Medienspiegel 22. April 2021

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+++APPENZELL
tagblatt.ch 22.04.2021

«Flüchtlinge haben ganz klar eine Zwei auf dem Rücken»: So wirkt das Asylzentrum in Appenzell den Nachteilen der Pandemie entgegen

In der Coronapandemie gibt es viele Verlierer. Dazu gehören vor allem Flüchtlinge. Corona hat die Debatte über Migration und Integration in den Hintergrund treten lassen. Das Asylzentrum in Appenzell versucht seit Beginn der Pandemie, diese Benachteiligung zu mindern. Drei Asylsuchende aus Appenzell berichten.

Lilli Schreiber

Mit grossem Abstand zueinander sitzen Sabia Khalid, 16 Jahre alt, Saber Ali Rahimi, 42 Jahre alt, und Ahmat Nohat, 30 Jahre alt, am Tisch in einem der Schulzimmer im Hauptgebäude Mettlen des Asylzentrums in Appenzell. Abstand ist hier besonders wichtig und wird von allen Bewohnerinnen und Bewohnern des Asylzentrums konsequent, seit Beginn der Pandemie vor rund einem Jahr, eingehalten.

Maske tragen sowie regelmässiges Händewaschen und Desinfizieren sind im ganzen Haus ebenfalls Pflicht. Nur in den privaten Zimmern, die meist von ein bis zwei Personen bewohnt werden, wird auf eine Maskentragepflicht verzichtet. Im sogenannten Hauptgebäude, inklusive Dependance, einem etwas kleineren Nebengebäude, wohnen zurzeit 25 Männer unter einem Dach. Das Frauen- und Familienhaus, das sich in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kapuzinerklosters befindet, zählt zurzeit 30 Bewohnerinnen und Bewohner.

Sabia Khalid erzählt, dass man bei Coronasymptomen direkt getestet und im Falle eines positiven Ergebnisses in den Isolationstrakt zur Quarantäne geschickt werde. Aktuell befindet sich ein Mann in Quarantäne. Die Mitarbeitenden und die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner des Asylzentrums kümmern sich in dieser Zeit um den Kranken, indem sie ihm Verpflegung und Medikamente vorbeibringen.

Nachteile wegen Fernunterricht

So berichtet auch die 16-jährige Sabia Khalid von einer an Corona erkrankten Frau, der sie Verpflegung und Getränke vor die Tür stellte. Khalid besucht zur Zeit die zweite Sekundarstufe in Appenzell. Neben Urdu, ihrer Muttersprache, sowie Deutsch und Englisch spricht sie vier weitere Sprachen. Der Fernunterricht stellte für die 16-Jährige allerdings eine grosse Herausforderung dar. Khalid musste während des sogenannten Homeschoolings täglich von ihrem Wohnort, dem ehemaligen Kapuzienerkloster, ins Hauptgebäude des Asylzentrums Mettlen kommen, um den hier stationierten Computer zu benutzen.

Da Khalid die Schule besucht, bewohnt die 16-Jährige zusammen mit ihrer Schwester ein Zimmer zu zweit. Die meisten anderen Bewohnerinnen und Bewohner des Klosters leben aber aufgrund von Corona in Einzelzimmern. Khalid erzählt, dass die Einschränkungen der Coronapandemie für sie nicht weiter schlimm seien. Ihre gesamte Familie sowie ein Grossteil ihrer Freunde wohnen ebenfalls im ehemaligen Kapuzinerkloster. Sie sagt: «Durch Corona spielt sich das Leben jetzt eben nur noch in den Innenräumen des Klosters ab.»

Sie fühle sich im Asylzentrum in Appenzell sicher vor Corona. Die Betreuerinnen und Betreuer der Einrichtungen hätten den Bewohnerinnen und Bewohnern alles rund um die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erklärt. Einzig über die Covid-19-Impfung scheint Sabia Khalid noch nicht informiert worden zu sein. Sie wolle sich aber sowieso nicht impfen lassen, erzählt die 16-Jährige.

Beschäftigungsprogramme wurden abgesagt

Anders sieht das bei Saber Ali Rahimi aus. Eines seiner Kinder ist schwer krank. Für seinen elfjährigen Sohn wünscht sich Rahimi dringend eine Covid-19-Impfung. Er selbst möchte nicht geimpft werden. Die zwei älteren Kinder von Rahimi gehen in St.Gallen und Herisau zur Schule. Der jüngste besucht die Primarschule in Appenzell. Online-Unterricht gab es bei keinem der drei.

Rahimi, der nicht mit seiner Frau und seinen Kindern im ehemaligen Kapuzinerkloster wohnt, sondern im Hauptgebäude Mettlen, bedauert, seine Kinder während der Pandemie seltener gesehen zu haben. Der Familienvater erklärt: «Es waren keine Ausflüge und keine Besuche mehr möglich, weshalb ich meine Kinder viel seltener gesehen habe.»

Während des ersten Lockdowns standen alle Gebäude des Asylzentrums in Appenzell unter einer Art Quarantäne. Mittlerweile sind die Massnahmen wieder gelockert und auch das Beschäftigungsprogramm und die verschiedenen Kurse des Sprachunterrichts konnten seit Juni 2020, ohne Unterbrechung, wieder aufgenommen werden.

Saber Ali Rahimi arbeitet in der Asylzentrum eigenen Herstellung von Brennholz. Da während des ersten Lockdowns aber alle der sogenannten Beschäftigungsprogramme auf null heruntergefahren wurden, musste Rahimi plötzlich auch auf seine Arbeit verzichten. So erging es vielen der Bewohnerinnen und Bewohner des Asylzentrums. Seit Juni kann der 42-Jährige nun aber wieder arbeiten.

Oft telefoniert Saber Ali Rahimi mit Familienmitgliedern im Iran. Die dortige Situation rund um das Coronavirus sei unübersichtlich, sagt er. Seine Familie habe grosse Angst vor Ansteckungen. Vor allem iranische Grossfamilien treffe die Pandemie hart.

Perspektive trotz Pandemie

Ebenfalls Angst um ihre Familie hat die aus Syrien stammende Ahmat Nohat. Auch sie telefoniert regelmässig mit ihren Angehörigen in der alten Heimat. Es gebe dort kaum noch Krankenhäuser und aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung blieben viele Kranke einfach zu Hause bei den Familien. Nohat sagt: «In Syrien ist Corona ein riesiges Problem.»

Die hiesige Situation empfindet Ahmat Nohat hingegen als sehr sicher. Sowohl im Kapuzinerkloster als auch im Hauptgebäude Mettlen sei es während der Coronapandemie ruhig verlaufen. Alle hätten sich an die Regeln gehalten und auch eine Frustration aufgrund der Einschränkungen habe die 30-Jährige nicht bemerkt. Insgesamt haben sich im Verlauf der Pandemie nur sechs Personen im Asylzentrum Appenzell mit Corona infiziert, was wohl den strengen Massnahmen zu verdanken sei.

Viele Bewohnerinnen und Bewohner des ehemaligen Kapuzinerklosters beteiligen sich an den Putz- und Instandhaltungsarbeiten im und am Kloster. Damit wird ihnen von Seiten des Asylzentrums eine Einkommensmöglichkeit gestellt. Auch Ahmat Nohat verdient sich so etwas dazu.

Die zahlreichen Jobangebote für Migrantinnen und Migranten im Appenzeller Gewerbe und vor allem in der Gastronomie sind durch die Pandemie mehrheitlich weggefallen. Zuvor fanden 70 Prozent aller Innerrhoder Migrantinnen und Migranten einen Job im ersten Arbeitsmarkt. Nohat macht sich jedoch keine Sorgen, nach der Wiedereröffnung der Gastrobetriebe keinen Job zu finden. Sie bleibt zuversichtlich, das gebe ihr schliesslich auch eine Perspektive, sagt sie.

Keine Frustration trotz Einschränkungen

Stefan Ambühl, Leiter des Asylzentrums Appenzell Innerrhoden, bedauerte den Ausfall der Beschäftigungsprogramme und ganz besonders der Sprachkurse. Ambühl legte in seiner nun schon 14-jährigen Zeit als Leiter des Asylzentrums den Fokus stets auf den Bildungs- und Beschäftigungsbereich. «Ohne Beschäftigung fängt das Elend an», sagt er. Selbst gab er bis vor kurzem noch Sprachkurse und unterstützte die Asylsuchenden bei Beschäftigungsprogrammen wie der Herstellung von Brennholz, dem Kerngeschäft des Asylzentrums Mettlen.

Ambühl war anfänglich erstaunt über die grosse Bereitschaft zur Einhaltung der Coronamassnahmen und den geringen Frust, der ihm und seinem Team entgegenkam. Über die Zeit des ersten Lockdowns berichtet er Folgendes: «Die Bewohnerinnen und Bewohner haben sich sehr solidarisch verhalten. Sie haben gut aufeinander geschaut. Jeder, der hier ist, hat in kurzer Zeit Freunde gefunden.»

Natürlich seien die Freiheiten der Bewohnerinnen und Bewohner des Asylzentrums durch Corona eingeschränkt worden, berichtet Ambühl. So durften beispielsweise keine Besuche von ausserhalb des Asylzentrums mehr empfangen werden und die Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr verreisen.

Ambühl macht aber auch darauf aufmerksam, dass Flüchtlinge in der Gestaltung ihrer Freizeitbeschäftigungen sowieso stark eingeschränkt sind. Das Angebot gestalte sich für sie bei weitem nicht so abwechslungsreich, wie sich die Mehrheit der Bürger das vorstelle. Weiter sagt Ambühl: «Viele der Kulturen, aus denen die Bewohnerinnen und Bewohner des Asylzentrums stammen, sind in sich geschlossener. Ihnen fehlen die Beschäftigungsmöglichkeiten, die durch Corona wegfallen, also weniger.»

Zudem hätten alle Bewohnerinnen und Bewohner grösstes Vertrauen und einen guten Bezug zum Betreuungsteam, so Ambühl. Den Asylsuchenden werde ausserdem ein psychiatrischer Dienst angeboten, an den sie sich wenden können. Eine asylzentrumsinterne psychologische Betreuung gibt es allerdings nicht.

Was die Covid-19-Impfungen für Bewohnerinnen und Bewohner des Asylzentrums betrifft, ist die konkrete Planung aktuell noch in Gange. Die Möglichkeit einer Impfung sollte für alle das sein, sagt Ambühl

Migration, ein Schattenthema

Dass Corona momentan alle anderen Debatten überschatte, gelte leider auch für die Themen Migration und Integration, sagt Ambühl. Ersatzthemen wie Rassismus und Klimawandel haben die Debatte rund um das Asylwesen im eigenen Land in den Hintergrund gedrängt.

Ambühl sieht die Zukunft der Migrationsdebatte kritisch: «Was wird mit der Flüchtlingsfrage passieren, wenn Corona einmal überwunden ist und wir den Weg in die Normalität zurück wagen?» Immerhin habe es noch nie so viele Flüchtende gegeben wie aktuell. Nur weil gerade aufgrund von Corona keine wirkliche Wanderung stattfinde, sei das Thema nicht vom Tisch, meint Ambühl. Er sagt: «In der Geschichte von Corona gibt es ganz viele Verlierer und dazu gehören auch vor allem Flüchtlinge. Flüchtlinge haben ganz klar eine Zwei auf dem Rücken.»

Durch die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen im Alltag gehe auch der Integrationsprozess langsamer voran, bedauert Ambühl. Der Leiter des Asylzentrums ist jedoch überzeugt, dass das Asylwesen in Appenzell sein Bestes gebe, dass sich Migrantinnen und Migranten nicht benachteiligt in der Pandemie fühlen.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/asylzentrum-appenzell-innerrhoden-fluechtlinge-haben-ganz-klar-eine-2-auf-dem-ruecken-so-wirkt-das-asylzentrum-in-appenzell-den-nachteilen-der-pandemie-entgegen-ld.2125176)


+++LUZERN
Luzern schafft für Asylsuchende Platz in Buttisholz
Der Kanton Luzern will im Asylzentrum in Buttisholz künftig abgewiesene Asylsuchende unterbringen, die Nothilfe beziehen. Ihre Zahl ist seit der Corona-Pandemie um 40 Prozent angestiegen, weil Ausschaffungen und freiwillige Ausreisen teilweise blockiert sind.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzern-schafft-fuer-asylsuchende-platz-in-buttisholz?id=11971415


+++ZÜRICH
Auch ohne Krankenkasse zu guter medizinischer Versorgung
Das Zürcher Stadtparlament gibt grünes Licht für ein Pilotprojekt. Es will die medizinische Versorgung von Sans Papier, Prostituierten oder Obdachlosen verbessern.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/auch-ohne-krankenkasse-zu-guter-medizinischer-versorgung?id=11971376
-> https://twitter.com/al_zuerich/status/1385150357706264577


+++DEUTSCHLAND
Der letzte Flieger aus Griechenland: Enttäuschung für die Zurückgelassenen
Heute ist in Hannover der letzte Flieger mit Schutzsuchenden, die im Rahmen der humanitären Aufnahmeprogramme von Griechenland nach Deutschland evakuiert wurden, gelandet. Doch was ist mit allen anderen, die zurückbleiben im Elend der griechischen Lager?
https://www.proasyl.de/news/der-letzte-flieger-aus-griechenland-enttaeuschung-fuer-die-zurueckgelassenen/


+++MITTELMEER
Dutzende Bootsmigranten laut Hilfsorganisation vor Küste Libyens ertrunken
Laut SOS Mediterranee sollen rund 130 Flüchtlinge an Bord eines Schlauchboots gewesen sein. Rettungsschiff „Ocean Viking“ fand Unglücksstelle nach stundenlanger Suche
https://www.derstandard.at/story/2000126078410/dutzende-bootsmigranten-laut-hilfsorganisation-vor-kueste-libyens-ertrunken


+++FREIRÄUME
Zürcher Stadtrat ist mit Koch-Areal einen grossen Schritt weiter
Gemeinnützige Wohnungen, ein Gewerbehaus und ein Quartierpark sollen auf dem besetzten Koch-Areal entstehen: Der Stadtrat von Zürich hat nun die planerischen Grundlagen genehmigt, wie er am Donnerstag mitteilte. Die Besetzer können bis zum Baustart im Jahr 2023 bleiben.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-stadtrat-ist-mit-koch-areal-einen-grossen-schritt-weiter-00156858/
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/stadt-zuerich-stellt-konkrete-plaene-fuers-koch-areal-vor-141638356
-> https://www.stadt-zuerich.ch/fd/de/index/das_departement/medien/medienmitteilungen/2021/april/210422a.html
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuerich-2025-soll-das-koch-areal-fertig-sein-besetzer-muessten-abziehen-ld.2128345


+++GASSE
Bettelnde Roma in der Schweiz
Wer sind die Roma und Romnia in den Innenstädten?
Seit einigen Wochen sind sie in Bern, bettelnde Gruppen aus Osteuropa, vorwiegend Roma und Romnia aus Rumänien. Sie suchen nach Arbeit und fragen in der Innenstadt nach Geld, um in ihrer Heimat davon leben zu können. In Basel sind die bettelnden Gruppen seit letztem Jahr politisches Dauerthema, denn dort sind die Roma und Romnia nach dem Sommer nicht wieder gegangen, wie in den Jahren zuvor.
https://rabe.ch/2021/04/21/bettelnde-roma-in-der-schweiz/
-> http://www.journal-b.ch/de/082013/alltag/3893/Wer-sind-die-Roma-und-Romnia-in-den-Innenst%C3%A4dten.htm


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
BaselNazifrei – Freispruch: Angeblicher Nazifrei-Demonstrant war nirgends zu sehen
In einem aussergewöhnlichen Prozess am Strafgereicht bleibt der Angeklagte straffrei. Die Staatsanwaltschaft muss eine Niederlage einstecken.
https://bajour.ch/a/a7mEwmTEAIMUT4ws/freispruch-im-nazifrei-prozess
-> Thread: https://twitter.com/dan_faulhaber/status/1385197017266364423
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/gerichtsfall-weil-der-geheimdienst-mauerte-freispruch-in-basel-nazifrei-prozess-ld.2128592


«Wir wollen möglichst viele Personen identifizieren, die sich strafbar gemacht haben»: Polizei sichtet stundenlang Videomaterial
Die St.Galler Stadtpolizei hat von den Krawallen am Osterwochenende mehrere Stunden Videomaterial gesammelt, das nun ausgewertet werden muss. Einige Personen konnten bereits identifiziert werden.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/stgaller-osterkrawalle-wir-wollen-moeglichst-viele-personen-identifizieren-die-sich-strafbar-gemacht-haben-polizei-sichtet-stundenlang-videomaterial-ld.2127941


+++BIG BROTHER
Staatstrojaner und die Problematik von Gruppenchats
Dieser Text entstand im Juli ‘20 in der Schweiz im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Thema Staatstrojaner und Signal-Gruppenchats.Diese Notwendigkeit ergab sich, da vermehrt politisch aktive Gruppen solche Gruppenchats, zum Teil unreflektiert, zu benutzen begannen. Diese Zusammenstellung soll Gedankenanstösse bieten und eine Grundlage für Diskussionen in verschiedenen politischen Zusammenhängen sein. Sie ist weder vollständig noch abgeschlossen.
Am Ende der Broschüre befindet sich eine Liste mit Links zum Thema, den Lesenden wird zugetraut, diese selbst mit einem kritischen Blick zu betrachten, einiges davon kann nicht für alles uneingeschränkt empfohlen werden.
Der Text wurde im April 2021 nochmals überarbeitet und aktualisiert.
https://barrikade.info/article/4428
-> PDF Dokument: https://publish.barrikade.info/IMG/pdf/staatstrojaner_gruppenchats-cleaned.pdf


+++POLICE GE
Genfer Mediationsorgan im Polizeibereich: Der Zugang zum Recht hat sich nicht verbessert
Im Jahr 2020 sahen sich Polizeikräfte auf der ganzen Welt mit dem steigenden Unmut über polizeiliche Übergriffe auf Zivilist*innen konfrontiert; insbesondere im Zusammenhang mit der Black-Lives-Matter-Bewegung. Um die Beziehung zwischen der Polizei und der Bevölkerung zu verbessern, hat der Kanton Genf im Jahr 2016 ein Mediationsorgan im Polizeibereich – «organe de médiation police» (OMP) – ins Leben gerufen. Der Zugang zur Justiz für die Opfer von Polizeigewalt hat sich in Genf dadurch jedoch nicht verbessert.
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/polizei/mediationsorgan-polizei-genf


+++RECHTSPOPULISMUS
USZ-Mediziner beleidigt «Weltwoche»-Journalist auf Twitter als «Arschloch»
Auf Twitter haben sich am Donnerstag der «Weltwoche»-Journalist Alex Baur und Adriano Aguzzi, Mediziner des Universitätsspitals Zürich, gezofft.
https://www.20min.ch/story/usz-mediziner-beleidigt-weltwoche-journalisten-auf-twitter-als-arschloch-600876551749


+++RECHTSEXTREMISMUS
Kritik an Basler Staatsanwaltschaft – 10vor10
Der Schweizerische Isrealitische Gemeindebund erstattete vor über zwei Jahren eine Anzeige wegen einer antisemitischen Rede bei einer Demonstration der rechtsextremen PNOS. Die Basler Staatsanwaltschaft hat bisher keine Anklage erhoben und steht deshalb in der Kritik.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/kritik-an-basler-staatsanwaltschaft?urn=urn:srf:video:2a12c2de-f00a-4388-a45c-9b7876911b3d


Das Lachen der Täter – RaBe-Info 22.04.2021
Letzten Dezember wurde der sogenannte Täter von Halle zu lebenslanger Haft und anschliessender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Zur Erinnerung: Der Mann hatte im Oktober 2019 versucht in der Synagoge im deutschen Halle ein Blutbad anzurichten. Er töte schliesslich zwei Passant*innen. Beim Prozess, der sich über mehrere Monate hinweg zog, fiel eines auf: Der Täter lachte.
https://rabe.ch/2021/04/22/mehr-platz-fuers-velos-in-bern/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Wie sich ein Telegram-Chat von Masken-Verweigerern zu einer Gruppe mit antisemitischen Inhalten und Verschwörungstheorien radikalisierte
Vor einem halben Jahr verabredeten sich Zürcherinnen und Zürcher in einer Chat-Gruppe zum Einkaufen ohne Maske. Jetzt werden die Inhalte in der Gruppe immer radikaler. Wie konnte das passieren?
https://www.nzz.ch/schweiz/corona-skeptiker-im-telegram-chat-radikalisiert-ld.1612759


Kapo St. Gallen warnt Corona-Skeptiker: «Kommen Sie nicht nach Rapperswil-Jona!»
Die Kantonspolizei St.Gallen appelliert an die Schweizer: «Kommen Sie nicht nach Rapperswil-Jona.» Hintergrund: Eine Corona-Demo am Wochenende.
https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/kapo-st-gallen-warnt-kommen-sie-nicht-nach-rapperswil-jona-id16477979.html


Zensur oder Massnahme gegen Pandemieverharmlosung? St.Galler Stadtrat Peter Jans pfeift Buswerbung für Youtube-Kanal von Coronaskeptiker zurück
Der Thurgauer Daniel Stricker beabsichtigte, in den St.Galler Bussen der VBSG für seinen Youtube-Kanal zu werben. Doch als Stadtrat Peter Jans von den Plakaten Wind bekam, verhinderte er die Kampagne in Absprache mit VBSG-Leiter Ralf Eigenmann. Laut Stadtrat handelt es sich dabei um politische Werbung und Verharmlosung der Coronapandemie.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/inserat-zensur-oder-massnahme-gegen-pandemieverharmlosung-stgaller-stadtrat-peter-jans-pfeift-buswerbung-fuer-youtube-kanal-von-coronaskeptiker-zurueck-ld.2128556


Günther Jauch wird in Quarantäne von Corona-Leugnern bedroht: «In einem Jahr sind Sie verbrannt»
Günther Jauch sitzt derzeit in Quarantäne, nachdem er sich mit dem Coronavirus angesteckt hat. Dort erreichen den Moderator immer wieder Hass-Nachrichten, wie er nun bekannt gab.
https://www.blick.ch/people-tv/international/guenther-jauch-wird-in-quarantaene-von-corona-leugnern-bedroht-in-einem-jahr-sind-sie-verbrannt-id16476616.html


„Verfassungs-Freund“ provoziert Eklat im Telebasel-Talk
Ein nicht alltägliches Ende nahm ein Interview von Telebasel gestern Mittwochabend: Plötzlich stellte der Befragte Fragen.
https://www.onlinereports.ch/News.117+M56743455b90.0.html



shn.ch 22.04.2021

Verwirrung rund um das Verbot: Coronademo: Stadtrat räumt Kommunikationsfehler ein

Mark Liebenberg

Im nationalen Rampenlicht stand die Stadt Schaffhausen letzten Samstag, als Hunderte Menschen aus der ganzen Schweiz laut, aber friedlich, jedoch weitgehend ohne die Maskenpflicht oder Abstandsregeln einzuhalten, gegen die Pandemiegesetze des Bundes demonstrierten. Die Stadt hatte der Kundgebung zwei Tage zuvor die Bewilligung entzogen. Wie sich jetzt zeigt, war dieser umstrittene Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit begleitet von Verwirrung im Stadtrat: Einen formellen Beschluss des Gremiums dazu gab es nämlich gar nie.

Die städtische Sicherheitsreferentin Christine Thommen (SP) hat in den Medien erläutert, sie habe in der Regierungssitzung vier Tage zuvor das Signal erhalten, eine Interessensabwägung vorzunehmen und dann zu entscheiden, ob die Bewilligung entzogen wird oder nicht. Im Namen des Stadtrats wurde dieser Entschied zwei Tage später veröffentlicht. Doch Thommens Stadtratskollege Daniel Preisig (SVP) widerspricht nun dieser Darstellung. Das Gremium wollte lediglich eine vertiefte Abklärung, sagt Preisig zu den SN: «Ich war schon erstaunt, als ich dann las, ‹der Stadtrat› habe der Kundgebung die Bewilligung entzogen und geriet in Erklärungsnot.»

Stadtpräsident Peter Neukomm (SP) räumt ein, dass es in der fünfköpfigen Stadtregierung über das genaue Vorgehen offenbar Missverständnisse gab. «Für die Mehrheit des ­Gremiums war die Absage der Kundgebung beschlossene Sache.» Eine protokollierte Abstimmung darüber habe es an der Stadtratssitzung allerdings keine gegeben. Neukomm: «Es war eine Kommunikationspanne, und dies tut mir leid.»
(https://www.shn.ch/region/stadt/2021-04-22/coronademo-stadtrat-raeumt-kommunikationsfehler-ein)



luzernerzeitung.ch 22.04.2021

Polizeieinsatz an Corona-Apéro: Zuger proben den Aufstand am Bistrotisch

In Unterägeri entwickelt sich ein Umtrunk zur illegalen Coronakundgebung, die Polizei muss einschreiten. Auch in anderen Zuger Gemeinden gibt es sogenannte März-Apéros. Mittendrin: ein ehemaliger und ein amtierender Kantonsrat.

Kilian Küttel

19. April, Unterägeri, 18 Uhr. Die Beizen sind offen. Vor dem Dorfcafé sitzen 14 Gäste an fünf Tischen, die meisten eine Stange vor sich. Drei Polizisten lassen das Treiben auf dem Dorfplatz nicht aus den Augen, registrieren aus zwei Fahrzeugen jede verdächtige Bewegung. Sie würden einschreiten, wenn jemand gegen das Gesetz verstösst.

Eine Woche zuvor ist genau das passiert: Am 12. April, die Restaurants sind noch zu, kommen Leute aus Unterägeri zum Apéro auf den Dorfplatz. Es soll ein geselliges Beisammensein, eine Möglichkeit zum Austausch werden. Wahrscheinlich aber hat das Treffen von Anfang an auch Protestcharakter.

Beim Apéro will man Einigkeit gegen die Coronamassnahmen zeigen – und schreckt nicht davor zurück, sie zu ignorieren. 15 Leute dürften sich im Freien versammeln, am Ende sind es zwischen 30 und 40, sagt die Zuger Polizei. Das ist illegal.

Der Gemeinderat weiss von der Aktion, sucht vor Ort das Gespräch. Dann greift die Polizei ein; ein gutes Dutzend Einsatzkräfte sei angerückt, heisst es später in einem Leserbrief. Erst bitten die Polizisten die Apéro-Teilnehmer, zu gehen. «Der Grossteil der anwesenden Personen befolgte diese Aufforderung», sagt Sprecherin Judith Aklin. Doch einige bleiben stur. Acht Personen muss die Polizei schliesslich offiziell wegweisen. An diesem Tag dürfen sie den Dorfplatz bis 23 Uhr nicht mehr betreten. Der Polizeieinsatz wird Dorfgespräch.

Die Geschehnisse hallen nach

Zwei Tage danach trifft sich der Gemeinderat mit Vertretern der Apéro-Fraktion zum Gespräch in der Aegerihalle. Für die Teilnehmer spricht unter anderem Thomas Brändle, Inhaber des gleichnamigen Cafés und ehemaliger FDP-Kantonsrat.

Auf Anfrage sagt er: «Wir haben die Gemeinde gebeten, ein Gefäss für den Austausch zu schaffen.» Im Dorf seien viele verunsichert, etwa, was Maskenpflicht, Teststrategie oder die fehlende Planungssicherheit angehe: «Als Geschäftsinhaber bin ich nahe an den Leuten. Ich merke, dass sich viele nicht gehört fühlen. Dagegen sollte die Gemeinde etwas unternehmen.»

Eine Einigung hat das Gespräch nicht ergeben, sagt Gemeindepräsident Josef Ribary (FDP). Gleichzeitig spricht er von einem guten Austausch und drückt ein gewisses Verständnis für die Anliegen aus:  «Ich kann verstehen, wenn einem die Einschränkungen zu viel werden, wir haben alle langsam genug. Trotzdem müssen wir uns an die Massnahmen halten.»

Offenbar köchelt die Stimmung in Unterägeri schon seit Wochen. Vor dem Zwischenfall am 12. April hat es laut Ribary drei oder vier solcher Anlässe gegeben, die immer mehr Volk angezogen hätten und die unter dem Label «März-Apéros» veranstaltet wurden.

Bekannter Impfgegner ist im Verband aktiv

Die Idee stammt aus dem Umfeld des massnahmenskeptischen Verbands Freie KMU. Die Organisation hatte dazu aufgerufen, am 1. März das Ende des Lockdowns mit einem Apéro einzuläuten und diesen wöchentlich zu wiederholen. Der Verband mit Sitz im schwyzerischen Feusisberg steht für «Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im wirtschaftlichen Handeln wie auch im gesellschaftlichen und kulturellen Leben» ein. Zum Vorstand gehört der bekannte Impfgegner Daniel Trappitsch, der etwa an einer Protestaktion vom Februar in Zug aufgetreten ist:

Informationen zur Aktion finden sich auf einer Website, die am 23. Februar registriert wurde. Dort heisst es, in mehr als 50 Gemeinden sollen solche Corona-Apéros stattfinden; von Brig bis Basel, von Jaun im Kanton Freiburg bis Wolfhalden beim Bodensee. Nebst Unterägeri stehen drei weitere Gemeinden aus Zug auf der Liste: Cham, Menzingen und Steinhausen.

Presse? Lieber nicht

20. April, Steinhausen, 18 Uhr. Erst beim zweiten Mal hinsehen fallen die vier Männer und die Frau auf, die um einen Bistrotisch stehen, eine Hand am Weissweinglas, die andere am Apérogebäck. Sie haben sich unter einem Vordach in der Nähe des Dorfplatzes getroffen, obwohl die Beizen wieder offen sind und es rund herum genügend freie Tische und Stühle gäbe.

Einer der Männer telefoniert. Es ist Marc Reichmuth, geboren 1982, SVP-Mitglied, Kantonsrat seit März 2018. Noch am Abend zuvor hat er auf eine Anfrage unserer Zeitung zu den Apéros in Steinhausen geschrieben, er werde sich zu gegebener Zeit melden und danke für das Verständnis. Es ist eine unausgesprochene Absage und kann als Zeichen gedeutet werden, dass die Presse nicht erwünscht ist.

Obwohl einem etwas zu trinken angeboten wird, verfestigt sich dieser Eindruck bei einem Besuch vor Ort. Während man auf Reichmuth wartet, sagt einer der Anwesenden, man könne schon Fragen stellen, solange man «keinen Scheiss» schreibe. Kehliges Lachen, Blick in die Runde, wenig Reaktion.

Als Reichmuth aufgelegt hat, sagt er nochmals, was er am Vorabend per E-Mail angedeutet hat: Er gibt keine Interviews, will nicht zitiert werden. Und beantwortet danach doch die Fragen, die man ihm stellt – mit weit aufgerissenen Augen, wenn er seinen Standpunkt vertritt.

Demzufolge ist das Treffen in Steinhausen als gesellige Zusammenkunft zu verstehen, hat aber durchaus etwas von einem Protest. Es werden Vergleiche mit der Lage in Deutschland angestellt, es fallen Worte, wie sie vor Gericht zu hören sind, wenn Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit verhandelt werden. Und es wird einem vermittelt, dass hier nichts Illegales passiert. Dass noch lange nicht 15 Personen anwesend sind. Und dass man sich sowieso auf Privatgrund befindet.

In Unterägeri hat sich die Lage wohl beruhigt

Unklar ist, ob die Veranstaltung zum Programm der «März-Apéros» gehört. Vor Ort geben sich die Beteiligten unwissend, auf der Website allerdings sind Zeit und Ort vermerkt, eine vergleichbare Veranstaltung ist auf dem Dorfplatz nicht zu sehen. Auf Anfrage teilt die Gemeinde Steinhausen einzig mit, kein Gesuch für einen Anlass am 20. April erhalten zu haben. Anfang März hätte es zwar eine Kontaktaufnahme und eine allgemeine Anfrage gegeben. Solange sich aber nicht mehr als 15 Personen versammelten, sei die Gemeinde nicht zuständig.

Die Tragweite in Steinhausen scheint weit weniger gross als in Unterägeri, die Wendungen, die die Geschehnisse dort genommen haben, dürften eine Ausnahme sein. Und dennoch geben die orchestrierten Apéros Hinweise darauf, wie ermüdet gewisse Kreise sein müssen, sich an geltende Regeln zu halten. Oder wie es auf der Veranstaltungsseite heisst: «Auf die Rechtskonformität ist, wenn möglich, zu achten.»

Josef Ribary in Unterägeri glaubt jedenfalls nicht, dass sich die Szenen vom 12. April wiederholen. Erstens, weil die Restaurantterrassen offen seien. Zweitens, weil man sich als Gemeinde durchgesetzt habe: «Wir halten uns an die Gesetzte. Daran können wir nicht rütteln. Und das wollen wir auch nicht.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/protest-polizeieinsatz-an-corona-apero-zuger-proben-den-aufstand-am-bistrotisch-ld.2127839)