Medienspiegel 13. April 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Kantonales Integrationsprogramm – Programmperiode 2022 – 2023: Kantonales Integrationsprogramm wird verlängert
Der Regierungsrat hat das Umsetzungskonzept zum kantonalen Integrationsprogramm «KIP 2bis» für den Zeitraum 2022–2023 verabschiedet. Die Schwerpunkte im Bereich Bildung und Arbeit bleiben bestehen. Die Phase wird genutzt, um gewisse Bereiche zu evaluieren und zu optimieren.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2021/04/20210412_1304_kantonales_integrationsprogrammwirdverlaengert


+++GENF
« Ça marche comme ça ici. »
Alors que le chantier du futur centre fédéral de renvoi du Grand-Saconnex à Genève a démarré malgré la forte mobilisation qui s’est dressée contre ce bâtiment de haine, Le Silure publie ce témoignage diffusé sous forme de brochure lors de la manifestation « Non au centre de renvoi ! » qui avait réuni quelques 1500 personnes dans les rues de Genève le 3 octobre 2020.
https://renverse.co/infos-locales/article/ca-marche-comme-ca-ici-3020


+++GRAUBÜNDEN
Fallhäufung trotz Coronaimpfung
In einem Seniorenzentrum im Churer Rheintal wurde eine Häufung von Coronafällen festgestellt. Dabei handelt es sich um vier Bewohnerinnen und Bewohner, welche bereits im Februar 2021 vollständig geimpft worden waren. Das Gesundheitsamt analysiert derzeit die Fälle. Die betroffenen Personen haben milde Verläufe. Eine weitere Häufung von Coronafällen wurde im Ausreisezentrum Flüeli in Valzeina verzeichnet.
https://www.gr.ch/DE/Medien/Mitteilungen/MMStaka/2021/Seiten/2021040902.aspx
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-graubuenden/trotz-impfung-coronafaelle-im-altersheim?id=11963891 (ab 03:53)


+++SCHWEIZ
Coronavirus: Verlängerung vorübergehender Schutzmassnahmen im Asylbereich
Im Frühjahr 2020 hat der Bundesrat Massnahmen für den Schutz der Gesundheit aller am Asylverfahren beteiligten Akteure beschlossen. Damit stellte er sicher, dass auch im Asylbereich der Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus gewährleistet ist und gleichzeitig die Kernfunktion des Asylsystems, die Durchführung von Asyl- und Wegweisungsverfahren, sichergestellt bleibt. Am 13. April 2021 hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) die Vernehmlassung für eine Verlängerung der entsprechenden Verordnung bis zum 31. Dezember 2021 eröffnet. Diese dauert bis zum 27. April 2021.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83077.html


+++MITTELMEER
17 Migranten nach Motorschaden im Ionischen Meer gerettet
Die griechische Küstenwache entdeckte das in Seenot geratene Boot. Die Insassen wollten von Griechenland nach Italien gelangen
https://www.derstandard.at/story/2000125796136/17-menschen-im-ionischen-meer-nach-motorschaden-gerettet


+++ROTES MEER
Migration am Horn von Afrika: Flüchtlinge vor Jemen ertrunken
Zwischen Jemen und Dschibuti ist ein Boot mit Flüchtlingen gekentert. Die UN-Migrationsorganisation spricht von mindestens 42 Toten.
https://taz.de/Migration-am-Horn-von-Afrika/!5765179/


+++GASSE
Kann es in Basel ein absolutes Bettelverbot geben?
Nach einem Urteil am Gerichtshof für Menschenrechte lässt sich erahnen, wie ein Bettelverbot in Basel aussehen könnte. Ein Staatsrechtler schätzt die Lage ein.
https://telebasel.ch/2021/04/13/kann-es-in-basel-ein-absolutes-bettelverbot-geben


SP fordert Übernachtungsangebot für Bettler aus Osteuropa
Der Grosse Rat beschloss ein Bettelverbot. Aber die Regierung zögert mit der Umsetzung. Nun ist die Basler SP mit einem Papier vorgeprescht.
https://telebasel.ch/2021/04/13/sp-fordert-uebernachtungsangebot-fuer-bettler-aus-osteuropa


+++DROGENPOLITIK
nzz.ch 13.04.2021

«Entweder wir kontrollieren den Drogenmarkt, oder die Drogenmafia kontrolliert ihn» – die Zürcher FDP will Kokain und Heroin legalisieren

Die Stadtzürcher Freisinnigen haben ein brisantes Papier zur Drogenpolitik ausgearbeitet. Damit will die Partei den Umgang mit verbotenen Substanzen revolutionieren.

Florian Schoop, Jan Hudec, Fabian Baumgartner

Zürich Affoltern, Samstagnachmittag. Ein Mann fährt mit seinem Auto durchs Quartier. Seine unsichere Fahrweise fällt Fahndern der Kantonspolizei auf. Sie kontrollieren den 45-jährigen Touristen aus den Niederlanden. Bei der genaueren Kontrolle des Fahrzeugs finden sie schliesslich sechs Kilogramm Kokain. Strassenverkaufswert: über eine halbe Million Franken.

Am gleichen Wochenende schlagen die Ermittler im Kanton Aargau zu. An mehreren Orten dringen sie in Wohnungen ein, begleitet von Betäubungsmittel-Spürhunden. Diese führen die Polizisten zu vier Kilogramm Kokain. Später preisen die Behörden die Aktion als «einen der grössten Drogenfunde der vergangenen Jahre im Kanton Aargau».

Zehn Kilo Kokain, das klingt nach viel. Ist es aber nicht. Zehn Kilo Kokain, so viel wird laut Schätzungen in der Stadt Zürich innert wenigen Tagen konsumiert. Die beiden Fahndungserfolge zeigen: Hinter der riesigen Nachfrage nach Kokain steckt eine raffinierte Logistik verbrecherischer Banden. Fällt ein Händler aus, ist sofort ein anderer Lieferant da, um die Lücke zu füllen. Für die Sicherheitsbehörden ein nicht zu gewinnender Kampf.

Dieses Dilemma führt zur Frage: Ist die Schweizer Drogenpolitik noch zeitgemäss? Eine radikale Antwort präsentiert nun die Stadtzürcher FDP. Die Partei will Cannabis, aber auch harte Drogen wie Kokain oder Heroin reglementiert legalisieren. Dies geht aus einem Papier hervor, hinter das sich der Parteivorstand einstimmig stellt.

Der Kopf hinter der Sache ist der Zürcher Gemeinderat Marcel Müller. Aus seiner Sicht hat die heutige Drogenpolitik versagt. Die Prohibition sorge dafür, dass Drogen von kriminellen Banden auf dem Schwarzmarkt gehandelt würden, von denen die Konsumenten nicht genau wüssten, was sie überhaupt erhielten. Auch ein Jugendschutz könne nicht durchgesetzt werden. «Gleichzeitig ist es nie gelungen, den Konsum einzudämmen oder gar zu stoppen.» Deshalb sei es Zeit für einen Richtungswechsel in der Drogenpolitik.

Die Zürcher Freisinnigen wollen freilich nicht auf einen Schlag alle Schleusen öffnen. Die reglementierte Legalisierung würde in kleinen Schritten erfolgen und wissenschaftlich begleitet werden. Zunächst sollen der Eigenkonsum und der Besitz von Drogen für den Eigengebrauch straffrei werden. Dies wäre eigentlich bereits mit dem heutigen Gesetz der Fall. Da aber nur bei Cannabis festgelegt ist, wann es sich um eine «geringfügige Menge» handelt, wird der Besitz anderer Drogen heute in der Regel geahndet.

Als zweiten Schritt schlägt die Partei eine regulierte Freigabe von Substanzen vor. Das Ziel wäre, die Produktion, den Handel und den Verkauf von Betäubungsmitteln zu reglementieren – ähnlich, wie es heute beim Alkohol der Fall ist. Die Reglementierung soll sich schliesslich an diesen Kriterien orientieren: Suchtpotenzial, Gesundheitsgefährdung, Sozialverträglichkeit. Eine nationale Kommission soll gemäss dem Papier die Einschränkungen der einzelnen Drogen festlegen.

Am Beispiel Kokain würde das bedeuten, dass die Konsumenten nur eine bestimmte Menge kaufen können. Um die Mengenbeschränkung zu kontrollieren, müssten sich die Käufer registrieren lassen. Müller sagt: «Das müsste selbstverständlich datenschutzkonform und anonym passieren.» Gekauft werden könnten die Substanzen erst von Personen ab 18 Jahren. Zudem müssten die Bezüger in der Schweiz wohnen, damit ein Drogentourismus verhindert werden kann.

FDP lanciert Vorstösse in Zürcher Parlamenten

Um ihre Forderungen zu unterstreichen, wird die Partei mit politischen Vorstössen aktiv. Kantonsrat Marc Bourgeois hat am Montag eine Anfrage im Parlament eingereicht, am Mittwoch wird es ihm Marcel Müller im Zürcher Gemeinderat gleichtun. In seinem Vorstoss will Bourgeois wissen, wie der Kanton mit dem bundesrechtlich explizit legalen Besitz von «geringfügigen Mengen» einer Droge umgeht.

Bis jetzt wende der Kanton diese Vorgabe offenbar nur bei Cannabis-Produkten an, was klar gegen das Betäubungsmittelgesetz verstosse und erhebliche polizeiliche Ressourcen binde. Diese würden besser im Bereich der Drogenkriminalität eingesetzt, findet Bourgeois. Das kantonale Vorgehen signalisiere zudem, dass Cannabis unproblematischer sei als alle anderen Drogen. «Dies entspricht jedoch nicht den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen.»

Von einer bundesrechtskonformen Handhabung geringer Mengen erhofft sich Bourgeois neue Impulse für die seit den neunziger Jahren an Ort tretende Schweizer Drogenpolitik. «Es wäre ein erster kleiner Befreiungsschlag», sagt er. Für ihn ist klar: «Wir müssen einen Weg finden, der von der heutigen Prohibition wegführt. Wir wollen eine bessere Kontrolle und einen wirksamen Jugendschutz, gerade weil Drogen gesundheitlich und sozial schwerwiegende Folgen haben können.» Vom bisherigen Umgang mit Drogen profitiere einzig die organisierte Kriminalität – ohne, dass dem die Behörden viel entgegensetzen könnten.

Bevor Betäubungsmittel jedoch legal verkauft werden könnten, brauche es Pilotversuche, sagt Müller. So etwa, wie sie derzeit für Cannabis geplant sind. Dazu würden sich gerade die Städte gut eignen, findet er. «Zürich könnte hier eine Pionierrolle spielen. So wie es die Stadt schon in den neunziger Jahren im Umgang mit Heroin getan hat.» Müller kann sich vorstellen, dass bestimmte Drogen nur in Apotheken verkauft würden. Weniger gefährliche Substanzen dürften Konsumenten vielleicht auch bei zertifizierten Händlern beziehen.

Die Drogen selbst sollen zunächst ausschliesslich in der Schweiz hergestellt werden. Erst wenn sie legal im Ausland produziert würden, sei an einen Import zu denken. Der Weg der Substanzen müsse ab der Quelle lückenlos nachvollziehbar sein. «Es muss natürlich absolut ausgeschlossen werden, dass der Staat Drogen bei kriminellen Kartellen einkauft», sagt Müller.

Einer, der seit vielen Jahren für eine Legalisierung von Drogen plädiert, ist Michael Herzig. Der ehemalige Drogenbeauftragte der Stadt Zürich und heutige Dozent an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) begrüsst das FDP-Papier. «Es ist gut, dass endlich mal auf politischer Ebene über dieses Thema gesprochen wird.» Auch den vorgeschlagenen Weg der FDP unterstützt er. Vor allem was die Strafbefreiung anbelange, könne man bereits von anderen Ländern lernen – so etwa von Portugal, wo der Konsum illegaler Drogen seit über 15 Jahren straffrei sei. «Diese Massnahme hat zu keiner wesentlichen Zunahme der Konsumenten geführt, vor allem nicht bei den Jugendlichen.»

Aber was, wenn der Schuss bei diesem Experiment dennoch nach hinten losgeht? Braucht es dann eine Notbremse? «Wenn man Angst vor dem eigenen Mut bekommt, kann man eine solche natürlich einbauen», meint Herzig. Es sei jedoch so, dass die bestehende Drogenpolitik bereits sehr grosse Kollateralschäden verursache. Gepanschte Substanzen, erbarmungslose Drogenringe, geschädigte Konsumenten, die Prohibition habe viele Schattenseiten.

Herzig betont jedoch, man müsse sich bei jeder Droge die Frage stellen, wie man mit ihr umgehen wolle. Gewisse Substanzen dürften nicht zu niederschwellig abgegeben werden. Es brauche ein Mittelmass, keinen «Koks-Kiosk». Bei der Umsetzung dieses Balanceaktes setzt Herzig auf die Gemeinden: «Bereits in der Vergangenheit haben wir gesehen, dass in diesem schwierigen Feld auf kommunaler Ebene Veränderungen möglich waren.»

Drogenexperte ist skeptisch

Boris Quednow steht der Legalisierung insbesondere harter Drogen kritischer gegenüber. Der Professor für Experimentelle und Klinische Pharmakopsychologie an der Psychiatrischen Uniklinik Zürich hält zwar die Entkriminalisierung des Konsums für «überfällig». Die Prohibition dränge Suchtkranke in die Kriminalität und an den Rand der Gesellschaft. In einer breiteren Legalisierung, wie sie die FDP vorschlägt, sieht er jedoch diverse Probleme.

So glaubt Quednow nicht, dass damit der Jugendschutz gestärkt werden könnte. «Wir wissen ja, dass auch beim Alkohol und Tabak der Jugendschutz nicht funktioniert, und nehmen dies weitgehend so hin.» Auch das Papier der FDP weise nicht klar aus, wie die Jugend besser geschützt werden soll. Alterslimiten und andere Restriktionen könnten dazu führen, dass sich der Schwarzmarkt einfach nur auf die Jugendlichen verschiebe.

Überhaupt ist er skeptisch, ob der Schwarzmarkt bei einer Legalisierung verschwinden würde. So werde in Kanada, wo Cannabis legalisiert wurde, der Stoff weiterhin auch abseits der legalen Kanäle gehandelt. Quednow befürchtet zudem, dass der Drogenkonsum insgesamt zunehmen würde. «Es lässt sich klar zeigen, dass die Verfügbarkeit von Substanzen den Konsum reguliert.» Die Repression habe zweifellos ihre Nachteile, aber sie schränke immerhin die Verfügbarkeit ein.

Eine wissenschaftlich begleitete Legalisierung von Cannabis – gekoppelt mit einem Werbeverbot und einer verstärkten Präventionsarbeit insbesondere bei Jugendlichen – hält Quednow für einen gangbaren Weg. «Falls sich die Situation dadurch aber verschlechtern würde, sollten wir die Sache wieder rückgängig machen können.» Bei den harten Drogen ist das Abhängigkeits- und Schadenspotenzial aus seiner Sicht jedoch schlicht zu hoch für eine Legalisierung.

FDP-Gemeinderat Marcel Müller weiss, dass der Weg zu einer Drogenlegalisierung weit ist. «Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten, auch bei Mitgliedern unserer eigenen Partei.» Damit ein Umdenken stattfinde, müssten sich die Leute bewusst werden, wie viele Menschen Drogen konsumierten und welche negativen Folgen die Prohibition habe. Kantonsrat Marc Bourgeois formuliert es so: «Entweder wir kontrollieren den Drogenmarkt. Oder die Drogenmafia kontrolliert ihn – mit der bekannten Folgekriminalität.» Die Drogenmafia zögere nicht, Drogen an Jugendliche zu verkaufen. «Kontrollierte Verkaufsstellen hingegen werden dies nicht tun.»
(https://www.nzz.ch/zuerich/radikaler-vorschlag-fdp-will-kokain-und-heroin-legalisieren-ld.1611450)
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/fdp-will-mit-legalisierung-kriminelle-banden-zu-fall-bringen-141529425
-> https://www.blick.ch/politik/kokain-und-heroin-fuer-alle-stadtzuercher-fdp-will-saemtliche-drogen-legalisieren-id16457033.html



tagesanzeiger.ch 13.04.2021

Kokain, Heroin und EcstasyZürcher FDP will harte Drogen legalisieren

Die Drogenpolitik gehe an der Realität vorbei, kritisiert die FDP. Nun hat sie einen Plan veröffentlicht, der die schrittweise Entkriminalisierung von Drogen vorsieht.

Corsin Zander

Wer in Zürich Drogen konsumieren möchte, kann dies ohne grössere Probleme tun. Substanzen wie Kokain, Ecstasy, Ketamin, LSD oder Crystal Meth können bequem am Handy über einen Messengerdienst bestellt werden, wenige Stunden später wird die Ware per Kurier geliefert (lesen Sie hier mehr dazu). Das ist zwar illegal, und wenn die Polizei Kuriere oder Konsumentinnen erwischt, werden diese bestraft; doch die Strafverfolgungsbehörden hinken den Händlern, die mit Drogen viel Geld verdienen, stets hinterher.

Die Nachfrage nach Drogen ist offensichtlich gross. Schätzungen gehen davon aus, dass in Zürich im Schnitt jeden Tag rund zwei Kilogramm Kokain konsumiert werden.

Für die Zürcher FDP ist klar: Der heutige Umgang mit Drogen gehe an der Realität vorbei. Sie setzt sich für eine «pragmatische Drogenpolitik» ein, wie die NZZ am Dienstag berichtete. Das Ziel der Freisinnigen ist in einem ersten Schritt, dass der Eigenkonsum und Besitz von Betäubungsmitteln straffrei ist. In einem zweiten Schritt sollen die Produktion, der Handel und der Verkauf von Drogen stufenweise reglementiert werden. Dazu hat der Parteivorstand einstimmig einen Strategieplan verabschiedet.

Schweiz soll Drogen selber produzieren

Mit ihrem Plan will die FDP die Strafverfolgungsorgane entlasten, den Verkauf von Drogen kontrollieren und besteuern und den Jugendschutz verstärken. Auf Bundesebene sollen Betäubungsmittel kategorisiert werden, um zu bestimmen, ob man sie etwa über Apotheken oder Drogerien abgeben kann. Beziehen können sollen die Drogen Personen ab 18 Jahren, die in der Schweiz wohnen (um einen Drogentourismus zu verhindern) und die sich registrieren lassen. Die Substanzen sollen in der Schweiz produziert und zu einem Preis verkauft werden, der deutlich unter jenem liegt, der heute auf dem Schwarzmarkt verlangt wird. So zumindest der Plan der Zürcher FDP, der in vielen Punkten noch sehr vage ist.

«Wir wollen ein Impulsgeber sein», sagte FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois in einem Mediengespräch am Dienstag. Die fertige Lösung habe man noch nicht, doch im Trial-and-Error-Verfahren wolle man in 10 bis 15 Jahren zum Ziel kommen. Schon deutlich früher wolle man den Besitz von Drogen in «Kleinstmengen» legalisieren, ergänzte Marcel Müller, der die FDP im Zürcher Gemeinderat vertritt und die Arbeitsgruppe Drogenpolitik der Partei leitet.

«Geringfügige Mengen» sind heute schon straffrei

Im Betäubungsmittelgesetz heisst es, dass nicht bestraft werden kann, wer Drogen in «geringfügigen Mengen» besitzt. Was geringfügig heisst, ist aber bloss für Cannabis definiert (10 Gramm). Weil es bei anderen Drogen nicht klar ist, wird der Besitz laut Müller de facto in jedem Fall bestraft. Er wird am Mittwoch im Gemeinderat eine Anfrage einreichen und den Stadtrat fragen, wie man dies in der Stadt Zürich handhabe. Bourgeois und seine Kantonsratskollegin Angie Romero haben am Montag eine ähnliche Anfrage an den Regierungsrat gerichtet.

Die Anfragen sind die ersten konkreten Taten der Zürcher FDP in Bezug auf eine neue Drogenpolitik. Bisher hat die Partei nur davon gesprochen, etwas zu ändern. So kündigte sie vor über zwei Jahren an, alle Drogen legalisieren zu wollen. Ihr nun präsentierter Strategieplan sei das Resultat dieser Ankündigung, so Müller.

Weitverbreitete Forderung

Die Forderung nach der Legalisierung oder zumindest Regularisierung von Drogen ist nicht neu. Von den Jungsozialisten in Luzern über Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss (SP) und den jetzigen Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) bis zu den Freisinnigen in Basel haben Parteien und Politiker verschiedener Couleur in zahlreichen Kantonen schon für entsprechende Schlagzeilen gesorgt. 2017 forderte in Zürich die damalige Stadtzürcher Gesundheitsvorsteherin Claudia Nielsen die Legalisierung von Kokain. Eine Haltung, welche die Zürcher SP heute noch teilt: «Es freut uns, dass die FDP endlich eine alte SP-Forderung unterstützt. So können wir jetzt gemeinsam die Entkriminalisierung des Drogenkonsums in der Stadt Zürich und auf Bundesebene vorantreiben», sagt der Co-Präsident der Stadtzürcher SP, Oliver Heimgartner.

Tatsächlich geschehen ist in der Schweiz bisher relativ wenig. Zum Teil ist – wie im Kanton St. Gallen – der Begriff der «geringfügigen Menge» für einzelne Drogen genauer definiert und der Besitz bis zu einer gewissen Menge straffrei, aber sonst geht es kaum voran. Am weitesten ist man beim Cannabis. Schon seit über 15 Jahren wird in verschiedenen Städten über Pilotprojekte diskutiert, Cannabis unter kontrollierten Bedingungen abzugeben. Im nächsten Jahr dürfte in Zürich ein entsprechendes Projekt starten.

Cannabis ist in Ländern wie etwa Kanada, Uruguay oder den USA zumindest teilweise legalisiert. In Portugal ist der Besitz sämtlicher Drogen straffrei. Aber sonst hat man noch wenig Erfahrungswerte aus jüngerer Zeit. In Grossbritannien konnte man bis 1971 Heroin in der Apotheke kaufen, die Anzahl der Abhängigen war dort trotzdem deutlich kleiner als in anderen Ländern, welche Drogen längst kriminalisiert hatten.

Viele Suchtexperten sind der Meinung, man müsse den Umgang mit Drogen lockern. So sagte der renommierte Zürcher Drogenforscher Boris Quednow kürzlich in dieser Zeitung: «Mit der Entkriminalisierung des Konsums bin ich absolut einverstanden, auch bei harten Drogen.» Vor einer völligen Legalisierung warnte er aber. Die Schweiz solle erst die Erfahrungen anderer Länder abwarten.



Illegale Drogen, die anonym übers Handy bestellbar sind, können gerade für Jugendliche reizvoll sein. Das Drogeninformationszentrum (DIZ) rät Eltern generell dazu, gegenüber ihren Kindern Interesse für deren Onlineaktivitäten zu zeigen. Eine Kontrolle und Überwachung des Verhaltens auf dem Smartphone führe aber erfahrungsgemäss dazu, dass sich die Kinder von den Eltern zurückziehen. Bei einem Verdacht ist es wichtig, nicht in Panik auszubrechen und vorschnelles und unüberlegtes Handeln zu unterlassen: Den Konsum nicht verteufeln, sondern das Gespräch suchen. Das DIZ bietet dafür Sprechstunden für Angehörige an.

Weitere Links zu Beratungsangeboten:

– Die Suchtfachstelle Zürich bietet auch in der Pandemie persönliche Beratungsgespräche.
– Safezone ist eine Onlineberatungsstelle, die Anonymität garantiert.
– Ada ist auf Angehörigenberatung im Umfeld Sucht spezialisiert.
(https://www.tagesanzeiger.ch/zuercher-fdp-will-harte-drogen-legalisieren-855312705391)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Druck auf Berner Kundgebungsverbot – RaBe-Info 13.04.2021
10 Organisationen und Parteien haben beim Bundesgericht Beschwerde gegen das faktische Kundgebungsverbot im Kanton Bern eingereicht.
https://rabe.ch/2021/04/13/druck-auf-kundgebungsverbot/



derbund.ch 13.04.2021

Analyse zum Berner Kundgebungsverbot: Demos müssen jetzt wieder möglich sein

Der Kanton Bern verbietet seit mehr als vier Monaten faktisch politische Kundgebungen, obwohl sie der Bundesrat explizit erlaubt. Stossend ist auch die fehlende Verhältnismässigkeit.

Andreas Weidmann

Das Recht auf Leben und der Schutz der Gesundheit gehören zu den höchsten Gütern. Der Staat versucht, sie in der Pandemie so gut wie möglich zu schützen. Das geht bekanntlich nicht ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Das Ziel der Schweizer Pandemiepolitik war bisher, das Gleichgewicht zu finden zwischen einem möglichst guten Gesundheitsschutz und einer Minimierung der Nebenwirkungen.

Im besonders heiklen Bereich der politischen Grundrechte, nämlich bei der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, hat der Bundesrat dabei viel Augenmass bewiesen: Seine Covid-Verordnung schliesst politische Kundgebungen explizit vom Verbot von Versammlungen mit mehr als 15 Personen aus. Stattdessen belässt es der Bundesrat für Demonstrationen bei einer simplen Maskenpflicht. Politischen Kundgebungen misst er explizit hohe «grund- und staatsrechtliche Bedeutung» zu.

Anders die Berner Kantonsregierung: Auf Betreiben des freisinnigen Sicherheitsdirektors Philippe Müller erliess sie im letzten Dezember ein Verbot von Kundgebungen von mehr als 15 Personen – zunächst befristet auf einen Monat. Seither wurde das Verbot dreimal verlängert.

Die Kantonsregierung begründete das Verbot, das analog auch der Kanton Zürich kennt, mit dem «hohen gesundheitlichen Risiko» von Versammlungen. Das Coronavirus sei unpolitisch und unterscheide nicht, ob die Menschen aus Geselligkeit oder mit einer politischen Argumentation zusammenkämen, argumentiert der Sicherheitsdirektor und verweist darauf, dass Abstands- und Maskenpflicht bei Kundgebungen «häufig missachtet» würden.

Nachdem zunächst kaum Kritik laut geworden ist, beklagen inzwischen nicht nur linke und rechte Politiker die empfindliche Einschränkung eines Grundrechts, sondern auch namhafte Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler. Mehrere Organisationen und Einzelpersonen rufen das Bundesgericht an. Zu Recht. Es ist wichtig, dass sich das höchste Gericht in dieser Angelegenheit verlauten lässt – dies selbst dann, wenn das Verbot bis zu seinem Urteil schon wieder Geschichte sein sollte.

Die Begründung des Kantons Bern dürfte bereits aus formaljuristischen Gründen kaum standhalten. Aus Sicht vieler Experten ist die Regelung des Kantons Bern nichtig, da der Bund die Frage der Kundgebungen bereits erschöpfend regelt. Der Kanton kann sein scharfes De-facto-Verbot auch nicht mit einer im Vergleich mit der Restschweiz besonders schwierigen epidemiologischen Lage rechtfertigen.

Vor allem aber stellt sich grundsätzlich die Frage der Verhältnismässigkeit: Das sieht offenkundig auch der Bundesrat so, indem er Kundgebungen explizit vom Veranstaltungsverbot ausnimmt.

Zumindest wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Masken tragen, rechtfertigt kein überwiegendes öffentliches Interesse ein grundsätzliches Verbot. Dies gilt umso mehr, weil jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hindeuten, dass das Risiko, sich draussen mit dem Coronavirus anzustecken, vergleichsweise klein ist.

Völlig unhaltbar ist es, präventiv gleich alle Kundgebungen zu verbieten – mit dem Argument, dass sich bei gewissen Demonstrationen Teilnehmer nicht an die Maskenpflicht halten. Der Staat hat die Mittel, im Einzelfall Auflagen zu machen, diese durchzusetzen oder eine Kundgebung zu verbieten, die absehbar aus dem Ruder laufen würde. Stattdessen hat die Berner Polizei am 19. März eine friedliche Kundgebung der Klimajugend aufgelöst, deren Teilnehmer nicht nur Masken trugen, sondern sich sogar auf Kleingruppen aufteilten. Solche Bilder sind kein Ruhmesblatt für ein freiheitliches Land.

Es geht nicht darum, mit einer Lockerung Covid-Krawallanten zu schützen. Kundgebungen, gerade in der Bundesstadt, spielen eine wichtige Rolle im Meinungsbildungsprozess, ihre Funktion kann auch nicht einfach an die sozialen Medien delegiert werden. Weil sie anders als ein Tweet oder ein Facebook-Post von den Mächtigen weniger ignoriert werden können, weil ihre Wirkung im geografischen Epizentrum der Schweizer Politik ungleich direkter und wirkungsmächtiger ist.

Man muss nicht die Weltsicht von Corona-Skeptikern oder gar Verschwörungstheoretikern teilen, um zu erkennen: Einfach verbieten geht hier – anders als bei einer x-beliebigen Spontanparty – nicht. Nicht nur, aber gerade auch in Pandemiezeiten.
(https://www.derbund.ch/demos-muessen-jetzt-wieder-moeglich-sein-845507850164)



Über Tausend Franken Busse für Mini-Demonstration in Basel
Während die Polizei vor ein paar Wochen bei Demonstrationen in Liestal und Basel ein Auge zudrückte, obwohl Tausende verbotenerweise ohne Masken und Abstand demonstrierten, bekommen die Organisatoren einer Mini-Demonstration die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/ueber-tausend-franken-busse-fuer-mini-demonstration-in-basel?id=11965016


Direkte Aktion gegen Gentrifizierung in Bremgarten AG
Wie in allen Städten wütet auch in Bremgarten das Ungeheuer der Gentrifizierung in Form von einigen reichen Investoren. Letzte Woche wurde mittels einer Transparent- und Plakat-Aktion gegen die zunehmende Gentrifizierung – unter anderem durch die Marco Polo Business Apartments AG – Widerstand geleistet.
https://barrikade.info/article/4389


Update: Das besetzte Autonome Zentrum Il Molino ist von Räumung bedroht
https://barrikade.info/article/4391


An das Umfeld der Verstorbenen
Es war eine Zeitungsmeldung: Sprayerin auf der Flucht vor der Polizei gestorben. Die Nachricht hat uns sehr betroffen gemacht, obwohl wir die Verstorbene nicht persönlich kannten.
https://barrikade.info/article/4392


Law and Order in St.Gallen
Wie die Polizei versucht junge Aktivist*innen in St. Gallen einzuschüchtern.
Die Stadtpolizei St. Gallen hat in den vergangenen Wochen und Monaten die Corona-Schutzmassnahmen wiederholt genutzt, um linke Bewegungen und Einzelpersonen zu schickanieren und kriminalisieren. Die nachfolgend geschilderten Fälle, mögen einzeln für sich betrachtet Unbedeutend erscheinen. Als ganzes und in der Summe zeigen sie jedoch ein klares Bild. Selbst die kleinste Form emanzipatorischem Denkens und Protestes soll stigmatierst und unterdrückt werden. Diese Haltung seitens Polizei und Staatsanwaltschaft hat zu mehreren Fällen von Repression und unverhältnismässiger Machtanwendung geführt. Dieser Text soll eine nicht abschliessende Auflistung der Vorfälle der letzten 18 Monate bieten und einige grundsätzliche Sachen bezüglich des persönlichen Verhaltens in Erinnerung rufen.
https://barrikade.info/article/4353


+++ANTITERRORSTAAT
PMT: Besserer Schutz der Bevölkerung vor Terrorismus
Das Parlament hat im September 2020 das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) verabschiedet. Dieses soll es der Polizei ermöglichen, bei konkreten und aktuellen Anhaltspunkten für terroristische Aktivitäten frühzeitig einzuschreiten. Mit den präventiv-polizeilichen Massnahmen wollen Bundesrat und Parlament bei der Terrorismusbekämpfung eine Lücke schliessen, um die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen. Gegen das Gesetz wurde das Referendum ergriffen, die Abstimmung findet am 13. Juni 2021 statt.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83070.html
-> Medienkonferenz: https://www.youtube.com/watch?v=eBIWtRGIbNo&list=PLEnHzNShzOwY9hO6PHz6gH-VwHW-Ge4Gq&index=1
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/karin-keller-sutter-wirbt-fur-anti-terror-gesetz-65905593
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/anti-terror-gesetz-keller-sutter-plaediert-fuer-annahme-des-terrorismus-gesetzes
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/schutz-der-bevoelkerung-vor-terrorismus-soll-verbessert-werden?id=e7a91960-6331-4fde-ad97-44ce9542d730
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/bundesrat-befuerwortet-terrorismus-gesetz?urn=urn:srf:video:244c17fe-6afd-4403-bb74-6e2e6b228ec1
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/abstimmung-im-juni-kks-wirbt-fuer-terrorismus-gesetz-141529104


Nein-Komitee sieht Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Gefahr
Laut Vertreterinnen und Vertreter von Jungparteien, dem Uno-Ausschuss für die Rechte des Kindes und Amnesty International ist das Anti-Terrorgesetz zu vage.
https://www.nau.ch/news/schweiz/nein-komitee-sieht-rechtsstaatlichkeit-und-menschenrechte-in-gefahr-65905755
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/189541/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/referendum-anti-terror-gesetz-nein-komitee-kritisiert-vage-definitionen
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/schutz-der-bevoelkerung-vor-terrorismus-soll-verbessert-werden?id=e7a91960-6331-4fde-ad97-44ce9542d730
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/meinungen-zu-neuen-antiterrorgesetz-gehen-weit-auseinander-141529446
-> https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/polizei-abstimmungskampf-lanciert-gegner-warnen-vor-polizeistaat-ld.2124452
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/fokus-neues-terrorismus-gesetz-entfacht-debatte-um-gefaehrder?urn=urn:srf:video:97704f77-f08c-402c-b1b6-819c740bbf23



nzz.ch 13.04.2021

Nach Niederlagen bei Burkaverbot und ID-Gesetz muss Karin Keller-Sutter wieder kämpfen: Das Anti-Terror-Gesetz kommt aus mehreren Richtungen unter Beschuss

Um terroristische Gefährder besser kontrollieren zu können, soll die Polizei präventiv eingreifen können. Darüber wird im Juni abgestimmt. Gegner mahnen: Auch Klimaaktivisten und Covid-19-Skeptiker könnten betroffen sein. Doch Bundesrätin Keller-Sutter verteidigt die Vorlage.

Daniel Gerny

Vor ziemlich genau fünf Jahren fällte das Bundesstrafgericht einen aufsehenerregenden Entscheid: Es verurteilte drei Iraker wegen Unterstützung der Terrorgruppe Islamischer Staat zu mehrjährigen Gefängnisstrafen. Unter den Verurteilten befand sich Wesam A., der einem Freund bei der Verbreitung von IS-Botschaften via Facebook geholfen hatte. A., ein Mitglied der Schaffhauser IS-Zelle, kam schon kurze Zeit nach dem Urteil frei, weil er seine Freiheitsstrafe in Anrechnung der Untersuchungshaft bereits verbüsst hatte.

Strafe verbüsst, aber weiterhin gefährlich

Weil Wesam A. noch immer als gefährlich galt, verfügte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) die Ausweisung und setzte ihn in Ausschaffungshaft. Gegen diese Haft wehrte sich dieser vor Bundesgericht erfolgreich. Auch die Ausschaffung scheiterte, weil diese das Non-Refoulement-Verbot verletzt hat. Im Februar hat ihm das Bundesverwaltungsgericht gegen den Willen des Staatssekretariats für Migration die vorläufige Aufnahme gewährt. Das Fedpol hielt damals gegenüber der NZZ fest, es halte Wesam A. weiterhin für gefährlich.

Aus dem Blickwinkel der Polizei ist offensichtlich, dass dies den Sicherheitsbedürfnissen widerspricht. Der Fall von Wesam A. trug wesentlich zu einem Anti-Terror-Gesetz bei, über das am 13. Juni abgestimmt wurde. Auch Justizministerin Karin Keller-Sutter sprach die Schaffhauser IS-Zelle an, als sie am Mittwoch vor den Medien die Abstimmungskampagne für das Gesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) eröffnete. Nachdem Keller-Sutter im März bei der Burka-Initiative und beim E-ID-Gesetz eine doppelte Niederlage kassiert hatte, steht sie bereits im nächsten wichtigen Abstimmungskampf.

Die Anti-Terror-Vorlage setzt dort an, wo Präventionsmassnahmen zur Verhinderung von Radikalisierung versagt haben, aber das Strafrecht nicht greift. Im Fokus sind nicht nur Leute wie Wesam A., die sich in der Vergangenheit bereits strafbar gemacht haben. Häufiger dürften Personen ohne Vorstrafen betroffen sein, die sich aber in einschlägigen Milieus radikalisieren und sich auf direktem Weg zu terroristischen Aktivitäten befinden.

Auch Staatskritiker und Klimaaktivisten im Visier?

Das Gesetz spricht hier etwas unscharf von «terroristischen Gefährdern». Wenn aufgrund «konkreter und aktueller Anhaltspunkte» davon ausgegangen muss, dass es zu terroristischen Aktivitäten kommt, soll die Polizei künftig eingreifen können. Als terroristische Aktivität gelten laut Gesetz «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung» durch die «Begehung oder Androhung von schweren Straftaten» oder die «Verbreitung von Angst und Schrecken».

Dass das Gesetz gleich von mehreren Seiten unter Beschuss gerät, liegt unter anderem an dieser Definition. Sie sei so unpräzise, dass Willkür Tür und Tor geöffnet sei. Es könnten Kreise ins Visier geraten, die mit eigentlichem Terrorismus nichts zu tun hätten. Neben Islamisten könnten auch unliebsame Politiker, Journalisten, Staatskritiker und Klimaaktivisten als Terroristen gelten, argumentiert das Nein-Komitee, das am Dienstag seine Kampagne ebenfalls startete. Ausserdem sei damit eine abschreckende Wirkung bei der Ausübung der Meinungsäusserungsfreiheit verbunden.

Dieser Auffassung widersprach Keller-Sutter entschieden. Das neue Gesetz komme nur im Zusammenhang mit Terrorismus zur Anwendung. Auch links- oder rechtsextreme Kreise, die sich allenfalls der Sachbeschädigungen oder des Hausfriedensbruchs schuldig machten, seien davon nicht betroffen. Präventivpolizeiliche Massnahmen nach neuem Recht könnten nur angeordnet werden, wenn elementare Werte des Rechtsstaates und die Demokratie bedroht würden.

Nicht nur bei den linken Parteien, die sich traditionell stark gegen den Ausbau von polizeilichen Massnahmen wehren, stösst das PMT-Gesetz aber auf starke Ablehnung. Auch bei vielen Covid-19-Massnahmen-Skeptikern ist die Vorlage Ausdruck für einen angeblichen Überwachungsstaat, dem jedes Mittel recht ist, um seine Linie im Umgang mit dem Coronavirus durchzuziehen.

Laut Keller-Sutter mit der EMRK vereinbar

Gruppierungen wie die «Freunde der Verfassung» haben Tausende von Unterschriften gesammelt – und so sichergestellt, dass das Referendum überhaupt eingereicht werden konnte. Kritiker gibt es aber auch unter klassischen Liberalen. Das Gesetz gefährde die Grundrechte, argumentieren sie. Die FDP unterstützt die Vorlage ihrer Bundesrätin Keller-Sutter zwar mit deutlicher Mehrheit – doch immerhin ein Fünftel der Delegierten lehnt das Gesetz ab.

Tatsächlich geht vor allem eine der im Gesetz vorgesehenen Massnahmen äusserst weit: Gefährdern kann es in Zukunft verboten werden, eine bestimmte Liegenschaft zu verlassen. Dies während maximal neun Monaten, wobei die Massnahme jeweils nach drei Monaten von einem Gericht verlängert werden muss. Ein solcher Hausarrest stellt eine Freiheitsbeschränkung dar, die je nach Ausgestaltung einer Haft recht nahe kommt.

Laut Bundesrätin Keller-Sutter soll der Hausarrest aber nur das letzte Mittel sein. Er kommt nur infrage, wenn alle anderen Massnahmen versagt haben und der Betreffende bereits gegen Auflagen verstossen hat. Für Arztbesuche, Ausbildung oder für familiäre Pflichten darf die Liegenschaft mit Zustimmung des Fedpol überdies verlassen werden. Dank diesen strengen Vorgaben sei die Massnahme mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar, erklärte Keller-Sutter.

Im Kebab-Lokal erstochen

Mit wie vielen Fällen von Hausarrest nach Annahme des Gesetzes zu rechnen ist, bleibt aber offen. Dies hänge von der Bedrohungslage ab, erklärte, Nicoletta della Valle, Leiterin des Fedpol. Auch auf die Frage, ob Anschläge wie jener in Morges (Waadt) im vergangenen September hätten mit dem neuen Gesetz verhindert werden können, geben sich die Behörden wortkarg. Damals hat ein nachrichtendienstlich bekannter Mann in einem Kebab-Lokal einen 29-jährigen Gast erstochen.

Laut Justizministerin Keller-Sutter ist es zwar das Ziel des neuen Gesetzes, in solchen Situationen schneller eingreifen zu können – aber 100-prozentige Sicherheit gebe es auch in Zukunft nicht. Für das Fedpol zeigen Fälle wie jener von Morges vor allem, dass es auf das Zusammenspiel verschiedener Massnahmen ankommt. Das Anti-Terror-Gesetz füge sich in ein ganzes Massnahmenpaket ein, das auch weiche Präventionsarbeit durch soziale Institutionen erfasse. Erst wenn sämtliche sozialen, erzieherischen und therapeutischen Massnahmen scheiterten, komme es zum Zug.
(https://www.nzz.ch/schweiz/nach-niederlagen-bei-burkaverbot-und-id-gesetz-muss-karin-keller-sutter-wieder-kaempfen-das-anti-terror-gesetz-kommt-aus-mehreren-richtungen-unter-beschuss-ld.1611646)


+++POLICE BE
bernerzeitung.ch 13.04.2021

Neue Berner Ortspolizei: So stellt sich Reto Nause die Berner Bobbys vor

Der Berner Sicherheitsdirektor will tagsüber teils auf unbewaffnete Berner Ortspolizisten anstatt auf die Kantonspolizei setzen – und so jährlich 500’000 Franken sparen.

Benjamin Bitoun

Auf der Suche nach Sparmöglichkeiten dreht der Berner Gemeinderat bekanntlich derzeit jeden Stein um – und wurde dabei auch bei einem heiklen Bereich fündig, der gerade in der Bundesstadt immer wieder zu reden gibt: bei der öffentlichen Sicherheit.

Konkret will der Gemeinderat die städtischen Polizeiausgaben um jährlich 500’000 Franken kürzen, indem er bei der Kantonspolizei weniger Patrouillenstunden einkauft. Heikel daran: Mit der Annahme der Initiative «Für eine sichere Stadt Bern» haben sich die Berner Stimmberechtigten 2010 für mehr Polizeipräsenz ausgesprochen. Baut die Stadt demnach entgegen dem Volkswillen Polizeipräsenz ab?

«Damals war die Stadt Bern auch noch nicht in einer dermassen schwierigen finanziellen Lage», hält Gemeinderat Reto Nause (die Mitte) dagegen. Trotzdem soll ein Abbau wenn möglich verhindert werden. Dazu schwebt dem städtischen Sicherheitsdirektor der Aufbau einer Ortspolizei vor – eine Art Bobbys für Bern.

Genau genommen wäre es kein Aufbau von null an, denn eine Ortspolizei gibt es bereits: die Orts- und Gewerbepolizei. Sie umfasst derzeit sieben Stellen. Um die wegfallenden 20’000 zusätzlichen Patrouillenstunden aber kompensieren zu können, die die Stadt über einen Zusatzvertrag bei der Kantonspolizei einkauft, bräuchte Bern neu etwa 14 Ortspolizisten. Diese Truppengrösse entspreche in etwa seiner Vorstellung, bestätigt Nause. Er betont: «Unter dem Strich wird es in Bern nicht weniger Polizeipräsenz geben.»

Dem Berner Sicherheitsdirektor zufolge ist es demnach der Wechsel des Personals und nicht die Reduktion der Einsätze, mit dem die Stadt eine halbe Million Franken sparen kann. Der Grund: Ein Berner Kantonspolizist kostet pro Stunde rund hundert Franken. «Da ist ein Orts- und Gewerbepolizist deutlich billiger», sagt Nause.

Unbewaffnet im Einsatz

Ob der Betrag eingespart werden kann, wird sich erst zeigen, denn noch wird sich das Stadtparlament über das Berner Sparpaket und die darin enthaltenen Einzelvorschläge des Gemeinderats beugen. Was hingegen schon jetzt feststeht: Die Berner Bobbys würden unbewaffnet patrouillieren. Denn gemäss dem Berner Polizeigesetz liegt das Gewaltmonopol ausschliesslich bei der Kantonspolizei.

Reto Nause bestätigt dies. Dennoch würde es sich bei den Ortspolizisten nicht um eine Kuscheltruppe ohne Befugnisse handeln, so der Sicherheitsdirektor. «Bereits in der Vergangenheit hat die Orts-und Gewerbepolizei in Bern beispielsweise Bussen für Littering verteilt.»

Zentral sei, dass die Mitarbeitenden der neuen Ortspolizei entsprechend ihren Kompetenzen eingesetzt würden. Präsenz markieren am Tag, hinsehen und nötigenfalls die Kantonspolizei alarmieren; oder aktuell an das Einhalten der Pandemieregeln zu erinnern: «Dafür braucht es nicht zwingend eine bewaffnete Truppe», sagt Nause. Ein Blick ins Ausland zeige: Eine solche Strategie könne aufgehen. «Die Bobbys in London sind nicht bewaffnet und funktionieren trotzdem.»

Kein Zurück zur Stadtpolizei

Kündigen will die Stadt indes nur den – kleineren – Zusatzvertrag mit der Kantonspolizei. Der Ressourcenvertrag, der die restlichen Leistungen der Kapo umfasst, die bis zu ihrer Abschaffung im Jahr 2008 von der Berner Stadtpolizei geleistet wurden, bliebe bestehen. Nause: «Der Ressourcenvertrag ist eine Erfolgsgeschichte und wird nicht angetastet.»

Damit tritt der Sicherheitsdirektor Munkeleien entgegen, die Stadt benutze den aktuellen Spardruck, um durch die Hintertür die Stadtpolizei wieder einzuführen. Eine Forderung, die gerade in linken Kreisen regelmässig geäussert wird, sobald Kritik an Einsätzen der Kapo laut wird.

Zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: 2018 verlangten beispielsweise die Berner Jungsozialisten und die Mediengruppe der Reitschule die Wiedereinführung der Stadtpolizei vom Berner Parlament. Und mit ihrem Vorstoss für eine bürgernahe Polizei zielte auch die SP/Juso-Stadtratsfraktion im letzten Jahr in eine ähnliche Richtung.

Selbst aus regierungsnahen Kreisen ist regelmässig zu vernehmen, dass es gerade Polizisten aus Berner Landgemeinden oftmals einfach an der nötigen Sensibilität im Umgang mit städtischen Phänomenen wie etwa der Reitschule oder jungen Aktivistinnen und Aktivisten fehle.

Die Rambos vom Lande? «Das Argument ist an den Haaren herbeigezogen», entgegnet Reto Nause. Schliesslich handle es sich bei den städtischen Einsatzleitern allesamt um erfahrene Stadtpolizisten. Zudem sei es schon früher so gewesen, dass die Stadtpolizei bei heiklen Kundgebungen auf Unterstützung von Polizisten aus dem gesamten Kanton angewiesen gewesen sei. Ein Blick auf die jüngsten Ausschreitungen in St. Gallen mache klar: Allein könne eine Stadtpolizei heutzutage den Aufwand nicht mehr stemmen.

Nicht nur dem Gerücht, sondern auch der Wiedereinführung einer Berner Stadtpolizei erteilt der Sicherheitsdirektor eine klare Absage. Eine solche sei «illusorisch und derzeit gesetzlich unmöglich». Erstens bräuchte es dafür eine Änderung des kantonalen Polizeigesetzes. Und zweitens müsste die komplexe Verschmelzung der städtischen und kantonalen Polizeikorps wieder rückgängig gemacht und ein neues Korps aufgebaut werden. Eines, das aber von Grösse, Kompetenzen und Möglichkeiten her niemals eine attraktive Alternative zur Kapo darstellen könnte. «Wir würden letztlich viel mehr für viel weniger Leistung zahlen», sagt Reto Nause.
(https://www.bernerzeitung.ch/so-stellt-sich-nause-die-berner-bobbys-vor-719929859318)



Reto Nause will mehr unbewaffnete Ortspolizisten
Im Rahmen der Sparmassnahmen will der Sicherheitsdirektor die städtischen Polizeiausgaben um 500’000 Franken kürzen und einen Teil der Kantonspolizei durch unbewaffnete Ortspolizisten ersetzen. Dieser Sparvorschlag des Gemeinderats geht jetzt zum Stadtrat.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/reto-nause-will-mehr-unbewaffnete-ortspolizisten-141529572



derbund.ch 12.03.2021

Weniger Kantonspolizei: Nauses neuer Anlauf mit Bobbys für Bern

Mehr Orts- und dafür weniger Kantonspolizei: So will der Berner Gemeinderat eine halbe Million Franken sparen.

Bernhard Ott

Es war einer der ersten Vorstösse des einstigen Stadtrates Reto Nause (CVP). Die Stadt Bern solle nach britischem Vorbild eine Truppe von «Berner Bobbys» bilden, forderte der Parlamentarier vor dreizehn Jahren. Bobbys verrichteten mit Schlagstock zur Selbstverteidigung und «ansonsten unbewaffnet» Patrouillendienst. Der Bobby wisse durch seine «ungezwungenen und freundlichen Kontakte», wo die Bürgerinnen und Bürger der Schuh drücke. Nach seiner Wahl in den Gemeinderat zog Nause den Vorstoss allerdings kommentarlos zurück. Vermutlich wollte er ihn nicht selber beantworten.

Keine neue Stadtpolizei

Nun holt den langjährigen Sicherheitsdirektor das Thema wieder ein: Die Stadtregierung will bei der Kantonspolizei weniger Patrouillen einkaufen und damit eine halbe Million Franken sparen. Dafür muss sie die Zusatzvereinbarung zum Ressourcenvertrag mit der Kantonspolizei teilweise kündigen. Weil sich die Stimmbevölkerung vor zwölf Jahren für mehr Polizeipräsenz ausgesprochen hat, will der Gemeinderat die Patrouillen mit eigenen Ressourcen durch einen «Ausbau der Ortspolizei-Präsenz» kompensieren. «Wir wollen versuchen, die wegfallenden Patrouillen mit eigenem und auch neuem Personal zu ersetzen», sagt Nause. Die Vermutung einer Wiedereinführung der Stadtpolizei durch die Hintertür weist er von sich. «Wir können vom Gesetz her keine neue bewaffnete Polizeitruppe aufstellen.»

Es handle sich vielmehr um einen Versuch, die Polizeipräsenz «mit anderen Mitteln» aufrechtzuerhalten. Nause weist dabei auf London hin, wo die Bobbys als «unbewaffnete Truppe» unterwegs seien und auf die Mittel des Dialogs setzten.

Laut Nause sind in der Ortspolizei zurzeit sieben Personen beschäftigt. Sie befassen sich zum Beispiel mit dem Taxiwesen, den Märkten und dem Littering. Um wie viele Personen diese Truppe aufgestockt werden müsste, kann der Sicherheitsdirektor noch nicht sagen. Schliesslich werde zuerst das Stadtparlament über das Sparpaket befinden. Trotz der notwendigen Neueinstellungen könne der Spareffekt von einer halben Million Franken aber «unter dem Strich» realisiert werden, versichert Nause.

Wenig Kompetenzen

Auch zum Profil, zur Ausbildung und zu den Kompetenzen der Patrouillen kann Nause noch nichts sagen. Die Ortspolizei kann heute zwar Ausweise kontrollieren, aber niemanden mit Zwangsmitteln festhalten. Im Notfall sei die Kantonspolizei jedoch rasch zur Stelle. Und zur Selbstverteidigung verfüge die Ortspolizei auch über Pfefferspray. «Klar, Patrouillen auf der Kleinen Schanze nach 23 Uhr werden kaum zur Aufgabe der Truppe gehören», sagt Nause.

Der Gemeinderat hat den Vorstoss von Parlamentarier Nause einst abgelehnt. Denn Polizeipatrouillen hätten nicht nur «bürgernahe Arbeit» zu verrichten. Sie hätten auch repressive Aufgaben im Bereich Drogen-, Vermögens- und Verkehrsdelikte. «Für diese Aufgaben braucht es eine fundierte und umfassende Ausbildung, weswegen primär voll ausgebildete Polizistinnen und Polizisten infrage kommen», hielt der Gemeinderat damals fest.
(https://www.derbund.ch/nauses-neuer-anlauf-mit-bobbys-fuer-bern-395066043870)


+++POLICE DE
«Fast jeder Polizist hat eine Leiche im Keller, weil jeder mal was falsch gemacht hat, was vertuscht wurde»
Die rechtsextremen Vorfälle in der deutschen Polizei reissen nicht ab. Dazu kommen Alltagsrassismus, linke Feindbilder, keine Fehlerkultur, Gewaltexzesse. Was ist da los? Gespräch mit einem, der es wissen muss: Thomas Feltes, Polizeiwissenschaftler und einstiger Rektor einer Polizeihochschule.
https://www.republik.ch/2021/04/13/fast-jeder-polizist-hat-eine-leiche-im-keller-weil-jeder-mal-was-falsch-gemacht-hat-was-vertuscht-wurde


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Nach Corona-Skeptiker-Demo in Altdorf: Hetze gegen Luzerner Pfefferspray-Polizistin
Nach der Demo von Altdorf ist eine Polizistin zur Hass-Figur einiger Corona-Skeptiker geworden. Im Netz wird sie übelst denunziert. Der Polizeiverband fordert rechtliche Schritte. Ihr Arbeitgeber wartet ab.
https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/nach-corona-skeptiker-demo-in-altdorf-hetze-gegen-luzerner-pfefferspray-polizistin-id16456887.html
-> https://www.zentralplus.ch/corona-skeptiker-hetzen-gegen-luzerner-polizistin-2058765/


Neuer Anlauf für Corona-Demo in Rapperswil (ab 05:31)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/eventbranche-laufen-wegen-corona-mitarbeiter-davon?id=11965427


Aarau und Wettingen untersagen Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen. Der Wettinger Gemeindeammann ist sich bewusst, dass damit Grundrechte eingeschränkt werden. (ab 02:50)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/kanton-solothurner-will-lehrerinnen-bevorzugt-impfen?id=11965001
-> https://www.wettingen.ch/aktuellesinformationen/1206338


+++CORONA-JUGEND
tagblatt.ch 13.04.2021

Waren die 650 Wegweisungen vom Ostersonntag rechtens und verhältnismässig? – Eine Petition fordert die Klärung dieser Frage

Am Ostersonntag hat die Stadtpolizei in St.Gallen gegenüber jungen Erwachsenen und Jugendlichen 650 Wegweisungen ausgesprochen. Diese haben nicht nur bei den Betroffenen Unmut ausgelöst. Sie geben in der Bevölkerung zu diskutieren. Auf der Plattform petitio.ch hat Tobias Ziltener eine Onlinepetition zum Thema gestartet. Sie trägt den Titel «Wegweisung – wir fordern eine Untersuchung des Polizeieinsatzes in St.Gallen».

Ziltener fragt sich, ob die Wegweisungen, welche die Polizei am Ostersonntag verfügt hat, rechtens und verhältnismässig waren. Mit seiner Petition will er das Stadtparlament damit beauftragen, eine entsprechende Untersuchung anzuordnen. Ziel sei eine Klärung der rechtlichen Grundlagen, heisst es in der Petition. Die Öffentlichkeit und insbesondere die Jugendlichen hätten Anrecht auf ein differenziertes Statement.

Die Petition läuft noch bis zum 7. Mai. Bis jetzt hat sie 45 Unterstützerinnen und Unterstützer. Insgesamt sind 200 Unterschriften erforderlich, damit die Petition zu Stande kommt.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/stgaller-stadt-ticker-petition-zu-wegweisungen-lanciert-getraenkekartons-recyceln-mit-anna-rossinelli-auto-in-gossau-ausgebrannt-ld.1084940)
-> Petition: https://www.petitio.ch/petitions/1PSc0


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
tagblatt.ch 13.04.2021

Kein Platz für Fahrende im Kanton St.Gallen: Jenische und Sinti wollen sich Durchgangsplatz in Thal vor Bundesgericht erkämpfen

Das Verwaltungsgericht des Kantons St.Gallen hat eine Beschwerde der Radgenossenschaft der Landstrasse – des Dachverbands der Jenischen und Sinti in der Schweiz – abgelehnt. Die Radgenossenschaft zieht nun das Urteil ans Bundesgericht weiter. Dennoch sprechen die Fahrenden von einem Teilerfolg.

Rossella Blattmann

Die Radgenossenschaft der Landstrasse, die Dachorganisation der Jenischen und Sinti der Schweiz, kämpft weiter um einen Durchgangsplatz in Thal. Nachdem sich der Thaler Gemeinderat Ende Mai 2019 gegen einen Durchgangsplatz auf dem Areal Fuchsloch entschieden hatte und ein Rekurs der Radgenossenschaft beim Kanton abgewiesen worden war, hatte sie Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St.Gallen eingelegt.

Diese wurde abgelehnt. Der Beschluss des Gemeinderates von Thal habe nur «den Charakter eines politischen Grundsatzentscheides» und sei daher nicht anfechtbar, zitiert die Radgenossenschaft der Landstrasse in einer Medienmitteilung das Verwaltungsgericht des Kantons St.Gallen.

Grundrechte von Minderheiten

Die Schweizer Jenischen und Sinti wollen dennoch weiter für den Durchgangsplatz in Thal kämpfen – und zwar vor Bundesgericht.

Warum der Weiterzug ans Bundesgericht? Juristin Melanie Aebli ist die Rechtsvertreterin der Radgenossenschaft der Landstrasse. Sie sagt: «Die Radgenossenschaft zieht das Urteil weiter, weil auch Jenische und Sinti das Recht haben, vor ein Gericht zu ziehen, wenn ihre Grundrechte missachtet werden.»

Felix Wüst, Gemeindepräsident von Thal, ergänzt: «Die Fahrenden haben sicherlich ein Recht auf Durchgangsplätze im Kanton», sagt Wüst. Er gibt den Ball weiter an den Kanton: Über die genauen Standorte müsse der Kanton entscheiden.

Melanie Aebli widerspricht: Nach jahrelangen Verhandlungen scheitere es oft am Willen der Gemeinde, dass ein Platz für Jenische und Sinti nicht zu Stande komme, sagt Melanie Aebli. Doch die Gemeinden seien auch den Grund- und Menschenrechten verpflichtet, beispielsweise einer anerkannten Minderheit wie den Jenischen und Sinti in der Schweiz das Recht zu gewähren, ihre traditionelle Lebensweise fortzuführen. «In diesem Fall hat der Kanton St.Gallen sogar einen Richtplan, mit dem Ziel, einen Durchgangsplatz auf diesem Grundstück der Gemeinde Thal zu errichten. Dieser Plan wäre verbindlich», sagt Aebli.

Revidierter Ortsplan im Sommer

Ähnlich tönt es vonseiten des Kantons: Marco Paganoni, Mitarbeiter Kommunikation beim Baudepartement des Kantons St.Gallen, bestätigt, dass der Auftrag zur Erstellung eines Durchgangplatzes in Thal weiterhin im kantonalen Richtplan enthalten ist. «Der Richtplan ist für die Gemeinden verbindlich», sagt Paganoni. Die Gemeinde Thal sei für ihre Ortsplanung zuständig; deshalb habe sie im Rahmen der laufenden Ortsplanungsrevision den Richtplan zu beachten. Die Fläche, zu welcher der Standort Fuchsloch gehöre, sei heute Gemeindegebiet, ergänzt er.

Paganoni sagt: «Die Gemeinde hat die Aufgabe, eine passende Bauzone auszuscheiden, in welcher ein Durchgangsplatz für Fahrende realisiert werden kann.»

Der Kanton erwarte von der Gemeinde Thal bis im Spätsommer den revidierten Ortsplan zur Vorprüfung. Was kann der Kanton St.Gallen tun, wenn sich eine Gemeinde gegen einen Durchgangsplatz für Fahrende stellt? Dem Kanton stünden keine rechtlichen Instrumente zur Verfügung, einen festen Durchgangsplatz gegen den Willen der Gemeinde durchzusetzen, sagt Paganoni. Dem Baudepartement sei es zudem ein Anliegen, die Durchgangsplätze in Absprache und im Einvernehmen mit der jeweiligen Standortgemeinde zu erstellen.

Kein einziger Durchgangsplatz im Kanton St.Gallen

Im Kanton St.Gallen gibt es aktuell vier Standplätze für Fahrende: Einen in St.Gallen, einen in Uznach, und zwei in Wil. «Offizielle, über das ganze Sommerhalbjahr zugängliche Durchgangsplätze, gibt es im Kanton St.Gallen keine», sagt Paganoni.

Gemäss dem St.Galler Konzept werde ein Bedarf von sechs Durchgangsplätzen im Umkreis der Zentren – St.Gallen, St.Margrethen, Buchs, Sargans, Rapperswil-Jona und Wil – angenommen. Ein vor zwei Jahren vorgesehener, provisorischer Durchgangsplatz in Vilters-Wangs wurde laut Paganoni mittlerweile aufgrund des fehlenden Einvernehmens mit der Gemeinde nicht mehr weiterverfolgt.

Die Jenischen, Sinti und Roma haben laut Paganoni die Möglichkeit des sogenannten «Spontanhalts». Dabei handelt es sich um einen kurzfristig vereinbarten Aufenthalt von Fahrenden bei Privatpersonen gegen Entgelt als Entschädigung für Umtriebe auf einem Grundstück, das sonst anderweitig genutzt wird. «Ein Spontanhalt ist grundsätzlich im ganzen Kanton St.Gallen möglich», sagt Paganoni.

Sichtbarkeit für Minderheiten

Wieder kein Durchgangsplatz in Thal, der Gang ans Bundesgericht – Dennoch bezeichnet die Radgenossenschaft der Landstrasse das Urteil als Teilerfolg. Denn: Das Verwaltungsgericht des Kantons St.Gallen anerkennt darin die Radgenossenschaft der Landstrasse als Sprecherin der Jenischen und Sinti, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Wie dem Communiqué weiter zu entnehmen ist, hatte der Kanton St.Gallen in seiner Prozesseingabe – nachdem die Fahrenden Rekurs erhoben hatten – erklärt, dass die Radgenossenschaft nicht zur Einsprache berechtigt sei, weil die Radgenossenschaft «von vornherein nicht die fahrende Lebensweise pflegen könne», so die damalige Argumentation.

Das Urteil stärke die Radgenossenschaft in Bezug auf ihre Beschwerdebefugnis. Gestützt auf dieses Urteil und die Anerkennung als Sprecherin der reisenden Familien von Jenischen und Sinti werde die Radgenossenschaft künftig vermehrt Anhörung, Mitsprache und Einbezug in die Planung von Plätzen verlangen und dies notfalls gegenüber Kantonen und Gemeinden mit juristischen Mitteln vorbringen.

Daniel Huber, Präsident der Radgenossenschaft der Landstrasse, freut sich. «Immer wieder mussten wir Fahrende unten durch, wir sind Schweizer mit den gleichen Pflichten, aber nicht den gleichen Rechten. Endlich werden wir gesehen. Endlich werden wir ernstgenommen. Das ist ein schönes Gefühl.»

Er hoffe, dass in Zukunft in der Schweiz nicht mehr über die Köpfe von Minderheiten hinweg entschieden werde.



40’000 Jenische und Sinti in der Schweiz

Die Radgenossenschaft der Landstrasse schätzt, dass rund 40’000 Jenische und Sinti in der Schweiz leben. Davon sind etwa 3000 in den Sommermonaten reisend unterwegs. 2003 schützte das Bundesgericht in einem Urteil ihre traditionelle Lebensweise und ihr Recht auf angemessene Halteplätze. Wie viele Jenische und Sinti im Kanton St.Gallen leben, ist nicht bekannt. (bro)
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/rechtsstreit-kein-platz-fuer-fahrende-im-kanton-stgallen-jenische-und-sinti-wollen-sich-durchgangsplatz-in-thal-vor-bundesgericht-erkaempfen-ld.2124492)