vor allem über den rabiaten Antikommunismus, der hierzulande geradezu hysterische Züge annahm – und zum Aufbau eines riesigen Überwachungsapparats geführt hatte. Mit der Folge, dass rund 800’000 Menschen aufgrund ihrer Herkunft und politischen Überzeugung als potenzielle Gefährder in sogenannten Fichen registriert wurden.
Eine dieser Fichen wurde auch über Dürrenmatt geführt – von 1941 bis 1989. Sie ist mit 17 Seiten ziemlich umfangreich und enthält – zusammen mit der zugehörigen Akte – eine Vielzahl an Informationen. Zu Dürrenmatts Auto – ein Buick mit Neuenburger Nummernschild –, zu seiner Zuckerkrankheit, seinen Herzproblemen, aber auch zu seinen politischen Engagements.
Dürrenmatt starb im Dezember 1990. Zu früh, um noch selbst einen Antrag für seine eigene Geheimakte stellen zu können. Aber den Fichenskandal, der im November 1989 durch eine parlamentarische Untersuchung aufplatzte, hatte er noch miterlebt – und die Information, dass private Spitzel für den Schweizer Staatsschutz tätig waren, in seinen berühmten Vortrag über die Schweiz als Gefängnis eingearbeitet. «Das Gefängnis braucht keine Mauern, weil seine Gefangenen Wärter sind und sich selbst bewachen», heisst es in der Rede, die Dürrenmatt wenige Wochen vor seinem Tod hielt.
Wie Dürrenmatt reagiert hätte, wenn er seine Fiche zu Gesicht bekommen hätte, können wir nur vermuten. Sicher ist, dass er schon früh mit scharfen Worten den Schweizer Antikommunismus kritisiert hatte, ihn einen «Stammestanz» und eine «Massenhysterie» nannte – und ihn mit der hiesigen Mentalität in Verbindung brachte: Der Schweizer sei ein «Untertanenmensch», der sich vor den Behörden ducke, sich verwalten und bevormunden lassen wolle, erklärte Dürrenmatt in einem Interview von 1966.
Gefängnis ohne Mauern
Der rabiate Antikommunismus hatte für Dürrenmatt aber auch eine gewisse Logik: Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Schweiz von einem Europa umgeben gewesen, in dem es von Siegern «wimmelte», die in der Schweiz kein Heldenvolk, sondern nur eine Ansammlung von «Kriegsgewinnlern» sahen. Darauf hätten sich die Schweizer entschlossen, die «Helden des Kalten Kriegs» zu werden. Allen voran die Politiker.
Was die Schweizer Schuldgeschichte im Zweiten Weltkrieg anbelangt, hatte Dürrenmatt auch eigene Erfahrungen gemacht: Im Mai 1941, als die Schweiz von den Achsenmächten umzingelt war, trat der damals 20-jährige Philosophiestudent der Hochschulgruppe der Eidgenössischen Sammlung bei. Diese Gruppierung war nach Auflösung der Nationalen Front gegründet worden. Und sie nahm «alle kleineren und grösseren Gruppen der Nazisympathisanten in ihren Schoss auf», wie Jürg Schoch vor etwas mehr als zehn Jahren im «Tages-Anzeiger» schrieb, als er Dürrenmatts Fröntler-Mitgliedschaft entdeckte.
«Ist für den Anschluss»
Mit Dürrenmatts Mitgliedschaft in der Eidgenössischen Sammlung wird denn auch seine Staatsschutzfiche eröffnet: «Dürrenmatt ist für den Anschluss», heisst es im ersten Eintrag. In einer Diskussion habe Dürrenmatt den Wunsch geäussert, «auch extreme Nationalsozialisten, also solche, die für einen Anschluss seien, in die Eidgenössische Sammlung bzw. deren Hochschulgruppe aufzunehmen. Seines Erachtens komme sowieso nur noch ein Anschluss infrage», heisst es in einem Protokoll eines Polizisten, der bei einer Diskussion der Hochschulgruppe im Berner Lokal Klösterli dabei war.
Man kann es bemerkenswert finden, dass Dürrenmatt seine Mitgliedschaft bei den Fronten später als «nebulöses Parteinehmen für Hitler» beschrieb. Bemerkenswerter scheint aber die Lehre, die der Autor aus seinem frontistischen Irrlauf zog: Dürrenmatt war nach dem Zweiten Weltkrieg alles Ideologische zutiefst zuwider, er lehnte es ab und bekämpfte es. Vor allem den Antikommunismus. «Wir erdrosseln die Freiheit», wenn der Antikommunismus «wahllos als innenpolitische Waffe gegen Andersdenkende» genutzt werde, erklärte Dürrenmatt in einem Interview.
NZZ veröffentlicht Wohnadresse
Welche Folgen der rabiate Antikommunismus in der Schweiz haben konnte, wusste Dürrenmatt nur zu genau: Nach dem Ungarnaufstand veröffentlichte die «Neue Zürcher Zeitung» die Wohnadresse des Kunsthistorikers und Marxisten Konrad Farner, mit dem Dürrenmatt freundschaftlich verbunden war.
Exponenten der kommunistischen Schweizer Partei der Arbeit seien untergetaucht, «um den unbequemen Fragen an der Wohnungstür und am Telefon zu entgehen», meinte die NZZ, «vielleicht kann an ihrer Stelle Dr. Konrad Farner Auskunft geben; er ist jetzt zurück aus Berlin und wohnt in Thalwil an der Mühlebachstrasse 11».
Zoikeln mit Max Frisch
Vor Farners Haus kam es darauf zu pogromähnlichen Zuständen. «Um 19 Uhr läutete die Hausglocke wie verrückt und hörte nicht mehr auf», erinnerte sich später seine Frau Martha Farner. «Es hatte eine grosse Menschenmenge vor dem Haus. Die Leute riefen: ‹Hängt ihn, hängt ihn.› Man versuchte, die Türe aufzuknacken, die ich mit Balken sicherte. Die Leute standen noch bis Mitternacht vor dem Haus.»
Farner fand in den folgenden Jahren fast keine bezahlte Arbeit mehr, er lebte mit seiner Familie in prekären Verhältnissen. Für Dürrenmatt ein Unding. Er setzte sich deshalb wiederholt in Reden für Farner ein, unterstützte den Marxisten auch finanziell – zusammen mit seinem Kollegen Max Frisch. Wobei sich die Autoren ein Spiel mit dem Schweizer Staatsschutz erlaubten: In einem Brief, mit dem man um finanzielle Unterstützung für Farner gebeten hatte, wurde festgehalten, «dass die Bundespolizei sich vermutlich dafür interessieren wird, wer auf unser Bittgesuch eingehen wird».
Der «Einfachheit halber» sandten Farners Unterstützter eine Kopie des Rundschreibens direkt an die Bundespolizei. Diese reagierte prompt – und äusserst gereizt: Die «Unterschiebung in Richtung eines kleinlichen Polizeigeistes ist für mich enttäuschend», schrieb der damalige Leiter der Bundespolizei. «Ich kann Ihnen die Versicherung abgeben, dass wir für Ihre Aktion Verständnis aufbringen und derselben Erfolg wünschen.»
Dürrenmatt verschenkt seine Schreibmaschine
Mit dem Verständnis für die Sammelaktion war es beim Schweizer Geheimdienst aber nicht weit her: Die Kopie des Rundschreibens wurde umgehend zu den Geheimakten hinzugefügt. Und die angekündigte Sammelaktion war auch der Anlass, um das Telefon von Friedrich Dürrenmatt mal wieder abzuhören.
«Im Zusammenhang mit der Hilfsaktion ist bekannt geworden, dass Farner offenbar auch durch Dürrenmatt recht kräftig unterstützt wird», heisst es in der Fiche. Tatsächlich war Dürrenmatt äusserst grosszügig: Er zahlte über mehrere Jahre hinweg den Hypothekarzins für Farners Haus in Thalwil. Er übernahm Rechnungen für eine Heizungsinstallation sowie für Bücher, die Farner für seine Arbeit benötigte. Als Farner einen Brief an Dürrenmatt auf einer Schreibmaschine tippte, die so alt war, dass die Buchstaben über die Zeilen hüpften, schenkte ihm Dürrenmatt kurzerhand seine eigene Schreibmaschine.
Dürrenmatt: Grüezi Herr Farner.
Farner: Sind Sie wieder zu Hause?
Dürrenmatt: Ja!
Farner: Ich hab Ihnen noch nicht einmal gedankt für die schöne Schreibmaschine!
Dürrenmatt: Ist sie gut?
Farner: Wunderbar!
Dürrenmatt: Ich darf nur noch elektrisch schreiben.
Farner: Ja?
Dürrenmatt: Ja, wegen dem Herz.
Farner: Ei!
Die Schreibmaschine und sein Herz waren aber nicht der Grund, warum Dürrenmatt angerufen hatte. Er wollte über das sprechen, womit er sich aktuell beschäftigte – und sich Farner sehr gut auskannte: mit dem Marxismus. Denn im Juli 1969 arbeitete Dürrenmatt schon seit längerem an der Druckfassung seines «Monstervortrags über Gerechtigkeit und Recht», der als Buch erscheinen sollte. In diesem umfangreichen Text von 120 Seiten wollte er die bürgerliche Gesellschaft als «Wolfswelt» beschreiben, wie Dürrenmatt gegenüber Farner am Telefon erklärte. Er sei überzeugt, dass ein «Wolfsstaat» wie die Schweiz «keine Gerechtigkeit» ermöglichen könne. Deshalb beschäftige er sich aktuell mit dem Marxismus. «Das ist ein wenig eine schwierige Konstruktion», meinte Dürrenmatt.
RAF reist mit Mini-Zeppelin zu Dürrenmatt
Warum die Beschäftigung mit dem Marxismus für Dürrenmatt «schwierig» war, interessierte den Schweizer Geheimdienst kaum, wenn man den kurzen Eintrag dazu in der Fiche zum Massstab nimmt.
Stärker fasziniert war der Staatsschutz von zwei Mitgliedern der Baader-Meinhof-Bande, die 1971 «illegal» mit einer Motorgondel, also mit einem Mini-Zeppelin, über den Bodensee in die Schweiz eingereist waren. «Um mit Dürrenmatt zu verhandeln», wie es in einem Ficheneintrag heisst.
Die Bundespolizei war alarmiert: Der Terrorismus der Roten-Armee-Fraktion um Andreas Baader hatte schon damals mehrere Todesopfer gefordert. Deshalb wollte die Polizei Dürrenmatt vernehmen lassen. Tatsächlich hatte bereits etwas mehr als ein Jahr zuvor ein Mitglied der Baader-Meinhof-Gruppe unter falschem Namen Kontakt mit Dürrenmatt aufgenommen, um für die Flucht von Andreas Baader Geld zu erhalten.
«Schleyer muss geopfert werden»
Dürrenmatt verweigerte seine Hilfe. Mit Terrorakten wolle er nichts zu tun haben, soll er gesagt haben. Kurz darauf wurde der eingereiste Terrorist in Basel verhaftet.
Dürrenmatt war nachweislich ein entschiedener Gegner des Linksterrorismus: Bereits in seinem Stück «Der Mitmacher» von 1972/73 hatte er mit der Figur des Bill ein äusserst unsympathisches Porträt eines linken Terroristen entworfen. Als 1977 der deutsche Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführt wurde, veröffentlichte Dürrenmatt einen Beitrag, in dem er der RAF jegliches politisches Motiv absprach: Den Terroristen gehe es nur um den «Machtrausch», den sie bei der Verübung ihrer Taten erleben würden. Schleyer müsse geopfert werden, sonst mache sich die Gesellschaft erpressbar.
Nicht besser leben, sondern besser sein
Als die Polizei möglichen Kontakten zur Baader-Meinhof-Gruppe nachging, schien ihr der Anfangsverdacht fast ein wenig peinlich zu sein: Nachdem sie die Namen der beiden gesuchten Baader-Meinhof-Mitglieder in den Meldezetteln der Hotels in Neuenburg, dem Wohnkanton Dürrenmatts, nicht gefunden hatte, stellte sie ihre Ermittlungen in dieser Sache ein. «Mit Dürrenmatt wird kein Kontakt aufgenommen», heisst es darauf in der Fiche.
Der Kalte Krieg ist heute ein weitgehend abgeschlossenes Geschichtskapitel. Wenn auch ein grösstenteils verdrängtes, wenn es um den aggressiven Antikommunismus in der Schweiz geht. Aktuell aus dieser Zeit ist aber noch ein Gedanke, den Dürrenmatt dank Konrad Farner in seinem «Monstervortrag» entwickeln konnte: In einer Welt, in der Ressourcen aufgrund der Bevölkerungsexplosion immer geringer würden, könne es nicht um einen Zuwachs der individuellen Freiheit gehen, argumentierte Dürrenmatt da.
Stattdessen müsse das Ideal der Gerechtigkeit aus dem Marxismus als Leitgrösse übernommen werden, was die Sache eben so schwierig mache, wie es im Protokoll des Telefongesprächs zwischen Dürrenmatt und Farner heisst: Auf uns warte die paradoxe Aufgabe, «einen marxistischen Staat ohne Marxismus zu bilden, Marx ernst zu nehmen, aber nicht dogmatisch, ihn endlich zu überwinden, statt ihn immer noch umzuinterpretieren», schreibt Dürrenmatt 1976/77.
Dürrenmatt wollte also nicht der bürgerlichen Gesellschaft den Marxismus aufpfropfen. Vielmehr war es sein Vorschlag, das Ideal der Gerechtigkeit aus dem Marxismus zu übernehmen, um in einer ungleichen Welt die Ressourcen besser zu verteilen: Dürrenmatt ging es also nicht um wachsenden materiellen Reichtum für die Einzelnen, sondern um mehr Gerechtigkeit für alle. Das bedeutet Konrad Farners Satz, wie ihn Dürrenmatt in seinem Vortrag zitiert: «Es geht nicht darum, immer besser zu leben, es geht darum, besser zu sein.»
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«Es gibt nur eine Schwierigkeit für dieses Gefängnis, nämlich zu beweisen, dass es kein Gefängnis ist.» – Friedrich Dürrenmatt in seiner berühmten Rede wenige Wochen vor seinem Tod.
Video: 3sat/Tamedia
https://unityvideo.appuser.ch/video/uv438174h.mp4
Ich bin stolz auf ihn.» – Friedrich Dürrenmatt über Konrad Farner am 8. September 1968 – anlässlich einer Protestveranstaltung im Basler Stadttheater gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings.
Video: SRF/Tamedia
https://www.tagesanzeiger.ch/geheimakte-duerrenmatt-849682328121
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Sehen Sie sich hier Friedrich Dürrenmatts gesamte Fiche an (aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurden Namen von Personen geschwärzt, die leben oder noch leben könnten).
Unter www.fd-stoffe-online.ch kann in einer umfassenden Digitaledition von Dürrenmatts Spätwerk – den «Stoffen» – nach Marx und allem anderen gestöbert werden, was den Autor beschäftigte. Eine grosse Auswahl davon ist bei Diogenes in einer aufwändigen Edition erschienen: «Das Stoffe-Projekt», 5 Bände, aus dem Nachlass herausgegeben von Ulrich Weber und Rudolf Probst. Mit einem Vorwort von Daniel Kehlmann (2208 Seiten, 480 Franken).
Wir danken dem Schweizerischen Literaturarchiv in Bern, dem Schweizerischen Bundesarchiv, dem Staatsarchiv Basel und der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich für ihre Hilfe bei der Recherche zu diesem Artikel.
(https://www.tagesanzeiger.ch/geheimakte-duerrenmatt-849682328121)