Medienspiegel 21. April 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Migrationsinformationssystem der Schweiz soll erneuert werden
Das Zentrale Migrationsinformationssystem (ZEMIS) ist das umfassende Arbeitsinstrument für den Ausländer- und Asylbereich sowie das Bürgerrecht. Das System wurde 2008 in Betrieb genommen und muss erneuert werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 21. April 2021 die Botschaft zum Verpflichtungskredit verabschiedet. Er beantragt insgesamt 54,3 Millionen für die Jahre 2022-2027.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83179.html


+++MITTELMEER
Emeritierter Oberhirte aus Hildesheim will „Situation der Retter kennen lernen“ – Deutscher Bischof begleitet Schiff zur Seenotrettung von Flüchtlingen
Auch mit großer Hilfe seitens der Kirchen ist am Wochenende ein neues Schiff zur Rettung von Menschen auf der Flucht in See gestochen. Mit an Bord ist ein deutscher Bischof, der sich nicht zu schade ist, eine Bohrmaschine in die Hand zu nehmen.
https://www.katholisch.de/artikel/29536-deutscher-bischof-begleitet-schiff-zur-seenotrettung-von-fluechtlingen
-> Interview: https://sea-eye.org/batho-pele-menschen-zuerst/


Flagge an Rettungsschiff erhitzt Gemüter – Bedford-Strohm wünscht sich „Sea-Watch 4“ ohne Antifa-Fahne
Dass ein von der evangelischen Kirche maßgeblich unterstütztes Rettungsschiff eine Antifa-Fahne hisst, erhitzt die Gemüter. Nun hat sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Wort gemeldet.
https://www.katholisch.de/artikel/29543-bedford-strohm-wuenscht-sich-sea-watch-4-ohne-antifa-fahne


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
«Wem gehört der Raum?» – Besetzung im Kleinbasel ist nach wenigen Stunden vorbei
Mehrere Personen hatten an der Florastrasse 23 im Kleinbasel ein leerstehendes Haus besetzt. Die Aktion hatte zum Ziel, eine Debatte über Leerstände in Gang zu bringen. Der Hauseigentümer liess sich nicht auf Gespräche ein und rief die Polizei.
https://bajour.ch/a/NtEX53rkI9M3leb4/haus-im-kleinbasel-seit-mittwochmorgen-besetzt-wem-gehort-der-raum
-> https://www.bazonline.ch/grosses-polizeiaufgebot-an-der-florastrasse-325369973170
-> Webseite Besetzung + Kampagne: https://gemeinsamgegenleere.blackblogs.org/
-> https://barrikade.info/article/4424
-> Twitter-Blog Bajour: https://twitter.com/dan_faulhaber/status/1384808295844749313
-> https://barrikade.info/article/4427


Die Vereinigten Staaten gegen Tillie Kottmann
Einer Luzerner Hackerin und Anarchistin drohen in den USA über 20 Jahre Gefängnis. Sie hat Daten der Firma Intel und Sicherheitslücken von Überwachungs¬kameras publik gemacht – und dem Überwachungs¬kapitalismus den Kampf erklärt.
https://www.republik.ch/2021/04/21/die-vereinigten-staaten-gegen-tillie-kottmann
-> https://www.blick.ch/schweiz/usa-wollen-sie-dingfest-machen-jetzt-redet-die-meistgesuchte-hackerin-der-schweiz-id16474327.html


Prozess gegen Feministin: Ein Megafon in der Hand reicht nicht für eine Verurteilung
Eine junge Frau soll den Frauenstreik 2020 organisiert und gegen die Covid-Regeln verstossen haben, sagt die Staatsanwaltschaft. Doch das Gericht ist anderer Meinung. Und der Anwalt kritisiert die Polizei.
https://www.tagesanzeiger.ch/ein-megafon-in-der-hand-reicht-nicht-fuer-eine-verurteilung-342806849931
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/frauendemo-trotz-pandemie-zuercher-gericht-spricht-23-jaehrige-frei-00156774/
-> https://www.zsz.ch/ein-megafon-in-der-hand-reicht-nicht-fuer-eine-verurteilung-342806849931
-> https://www.landbote.ch/ein-megafon-in-der-hand-reicht-nicht-fuer-eine-verurteilung-342806849931
-> https://www.20min.ch/video/es-war-sehr-kraeftezehrend-zu-wissen-dass-die-polizei-hinter-mir-her-ist-368586222986



nzz.ch 21.04.2021

23-Jährige geht mit Megafon an unbewilligte Frauenstreik-Demo – doch für das Gericht ist nicht belegt, dass sie den Anlass mitorganisiert hat

Eine junge Frau ist vom Vorwurf des Vergehens gegen die Covid-19-Verordnung freigesprochen worden. Sie erhält lediglich eine Busse für die Teilnahme an der nicht bewilligten Kundgebung in Zürich.

Tom Felber

Am 14. Juni 2020 zogen mehrere hundert Frauen in Zürich aus Anlass des Frauenstreiktags vom Limmatplatz zum Helvetiaplatz. Der Umzug wurde von der Polizei toleriert, obwohl die Kundgebung unbewilligt war. Zu jener Zeit galt in der Schweiz wegen der Corona-Pandemie die «ausserordentliche Lage». Zivilgesellschaftliche Kundgebungen mit maximal 300 Personen waren mit Bewilligung noch erlaubt. Auch bei bewilligten Kundgebungen mussten Veranstalter allerdings ein Schutzkonzept erarbeiten und umsetzen.

Nun sitzt eine 23-jährige Frau als Beschuldigte vor dem Bezirksgericht Zürich. Ihr wird vorgeworfen, Mitorganisatorin jener Kundgebung gewesen zu sein. Weil weder eine Bewilligung noch ein Schutzkonzept für die Veranstaltung vorlag, habe sie sich des Vergehens gegen die Covid-19-Verordnung schuldig gemacht. Zusätzlich ist sie auch wegen Widerhandlung gegen die allgemeine Polizeiverordnung der Stadt Zürich angeklagt. Die Beschuldigte wurde von der Staatsanwaltschaft per Strafbefehl mit einer unbedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 30 Franken (2400 Franken) und 300 Franken Busse belangt.

Unbedingt, weil die Frau vorbestraft ist: Sie hatte im Juli 2019 an der Sitzblockade vor der CS-Filiale am Zürcher Paradeplatz durch Klimaaktivisten teilgenommen und war dafür mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Franken wegen Nötigung bestraft worden. Im neuen Strafbefehl wurden der Widerruf dieser Vorstrafe in der Probezeit und die Bildung einer Gesamtstrafe angeordnet. Die Frau will den Strafbefehl gerichtlich beurteilen lassen. Allerdings verweigert sie im Prozess – wie bereits in der Untersuchung – konsequent jegliche Aussage.

Anweisungen an Demonstrierende erteilt

Wie es im Strafbefehl heisst, soll die Beschuldigte eine der Organisatorinnen der Frauenstreik-Kundgebung gewesen sein. Sie habe mit einem Megafon Anweisungen erteilt und erst nach mehreren polizeilichen Abmahnungen den noch verbliebenen Teilnehmenden mitgeteilt, «man löse sich jetzt offiziell auf». Auch auf Nachfrage des Einzelrichters macht die Beschuldigte vor Gericht dazu keine Angaben. Ihr Verteidiger beantragt einen vollumfänglichen Freispruch.

Der Rechtsanwalt stellt die Rechtmässigkeit der Covid-19-Verordnung grundsätzlich infrage. Der Bundesrat dürfe gar keine Vergehens-Strafbestimmungen erlassen. Er kritisiert zudem die Ungleichbehandlung von Veranstaltungen durch die Stadtpolizei Zürich, die in der gleichen Zeit Corona-Skeptiker mit ihren Kundgebungen habe gewähren lassen. Auch erwähnt er «illegale Partys von Parlamentariern in Bundesbern».

Darüber hinaus sei auch der Sachverhalt gar nicht eindeutig geklärt. Polizisten seien nicht einvernommen worden. Es gebe keine verwertbaren Beweise dafür, dass mehr als 100 Personen an der Kundgebung teilgenommen hätten. Die Beschuldigte sei auch nicht eindeutig identifiziert worden. Und selbst wenn sie die Frau mit dem Megafon gewesen sei, müsse sie nicht zu den Organisatoren gehört haben.

Klar als Teilnehmerin identifiziert

Der Einzelrichter spricht die Frau vom Vorwurf des Vergehens gegen die Covid-19-Verordnung frei, verurteilt sie aber als Teilnehmerin der unbewilligten Kundgebung wegen Widerhandlung gegen die allgemeine Polizeiverordnung der Stadt Zürich zu einer Busse von 200 Franken. Es lägen Fotos und ein Video vor, die klar bewiesen, dass die Frau an der Kundgebung teilgenommen habe, begründet der Einzelrichter. Die wesentliche Frage sei gewesen, ob sie Veranstalterin oder Mitorganisatorin gewesen sei.

Im Video sehe man sie zwar, wie sie über ein Megafon zu den Kundgebungsteilnehmerinnen spreche und sage: «Also wir lösen uns jetzt offiziell auf. Geht nach Hause. Wir sehen uns alle genau in einem Jahr.» Das genüge aber nicht, um die Beschuldigte als Organisatorin oder verantwortliche Person zu qualifizieren. Deshalb müsse sie freigesprochen werden. Somit müsse das Gericht die Frage gar nicht beantworten, ob der Bundesrat befugt gewesen sei, die Strafbestimmungen zu erlassen oder nicht. Diese Frage sei nach wie vor auch unter Juristen umstritten. Verschiedene erstinstanzliche Gerichte hätten dazu bisher unterschiedliche Urteile gefällt. Er hoffe, dass die Frage bald durch eine höhere Instanz geklärt werde.

Urteil GB20013 vom 21. 4. 2021, noch nicht rechtskräftig.
(https://www.nzz.ch/zuerich/frauenstreik-23-jaehrige-fuer-teilnahme-an-illegaler-demo-gebuesst-ld.1613154)



tagesanzeiger.ch 21.04.2021

Aus dem Bezirksgericht Zürich – G-20-Proteste: Zweimal Schuldspruch, einmal Freispruch

In einer Art Abwesenheitsverfahren hat das Bezirksgericht über die Anklage gegen drei Zürcher entschieden. Die Gründe bleiben vorderhand das Geheimnis des Richters.

Thomas Hasler

Der 34-jährigen Chauffeurin, dem 33-jährigen Kaufmann und dem 29-jährigen Kaminfeger hatte die Anklage vorgeworfen, sie hätten am 7. Juli 2017 an den Protesten gegen den G-20-Gipfel in Hamburg teilgenommen. Durch ihre Anwesenheit, aber auch mit Gesten und verbalen Äusserungen hätten sie ihre Unterstützung manifestiert. Damals war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei und zu hohem Sachschaden gekommen.

Nun wurden die 34-Jährige und der 33-Jährige wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie wegen Landfriedensbruchs verurteilt, die Frau zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 30 Franken, der Mann zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Franken. Der 29-Jährige wurde von Schuld und Strafe freigesprochen.

Hauptverhandlung geplatzt

Die Hauptverhandlung am vergangenen Freitag hatte abgebrochen werden müssen, nachdem die drei Beschuldigten den Gerichtssaal unter Protest verlassen hatten. Grund dafür: Zufällig war einer der Verteidiger im letzten Herbst in den Akten auf einen vorläufigen Urteilsentwurf gestossen, was den Eindruck erweckte, dass das Urteil bereits vor der eigentlichen Gerichtsverhandlung gefällt worden sei.

Da die Verteidiger ihre Plädoyers aber dem Gericht abgaben, war es möglich, eine Art Abwesenheitsurteil zu fällen. Warum es zu den Schuldsprüchen und zum Freispruch kam, bleibt vorläufig das Geheimnis des Richters. Er verzichtete darauf, das Urteil öffentlich zu verkünden und zu begründen oder eine schriftliche Erklärung abzugeben. Verzichten die Parteien auf einen Weiterzug ans Obergericht, wird es auch in Zukunft keine schriftliche Begründung geben.
(https://www.tagesanzeiger.ch/g20-proteste-zweimal-schuldspruch-einmal-freispruch-145029501252)
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-gericht-spricht-zwei-g20-demonstranten-schuldig-00156802/



Évacuations de force à la ZAD, on y était – IMMERSION
Dans ce nouvel épisode d’IMMERSION, Sacha part sur la colline du Mormont où la ZAD (Zone à défendre) milite contre l’extension d’une carrière d’un cimentier. 🗣
https://www.youtube.com/watch?v=rr7so9lOTYs



nzz.ch 21.04.2021

15, 100 oder unbegrenzt? Vor dem 1. Mai entzündet sich in Zürich der Streit um die Grösse von Demonstrationen

Bei der Frage, wie viele Personen trotz Corona protestieren dürfen sollen, sind Politiker und Juristen uneins. Aber auch innerhalb der Sicherheitsbehörden gibt es verschiedene Auffassungen.

Daniel Fritzsche

Der 1. Mai rückt näher – und mit ihm die Frage nach der Demonstrationsfreiheit. Am Tag der Arbeit versammeln sich in der Stadt Zürich traditionellerweise massenhaft Menschen. 16 000 zogen 2019 für linke Anliegen durch die Strassen. Letztes Jahr fiel der Umzug ins Wasser. Der Grund: Corona.

Und auch dieses Jahr sehe es schlecht aus, sagt Luca Maggi. Der Grüne Stadtparlamentarier ist Teil des 1.-Mai-Komitees. «Wir können nicht zu einer Demo aufrufen – die kantonalen Regeln verhindern das», sagt er. Maggi spricht von einer massiven Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit, eines zentralen Grundrechts.

Tatsächlich sind seit letztem Montag im Kanton wieder bewilligte Demonstrationen mit bis zu 100 Personen zugelassen; zuvor waren es lediglich 15 Personen. Die Lockerung genüge aber nicht, sagt Maggi. In fast allen anderen Kantonen gebe es keine Obergrenzen. Nur Zürich und Bern scherten aus – notabene jene Kantone, in denen besonders viele Kundgebungen stattfinden.

Maggi sagt: «Durch die Bahnhofstrasse flanieren wieder Tausende von Leuten, eng an eng, aber bei einer Demo mit Maskenpflicht sieht die Kantonsregierung ein Problem.» Das verstehe doch keiner. Es sei schlicht unmöglich, eine Demonstration wie den 1.-Mai-Umzug zu organisieren, weil nicht abschätzbar sei, wie viele Leute am Ende tatsächlich auftauchten. «Wie sollen wir das kontrollieren?»

Was findet Rykart?

Dass am 1. Mai demonstriert wird, ist so gut wie sicher – ob mit Bewilligung oder ohne. Im Kreis 4 hängen seit einigen Tagen wilde Plakate, die zu einer Kundgebung auf dem Helvetiaplatz aufrufen. Dazu kommen fünf dezentrale Aktionen, die der Zürcher Gewerkschaftsbund etwa auf dem Paradeplatz oder dem Lindenhof plant. Für die Gewerkschaftsproteste à 100 Personen prüfen die Behörden zurzeit entsprechende Gesuche. Das schreibt das städtische Sicherheitsdepartement auf Anfrage.

Deren politische Vorsteherin, die Grüne Karin Rykart, hatte sich vor ein paar Wochen im Stadtparlament vehement gegen die damaligen Demo-Regeln gewandt. «Die kantonalen Vorgaben sind in der grössten Stadt der Schweiz schlicht nicht umsetzbar, und sie sind auch aus epidemiologischer Sicht nicht nachvollziehbar», sagte sie und fügte an: «Ich finde, man müsste sie lockern – lieber heute als morgen.» Der «Demonstrationsdruck» sei enorm gross.

Die Frage, wie Rykart zur Erhöhung der Obergrenze auf 100 Personen stehe, beantwortete das Sicherheitsdepartement gestern nicht direkt. Stattdessen verwies es auf die Stadtpolizei. Und diese äussert sich durchaus interessant: Aus polizeitaktischer Sicht ist die neue Obergrenze laut Medienstelle «in bestimmten Fällen gerade noch durchsetzbar». Wünschenswert – so hört man aus Polizeikreisen – wäre für die Männer und Frauen an der Front aber eine tiefere Maximalzahl. Zumindest, solange sie auch weitere Corona-Vorschriften wie die Maskenpflicht durchsetzen müssen. Genügend Stoff für ein klärendes Gespräch zwischen der politischen Vorgesetzten Rykart und ihren Leuten bei der Stadtpolizei sollte vorhanden sein.

«Zumutbare» Einschränkungen

Weiter offen ist die juristische Frage. So ist eine Beschwerde vor Verwaltungsgericht gegen die kantonale Covid-19-Verordnung hängig. Unterstützt wird sie von SP, Grünen und AL sowie linken Organisationen. Die Beschwerde richtet sich zwar noch gegen die alte Regelung mit der Obergrenze bei 15 Personen. Trotzdem wolle man daran festhalten, sagt die SP-Gemeinderätin und Gewerkschafterin Natascha Wey auf Anfrage. «Wir streben einen Grundsatzentscheid an», sagt sie. Leider müsse man davon ausgehen, dass die Pandemie noch länger beschäftige. Die Frage, ob und wie weit der Kanton Zürich die Demonstrationsfreiheit einschränken dürfe, habe deshalb auch für die Zukunft Relevanz.

Die kantonale Sicherheitsdirektion unter Regierungsrat Mario Fehr (sp.) hat sich unterdessen vertieft mit der Beschwerde auseinandergesetzt. In Zusammenarbeit mit dem Rechtsprofessor Felix Uhlmann verfasste sie eine umfassende Stellungnahme zuhanden des Gerichts. Das Papier liegt der NZZ vor. Von einem «Demo-Verbot» zu sprechen, wie dies die Beschwerdeführer täten, sei «schlicht unrichtig»; so seien auch dezentrale Veranstaltungen nicht kategorisch ausgeschlossen.

Ebenfalls falsch sei der wiederholte Vorwurf, der Kanton setze sich in Widerspruch zu bundesrechtlichen Vorgaben. Das Gegenteil sei wahr. Die Kantone hätten in der derzeitigen Lage ausdrücklich die Kompetenz, Veranstaltungen zu verbieten oder einzuschränken. Zudem orientiert sich Zürich durchaus am Bund: Als der Bundesrat die erlaubte Grösse für Anlässe im Freien auf 100 Personen erhöhte, zog der Zürcher Regierungsrat nach und passte die Demo-Regeln analog gegen oben an.

Dass die Vorschriften die Grundrechte einschränken, stellt die Sicherheitsdirektion nicht in Abrede. Jedoch gebe es dafür neben der rechtlichen Grundlage ein hochrangiges öffentliches Interesse – den Schutz der Gesundheit. «Die derzeitige Pandemie bringt nach wie vor schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle mit sich», heisst es im Schreiben. Verhältnismässig sei die Massnahme unter anderem, weil die Verminderung von menschlichen Kontakten ein wirksames Mittel sei, um die Pandemie einzudämmen – und Zürich mit seiner Sogwirkung für grosse Demonstrationen mit Teilnehmern aus der ganzen Schweiz eine besondere Rolle einnehme.

Protestzüge in Chur oder Liestal hätten zudem gezeigt, dass es für die Polizei schwierig sei, die Maskenpflicht wirksam durchzusetzen. «Eine Auflösung der entsprechenden Demonstrationen wäre unverhältnismässig beziehungsweise aus epidemiologischer Sicht kontraproduktiv.»

Zudem würden derzeit viele weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eingeschränkt, etwa hinsichtlich der Glaubens-, der Wirtschafts- und der Bewegungsfreiheit. Die Zürcher Demo-Regeln seien in diesem Zusammenhang «zumutbar», unter anderem, weil die Meinungsäusserungsfreiheit auch auf anderem Wege ausgelebt werden könne – etwa in den sozialen Netzwerken.
(https://www.nzz.ch/zuerich/demos-in-zuerich-vor-dem-1-mai-kommt-es-zum-streit-ld.1612957)


+++MENSCHENRECHTE
Weltweite Bilanz zur Todesstrafe 2020:  Zahlen und Fakten 2020
Amnesty International hat für das Jahr 2020 mindestens 483 Hinrichtungen in 18 Ländern dokumentiert – ein Rückgang um 26 Prozent im Vergleich zu 2019 (mindestens 657). Dies ist die niedrigste Zahl an Hinrichtungen pro Jahr, die Amnesty International in den vergangenen zehn Jahren verzeichnet hat.
https://www.amnesty.ch/de/themen/todesstrafe/dok/2021/zahlen-und-fakten-2020
-> https://rabe.ch/2021/04/21/weniger-todesstrafen-als-im-vorjahr/
-> https://www.srf.ch/news/international/amnesty-bericht-zahl-der-hinrichtungen-weltweit-sinkt-deutlich


+++ANTITERRORSTAAT
Parlamentsbetrieb: Wenn Stahlhelme Gesetze machen
Mitte Juni kommt das Polizeimassnahmengesetz PMT zur Abstimmung. Doch die Entstehungsgeschichte sorgt für Irritationen. Gab es eine politische Einflussnahme?
https://www.woz.ch/2116/parlamentsbetrieb/wenn-stahlhelme-gesetze-machen


+++KNAST
Bei verweigerter Haftentlassung: Baselland will Rechte von Beschuldigten im Strafvollzug stärken
Die Regierung reagiert damit unter anderem auf eine Rüge des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in einem Zürcher Fall.
https://www.bazonline.ch/baselland-will-rechte-von-beschuldigten-im-strafvollzug-staerken-744775879702
-> https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/regierungsrat/medienmitteilungen/teilrevision-des-strafvollzugsgesetzes
-> https://telebasel.ch/2021/04/21/beschuldigte-im-strafvollzug-sollen-mehr-rechte-erhalten/?channel=105100


+++BIG BROTHER
Künstliche Intelligenz: EU verbietet automatisierte Gesichtserkennung an öffentlichen Orten – „mit wenigen Ausnahmen“
Die EU-Kommission hat erstmals ein Gesetz zur Regulierung von automatisierten Entscheidungssystemen vorgelegt. „Massenüberwachung“ durch KI soll damit verboten werden, biometrische Echtzeit-Überwachung soll in einigen Fällen aber erlaubt bleiben.
https://netzpolitik.org/2021/kuenstliche-intelligenz-eu-verbietet-automatisierte-gesichtserkennung-an-oeffentlichen-orten-mit-wenigen-ausnahmen/



luzernerzeitung.ch 21.04.2021
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Überwachung total? Wie sich Zolldirektor Bock von zwei Juristen ein «Ermächtigungsgesetz» fabrizieren liess

Christian Bock, Direktor der Zollverwaltung und Herr über 4500 Leute, hat ein neues Zollgesetz auf den Weg gebracht, das ihn mit enormer Machtfülle ausstatten würde.

Henry Habegger

Das Chefbüro im siebten Stock an der Taubenstrasse 16 in Bern hat Geschichte. Jahrelang residierte dort Michael Lauber, der institutionell mächtigste Bundesanwalt, den die Schweiz je hatte. Jetzt amtet hier Christian Bock (53), Chef der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV). Er teilt sich das prächtige Büro im Desk-Sharing mit Isabelle Emmenegger (44), seiner Stellvertreterin und engsten Vertrauten. Die zwei verbindet auch, dass sie am gleichen Tag Geburtstag haben.

Zolldirektor Bock, Jurist, will der mächtigste Oberzolldirektor aller Zeiten werden. Er hat selbst ein Gesetz auf den Weg gebracht, das ihm enorme Vollmachten gäbe: Die Totalrevision des Zollgesetzes, das der Bundesrat im letzten September in die Vernehmlassung geschickt hat. Das neue Gesetz wurde unter der Ägide von Zolldirektor Bock innert Monaten zusammengebastelt. Das Gesetz ist eine wesentliche Basis für das 400 Millionen teure Digitalisierungsvorhaben Dazit.

Befehlsausgabe an die Juristen am Wochenende

Zwei Juristen stellte Bock Anfang 2019 zur Ausarbeitung des Gesetzes extra ein. Er verbot ihnen, mit erfahrenen Zoll-Juristen zu reden. Denn Bock wollte einen völlig neuen Erlass kreieren. Die Struktur des Gesetzes, Unterteilung und Titel, verfasste er laut Insidern eigenhändig. Auch den Inhalt prägte er. «Den Juristen gab er sogar übers Wochenende laufend Änderungsbefehle durch.»

Bocks Gesetz erhielt intern den Beinamen «Ermächtigungsgesetz», weil es dem Zoll umfassende Vollmachten geben will. Der Zollchef wollte möglichst wenig Bestimmungen, um freie Hand zu haben. Dem Parlament als Gesetzgeber droht Entmachtung.

In der Vernehmlassung stiess der Bock-Act auf teilweise vernichtende Kritik. Laut Zweckartikel wird das neue Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) neben Erhebung der Abgaben zuständig für die «Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Migration». Es soll «einen Beitrag zur Wahrung der inneren Sicherheit» leisten. Der Kanton Zürich etwa kritisiert, «unter dem Anschein des zollrechtlichen Vollzugs» werde eine Behörde geschaffen, «die umfassende und teilweise diejenigen der kantonalen Polizeikorps übersteigende polizeiliche Befugnisse hat». Kantone befürchten, dass der Zoll in ihre verfassungsmässige Polizeihoheit eingreift.

Neues Gesetz will den Datenschutz völlig neu definieren

Bock will, da sind sich Beobachter einig, den Zoll, bislang schwergewichtig eine Fiskalbehörde, zu einer eigentlichen «Sicherheitsbehörde» umfunktionieren. Die Einführung einer Bundessicherheitspolizei (Bu­sipo) durch die Hintertür, sagen die einen. Basis für eine Finanzpolizei nach italienischem Vorbild ist es für die anderen. Die Zollverwaltung weist solche Befürchtungen als unbegründet zurück.

Die Schweizer Stimmbürger verwarfen bisher alle Versuche, eine Sicherheitspolizei auf Bundesebene zu schaffen. 1978 lehnte das Stimmvolk die Schaffung der Busipo ab, die namentlich der Terrorbekämpfung hätte dienen sollen.

Was der Zoll darf, ist im Gesetzesentwurf oft nicht genau definiert. Das Finanzdepartement soll beispielsweise den Grenzraum, in dem der Zoll aktiv sein darf, künftig «nach Anhörung» der Kantone selbst definieren. Heute braucht es das ausdrückliche Einverständnis der Kantone. Der Zoll soll zudem «geeignete Einsatz- und Zwangsmittel» einsetzen können. Auch unter fiktiver Identität und verdeckt sollen Bocks Fahnder arbeiten können.

Das neue Gesetz will den Datenschutz völlig neu definieren. Laut Kanton Zürich erhielte der Zoll «fast unbeschränkte Kompetenz zur Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten». Also etwa Daten über die Intimsphäre oder religiöse, weltanschauliche und politische Ansichten. Nur sehr rudimentär geregelt ist, wer innerhalb der Zollverwaltung zu welchem Zweck auf diese besonders schützenswerten Personendaten zugreifen darf.

Es ist völlig offen, welche Algorithmen der Risikoanalyse zugrunde liegen

Die totale Überwachung? Der Datenschützer des Bundes Adrian Lobsiger kritisierte letztes Jahr: Der Gesetzesentwurf erlaube es «dem neuen Zollpolizeiamt, die (…) Personendatenbearbeitung in ihrem System nach weitgehend autonomen Vorgaben vorzunehmen und die Informationen nach Belieben zu verknüpfen.» Lobsiger sprach von «rechtsstaatlichen Mängeln der Datenbearbeitung» sowie «sachlichen Regelungslücken». So sei bei der «Risikoanalyse» nicht klar, «worum es sich bei dieser Bearbeitungsmethode handelt, in deren Rahmen das neue Zollpolizeiamt besonders schützenswerte Personendaten» bearbeiten solle.

Es ist völlig offen, welche Algorithmen der Risikoanalyse zugrunde liegen – also wie die Zollcomputer künftig ermitteln, ob eine Person oder ein Vorgang als «verdächtig» eingestuft wird. Abhängig von diesen Algorithmen sind diskriminierende oder rassistische Resultate möglich.

Bock braucht das neue Gesetz nicht nur für die umstrittene «Transformation» der Zollverwaltung, sondern auch für die Umsetzung des Projekts Dazit. Unbestritten ist, dass der Zoll die Digitalisierung vorantreiben muss. Die eigenmächtige Art und Weise, wie die Zollführung das macht, stösst aber auf heftigen Widerstand. So wurde das Wirtschaftsdepartement zu Beginn gar nicht erst in die Arbeiten einbezogen.

Das neue Gesetz: «Handwerklich völlig ungenügend»

Markus Mohler, Verfassungsrechtler und ehemaliger Polizeikommandant, sagt: «Es steht fest, dass das Bundesamt für Justiz in der Ämterkonsultation aufs Heftigste gegen den Gesetzesvorentwurf Stellung nahm, der aus mehreren Gründen unhaltbar sei: Er verstosse betreffend erweiterte Kompetenzen gegen die Verfassung, gegen elementarste Grundsätze des Datenschutzes, sei handwerklich völlig ungenügend.» Ihm sei es «ein Rätsel, wie ein solcher Vorentwurf vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt werden konnte».

In der Tat liess der Bundesrat den zuständigen Finanzminister Ueli Maurer und dessen Chefbeamten Bock bisher gewähren. Nun droht dem neuen Zollgesetz, das 2024 in Kraft treten soll, der Totalabsturz.

Die Zollverwaltung redet die Probleme klein. Von ihrer Seite heisst es: «Die grosse Mehrheit der konsultierten Adres­saten begrüsst die Digitalisierung und Vereinfachung der Prozesse.»

Die Vernehmlassung werde jetzt ausgewertet. «Insbesondere die Kantone und die Verbände erwarten für die Wirtschaft eine klare administrative Entlastung.» Die Kompetenzen zwischen Kantonen und Bund seien «von der Zollgesetzrevision nicht betroffen». Was Kantone aber ganz anders sehen.

Unerträgliche Zustände und Big-Brother-Allüren

Bock ist allerdings nicht der Einzige, der versucht, den Datenschutz auszuhebeln. Es gebe «gewisse Interessen, unter anderem offenbar im Fedpol und im Nachrichtendienst des Bundes, datenschutzrechtlich präzise Bestimmungen durch generalklauselartige zu ersetzen», stellt Mohler fest. Das sei bedenklich, zeige sich aber auch im Gesetz betreffend polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung.

In der Zollverwaltung herrscht ein Klima der Angst. Wer nicht kuscht, wird abserviert. Bei CH Media gehen seit Tagen zahlreiche Berichte von Angestellten ein, die von unerträglichen Zuständen sprechen. Aber auch ausserhalb des Zolls steigt die Besorgnis. Zollkunden diagnostizieren Big-Brother-Allüren. Manche fühlen sich bereits jetzt überwacht und bespitzelt durch immer mehr Kameras. Und befürchten, dass sie mit dem neuen Gesetz der totalen Kontrolle ausgesetzt sind. Dass «General Bock», wie manche ihn nennen, sie im ganzen Land verfolgen will.

Ob Zollangestellte, Bundesverwaltung oder Zollkunden – alle fragen sich: Wer stoppt Zolldirektor Bock?
(https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/serie-33-ueberwachung-total-wie-sich-zolldirektor-bock-von-zwei-jungen-juristen-ein-ermaechtigungsgesetz-fabrizieren-liess-ld.2127580)



Palantir Technologies: Fauler Datenzauber am Zürichsee
Der US-Softwarekonzern Palantir rennt in der Schweiz offene Türen ein – trotz Flops und Skandalen. Mit Schweizer Unterstützung will das Unternehmen nun das lukrative Geschäft mit Regierungen und Behörden ausbauen.
https://www.woz.ch/2116/palantir-technologies/fauler-datenzauber-am-zuerichsee


+++POLIZEI SO
Polizeianwärter von Grenchen in die Pflicht genommen
Am Dienstag wurden die Polizeianwärter, bzw. die neuen Mitarbeiter der Polizei Stadt Grenchen durch den Stadtpräsidenten und das Kommando in die Pflicht genommen.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/grenchen/stadtpolizei-polizeianwaerter-von-grenchen-in-die-pflicht-genommen-ld.2127879


+++POLIZEI DE
Diskriminierende Kontrollen: Polizei geht kaum gegen Racial Profiling vor
Rassistische Polizeiarbeit? Gibt’s nicht. So sieht es das Innenministerium. Maßnahmen gegen Racial Profiling kommen bisher nur schleppend voran.
https://www.tagesspiegel.de/politik/diskriminierende-kontrollen-polizei-geht-kaum-gegen-racial-profiling-vor/27113458.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Coronavirus: Solothurn weist Demo-Bewilligung der Corona-Rebellen ab
Der Verein «Stiller Protest» hat im Mai zwei Demos gegen die Massnahmen gegen das Coronavirus angekündigt. Zumindest in Solothurn sind sie nicht willkommen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-solothurn-weist-demo-bewilligung-der-corona-rebellen-ab-65909983


Beschwerden gegen Kundgebungsverbot: Demokratieprofessor Andreas Glaser sieht Spielraum für die Aargauer Behörden
Mit je einer Beschwerde beim Aarauer Stadtrat und beim Aargauer Regierungsrat will das «Aktionsbündnis Aargau-Zürich für eine vernünftige Corona-Politik» erreichen, dass am 8. Mai im Aargau doch eine Kundgebung stattfinden kann. Bis der Entscheid der Behörden vorliegt, dürfte es nächste Woche werden.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/coronademos-beschwerden-gegen-kundgebungsverbot-demokratieprofessor-andreas-glaser-sieht-spielraum-fuer-die-aargauer-behoerden-ld.2127309


Heike Kleffner im Interview: „Wir erleben eine sehr, sehr harte Normalisierung von Antisemitismus, der auch zu Gewalt führt“
Eine erschreckend breite Allianz an neuen und alten Demokratiefeinden vereint sich bei den Anti-Corona-Protesten auf unseren Straßen. Die Skepsis gegenüber Demokratie und wissenschaftlichen Erkenntnissen ist hier tief verankert. Autorin Heike Kleffner warnt in ihrem Buch „Fehlender Mindestabstand“ vor einer weiteren Vernetzung dieser Ideologien.
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/heike-kleffner-sehr-harte-normalisierung-von-antisemitismus-der-zu-gewalt-fuehrt100.html


Wahnsinnig bürgerlich:  Coronaleugner*innen gegen die Bundesnotbremse
Wenig Rechtsextreme, dafür die enthemmte Mitte der Gesellschaft. In Berlin hat das „Querdenken“-Umfeld gegen das Infektionsschutzgesetz und die „Bundes-Notbremse“ demonstriert. Unser Demobericht mit Fotoreihe.
https://www.belltower.news/wahnsinnig-buergerlich-coronaleugnerinnen-gegen-die-bundesnotbremse-114577/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151059.verstoesse-gegen-hygieneauflagen-polizei-loest-querdenken-demonstration-auf.html
-> https://taz.de/Aenderung-des-Infektionsschutzgesetzes/!5768105/
-> https://www.tagesspiegel.de/berlin/corona-proteste-in-berlin-widerstand-gegen-aufloesung-von-querdenken-demo-ausschreitungen-am-rande/27115806.html
-> https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-news-am-mittwoch-die-wichtigsten-entwicklungen-zu-sars-cov-2-und-covid-19-a-7b7bfed4-764b-4eaf-9ea6-1b0ebdcf0e1d
-> https://www.heise.de/tp/features/Die-Corona-Proteste-sind-eine-rechtsradikale-Sammlungsbewegung-6022346.html
-> https://www.morgenpost.de/berlin/article232093859/Proteste-gegen-Infektionsschutz-Polizei-mit-Grossaufgebot.html
-> https://www.stern.de/politik/deutschland/berlin–festnahmen-wegen-corona-verstoessen—polizei-droht-demo-aufloesung-an-30491122.html
-> https://www.rbb24.de/politik/thema/corona/beitraege/2021/04/demos-querdenker-corona-berlin-infektionsschutzgesetz-bundestag-.html
-> https://twitter.com/schwurbelwatch
-> https://twitter.com/querdenkenwatch
-> https://twitter.com/BerlingegenNazi
-> https://twitter.com/O_Sundermeyer
-> https://twitter.com/fbnwcmn
-> https://twitter.com/JFDA_eV
-> https://twitter.com/pm_cheung


Muttenzer Unternehmer bekämpft das Covid-Gesetz
Der Verein «Freunde der Verfassung» besteht aus politischen Nobodies, brachte aber das Covid-Referendum zustande. Dabei: der Muttenzer Michael Bubendorf.
https://telebasel.ch/2021/04/21/muttenzer-unternehmer-bekaempft-das-covid-gesetz
-> https://telebasel.ch/2021/04/21/persoenliche-erklaerung-zum-talk-mit-michael-bubendorf


+++RECHTSEXTREMISMUS
derbund.ch 21.04.2021

Basler Politiker belästigt Kollegin: «Ich will nicht, dass der vor meiner Haustür auftaucht»

Ein Politiker stört im Rat permanent mit rassistischen und sexistischen Tiraden. Und er stalkt Parlamentarierinnen wie Jessica Brandenburger bei ihnen zu Hause. Gestoppt wird er von niemandem.

Philipp Loser

Die Realität von weiblichen Politikerinnen im Jahr 2021 in der Schweiz sieht auch so aus: Ein Team filtert die besonders schlimmen Mails heraus. Es ist besser so. Die Combox wird nicht abgehört. Es gibt ein privates und ein politisches Handy – denn sonst hört es nie auf.

Und das ist nur die Basisausstattung. Seit kurzem hat Jessica Brandenburger auch noch regelmässig mit dem Bedrohungsmanagement der Kantonspolizei Basel-Stadt zu tun. Brandenburger ist 28 Jahre alt, Grossrätin und seit dieser Woche Co-Präsidentin der SP Basel-Stadt. Das Bedrohungsmanagement der Polizei hat sie nicht wegen eines anonymen Stalkers kontaktiert oder wegen einer besonders üblen Erwähnung auf den sozialen Medien. Der Grund ist ein Mitparlamentarier. «Ich habe überhaupt keine Lust, dass der plötzlich vor meiner Haustür auftaucht.»

Bei ihren Eltern war er schon, er hat dort regelmässig Briefe kruden Inhalts hinterlassen. Kann man nicht viel dagegen machen. Jessica Brandenburger sagt es so: «Unser System ist einfach nicht vorbereitet für so jemanden.»

«Von pathologischer Natur»

Dabei ist es nicht so, dass sich «das System» nicht bemühen würde. Der betreffende Mann wurde im vergangenen Herbst zum vierten Mal in den Grossen Rat gewählt. Er ist vorbestraft (wegen Wahlbestechung, versuchter Wahlfälschung und Drohung), vertritt fremdenfeindliche, rechtsradikale und sexistische Ansichten und stört mit seinen Interventionen permanent den Ratsbetrieb.

«Dieser Mann überschreitet sämtliche Grenzen des Anstands, hat Ausfälle, die nur pathologischer Natur sein können, und verletzt regelmässig die Würde anderer Menschen», schrieb Patrick Marcolli, Chefredaktor der «BZ Basel», vor Beginn der aktuellen Legislatur und begründete in der Folge, warum der Mann nicht in seiner Zeitung erscheinen werde. Man biete seiner «krankhaft zu nennenden Gier nach Aufmerksamkeit» keine Plattform mehr: «Er wird als ‹Politiker› – also als das, was er selbst so gern wäre – bei uns in den kommenden vier Jahren nicht vorkommen. Ausser, die Strafverfolgungsbehörden schalten sich ein und ermitteln gegen ihn.» Dem Chefredaktor war der Text ein grosses Anliegen, wie er sagt. «Ich wollte das ein für alle Mal klären.»

Seit dem Erscheinen von Marcollis Leitartikel haben sich verschiedene Basler Medienschaffende (aus verschiedenen Medienhäusern) immer wieder über die Causa unterhalten und kommen alle zu einem ähnlichen Schluss wie Marcolli. Der Politiker kommt in der Berichterstattung generell nicht vor – ausser die Behörden werden aktiv (was auch der Grund ist, warum der Politiker in diesem Text nicht mit Namen erwähnt ist). «Ich finde, die Basler Medienszene hat einen sehr anständigen Umgang mit der Sache gefunden», sagt Andrea Fopp, die Chefredaktorin von «Bajour».

Den richtigen Moment nicht verpassen

Im Grossen Rat ist der Umgang recht ähnlich wie unter den Medienschaffenden geregelt. Der Konsens ist bis weit ins rechte Spektrum des Parlaments gross, von «Cancel Culture» redet hier niemand. Die allermeisten Grossrätinnen und Grossräte versuchen, die Interventionen des Mannes zu ignorieren, ihm einfach nicht zuzuhören. Doch genau da beginnen die eigentlichen Probleme: Wenn Medien und Politiker einen Störfaktor ausschliesslich ignorieren, drohen sie jene Momente zu verpassen, bei denen er nicht ignoriert werden darf.

So wie damals Mitte März. In einem langen und viel beachteten Twitter-Thread berichtete Jessica Brandenburger von einem Erlebnis im Grossen Rat. Wie bei einer Debatte über eine neue Fachstelle für sexuelle Gesundheit, als der betreffende Mann das Wort ergriff und sie und ihr Aussehen übelst beleidigte. «Er wurde für diese Aussage nicht zurechtgewiesen. Er konnte seinen Hass über mich und mein Aussehen frei rauslassen. Niemand hat in diesem Moment interveniert», schrieb Brandenburger. «Einmal mehr wurde mein Äusseres ungefragt kommentiert, herabgewürdigt und beleidigt. Einmal mehr hielt es ein Mann für nötig, mir seine Meinung über mein Äusseres mitzuteilen. Einmal mehr fühlte ich mich damit allein gelassen. Ich habe so was von genug davon.»

Beschränkte Mittel

«Bajour» und Telebasel berichteten danach über den Fall, ohne den Rechtsaussen-Politiker beim Namen zu nennen. In anderen Medien fand die Episode – gemäss ‹Gentlemens Agreement› – gar nicht statt. «Das System» wusste nicht so richtig, wie es reagieren sollte. Auch im Grossen Rat nicht, in dem Ratspräsident David Jenny (FDP) später den Vorfall bedauerte. Er hatte die Bemerkung des Politikers nicht gehört. Viel auszurichten vermag er so oder so nicht – er kann Ordnungsrufe gegen ungebührliches Verhalten aussprechen, mit dem dritten Ordnungsruf kann er jemand für die Dauer einer Sitzung verbannen. «Es ist eine sehr herausfordernde Situation», sagt Jenny. «Doch unsere Mittel sind am Schluss sehr beschränkt.»

Auch Jessica Brandenburger redet von der «mega schwierigen Balance». Von den Strategien, die sich viele Parlamentarierinnen zurechtlegen, und vom Stress, der allein durch die Präsenz des Mannes ausgelöst wird. «Man weiss nie, was er als nächstes sagt. Diese ständige Anspannung ist ziemlich anstrengend.»

Und das Problem beschränkt sich ja nicht nur auf den Ratsbetrieb, in dem eine Geschäftsordnung zumindest einen gewissen Rahmen bietet. Zu Beginn des Jahres postete der Mann ein Video, in dem er sich vor der Wohnung von Nationalrätin Sibel Arslan, man kann es nicht anders sagen, wie ein Schwein aufführte und die Nationalrätin aufs Gröbste beleidigte. «Blick» und «20 Minuten» spielten das Video auf ihrer Website, bis eine Intervention von Sibel Arslan und des Basler Zivilgerichts die weitere Verbreitung des Materials untersagte.

Ausschluss nicht möglich

Die Nationalrätin äusserte sich nach dem Vorfall nicht öffentlich. Dafür veröffentlichten die Liberalen Basel-Stadt, politisch gar nicht auf der gleichen Ebene wie die grüne Politikerin, ein sehr deutliches Statement. Die Partei verurteilte das «widerliche Verhalten» und forderte Sanktionen gegen den Politiker, konkret seinen Ausschluss aus dem Grossen Rat.

«Das ging einfach zu weit. In einem solchen Moment muss man hinstehen», sagt Patricia von Falkenstein, die Präsidentin der LDP. Tatsächlich hat die Partei danach abgeklärt, ob es eine juristische Handhabe gibt, um den Politiker von seinem Amt zu entfernen. «Wir haben das Projekt danach bleiben lassen. Ein solcher Vorstoss hätte juristisch keine Chance.» Das Volk bestimme, wer in den Grossen Rat gewählt werde. «Offenbar ist unsere Demokratie so grosszügig.»

Rechtlich besteht tatsächlich keine Handhabe gegen den Politiker. Ein Amt könne man nur nicht mehr ausüben, wenn eine Person eine umfassende Beistandschaft erhalte, erklärte Staatsrechtsprofessor Markus Schefer in der «Basler Zeitung». Und: «Es wäre missbräuchlich, wenn man aus politischen Motiven – in diesem Fall ein gewünschter Ausschluss – für jemanden eine Beistandschaft errichten will.»

Vorstoss geplant

In der Schweiz verliert man seine politischen Rechte nicht einfach so. Selbst als verurteilter Mörder nicht. Wer nicht dauernd urteilsunfähig ist, der kann gewählt werden.

Sibel Arslan stört sich daran. Dass Leute trotz einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Rassismus oder Sexismus zu einer Wahl antreten dürfen und danach bei der Gesetzgebung mitwirken, kann sie nicht nachvollziehen. Gemeinsam mit anderen Parlamentariern plant sie jetzt einen nationalen Vorstoss zu diesem Thema. «Bis sich rechtlich etwas ändert, bleibt uns wenig übrig, als immer dann Kante zu zeigen, wenn es nötig ist», sagt Arslan. Und jene zu unterstützen, die Opfer des Mannes werden. Jessica Brandenburger hat nach dem Vorfall im Grossen Rat zum ersten Mal überhaupt nach einem öffentlichen Auftritt ausschliesslich positive und aufbauende Nachrichten erhalten.

Für einmal funktionierte das System.



Warum wir den Namen des Politikers nicht nennen

In der politischen Laufbahn des hier beschriebenen Querulanten lässt sich ein Muster immer wieder aufzeigen: Ihm geht es ausschliesslich um Aufmerksamkeit – und er tut alles dafür, um diese zu bekommen. Aus diesem Grund verzichten viele Basler Medien in der Zwischenzeit darauf, überhaupt über ihn zu berichten. Mit jedem Bericht über ihn, mit jeder Erwähnung, wird er für seine Aktionen belohnt – und angestachelt, weitere zu unternehmen. Aus diesem Grund nennen wir in diesem Text weder seinen Namen noch zeigen sein Bild. Auch werden Kommentare, die seinen Namen nennen, nicht freigeschaltet.
(https://www.derbund.ch/wie-ein-querulanten-parlamentarier-ein-ganzes-system-lahmlegt-353915995329)