Medienspiegel 23. April 2021

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+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 23.04.2021

«Grosse Mitschuld an Explosion der Sozialhilfekosten»: SVP Buchs will «Casa Torfeld» schliessen – das sagen Ammann und Kanton

In einem Rundumschlag gegen das Asylwesen in der Region Aarau spricht sich die Buchser SVP gegen die Pläne des Regierungsrats aus, den Mietvertrag für das kantonale Erstaufnahmezentrum «Casa Torfeld» zu verlängern.

Nadja Rohner

«LICHT AUS IM CASA TORFELD», schrieb die SVP Buchs gestern auf Facebook. In einer Medienmitteilung machte die von Samuel Hasler präsidierte Ortspartei publik: «Der Regierungsrat beschloss an seiner ¬Sitzung, dem Grossen Rat einen Verpflichtungskredit über 3,2 Mio. Franken für die Verlängerung des Mietvertrags und die Instandsetzung der kantonalen Unterkunft Buchs 3 + 5 vorzulegen.» Damit sind die beiden Gebäude des kantonalen Erstaufnahmezentrums am Gartenweg gemeint, «Casa Torfeld» genannt. In der ehemalige Saisonnier-Herberge leben seit 1996 Flüchtlinge.

Aktuell sind hier vom Bund zugewiesene Personen untergebracht – in der Regel für drei bis vier Wochen. Danach werden sie abhängig von ihrem Status in weitere kantonale Unterkünfte auf dem Kantonsgebiet verteilt, einer Gemeinde zugewiesen oder sie ziehen im Rahmen der freien Wohnsitzwahl in eine Gemeinde.

Stand gestern leben gemäss Departement Gesundheit und Soziales (DGS) 99 Personen in den beiden Häusern, davon 53 alleinreisende Männer, der Rest Familien. Das entspricht einer Auslastung von 53 Prozent (pandemiebedingt). Stimmt der Grosse Rat dem Antrag des Regierungsrats zu, könnte die Unterkunft laut SVP sicher bis 2032 betrieben werden. Die Partei wehrt sich dagegen: Sie fordert den Gemeinderat auf, beim Regierungsrat vorstellig zu werden und – dies zu verhindern.

«Steuererhöhung im zweistelligen Prozentbereich»

Die SVP Buchs gibt dem Casa Torfeld «eine grosse Mitschuld» dafür, dass es in Buchs zu «einer Explosion der Sozialhilfekosten» gekommen sei. «In den letzten 20 Jahren stiegen die Ausgaben der Gemeinde von 1,1 Mio. auf stolze 4,9 Mio. Franken.» Es sei «offensichtlich, dass sich die Asylbewerber während ihrer Zeit in der Aufnahmeeinrichtung ein Beziehungsnetz aufbauen und bei der späteren freien Wohnortswahl dies beibehalten möchten. Damit verbleiben sie hier und belasten zukünftig unsere Sozialhilfe».

Die SVP schreibt von Sozialhilfe-Kostenersatz in der Höhe von 1,5 Mio. Franken, den die Gemeinde aktuell noch vom Bund erhalte, jedoch in wenigen Jahren schon nicht mehr. «Eine Steuerfusserhöhung im zweistelligen Prozentbereich wäre dann leider fast notwendig.» Ausserdem ist in der Mitteilung von kriminellen Handlungen im Casa Torfeld die Rede. «Die Sicherheit der Bevölkerung muss bis zu einer Schliessung ­sichergestellt werden. Wir tolerieren keine Ausschreitungen in und um die kantonale Unterkunft.»

Ammann: «Keine nennenswerten Probleme»

Was ist an diesen Thesen dran? Die gestiegenen Sozialhilfekosten sind ein Fakt, bestätigt Gemeindeammann Urs Affolter. Aber: «Das hat aus Sicht des Gemeinderats nichts mit dem Casa Torfeld zu tun.» Die Asylbewerber blieben nicht lange genug in der Gemeinde, um ein Beziehungsnetz zu knüpfen. Dass sich viele Sozialhilfebezüger in Buchs niederlassen – ob Flüchtlinge oder nicht –, hänge damit zusammen, dass Immobilienbesitzer ihre Wohnungen zu sehr günstigen Konditionen anbieten. Affolters Fazit: «Wir haben keine nennenswerten Probleme mit dieser Unterkunft.»

Ähnlich klingt es auch beim Departement Gesundheit und Soziales. Es schreibt punkto Sicherheit, ihm seien im Casa Torfeld «keine Ausschreitungen bekannt». Die Zugänge würden von einem Sicherheitsdienst permanent überwacht, die Kantonspolizei führe regelmässige Kontrollen durch – auch zur Prävention –, in den Abend- und Nachtstunden patrouilliere der Sicherheitsdienst im Quartier.

Auch das DGS kann die These, dass viele Flüchtlinge aufgrund ihres Aufenthalts im Casa Torfeld in Buchs bleiben wollen, nicht nachvollziehen. Das Departement weist darauf hin, dass die Zahl jener Casa-Torfeld-Bewohner, die im Anschluss direkt freie Wohnsitzwahl haben, aktuell bei 10 bis 20 Prozent liege. Die SVP Buchs schrieb auch, sie könne «nicht tatenlos zuschauen, wie die Asyl- und Sozialhilfezahlen in der Region explodieren».

Was heisst das konkret? Das DGS schreibt: «Im Asylbereich gibt es zurzeit tiefe Zuweisungen durch den Bund. Der Bestand von beispielsweise vorläufig aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern ist daher seit dem Frühling 2020 um rund 5 Prozent gesunken.» Die Sozialhilfequote des Bezirks Aarau sei in den letzten drei Jahren konstant gewesen (rund 3,2 Prozent), womit sie über dem Kantonsmittel (2,1 Prozent) und genau im Schweizer Schnitt liege. «Die Sozialhilfequote für die Gemeinde Buchs ist in den letzten drei Jahren gesunken», so das Departement. Zuletzt lag sie bei 3,6 Prozent, deutlich über dem Kantonsmittel.

Die SVP führt in der Mitteilung weiter an, durch das an der Rohrerstrasse in Aarau geplante kantonale Integrationszentrum. würde Platz für über 200 weitere Flüchtlinge in der Agglomeration Aarau geschaffen. Das DGS hingegen betont, das stimme nicht: «Die Plätze, die für Unterbringung von 250 Personen im Integrationszentrum geschaffen werden, werden in Aarau und den Nachbargemeinden entsprechend abgebaut.»
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/fluechtlingswesen-svp-buchs-will-casa-torfeld-schliessen-die-regierung-moechte-aber-32-millionen-franken-hineinstecken-ld.2128621)



aargauerzeitung.ch 23.04.2021

Asylheim Casa Torfeld schliessen? «Das schürt Hass auf Flüchtlinge»

Gemeinderatskandidat Samuel Hasler (SVP) will das Asyl-Erstaufnahmezentrum aufheben und fordert, dass der Gemeinderat bei der Regierung interveniert. Bei den anderen Neukandidierenden für den Gemeinderat stösst diese Forderung auf Unverständnis. Sie könnte zum «Boomerang» werden.

Nadja Rohner

Es ist zweifellos Wahljahr. Und die lokale SVP hat es mit ihrer Forderung, das kantonale Asyl-Erstaufnahmezentrum «Casa Torfeld» zu schliessen, auch in Buchs lanciert. Die Partei, punkto Wählerstärke in der Gemeinde führend, steht vor der Aufgabe, einen Sitz im Gemeinderat zu verteidigen. Ihr langjähriges Ratsmitglied, Vizeammann Hansruedi Werder, hört auf. Es kandidiert: Ortsparteipräsident Samuel Hasler.

In Sachen Asyl ist Hasler, das hat er im Einwohnerrat mehrfach demonstriert, ein Hardliner. Es wundert entsprechend niemanden, dass er sich das Thema auch für den Wahlkampf ausgesucht hat und das Asyl-Erstaufnahmezentrum «Casa Torfeld» schliessen will. «Für mich hat diese Mitteilung der SVP Buchs ganz und gar den populistischen Unterton, wie wir ihn von Roger Köppel oder Andreas Glarner kennen: Es schürt mit unterschwelligem Rassismus unnötig Hass auf Flüchtlinge», sagt Einwohnerrat Reto Fischer (parteilos).

Er ist neben Hasler einer der Neuen, die in den Gemeinderat gewählt werden wollen. Auch die drei anderen – Reto Bianchi (GLP), Marius Fedeli (SP) und Joel Blunier (EVP) – sind «erstaunt» bis «konsterniert» über die Forderung der SVP nach einer Schliessung des Casa Torfeld.

«Ich kann der SVP in ihrer Begründung nicht folgen»

«Nicht durchdacht», konstatiert etwa Joel Blunier: Eine Schliessung könnte zu einem «Boomerang» werden. Denn dank des Casa Torfeld erfülle die Gemeinde ihre Aufnahmepflicht für Asylbewerber, habe mit ihnen aber nichts zu tun, weil es sich um ein Erstaufnahmezentrum handele, das der Kanton betreue: «Würde man das kantonale Zentrum nun schliessen, würde Buchs wieder ein Aufnahmekontingent zugewiesen. Um diese Asylsuchenden müssten wir uns dann selber kümmern und hätten einen Mehraufwand.»

Marius Fedeli findet, die Aufmachung der Medienmitteilung zeige, worum es der SVP Buchs eigentlich gehe: «Der primäre Fokus liegt weder auf unseren Einwohnenden noch auf den Steuergeldern. Es geht einzig und allein darum, gegen die Schwächsten der Gesellschaft nachzutreten und unterschwelligen Rassismus zu verbreiten.»

Auch Reto Bianchi sagt, er könne «der SVP in ihrer Begründung nicht folgen»: «Ich lebe nun seit bald 31 Jahren in Buchs und konnte vom Start bis heute die Entwicklung des Casa Torfeld miterleben. Ich kenne einige Leute, die im Quartier wohnen, es liegt an meinem Arbeitsweg und von niemandem höre ich, dass es Probleme gibt.» Keiner der vier findet, die Einrichtung müsse geschlossen werden. Reto Fischer: «Es kann nicht sein, dass etwas, das gut funktioniert, mit fadenscheinigen Gründen abgeschafft und die Verantwortung so an eine andere Gemeinde übertragen wird. Solche Einrichtungen für Menschen auf der Flucht sind wichtig und ich finde gut, dass Buchs mit seiner multikulturellen Tradition in Sachen Integration so seinen Teil beiträgt.»

«Man sollte die Stellen im Sozialdienst weiter aufstocken»

Samuel Hasler und die SVP hatten die hohen Sozialhilfekosten in Buchs in Zusammenhang mit der Asylunterkunft gebracht: Die neuen Asylbewerber würden dort bereits ein Beziehungsnetz knüpfen und sich dann in Buchs niederlassen. Sowohl Gemeindeammann Urs Affolter als auch der Kanton als Betreiber winkten ab – im Schnitt seien die Geflüchteten nur wenige Wochen im Casa Torfeld.

Einen Zusammenhang sehen auch Fedeli, Fischer, Banchi und Blunier nicht. Aber: Es schleckt keine Geiss weg, dass Buchs in Sachen Sozialhilfequote obenaus schwingt. SVP-Hasler hat seinen Lösungsvorschlag präsentiert. Was sagen die anderen?

«Dass die Kosten im Bereich Soziales steigen, ist unbestritten», so Reto Fischer. Man müsse sich aber fragen, wieso. «Werden diese Menschen in ihren ganz individuellen Situationen früh genug professionell unterstützt? Ich glaube, dass diesbezüglich noch viele Baustellen offen sind und es zu einfach wäre, jetzt einfach auf Kosten derer zu sparen, welche unsere Hilfe am nötigsten haben – ganz abgesehen von ihrer Herkunft.» Auch Reto Bianchi sieht einen Lösungsansatz in der engen, gezielten Begleitung der Sozialhilfebeziehenden, um diese im Gemeindeleben und der Arbeitswelt besser zu integrieren. «Deshalb sollte man die Stellen im Sozialdienst nochmals aufstocken», sagt er mit Blick auf die eben erst beschlossene Erhöhung des Stellenetats.

«Sozialhilfeempfänger sollen mitanpacken»

Joel Blunier hat 2018 ein Postulat eingereicht das den Gemeinderat auffordert, ein Pilotprojekt «Arbeit für Sozialhilfe» zu prüfen. «Jene Menschen in der Sozialhilfe, denen das zuzumuten ist, sollen in der Gemeinde mit anpacken», erklärt er. «Das gäbe ihnen einerseits Tagesstruktur und steigert ihre Arbeitsmarktfähigkeit. Andererseits ist es ein Signal an die Gemeinschaft, dass sie bereit sind, etwas zurückzugeben.» Andere Gemeinden hätten bereits Erfahrungen damit.

Auch Umweltingenieur Marius Fedeli sagt, er habe in seinem Beruf gute Erfahrungen mit Arbeitsintegration von Sozialhilfebezügern gemacht. «Dies braucht jedoch Zeit und Ressourcen. Ich bin überzeugt, dass die neue Leiterin der Sozialen Dienste das richtige Auge hat, um hier einen guten Weg zu finden.»

Fedeli findet, man müsse auch anderswo ansetzen – bei der Einnahmequelle. «Unsere Gemeinde muss sich besonders für steuerzahlende Privatpersonen besser verkaufen», sagt er. «Es sind Bilder, wie die Römermauer am Rank bei der Burestube, die monatelang kaputt herumlag und nun halbherzig repariert ist, dem Aushang vor dem Gemeindehaus, bei welchem seit Monaten die Ansichtskarte runtergefallen ist oder natürlich dem Bärenplatz, wo man seit Jahrzehnten kein Schritt vorwärts macht. Dazu kommt, dass die Räumlichkeiten der Villa Blau, dem einzigem Kinderhort in Buchs, in desolatem Zustand sind und auch die gemeindeeigenen Spielplätze, trotz Hinweisen aus der Bevölkerung, längerfristig gefährliche Mängel aufwiesen.»
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/lenzburg/buchs-asylheim-casa-torfeld-schliessen-das-schuert-hass-auf-fluechtlinge-ld.2129100)


+++ST. GALLEN
tagblatt.ch 23.04.2021

«Wir wollen nicht wegschauen, wie Europa es macht»: Warum ein Kollektiv in St.Gallen mit Zelten gegen das Flüchtlingselend protestiert

Mit einem Solidaritätscamp im Kantipark wollen Aktivistinnen und Aktivisten an die Not von Flüchtlingen erinnern.

Sandro Büchler und Julia Nehmiz

Sie zelten für einen guten Zweck. Und nein, es sei kein Open-Air-Ersatz. Das «Kollektiv von netten und solidarischen Menschen» ruft zur Solidaritätsaktion in St.Gallen auf. «Solicamp4Moria» nennt das sechsköpfige Organisationskomitee seine Aktion, die an diesem Wochenende im Park vor der Kantonsschule am Burggraben stattfindet. Von der Polizei genehmigt, werden sie von Samstag, 13 Uhr, bis Sonntag, 17 Uhr, im Kantipark campieren, Transparente aufhängen, Infomaterial verteilen, diskutieren, und ein symbolisches Lichtermeer anzünden.

Das Flüchtlingselend auf den griechischen Inseln und an den EU-Aussengrenzen auf dem Balkan ist weit weg. Als im vergangenen September ein Grossbrand das Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos zerstörte, schwappten Entsetzen und eine Solidaritätswelle durch Europa. Auch die Stadt St.Gallen verkündete damals, Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Man könne nicht die Augen verschliessen vor dem Elend, das sich auf Fluchtrouten und in Flüchtlingslagern abspiele.

Dann kamen die zweite und die dritte Coronawelle. Und die Solidaritätsaktionen versandeten. Warum wollen die jungen Aktivistinnen und Aktivisten genau jetzt daran erinnern? Die 19-jährige Miriam Rizvi, die die Kantonsschule besucht und sich auch bei der Klimajugend engagiert, ist Sprecherin für die Aktion. «Wir haben schon im Februar um eine Bewilligung für ein Solidaritätscamp gefragt», sagt sie. Eine Handvoll solidarischer Menschen aus St.Gallen und dem Rheintal hätte schon im Winter beschlossen, an das Elend in den Flüchtlingslagern zu erinnern. «Wir wollen nicht wegschauen, wie Europa es gerade macht.»

Es habe Wochen gedauert, bis ihre Aktion bewilligt worden sei

In Österreich werden in vielen Städten Solidaritätscamps durchgeführt ­– ein Vorbild für die Ostschweizer Gruppe. «Wir wollten im Winter campieren, um auf die Not in den Flüchtlingslagern aufmerksam zu machen.» Doch es habe Wochen gedauert, bis ihre Aktion bewilligt worden sei. Schliesslich hatten sie eine Bewilligung für das Osterwochenende erhalten ­– doch nachdem es zu Aufrufen zu Krawallen kam, wurde die Bewilligung für das Camp wieder zurückgezogen.

Ab morgen Samstag soll es endlich stattfinden, das Solidaritätscamp. Es gebe ein Schutzkonzept mit Maskenpflicht und Contact-Tracing-App, sagt Rizvi. Und natürlich ein Programm. Das Kollektiv lädt explizit St.Gallerinnen und St.Galler ein, das Camp zu besuchen, mit den Aktivistinnen und Aktivisten zu diskutieren. Das Programm sieht vor, am Samstag um 13 Uhr das Camp aufzubauen: Zelte errichten und eine Feuerstelle, Transparente aufhängen. Am Nachmittag findet ein Open Mic statt, das Kollektiv hat Musikerinnen und Musiker zum Auftritt aufgerufen. Am Abend wird auf dem Feuer ein veganes Abendessen gekocht. Für das geplante Freiluftkino gab es keine Bewilligung. Stattdessen wird mit Kerzen ein symbolisches Lichtermeer entzündet. Am Sonntag wird ab 10 Uhr zum Brunch geladen. Am Nachmittag dann der Ausklang. Wer möge, könne Kuchen, Frisbee oder Ball mitbringen. «Wir wollen zusammensitzen und zusammen reden», sagt Rizvi. Das Kollektiv werde auch Flyer verteilen zum Asylwesen und zur Flüchtlingspolitik. Flüchtlinge seien eingeladen, ihre Geschichte zu erzählen.

Miriam Rizvi rechnet mit 40 bis 50 Besucherinnen und Besuchern. Wie viele übernachten werden, weiss sie nicht. «Klar sind wir megaprivilegiert», sagt sie. «Wir können bei schönem Wetter zelten und Musik machen.» Doch es sei keine Spassveranstaltung. Ihr ist es ernst. Das Solidaritätscamp soll ein kreativer Ort sein, um offen über die Gesellschaft und den Umgang mit Flüchtlingen zu diskutieren. Angst, dass das Camp für Krawalle missbraucht werden könne, hat sie nicht.

Maximal 50 Personen dürfen an der Kundgebung teilnehmen

Auch die Stadtpolizei St.Gallen nimmt an, dass das Camp störungsfrei verläuft. Dass Querulanten dies missbrauchen, um Unruhe zu stiften, könne man bei keinem Anlass ausschliessen, sagt Dionys Widmer, Sprecher der Stadtpolizei. «Aber wir wie auch der Veranstalter gehen aktuell von einem friedlichen Anlass aus.»

Es handle sich um eine bewilligte Kundgebung. Gemäss Covid-Richtlinien dürften maximal 50 Personen an der Aktion teilnehmen. Auflagen seien unter anderem die Einhaltung der Ruhe- und Nachtzeiten, die Nutzung des bewilligten Perimeters, der maximalen Anzahl von 25 Zelten oder das Tragen einer Gesichtsmaske. «Sollte es zu Problemen oder der Missachtung von Auflagen kommen, werden wir entsprechende Massnahmen einleiten», sagt Dionys Widmer. Das könnte auch die Auflösung der Kundgebung zur Folge haben. «Wir setzen aber wie immer zuerst auf den Dialog.» Die Stadtpolizei werde den Anlass eng begleiten und auch vor Ort sein.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/solidaritaet-wir-wollen-nicht-wegschauen-wie-europa-es-macht-warum-ein-kollektiv-in-stgallen-mit-zelten-gegen-das-fluechtlingselend-protestiert-ld.2128604)



tagblatt.ch 23.04.2021

«Der Bund muss sich bewegen»: St.Galler Stadträtin fordert raschere Evakuierung von Flüchtlingen auf Lesbos

Es sind ungewöhnlich deutliche Worte, die Stadträtin Sonja Lüthi wählt. Die GLP-Politikerin sagt, zusammen mit St.Gallen wollten 15 Schweizer Städte und Gemeinden Flüchtlinge aufnehmen. Doch der Bund blockiere diese Initiative.

Sandro Büchler

Im Interview wird Sonja Lüthi deutlich: «Wir dürfen nicht wegschauen! Wir haben eine Verantwortung für die betroffenen Flüchtlinge.» Die Stadträtin begrüsst es, dass ein Kollektiv mit einem Solidaritätscamp im Kantipark auf die noch immer prekäre Lage der Flüchtlinge in der Ägäis aufmerksam macht.

Als das Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos im vergangenen September niederbrannte, sagten Sie, man dürfe die Augen vor dem Leid nicht verschliessen. Wie wichtig ist deshalb ein Solidaritätscamp für Moria im Kantipark von St.Gallen?

Sonja Lüthi: Die erschütternden Bilder nach dem Brand des Flüchtlingslagers sind uns zwar noch in Erinnerung. In den Medien wird zurzeit jedoch wenig über die Missstände in den Flüchtlingslagern berichtet. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich das Elend der betroffenen Flüchtlinge in den Lagern verbessert hätte. Aus diesem Grund begrüsse ich es, dass mit dem von der Stadtpolizei bewilligten Solidaritätscamp für Moria im Kantipark wieder auf die prekäre Situation dieser Menschen aufmerksam gemacht wird.

«Wir dürfen nicht wegschauen!»

Wir haben eine Verantwortung für die betroffenen Flüchtlinge.

Auch die Stadt St.Gallen bemühte sich, den Flüchtlingen auf Lesbos – und anderswo – zu helfen. Was ist in der Zwischenzeit diesbezüglich seitens der Stadt geschehen?

Im Frühsommer haben sich die acht grössten Schweizer Städte zur Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» zusammengeschlossen. Diese ist in der Zwischenzeit auf 16 Städte und Gemeinden angewachsen. Um angesichts der humanitären Notsituation mehr Menschen Zuflucht gewähren zu können, haben sie sich gegenüber dem Bund bereiterklärt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitzuhelfen. Es braucht eine gemeinsame Anstrengung des Bundes sowie der Städte und Gemeinden.

St.Gallen hat aber noch keine Flüchtlinge aufgenommen. Weshalb nicht?

Der Bund ist für die Ausgestaltung des Asylwesens, für den Empfang und die Zuweisung Asylsuchender zuständig. Er ist leider noch nicht konkret auf das Anliegen der Städte und Gemeinden eingegangen. «Die Städte und Gemeinden können derzeit leider nicht autonom handeln.»

Die Zusammenarbeit mit den anderen aufnahmebereiten Städten und Gemeinden wurde deshalb intensiviert, damit wir nicht länger daran gehindert werden, Menschen in Not zu helfen. Es bedarf weiterhin aller erdenklichen Anstrengungen, ihnen zu helfen.

Wann können die ersten Flüchtlinge aus Moria in die Schweiz kommen?

Auch wenn die ersten Rückmeldungen vom Bund derzeit noch wenig Grund zur Hoffnung geben, vertritt die Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» ihre Forderungen gegenüber dem Bund weiterhin mit Nachdruck und ohne Abstriche. Die Schweiz kann und muss mehr dafür tun, damit diese Menschen endlich aus den Lagern evakuiert werden. Die Städte und Gemeinden meinen es ernst damit. Als Erstes muss sich aber der Bund bewegen!
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/interview-der-bund-muss-sich-bewegen-stgaller-stadtraetin-fordert-schnellere-evakuierung-von-fluechtlingen-auf-lesbos-ld.2128486)



tagblatt.ch 23.04.2021

«Wir gehen von einem friedlichen Anlass aus»: St.Galler Stadtpolizei sagt, mit welchen Auflagen das Solidaritätscamp bewilligt wurde

Drei Wochen nach den St.Galler Osterkrawallen findet im Kantipark ein Solidaritätscamp statt. Die Organisatoren wollen auf die desolate Lage der Menschen im Flüchtlingslager Moria aufmerksam machen. Die Stadtpolizei begleitet die Kundgebung am Samstag und Sonntag.

Sandro Büchler

Maximal 50 Personen, 25 Zelte und das Tragen von Gesichtsmasken: Das sind die Rahmenbedingungen für das von Samstag auf Sonntag stattfindende Solidaritätscamp im Kantipark. Dionys Widmer, Mediensprecher der Stadtpolizei St.Gallen, sagt im Interview, die Organisatoren hätten ein umfassendes Schutzkonzept vorgelegt.

Das Solidaritätscamp im Kantipark am Samstag wurde von der Stadtpolizei bewilligt. Mit welchen Auflagen?

Dionys Widmer: Es handelt sich hierbei um eine Kundgebung. Wobei Auflagen in Bezug auf diverse Vorschriften eingehalten werden müssen. Dazu zählen Auflagen wie die Einhaltung der Ruhe- und Nachtzeiten, die Nutzung des bewilligten Perimeters, der maximalen Anzahl von 25 Zelten oder das Tragen einer Gesichtsmaske. Die Bewilligung gibt den Teilnehmenden aber auch die Möglichkeit, trotz Fahrverbot für Auf- und Abbauzwecke in das Areal zu fahren, eine Feuerschale zu nutzen oder Flyer zu verteilen.

Gibt es eine festgelegte Maximalzahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern?

Es dürfen gemäss Covid-Richtlinien maximal 50 Personen daran teilnehmen.

Im vergangenen September hängte das Kollektiv «Nette und solidarische Menschen» in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an vier leerstehenden Häusern in der St.Galler Innenstadt Transparente auf, um auf das Leid der Menschen auf der griechischen Insel Lesbos aufmerksam zu machen. Die Transparente wurden bereits am nächsten Morgen von der Stadtpolizei wieder entfernt. Wieso lässt man das Organisationskollektiv nun mit dem Solidaritätscamp gewähren?

Das Aufhängen der Transparente war verboten, weshalb wir dort eingeschritten sind. Für die Kundgebung am kommenden Wochenende wurde ein Gesuch und sogar ein Schutzkonzept eingereicht. Wir haben dieses geprüft und konnten den Anlass im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften bewilligen.

Bietet das Camp nicht Potenzial für eine Eigendynamik, die man noch am Osterwochenende um jeden Preis unterbinden wollte? Wie begegnet dem die Stadtpolizei?

Es handelt sich um eine bewilligte Kundgebung, wobei der Veranstalter die Verantwortung über die Durchführung trägt. Gemäss den Vorgesprächen mit dem Veranstalter gehen diese – wie auch wir – von einem friedlichen Anlass aus. Deshalb gibt es keinen Grund, diese Aktion nicht zu bewilligen.

Gibt es Bedenken, dass Querulanten das Camp als Anlass missbrauchen könnten, um Aufruhr zu stiften?

Ausschliessen kann man dies bei keiner Veranstaltung. Aber wir wie auch der Veranstalter gehen aktuell von einem friedlichen Anlass aus. Sollten Auflagen nicht eingehalten werden oder sollte es zu Problemen kommen, werden wir entsprechende Massnahmen einleiten.

Wie wird die Stadtpolizei vor Ort präsent sein?

Die Stadtpolizei St.Gallen wird den Anlass eng begleiten und auch vor Ort sein. Ebenso werden wir Kontakt zum Veranstalter haben. Sollte es zu Problemen oder der Missachtung von Auflagen kommen, werden wir entsprechende Massnahmen einleiten. Das könnte auch die Auflösung der Kundgebung zur Folge haben. Wir setzen aber wie immer zuerst auf den Dialog.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/interview-wir-gehen-von-einem-friedlichen-anlass-aus-stgaller-stadtpolizei-sagt-mit-welchen-auflagen-das-solidaritaetscamp-bewilligt-wurde-ld.2128360)


+++DEUTSCHLAND
Ängste statt Arztbesuche
Die Gesundheitsversorgung von Papierlosen in Deutschland ist stark verbesserungswürdig. Christiane Borup von der NGO »Ärzte der Welt« erklärt, was dringend getan werden müsste.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151159.gesundheitsversorgung-fuer-papierlose-aengste-statt-arztbesuche.html


+++SYRIEN
Dänemark entzieht syrischen Flüchtlingen den Schutzstatus. Schiebt auch Deutschland bald ab?
Die Entscheidung Dänemarks, hunderten syrischen Geflüchteten den Schutztitel zu entziehen und sie zur Ausreise nach Syrien zu nötigen, basiert auf Fehlinformationen über die Sicherheitslage im Land. Syrien ist nicht sicher! Die Bundesregierung muss deshalb von ihren Plänen, künftig auch Syrer*innen abschieben zu wollen, entschieden abrücken.
https://www.proasyl.de/news/daenemark-entzieht-syrischen-fluechtlingen-den-schutzstatus-schiebt-auch-deutschland-bald-ab/


+++MITTELMEER
Dutzende Bootsmigranten vor Küste Libyens ertrunken – Rendez-vous
Zwischen Libyen und Italien ist ein mit 130 Menschen völlig überladenes Gummiboot gekentert. Als das Boot in Libyen ablegte, herrschte schlechtes Wetter. Offenbar kam jede Hilfe zu spät.
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/dutzende-bootsmigranten-vor-kueste-libyens-ertrunken?id=49500afc-0407-4aab-bbc9-824963a15fa1
-> https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/fluechtlinge-libyen-bootsunglueck-101.html
-> https://sea-eye.org/nein-daran-werde-ich-mich-nicht-gewoehnen/?fbclid=IwAR0yN-3MG19D2sV4WGpzq03_6CnXKti5nl2hsSkNxtEGGhHJRPW5MCssFfk
-> https://www.srf.ch/news/international/bootsunglueck-im-mittelmeer-rettung-fuer-mehr-als-100-fluechtlinge-kommt-zu-spaet?wt_mc_o=srf.share.app.srf-app.twitter
-> https://www.derstandard.at/story/2000126078410/dutzende-bootsmigranten-laut-hilfsorganisation-vor-kueste-libyens-ertrunken
-> https://www.jungewelt.de/artikel/401155.eu-grenzregime-das-sterben-geht-weiter.html
-> https://taz.de/Katastrophe-im-Mittelmeer/!5763327/


+++FREIRÄUME
Wem gehört der Raum? – RaBe-Info 23.04.2021
Diese Frage stellt eine Kampagne die in dieser Woche schweizweit durchgeführt wird. Dies- und jenseits des Röstigrabens finden Aktionen statt, welche *Raum* auf verschiedene Arten thematisiert. «Beim Begriff „Raum“ beziehen wir uns auf den physischen Raum, den Diskursraum und den Raum für Selbstbestimmung», erklärt Madeleine Müller vom Kampagnen-Kollektiv. Nicht alle Menschen hätten den gleichen Zugang zu diesen Räumen, vieles bleibe weniger privilegierten verwehrt.
Im Verlauf der letzten Woche sei deswegen unter anderem am Mittwoch ein Haus in Basel besetzt, es gab Aktionen in Lausanne und eine riesige Solidaritätsbekundung auf dem Dach der Reitschule.
https://rabe.ch/2021/04/23/bettelnde-roma-in-der-schweiz-2/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Angriff auf Auto von türkischen Faschisten
In der Nacht vom 22.04 haben wir in Basel das Auto von Orhan Kücüktasci, einem türkischen Faschisten beschädigt.
Er ist ein Anhänger Erdogans und zeigt auf seinem Auto das Symbol des Geheimdienstes im osmanischen Reich. Dieses Symbol steht für faschistisches Gedankengut.
Kein Fussbreit dem Faschismus! Berxwedane Jîyan ê!
https://barrikade.info/article/4431


Strafrechtsprofessor Mark Pieth: «Die Basler Justiz hat ein Problem»
Die Basler Staatsanwaltschaft führt Dutzende Verfahren gegen Teilnehmer einer nicht bewilligten Demo gegen eine Kundgebung Rechtsextremer. Deren Redner wurde trotz Anzeige und erdrückender Beweislast bis heute nicht verurteilt.
https://www.20min.ch/story/die-basler-justiz-hat-ein-problem-881351621905
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/gerichtsfall-weil-der-geheimdienst-mauerte-freispruch-in-basel-nazifrei-prozess-ld.2128592


+++KNAST
Kanton Zürich weiht umgebautes Vollzugszentrum Bachtel ein
Der Kanton Zürich hat das Vollzugszentrum Bachtel in Hinwil umgebaut und erweitert. Es bietet nun Platz für 94 Insassen, 30 mehr als bisher. 50 Mitarbeitende halten den Betrieb aufrecht.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/kanton-weiht-umgebautes-vollzugszentrum-bachtel-ein-00156921/
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/vollzugsanstalt-bachtel-nach-umbau-neu-eroeffnet-141653324


+++ZOLL
tagblatt.ch 23.04.2021

Die Rambos von «General» Bock – wie die bisher diskrete Sondereinheit des Zolls plötzlich grossspurig in Szene gesetzt wird

Der Zoll verfügt über eine bis auf die Zähne bewaffnete Sondereinheit – und präsentiert sie wie in einem Modekatalog.

Henry Habegger

Ein ehemaliger kantonaler Polizeikommandant kann es nicht fassen. Dass man eine derart aufgerüstete und bis auf die Zähne bewaffnete Spezialeinheit habe, sei ja noch das eine. «Dass man sie aber auf 20 Seiten in einer Zeitschrift ausbreitet, ist dumm und schädlich.»

«Sehen, aber nicht gesehen werden», lautet dabei die Devise der Truppe, die sich und ihre Ausrüstung im Magazin vor der internationalen Fachwelt grossspurig in Szene setzt.

Es geht um die MEK Helvetia, das Mobile Einsatzkommando der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) unter Zolldirektor Christian Bock (53). Auf der Zoll-Webseite sind der Truppe nur einige dürre Zeilen gewidmet.

In der neusten Ausgabe des in Deutschland erscheinenden Hefts K-ISOM, das «aus der realen Welt der modernen Elite- und Spezialeinheiten» berichtet, posiert die Zolltruppe allerdings in ihrer ganzen martialischen Pracht.

«Das sind die Rambos von General Bock», kommentiert ein Fachmann in Verteidigungsdepartement. Ihm sticht ins Auge, dass einer der posierenden Männer in der einen Hand eine Pistole hält und in der anderen gleichzeitig ein Sturmgewehr mit Schalldämpfer. Dass die Truppe mit «Magazinen schwer behangen ist». So martialisch träten nicht einmal Putins Spezialeinheiten auf.

Die Einheit, die nicht nur mit «Zoll», sondern auch noch mit «Police» angeschrieben ist, kennt keine Grenzen. Anders als «kantonale und städtische Polizeiformationen» sei sie im ganzen Land aktiv, so das deutsche Heft. Es betont, dass es diese «noch weitgehend unbekannte Spezialtruppe besuchen und sie aus nächster Nähe beim Training beobachten konnte.» Das Heft konnte den Trupp auch beim Abseilen aus Militärhelikoptern ablichten.

Die Ausrüstung der bis auf die Zähne bewaffneten Zoll-Truppe ist im Heft detailliert in Wort und Bild beschrieben, die Herstellerfirmen ihres Arsenals werden werbewirksam genannt. Die Spezialeinheit als vom Steuerzahler finanzierte Werbeträger für Firmen aus aller Welt.

Das MEK habe «auch Zugang zum Material-Pool des KSK der Schweizer Armee, dem Kommando Spezialkräfte». So verfüge die Truppe über «verschiedene Militärausrüstung wie KSK-Tarnanzüge, Sturmgewehr 07 und vieles mehr».

Die Truppe verfügt auch über Luxuskarossen

Nicht lumpen lässt sich die Truppe auch in Sachen Mobilität. «Der Fuhrpark umfasst zahlreiche Autos – von der Luxuskarosse bis hin zum kleinen unscheinbaren PKW sowie Lieferwagen», kann das Magazin vermelden. Diese dienten in «verschiedenen Ausführungen als Beobachtungsfahrzeuge».

Zwar war es nicht Zolldirektor Bock, seit 2016 im Amt, der die Spezialeinheit ins Leben rief. Schon 2004 teilte der Zoll mit, dass er ab 2006 eine Sondertruppe mit zunächst 18 Mann einführen werde. Sie komme vor allem bei Ermittlungen, Observierungen und Interventionen zum Einsatz. Dies im Kampf gegen bandenmässig organisierte Kriminelle, die grenzüberschreitend im Bereich Drogen- und Menschenhandel agierten.

Aber die Truppe blieb bisher diskret. Unter Waffenfreund Bock ist das anders. «Das zeigt für mich, dass am Direktor etwas falsch ist», sagt ein Grenzwächter. «Man brüstet sich nicht und sagt, man habe die besten Rambos.» Dass der Zoll eine solche Truppe hat, ist für ihn aber richtig.

Anders sehen das etwa Vertreter von Kantonen. Der Zoll brauche «keine teuren Rambos, um Türen einzutreten», sagt einer. Dafür gebe es genug sehr gut ausgebildete Spezialeinheiten bei Kantonen und Bund. Auch Politiker werden aktiv. Umstritten ist etwa, ob es eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt.

Zolldirektor Bock will die Zollverwaltung von einer eigentlichen Fiskal- in eine Sicherheitsbehörde umfunktionieren, die mit umfassenden Vollmachten ausgestattet ist. Das gibt manchen Beobachtern Anlass zur Sorge, was das künftige Einsatzspektrum der Spezialeinheit betrifft.

63 Einsätze letztes Jahr, sagt der Zoll

Auf Anfrage sagt die Zollverwaltung, das MEK habe «im Jahr 2020 insgesamt 63 Einsätze durchgeführt, ein Jahr zuvor waren es 88». Diese Einsätze erstreckten sich in der Regel über mehrere Tage oder Wochen. Die Einheit stehe «praktisch täglich zugunsten der EZV und Partnerbehörden im Einsatz».

Wie gross die Einheit ist und was sie konkret kostet, will der Zoll «aus einsatztaktischen Gründen» nicht sagen. «Der Hauptteil des finanziellen Aufwandes ergibt sich aus den Personalkosten. Weitere Kostenträger, wie Bewaffnung, Fahrzeuge und Kommunikation, werden über das Beschaffungsbudget abgerechnet und daher nicht separat ausgewiesen.» Zudem nutze man «Leihmaterial der Armee».

Die Bewaffnung unterscheide «sich grundsätzlich nicht von derjenigen der uniformierten Einsatzkräfte bei der Zollverwaltung», so die EZV. «Für spezielle Einsätze mit erhöhtem Gefahrenpotenzial verfügt das MEK über weitergehende Bewaffnung wie Destabilisierungsgerät und Langwaffen.»

Auf die Frage, um welche Fahrzeuge es sich bei den genannten «Luxuskarossen» handle, ging die Zollverwaltung nicht konkret ein. «Das MEK verfügt über adäquat ausgerüstete Fahrzeuge, welche in verschiedenen Einsatzformen und Einsatzsituationen zweckmässig eingesetzt werden können», teilt die Zollverwaltung mit. «Die Fahrzeugflotte besteht aus Fahrzeugen der gehobenen Mittelklasse bis hin zu Kleinwagen sowie Lieferwagen.»

Aus einsatztaktischen Gründen, so der Zoll auch in Sachen Luxuswagen, «sind keine weiteren Informationen möglich.»
(https://www.tagblatt.ch/schweiz/mek-helvetia-die-rambos-von-general-bock-wie-die-bisher-diskrete-sondereinheit-des-zolls-ploetzlich-grossspurig-in-szene-gesetzt-wird-ld.2128602)


+++RASSISMUS
25 Jahre Rassismus-Strafnorm: Grenzen, Lücken und Lösungen
Rassistische Übergriffe in der Öffentlichkeit sind in der Schweiz seit über 25 Jahren strafbar – ein Blick auf die heutige Rassismus-Problematik.
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/grenzen-luecken-und-loesungen


+++RECHTSEXTREMISMUS
Basler Staatsanwaltschaft in der Kritik
Seit zwei Jahren liegt eine Anzeige gegen den ehemaligen PNOS Sektions-Präsidenten Tobias Steiger vor. Es geht um eine Rede, die er während einer Demonstration mit Rechtsradikalen gehalten hat. Passiert ist bis jetzt aber nichts.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/basler-staatsanwaltschaft-in-der-kritik?id=11972504
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/kritik-an-basler-staatsanwaltschaft?urn=urn:srf:video:2a12c2de-f00a-4388-a45c-9b7876911b3d



Basler Zeitung 23.04.2021

Happige Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft: Schleppendes Vorgehen nach Rassismus-Anzeige

Tobias Steiger, ehemaliger Vorsitzender der Pnos, sollte wegen Äusserungen 2018 bestraft werden. Doch bisher geschah nichts. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund und der Verein Grauer Block sagen, die Staatsanwaltschaft sei «auf dem rechten Auge blind».

Andrea Schuhmacher

In einem Beitrag vom Donnerstag des SRF-Magazins «10vor10» wird der Basler Staatsanwaltschaft (Stawa) vorgeworfen, «auf dem rechten Auge blind» zu sein. Hintergrund ist eine Anzeige gegen Tobias Steiger, ehemaliger Vorsitzender der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) – der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) zeigte Steiger vor zwei Jahren an. Der SIG wirft ihm vor, bei einer Rede an der Pnos-Demonstration vom 24. November 2018 in Basel gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verstossen zu haben.

Sowohl Johannes Kreutner, der beim SIG für Antisemitismus zuständige Generalsekretär, als auch Mark Pieth, emeritierter Strafrechtsprofessor an der Uni Basel, haben kein Verständnis für das lange Prozedere. Kreutner sagt gegenüber «10vor10», der Fall sei «sonnenklar». Die Verfolgung von antisemitischer Hetze müsse prioritär behandelt werden. Und Pieth sagt, für die Anklageerhebung in solch einem Fall brauche man nicht länger als eine Woche, «sonst sei man im falschen Beruf». Der Staatsanwaltschaft Basel wird im Beitrag unterstellt, ein «Problem» zu haben.

Wieso keine Priorität?

Auf Anfrage dieser Zeitung schreibt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zu ihren Prioritäten: «Die Staatsanwaltschaft orientiert sich bei den Prioritäten zunächst an der Schwerpunktsetzung durch den Regierungsrat.» Das sind: Gewaltstraftaten, Einbruchdiebstahl und Menschenhandel. «Absolute Priorität hat die Behandlung von Haftfällen in allen Bereichen», so die Stawa weiter. Die Basler Strafverfolgungsbehörde sei chronisch überlastet, Prioritäten zu setzen, sei deshalb nötig.

Zum Vorwurf, ungleich viele Ressourcen für ein Verfahren gegen linke Demonstrantinnen und Demonstranten im Zuge der Demonstration «Basel Nazifrei» aufgewendet zu haben, verweist die Stawa auf eine Interpellationsantwort vom April 2020. Schon damals wollte SP-Grossrätin Beatrice Messerli wissen: Wieso wird antisemitische Rassendiskriminierung nicht prioritär behandelt, aber die «Basel Nazifrei»-Demonstranten schon? Die Antwort der Regierung lautete: «Gemäss Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kam es bei der unbewilligten Gegendemonstration vom November 2018 zu massiven Gewalttätigkeiten gegen die Polizei.»

Strafanzeige wegen Blogeintrag

Aber wieso geht das so lange im Fall Steiger? «Wir stellen immer wieder fest, dass sich Personen öffentlich zu Verfahren äussern, über welche sie keine Aktenkenntnis haben», so die Stawa. Diese könnten gar nicht beurteilen, wie umfangreich ein Verfahren tatsächlich sei, wie lange es dauere und ob es weitere pendente Verfahren gegen eine beschuldigte Person gebe.

Gegen Steiger ist wegen der gleichen Rede noch eine weitere Anzeige in Basel hängig – dies allerdings erst seit Donnerstagabend. Eingereicht hat diese der Verein Grauer Block, um «Druck zu machen» und das «unhaltbare Verhalten der Stawa ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren», wie es in einer Medienmitteilung des Vereins heisst.

Auch bei der Staatsanwaltschaft Baselland ist eine Anzeige eingegangen: Das sagt Samuel Althof, Extremismus-Experte und Leiter bei der Basler Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention. Er selbst habe im Mai 2020 Strafanzeige gegen Tobias Steiger und die Pnos eingereicht, ebenfalls wegen mutmasslicher Verletzung der Rassismus-Strafnorm, wie er auf Anfrage sagt. Zu diesem Schritt veranlasst sah sich Althof aufgrund eines Blogeintrags auf der Pnos-Website. Darin werden Screenshots gezeigt von einer Konversation, in der Steiger eigene antisemitische Zitate gegenüber einem Journalisten gutheisst.
-> https://www.pnos.ch/?article=319

Können die Inhalte eines Chatverlaufs zwischen zwei Personen aber tatsächlich zu einer Anklage führen? «Die Pnos macht sich diese Inhalte auf dem Blogeintrag zu eigen», sagt Althof. Sie distanziere sich nicht davon und mache die Aussagen über den Blogeintrag auf der parteiinternen Website öffentlich zugänglich.

Zusätzliche Verfahren ziehen Fall in die Länge

Auf Anfrage gibt die Staatsanwaltschaft Baselland keine Auskunft zu diesem Fall. Die Strafanzeige von Samuel Althof könnte aber nicht nur für Tobias Steiger Konsequenzen haben, sondern auch für die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Denn sind gegen dieselbe Person mehrere Verfahren pendent, müssten diese eigentlich zusammengefasst werden – solange ein innerer Zusammenhang besteht. Das heisst, die Staatsanwaltschaften müssten etwa aushandeln, wer dafür zuständig ist. Doch damit dürften sich die Verfahren weiter in die Länge ziehen.
(https://www.bazonline.ch/schleppendes-vorgehen-nach-rassismus-anzeige-289298349979)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
«Kommen Sie nicht» – Kapo appelliert zum zweiten Mal gegen Demo
Am Samstag wollten Massnahmen-Skeptiker in Rapperswil-Jona demonstrieren. Jetzt ruft die Kantonspolizei St. Gallen erneut und mit identischen Worten auf, das sein zu lassen. Der Protestmarsch wurde von der Stadt nicht bewilligt.
https://www.20min.ch/story/kommen-sie-nicht-kapo-appelliert-zum-zweiten-mal-gegen-demo-434469729831
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/sorge-um-illegale-corona-demo-solche-bilder-will-rapperswil-sg-verhindern-id16480485.html
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/illegale-demonstration-kommen-sie-nicht-nach-rapperswil-jona-kantonspolizei-stgallen-warnt-erneut-vor-unbewilligter-coronakundgebung-stadtrat-schliesst-sich-appell-an-ld.2128448


Faschos willkommen
Rechtsextreme Teilnehmer, Drohungen gegen Journalistinnen und kaum Polizei: wie «friedlich» die Kundgebung am Samstag wirklich war.
https://www.shaz.ch/2021/04/23/faschos-willkommen/


Kampf gegen Coronavirus: 55’000 Massnahmen-Kritiker fordern Untersuchung
Sie fordern eine unabhängige ausserparlamentarische Untersuchung über die Verhältnismässigkeit der Massnahmen des Bundes gegen das Coronavirus: 55’000 Massnahme-Kritiker, die eine entsprechende Petition der Bewegung «Frühling2020» wurde dem Parlament übergeben haben.
https://www.blick.ch/news/coronavirus-55000-massnahme-kritiker-fordern-untersuchung-id16480222.html
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/55000-personen-fordern-untersuchung-der-corona-massnahmen-65912632
-> https://www.toponline.ch/news/coronavirus/detail/news/55000-personen-fordern-untersuchung-der-corona-massnahmen-1-00156950/


Jetzt sprechen Corona-Demo-Organisatoren
In Aarau oder in Wettingen oder an beiden Orten gleichzeitig: Kantilehrer Markus Häni will an der geplanten Corona-Demo protestieren, auch wenn es bisher keine Bewilligungen gibt.
https://www.telem1.ch/aktuell/jetzt-sprechen-corona-demo-organisatoren-141652905
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/coronaskeptiker-schutzkonzept-fuer-demos-nicht-noetig-ld.2128546


Der Mann, dem die Menschen ihr Misstrauen anvertrauen
Niemand hat die Kraft des Zweifels so geschickt zur persönlichen Erfolgsgesschichte gemacht, wie der Basler Daniele Ganser. Auch die Welle der Corona-Leugner*innen surft er souverän.
https://bajour.ch/a/saMEiaaZwozAJar5/der-mann-dem-die-menschen-ihr-misstrauen-anvertrauen


Videos gegen Corona-Politik Deutsche Schauspieler sorgen für Entsetzen mit Internetaktion
Prominente lancieren mit dem Hashtag #allesdichtmachen einen Corona-Protest. Die Reaktionen sind heftig. Comedian Jan Böhmermann tweetet: #allenichtganzdicht.
https://www.derbund.ch/aktion-von-deutschen-schauspielern-sorgt-fuer-entsetzen-907413754977
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/corona-aktion-spaltet-deutsche-schauspielwelt?id=1d46bc80-2cd0-4c6f-9a97-f70334de95fa
-> https://www.20min.ch/story/deutsche-promis-distanzieren-sich-von-massnahmenkritiker-539746516816
-> https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/schauspieler-reagieren-auf-alles-dicht-machen-heute-bisschen-fuer-kollegen-schaemen/27124304.html
-> https://www.spiegel.de/kultur/oliver-berben-kritisiert-allesdichtmachen-a-73e0eb00-33c1-4c62-a9a1-1fb3266bc461
-> https://www.stern.de/lifestyle/leute/allesdichtmachen–die-erschreckende-naivitaet-der-schauspieler-30495498.html
-> https://www.djv.de/startseite/service/blogs-und-intranet/djv-blog/detail/news-nicht-mehr-ganz-dicht
-> https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/kritik-an-coronapolitik-allesdichtmachen-eine-corona-aktion-viel-kopfschuetteln
-> https://www.watson.ch/!518446044
-> https://www.watson.ch/international/deutschland/528794198-allesdichtmachen-schauspieler-machen-videos-gegen-corona-politik
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-04/schauspieler-corona-politik-allesdichtmachen-initiator
-> https://www.volksverpetzer.de/social-media/allesdichtmachen-kampagne-reaktionen/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151187.allesdichtmachen-ihr-schauspieler.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151144.alles-dicht-machen-auf-die-ausreden-gespannt.html
-> https://www.spiegel.de/kultur/allesdichtmachen-als-film-muesste-diese-kampagne-kleinhirnkueken-heissen-a-061bb3ba-3b04-4ee0-9417-737017f70b01
-> https://www.3sat.de/wissen/nano/210423-sendung-102.html
-> https://www.blick.ch/ausland/wir-leugnen-corona-nicht-jetzt-spricht-der-mann-hinter-allesdichtmachen-id16480708.html
-> https://www.blick.ch/people-tv/schweiz/schweizer-schauspieler-motzen-ueber-die-aktion-allesdichtmachen-diese-aktion-ist-totaler-mumpitz-id16481010.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/allesdichtimachen-deutsche-schauspieler-sorgen-fuer-entsetzen-id16478791.html
-> https://www.blick.ch/people-tv/international/ich-bin-vollidiot-schauspieler-und-mache-mir-gedanken-oliver-pocher-macht-sich-ueber-allesdichtmachen-lustig-id16480401.html
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/allesdichtmachen-deutsche-schauspieler-sorgen-fuer-aufsehen?urn=urn:srf:video:e3247002-030d-4f37-81dd-cb286e8f24c2
-> https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/kritik-an-coronapolitik-allesdichtmachen-eine-corona-aktion-viel-kopfschuetteln



derbund.ch 23.04.2021

Online-Kampagne #allesdichtmachen Stefan Gubser: «Völlig daneben»

Nun ist klar, wer die angebliche Kunst-Aktion #allesdichtmachen gegen Corona-Massnahmen losgetreten hat. Die Verbindungen reichen zur hiesigen Filmszene.

Pascal Blum

Ist es eine genial orchestrierte Kunstaktion? Oder einfach die Super League der deutschen Kultur?

Wenige Stunden nachdem 53 Schauspielerinnen und Schauspieler wie Ulrich Tukur, Meret Becker oder Richy Müller in Videos die deutsche Corona-Politik und die Medienberichterstattung ironisch verspottet haben, distanzieren sich einige von ihnen bereits wieder. So zog Heike Makatsch ihr Video zurück und schrieb auf ihrem Instagram-Account, sie bereue es zutiefst, «wenn ich damit rechten Demagogen in die Hand gespielt habe».
-> https://www.instagram.com/p/CN_tVC5nZW9/

Die Frage, ob die Aktion ernst gemeinte Ironie darstellt oder Satire auf rechte Querdenker, lässt sich inzwischen beantworten. Den Reaktionen nach handelt es sich bei #allesdichtmachen um Kritik von Künstlerinnen und Künstlern, die es für einmal mit Satire versuchen. Ein Problem dabei ist, dass nicht alle die Ironie verstehen.

Schauspieler Jan Josef Liefers, der sich in seinem Video über den Alarmismus der Medien lustig machte, sah sich zu einer Erklärung genötigt. Auf Twitter schrieb er: «Ich setze mich kritisch mit den Entscheidungen meiner Regierung zu Covid-19 auseinander. Besonders wegen der in Kauf genommenen Verluste in Kultur und Kunst und der Veranstaltungsbranche.» Sein Video sei ein «ironischer Kommentar» zur Rolle der Medien. «Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.Ä. weise ich glasklar zurück.»
Produzent hält die Fäden zusammen

Wer hat die Aktion initiiert? Die Website Allesdichtmachen.de, die mittlerweile nicht mehr erreichbar ist, ist auf den Produzenten Bernd K. Wunder angemeldet. Wunder führt in München eine Produktionsfirma, deren letztes Projekt von 2017 datiert. Auf seinem Instagram-Profil äussert sich Wunder kritisch über Pandemiemassnahmen wie Schutzmasken und spricht von «Mundschutzknappen» und «selbst ernannten Retter(n) der Menschheit».

Im Augst 2020, als es um die Schliessung von Schulen ging, schrieb Wunder: «Jeder, der sich an dieser Panikmache beteiligt, ist daran schuld. Der Ausdruck Coronazi ist somit absolut gerechtfertigt…»
Haben die Alten ihre Lebensjahre verdient?

Wunder folgt auf Instagram auch «1bis19», einem «Magazin für demokratische Kultur», das die Schauspieler-Videos ebenfalls gepostet hat. «1bis19» bezeichnet sich als «unabhängige Initiative zur Förderung der demokratischen Kultur und Diskussion», bezieht publizistisch aber klar Stellung gegen Corona-Massnahmen. «Der Staat steht kopf, und es ist umstritten, ob dieses Handeln der Regierungen verfassungsrechtlich zulässig ist», schreibt «1bis19»-Mitbegründer Paul Brandenburger auf der Website des Magazins.

Die Initiative hat auch ein Positionspapier verfasst, in dem viele der Meinungen vorkommen, die nun auch die Schauspielerinnen und Schauspieler äussern – einfach in satirisch verzerrter Form. Dazu gehört die Forderung, dass Einschränkungen der Grundrechte legitimiert werden oder dass die Medien ausgewogen berichten müssten.

«1bis19» folgt auf Instagram auch dem Philosophen Gunnar Kaiser. Er fragte in einem Meinungsbeitrag unter anderem, ob ältere Menschen, die die Einschränkungen akzeptieren, die «Lebensjahre» verdient haben, die sie dadurch gewinnen würden.

Stefan Gubser: «Völlig daneben»

Über «1bis19» reichen die Connections auch in die Schweiz. So sind zwei der Nutzer, denen «1bis19» auf Instagram folgt, die 32-jährige Darstellerin Miriam Stein («Moskau Einfach!») und der Schauspieler Pasquale Aleardi («Gotthard»), der in Berlin lebt.

Aleardi sagt in seinem Clip, nicht nur das Gesundheitswesen sei überlastet, sondern auch die Polizei, schliesslich müsse sie nun «Jugendliche im Park jagen» und «Passanten ohne Maske drangsalieren». Miriam Stein veräppelt die Teststrategie der deutschen Regierung, so sollen auch «Säuglinge und ungeborene Babys im Mutterleib» getestet werden.

Miriam Stein reagierte bislang nicht auf eine Anfrage. Pasquale Aleardi erklärte sich in der Zwischenzeit auf Instagram, wo er sich von Coronaleugnern distanzierte. «Bei denen, die sich durch mein Statement verletzt fühlen, möchte ich mich entschuldigen.»
-> https://www.instagram.com/p/COABvGUBsa3/

Klare Worte findet Schauspieler Stefan Gubser: «Zum jetzigen Zeitpunkt völlig daneben», sagt der Schauspieler zu der Aktion, bei der «Tatort»-Kollege Jan Josef Liefers prominent beteiligt war. «So etwas zu machen, spaltet die Gesellschaft nur noch mehr.» Auch den satirischen Tonfall findet Gubser «nicht adäquat bei so einem ernsthaften Thema». Die Videos seien professionell gemacht, aber daran erkenne man vor allem, dass es keine spontane Aktion gewesen sein könne.
(https://www.derbund.ch/testen-wir-auch-ungeborene-babys-642253716115)