Medienspiegel 6. April 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Wo Gesellschaft mehr zählt als korrekte Sätze
Pinar Akan hat sich dank des Vereins Mazay ein Leben in Bern aufgebaut. Heute ist sie dessen Präsidentin und hilft anderen Geflüchteten.
https://www.bernerzeitung.ch/wo-gesellschaft-mehr-zaehlt-als-korrekte-saetze-710745804570


+++MITTELMEER
Mit der Küstenwache vor der Ägäisküste
Boote mit Flüchtlingen manövrierunfähig machen und auf See zurückschleppen: solche sogenannten “Pushbacks” belasten Europas Grenzschutzbehörde Frontex. Wir haben uns vor der Küste Griechenlands ein Bild gemacht.
https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/mit-der-kuestenwache-vor-der-aegaeiskueste-frontex-griechenland-fluechtlinge-100.html


+++EUROPA
EU-Spitzen in der Türkei: Besuch im Tumult
Von der Leyen spricht mit Erdoğan über das EU-Türkei-Verhältnis – obwohl der Präsident im eigenen Land gerade mit neuen Repressionen aufwartet.
https://taz.de/EU-Spitzen-in-der-Tuerkei/!5759051/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1150462.eu-will-kooperation-mit-ankara-vertiefen.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/400002.trotz-repression-audienz-beim-autokraten.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/400028.t%C3%BCrkei-aufstand-der-pension%C3%A4re.html
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/annaeherung-zwischen-tuerkei-und-eu?urn=urn:srf:video:08a084c1-a69b-4773-8f53-aff5c6fe4a8d
-> https://www.srf.ch/news/international/treffen-in-ankara-der-eu-bleibt-bei-der-tuerkei-nur-anhaltender-zweckoptimismus


Draghi will Beziehung zu Liyben festigen – Echo der Zeit
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat sich als Destination für seinen ersten offiziellen Staatsbesuch Libyen ausgesucht. Ein Land, mit dem Italien in vielerlei Hinsicht eine sehr bewegte Geschichte hat. Gespräch mit Italien-Korrespondent Franco Battel und Nordafrika-Experte Beat Stauffer.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/draghi-will-beziehung-zu-liyben-festigen?id=48e65737-3cd4-4b16-b125-4a2ada416766


+++GASSE
Fixer-Stübli» für Chur: Die Regierung prüft wegen der hohen Kosten weitere Ideen (ab 03:00)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/verschiedenste-szenarien-fuer-jubilaeums-schwingfest-in-diesem-jahr?id=11961860


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
LafargeHolcim sabotte la planète, nous sabottons LafargeHolcim !
Le commando Chico Mendes a rendu visite à la gravière de LafargeHolcim à Bière. Sur place plusieurs véhicules de chantier (pelleteuses, pick-up, camions et autres) ont été sabotés.
https://renverse.co/infos-locales/article/lafargeholcim-sabotte-la-planete-nous-sabottons-lafargeholcim-3011
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/aktivisten-beschadigen-fahrzeuge-in-holcim-kiesgrube-in-biere-vd-65901526
-> https://www.blick.ch/schweiz/westschweiz/wieder-im-kanton-waadt-aktivisten-beschaedigen-fahrzeuge-in-holcim-kiesgrube-id16441103.html


Anonyme Plakataktion in der Altstadt gegen «Marco Polo» – Betreiber reagieren mit offenem Brief auf Kritik
Am Wochenende sorgte eine Aktion mit Plakaten und einem Transparent gegen die Firma Marco Polo Business Appartements in Bremgarten für Aufsehen. Die Inhaber werden für ihr Geschäftsverhalten kritisiert. Das lässt Geschäftsführer René Holenweger nicht auf sich sitzen und nimmt öffentlich Stellung.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/freiamt/bremgarten-anonyme-plakataktion-in-der-altstadt-gegen-marco-polo-betreiber-reagieren-mit-offenem-brief-auf-kritik-ld.2121950


+++BIG BROTHER
Überwachung von Personen – Der NDB lässt sich Zeit bei Auskünften
Stehe ich im Fokus des Nachrichtendienstes? Darüber muss die Behörde Auskunft geben. Doch ein Grossteil der Gesuche wird aufgeschoben.
https://www.srf.ch/news/schweiz/ueberwachung-von-personen-der-ndb-laesst-sich-zeit-bei-auskuenften


Digtiale Massenüberwachung: »Wäre die größte anzunehmende Katastrophe«
EU und USA planen Durchleuchtung verschlüsselter privater Kommunikation. Messengerdienste sollen Behörden zuarbeiten. Ein Gespräch mit Matthias Monroy
https://www.jungewelt.de/artikel/400006.digtiale-massen%C3%BCberwachung-w%C3%A4re-die-gr%C3%B6%C3%9Fte-anzunehmende-katastrophe.html


+++RASSISMUS
antira-Wochenschau: Leere Stühle als Zeichen gegen die Abschottungspolitik, Zeitung Republik gewinnt Rechtsstreit gegen Zürcher Sozialamt, Pilotprojekt gegen die medizinische Unterversorgung von Sans Papiers
https://antira.org/2021/04/05/leere-stuehle-als-zeichen-gegen-die-abschottungspolitik-zeitung-republik-gewinnt-rechtsstreit-gegen-zuercher-sozialamt-pilotprojekt-gegen-die-medizinische-unterversorgung-von-sans-papiers/


-> https://www.srf.ch/sport/mehr-sport/in-eigener-sache/in-eigener-sache-srg-stellungnahme-zur-rassistischen-aeusserung-bei-basel-vaduz


+++RECHTSPOPULISMUS
Frauen werden auf ihre Plätze verwiesen
Ronnie Grob, Chefredaktor des Schweizer Monat, schreibt ein Pamphlet der Misogynie auf dem Medienportal Nau.ch.
Seine These: Frauen verhindern, dass wir Wohlstand haben, dass die Coronakrise gut gemanaged wird, sie verhindern generell, dass ein Land vorankommt. Weil sie von Natur aus passiv und ängstlich sind.
https://franziskaschutzbach.wordpress.com/2021/04/06/frauen-werden-auf-ihre-platze-verwiesen


Wie die »Neue Rechte« durch Konservative immer weiter salonfähig gemacht wird.
https://soundcloud.com/das-antifa-magazin/wie-die-neue-rechte-durch-konservative-immer-weiter-salonfahig-gemacht-wird


+++RECHTSEXTREMISMUS
Rassismus der Mitte
Die seit vielen Jahren in der extremen Rechten populäre Idee vom »Großen Austausch« hatte zahlreiche Vorläufer, in Deutschland (West) reichen diese mindestens bis in die 1980er Jahre zurück. Die Idee, dass das »Deutsche Volk« planvoll durch eine elitäre Lobby in eine multikulturelle Gesellschaft umgewandelt wird, vertraten auch als verdienstvoll angesehene Personen der Berliner Stadtgesellschaft.
https://www.apabiz.de/2021/rassismus-der-mitte/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Antisemitismus in der Schweiz – RaBe-Info 06.04.2021
Heute im Info: Judenfeindlichkeit schleiche sich nicht nur durch Corona-Demonstrationen immer mehr in den Schweizer Alltag und eine Installation, die sich mit den grossen Fragen des Lebens beschäftigt.
https://rabe.ch/2021/04/06/antisemitismus-in-der-schweiz/


Wegen verdächtiger Substanz: Polizeieinsatz beim BAG
Beim Verwaltungsgebäude des Bundesamts für Gesundheit (BAG) in Liebefeld läuft derzeit ein Polizeieinsatz wegen einer verdächtigen Substanz. Eine Person musste isoliert werden.
https://www.bernerzeitung.ch/polizeieinsatz-beim-bundesamt-fuer-gesundheit-740106756246
-> https://www.20min.ch/story/bag-wegen-verdaechtiger-substanz-evakuiert-128731131836
-> https://www.tagblatt.ch/schweiz/polizeieinsatz-bag-beamte-evakuiert-verdaechtige-substanz-gefunden-polizei-vor-ort-ld.2121993
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/bag-hauptsitz-wegen-verdachtiger-substanz-evakuiert-65901284


QAnon-Verschwörung: Wirre Theorie um Containerschiff „Ever Given“ im Suezkanal
Das Containerschiff „Ever Given“, das tagelang den Suezkanal blockierte, soll entführte Kinder für Hillary Clinton transportieren. Das glauben zumindest Trump-freundliche QAnon-Anhänger:innen.
https://www.fr.de/politik/suez-kanal-ever-given-schiff-qanon-menschenhandel-hillary-clinton-verschwoerung-90313403.html


«Ist Beschwerde erfolglos, müssen wir Gewalt der Behörden weichen»
Am 10. April wollte das Bündnis der Urkantone in Altdorf UR eine Corona-Demo durchführen, erhielt jedoch keine Bewilligung. Auf Telegram gibts dennoch einen Kanal, wo sich Fahrgemeinschaften bilden.
https://www.20min.ch/story/ist-beschwerde-erfolglos-muessen-wir-gewalt-der-behoerden-weichen-668211050483
-> https://twitter.com/__investigate__/status/1379403007255838727


“Das ist Janina. Janina hat “Mass-Voll” geschrieben, um ihre Geschichte zu erzählen. “Mass-Voll” hat daraus ein Testimonial gemacht.
Das Problem: Janina existiert nicht. Ihr Bild wurde von einem Computer generiert. Ihre Geschichte ist frei erfunden.”
(Mehr dazu im Thread: https://twitter.com/Megafon_RS_Bern/status/1379460051295952902)


In diesen Luxus floh Attila Hildmann – dann tappte er in die Falle von Anonymous
Er stachelt zum bewaffneten Kampf in Deutschland auf und sitzt auf der Flucht vor deutscher Justiz in einer türkischen Luxusvilla: Die Recherche zeigt, wo sich Attila Hildmann wochenlang versteckt hielt.
https://www.watson.ch/digital/coronavirus/836459558-in-diese-villa-floh-attila-hildmann-dann-tappte-er-in-anonymous-falle


HBO-Dokumentation behauptet, Identität von “Q” aufgedeckt zu haben
Während eines Interviews soll Ron Watkins versehentlich die Wahrheit herausgerutscht sein
https://www.derstandard.at/story/2000125624912/hbo-dokumentation-behauptet-identitaet-von-q-aufgedeckt-zu-haben?ref=rss


Zwangsimpfung, tödliche Masken, Great Reset – Im Netz der Verschwörer
Seit einem Jahr hat Corona uns fest im Griff. Unsichere Zeiten wie diese rufen Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Sie bieten einfache Antworten und machen schnell einen Schuldigen aus: etwa Bill Gates, der eine Zwangsimpfung einführen möchte oder geheime Eliten, die uns einen Chip unter die Haut pflanzen wollen und einen Great Reset planen oder reden von einer Diktatur, die kurz bevorsteht.
https://www.hr-fernsehen.de/sendungen-a-z/defacto/sendungen/defacto–zwangsimpfung-toedliche-masken-great-reset–im-netz-der-verschwoerer,sendung-114166.html


+++CORONA-JUGEND
Aufruf zu Gewalt im Niederdörfli – Polizei beobachtet die Lage
Nach den Oster-Krawallen in St. Gallen kursieren auf Social Media Aufrufe zu Gewalt in der Region Zürich. Die Polizei hat Kenntnis davon.
https://www.20min.ch/story/aufruf-zu-gewalt-im-niederdoerfli-polizei-beobachtet-die-lage-693188888312
-> https://twitter.com/__investigate__/status/1379334534215393282
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/aufruf-zu-krawallen-in-zuerich-00155910/
-> https://www.blick.ch/schweiz/neue-gewaltaufrufe-fuer-st-gallen-zuerich-und-winterthur-werden-corona-krawalle-zum-flaechenbrand-id16441109.html



«Machen wir Party mit 10’000 Gästen» – Polizei wappnet sich für Randale
Nachdem es am Osterwochenende in der Stadt St. Gallen zu Ausschreitungen und Gewalt gekommen ist, wird in den sozialen Medien zu neuerlichen Randalen aufgerufen. Die Polizei hat Kenntnis davon – und bereitet sich vor.
https://www.20min.ch/story/machen-wir-party-mit-10000-gaesten-polizei-wappnet-sich-fuer-randale-300013488651



derbund.ch 06.04.2021

Nach Krawallen in St. Gallen: Kommt es jetzt zu einem Flächenbrand?

Am Karfreitag kam es in St. Gallen zu schweren Jugendkrawallen, am Sonntag gab die Polizei massiv Gegensteuer. Weichen die Chaoten jetzt auf andere Städte aus?

Gregor Poletti

Mit der Stadt St. Gallen hätten die Ausschreitungen des Osterwochenendes nichts zu tun, ist Mike Egger, einer der jüngsten Nationalräte, überzeugt. Für den 28-jährigen St. Galler SVP-Politiker ist der Schuldige schnell ausgemacht: Der Bundesrat habe mit seiner fehlenden Corona-Öffnungsstrategie bei Jugendlichen einen grossen Frust provoziert. Wenn der Bundesrat nicht entsprechende Lockerungen vornehme, könnten solche Ausschreitungen auch in anderen Städten passieren, warnt Egger.

Bereits gibt es erste, vereinzelte Gewaltaufrufe für die Region Zürich. «20 Minuten» macht einen Post auf Snapchat öffentlich, der dazu animiert, im Niederdorf am kommenden Freitag eine «fette Party» zu veranstalten und es den «Bullen» zu zeigen. Tatsächlich richte sich die Auflehnung Jugendlicher häufig gegen die Polizei, die sie als Vertreterin des Staates empfinden, der sie einschränke, sagt Giacomo Dallo, Geschäftsführer der Offenen Jugendarbeit Zürich: «Im Gegensatz zu den Erwachsenen lassen sie anders Dampf ab, auffälliger und aufmüpfiger.» Bei Jugendlichen sei die Corona-Müdigkeit aber viel später angekommen als bei den Erwachsenen, so Dallo: Und zwar vor rund zwei Monaten.

Frustpotenzial zu wenig gross

«Solche Zusammenrottungen wie in St. Gallen ziehen, je grösser sie sind, auch gewaltbereite Jugendliche an und können dann sehr schnell in Krawalle ausarten», analysiert Dallo. Er erwartet trotzdem keine Eskalation der Gewalt in den nächsten Wochen, die in einen Flächenbrand münden und mehrere Städte erfassen könnten: «Dafür ist das Frustpotenzial laut unseren Beobachtungen bei Jugendlichen zu wenig gross.» Aber es sei gut möglich, dass es auch in anderen Städte zu solchen Treffen kommen könnte. Die Krawalle seien nur ein Aspekt der Vorkommnisse in St. Gallen, Jugendlichen suchten vor allem Orte, wo sie sich begegnen, sich zeigen und ihre Anliegen deponieren könnten, betont Dallo.

Dieser Ansicht ist auch Franziska Ryser, die 29-jährige St. Galler Nationalrätin der Grünen: «Die Ausschreitungen wären überall in der Schweiz möglich gewesen.» Diejenigen, die kamen, um gezielt zu randalieren, seien aus dem ganzen Land angereist, ist Ryser überzeugt. Obwohl sie wie ihr Kollege Egger die Gewalt verurteilt, hat sie ein gewisses Verständnis für die Jugendlichen, die besonders hart unter den derzeitigen Massnahmen leiden würden.

Nachspiel in St. Gallen

Die sehr rigorosen Wegweisungen von 30 Tagen würden noch ein politisches Nachspiel haben, sagt Ryser. Dafür werden die Grünen im St. Galler Stadtparlament sorgen: «Es muss aufgearbeitet werden, ob so viele Wegweisungen mit einer derart langen Dauer verhältnismässig waren.» Denn dies sei eigentlich nur in Ausnahmefällen möglich. Am Ostersonntag wurden rund 500 Wegweisungen ausgesprochen.

Bisher sei ein Dutzend Anfragen eingegangen, diese Wegweisungen zu löschen, sagt Polizeisprecher Roman Kohler. Er verteidigt die Massnahme, sei es doch dank dieser am Sonntag zu keinen Ausschreitungen mehr gekommen: «Zudem fanden wir beispielsweise bei einer Gruppe rund zweieinhalb Liter Brennsprit.» Die Stadtpolizei erhoffe sich durchaus auch eine abschreckende Wirkung, zumal auf den kommenden Freitag wieder zu Gewalt in St. Gallen aufgerufen werde.



Nervosität in Uri

Mit Hygienemasken ausgestattet, marschiert eine Gruppe Erwachsener durch einen Tunnel, von einem Antreiber zum Marschschritt gezwungen. Dann reisst sich einer die Maske vom Gesicht, die anderen tun es ihm gleich, umarmen sich und lächeln glücklich in die Kamera. Das martialisch anmutende Video kursiert derzeit im Internet und ruft zur Corona-Demo am 10. April in Altdorf auf. Der Regierungsrat hat diese nicht bewilligt, eine entsprechende Beschwerde des «Aktionsbündnisses für eine vernünftige Corona-Politik» wird er am Mittwoch behandeln. Solche Aufrufe wie das jüngste Video sind auch der Kantonspolizei Uri bekannt. Mediensprecher Gusti Planzer betont, dass die Situation laufend neu beurteilt werde: «Um möglichst viele Eventualitäten abzudecken, werden wir am Wochenende personell und materiell auch auf andere Zentralschweizer Polizeikorps zurückgreifen.» (gr)
(https://www.derbund.ch/kommt-es-jetzt-zu-einem-flaechenbrand-703375581442)



Helikopterstadt
Bei allem Entsetzen über die Eskalation am Freitagabend: Eine Gewaltspirale kann nicht durchbrochen werden, indem man Jugendliche unter Generalverdacht stellt und ihr Grundrecht auf Bewegungsfreiheit ausser Kraft setzt.
https://www.saiten.ch/helikopterstadt/


Krawalle in St. Gallen: Sind Wegweisungen rechtlich vertretbar? – Schweiz Aktuell
Hunderte Personen kassierten am Sonntagabend eine 30-tägige Wegweisung von der Stadtpolizei St. Gallen. Ist dies rechtlich in Ordnung? Bereits gingen erste Rekurse beim Kanton ein.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/krawalle-in-st–gallen-sind-wegweisungen-rechtlich-vertretbar?urn=urn:srf:video:904b6a2d-5672-4ca1-8a65-422e444252d2
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/krawallnaechte-stgallen-erste-rekurse-gegen-wegweisungen-00155891/
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/krawalle-sp-und-jugendliche-wehren-sich-gegen-wegweisungen-141446105
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/stgaller-krawalle-unverhaeltnismaessig-oder-unverzichtbar-zwei-experten-schaetzen-die-kontrollen-der-polizei-nach-den-osterkrawallen-ein-und-sind-sich-uneins-ld.2121974
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/krawalle-und-polizeikontrolle-geben-weiter-zu-reden?id=11962055



tagblatt.ch 06.04.2021

«Eine ganze Generation wird unter Generalverdacht gestellt»: Linke Politiker kritisieren die über 500 Wegweisungen aus der Stadt St.Gallen

Die Stadtpolizei hat am Ostersonntag über 500 Jugendliche und junge Erwachsene für die Dauer von 30 Tagen aus der Stadt weggewiesen. Über die Verhältnismässigkeit dieses Vorgehens sind sich die Präsidenten der städtischen Parteien uneins.

Christina Weder

Eingeschlagene Schaufenster, brennende Container, fliegende Flaschen, Gewalt gegen Polizisten: Die Krawallnächte und das harte Durchgreifen der Polizei am Ostersonntag sind längst nicht verdaut. Sie geben zu diskutieren. Es sei schockierend und happig, was da passiert sei, sagen die Präsidenten der städtischen Parteien auf Anfrage. Sie hätten das nie für möglich gehalten, könnten nicht nachvollziehen, wie die Situation am Karfreitag derart eskalierte.

Die Polizei und der Stadtrat erhalten für ihr Vorgehen viel Lob. Kritische Stimmen gibt es allerdings zu den rigorosen Personenkontrollen vom Ostersonntag. Vor allem die linken Parteien stellen die hohe Zahl von über 500 Wegweisungen gegenüber Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Frage.

«Wegweisungen für 24 Stunden hätten genügt»

Peter Olibet, Präsident der städtischen SP, gehört zur Gruppe von Politikern, die sich am Karfreitag auf dem Roten Platz ein Bild von der Lage machten. Die Polizei habe vieles richtig gemacht, sagt er. Sie habe angemessen auf die massiven Gewaltausbrüche einer Gruppe von Krawallmachern reagiert. Auch punkto Kommunikation stellt er der Polizei und dem Stadtrat ein gutes Zeugnis aus. Die Personenkontrollen vom Ostersonntag seien unmissverständlich angekündigt worden. Es sei gelungen, einzelne gewaltbereite Jugendliche einzuvernehmen.

Dennoch bleibe ein Kritikpunkt: Es sei nicht verhältnismässig, über 500 Jugendliche mittels schriftlicher Verfügung für 30 Tage aus der Stadt wegzuweisen. Da werde eine ganze Generation unter Generalverdacht gestellt. «Dieses Vorgehen kriminalisiert eine grosse Anzahl von Jugendlichen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen», schreibt die SP. Olibet findet, eine

Wegweisung für 24 Stunden hätte genügt.

Mit den 30 Tagen hat die Polizei das Maximum ausgereizt. Längere Wegweisungen sind nicht möglich. Die Polizei will damit verhindern, dass die weggewiesenen Personen am kommenden Wochenende erneut in die Stadt kommen. Offenbar kursieren bereits neue Aufrufe zu Gewalt in den sozialen Medien.

Auch die städtischen Grünen ziehen nach dem Grosseinsatz der Polizei ein zwiespältiges Fazit. Dank strikter Personenkontrollen seien zwar weitere Gewaltausbrüche verhindert worden. Doch dafür habe man einen «sehr hohen Preis» bezahlt, schreiben sie in einer Mitteilung. Die über 500 Wegweisungen seien ein grosser Eingriff in die Freiheitsrechte der Jugendlichen. Es sei heikel, beinahe einer ganzen Bevölkerungsgruppe die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit zu entziehen – zumal das Gewaltpotenzial nur von einzelnen Personen ausgegangen war.

Ob die Ausschreitungen die pauschale Wegweisung von mehreren hundert Personen rechtfertigten, stellen die Grünen in Frage. Sie behalten sich vor, eine entsprechende Untersuchung im Stadtparlament einzufordern.

«Die einzige richtige Lösung»

Marcel Baur, Präsident der städtischen Grünliberalen, sagt, es sei richtig gewesen, die Jugendlichen früh abzufangen und Zusammenrottungen zu verhindern. Dennoch gibt die hohe Zahl der Wegweisungen auch ihm zu denken. Über die Dauer könne man sich streiten. Zwei Wochen hätten gereicht, ist Baur überzeugt. Nun sei die Politik gefordert. Es sei an der Zeit, endlich darüber zu diskutieren, welche Freiräume man den Jugendlichen zugestehe.

Oskar Seger, Präsident der städtischen FDP, sagt, die Polizei habe richtig reagiert angesichts der Gewaltausbrüche: «Nachdem die Lage zweimal eskalierte, war das die einzige Lösung.»

Stadtrat und Stadtpolizei hätten zudem im Vorfeld über die Personenkontrollen informiert. «Jeder wusste im Voraus, dass die Stadt grösstenteils abgeriegelt wird, um erneute Sachbeschädigungen zu verhindern. Trotzdem kamen Leute in die Stadt.» Seger befürwortet auch die Dauer von 30 Tagen. «Vorausschauend ist das ein guter Zeitraum, um erneute grosse Ansammlungen oder gar Eskalationen zu verhindern.»

Raphael Widmer, Präsident der städtischen CVP, sagt, die Massnahmen seien zwar massiv. Doch angesichts der Krawallnächte mit Sachbeschädigungen und Gewalt gegenüber Polizisten seien sie «angebracht, nötig und verhältnismässig». Die Polizei habe damit weitere Ausschreitungen verhindern können.
«Es ist einfach schade, dass aufgrund einer Gruppe von Chaoten so hart durchgegriffen werden musste.»

Nun sei die Bundespolitik gefordert. Es sei höchste Zeit, dass die Jungparteien Einsitz in der Coronataskforce nehmen und die Anliegen der Jungen einbringen könnten.

Donat Kuratli, Präsident der städtischen SVP, ist überzeugt: Es wäre zu einer dritten Krawallnacht gekommen, wenn die Polizei nicht rigoros kontrolliert hätte. Das zeige sich daran, dass sie Brennsprit und pyrotechnisches Material sichergestellt habe. Kuratli lobt die Polizei und den Stadtrat auch für die klare Kommunikation: «Die Jugendlichen wussten, dass sie nicht in die Stadt kommen sollten.»

Wer ungerechtfertigt eine Wegweisung erhalten habe, könne nun Rechtsmittel ergreifen. Auch das habe die Polizei klar kommuniziert. Nun sei die Politik gefordert, den Jungen, aber auch den Erwachsenen endlich eine Perspektive in der Coronakrise zu geben.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/krawallnaechte-eine-ganze-generation-wird-unter-generalverdacht-gestellt-linke-politiker-kritisieren-die-ueber-500-wegweisungen-aus-der-stadt-stgallen-ld.2122269)



Wie weiter nach Ausschreitungen in St. Gallen?
Die Stadt St. Gallen ist in den letzten Tagen zum Zentrum für unzufriedene Jugendliche geworden. Am Freitag kam es zu massiven Ausschreitungen, am Sonntag zu zahlreichen Wegweisungen. Um künftige Ausschreitungen zu verhindern, will die Stadt an ihrem Kurs festhalten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/wie-weiter-nach-ausschreitungen-in-st-gallen?id=11961416
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/verschiedenste-szenarien-fuer-jubilaeums-schwingfest-in-diesem-jahr?id=11961860 (ab 04:43)


Jugend-Randale – Krawalle in St. Gallen: Es ging um die Action
Das Gewalterlebnis habe die jungen Männer in St. Gallen gereizt, sagen Experten. Wichtig sei, ihnen die Grenzen aufzuzeigen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/jugend-randale-krawalle-in-st-gallen-es-ging-um-die-action


30-Tage-Sperre: St. Galler Polizei will Krawall-Teenies fernhalten
Am Ostersonntag sprach die St. Galler Polizei rund 500 Wegweisungen aus. Die Stadtpolizei rechtfertigt die Wegweisungen – und relativiert die Konsequenzen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/30-tage-sperre-st-galler-polizei-will-krawall-teenies-fernhalten-65901092


Jung gegen Alt: Jungparteien fordern mehr Mitspracherecht in der Corona-Krise
Nach den Ausschreitungen von Jugendlichen in St.Gallen fordern Jungparteien mehr Mitspracherecht für die Jungen in der Corona-Krise. Gestandene Politiker empfinden diese Forderungen jedoch als vermessen.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/jung-gegen-alt-jungparteien-fordern-mehr-mitspracherecht-in-der-corona-krise-141446497



tagblatt.ch 06.04.2021

St. Galler Krawalle: Das gleiche Publikum wie an einem normalen Partywochenende

In zwei Nächten haben Jugendliche in St. Gallen randaliert. Die Schweiz rätselt: Warum ausgerechnet hier?

Angelika Hardegger, Andri Rostetter

Am Anfang ist es eine Party auf den Drei Weihern. Hundert Jugendliche versammeln sich am 26. März in dem beliebten Naherholungsgebiet oberhalb des St. Galler Stadtzentrums. Die Polizei löst das Treffen auf – rasch und ohne Zwischenfälle. Doch die Partygänger wollen mehr. Sie verlagern sich in die St. Galler Innenstadt, bald sind es 250 bis 300 junge Menschen. Die Lage eskaliert. Eine Woche später kracht es erneut.

Am Karfreitag treffen sich wieder Jugendliche in St. Gallen, diesmal sind es 1000. Es kommt zum Krawall, es wird mit Gummischrot geschossen. Am Ostersonntag weitet die Polizei ihre Präsenz massiv aus. Hunderte Jugendliche werden aus der Stadt gewiesen.

Die St. Galler Oster-Krawalle hallen nach. Und die ganze Schweiz fragt sich: Warum ausgerechnet hier? Auch die St. Galler suchen Antworten.

Das grosse Rätsel

Die St. Galler SP-Kantonsrätin Bettina Surber sagt: «Es ist ein Rätsel.» Viele Jugendliche hätten ein Ventil gesucht für ihren Frust. «Das erklärt sich aber nicht aus einer St. Galler Logik heraus. Das hätte in jeder anderen Stadt passieren können.» Ein Parteikollege Surbers, der St. Galler SP-Kantonsrat Etrit Hasler, war am Freitag vor Ort. Auch er sagt: «Warum bei uns? Ich glaube, es war völliger Zufall.»

Illegale Corona-Partys gab es schon an vielen Orten, sie blieben meist friedlich. Der grosse Auflauf in St. Gallen wurde begünstigt durch das warme Wetter. Dazu kommt: St. Gallen ist Ausgehzentrum für ein grosses Gebiet. Hier feiern in normalen Zeiten Jugendliche aus der ganzen Ostschweiz. SP-Politiker Hasler vermutet auch: «Wer Radau machen will, kommt eher in eine Kleinstadt. In Zürich oder Bern hätte man das nicht probieren müssen.» Dort sei die Polizei eher gefasst auf Krawall.

Drinks über die Gasse

Noch Tage später bleiben die Geschehnisse von St. Gallen schwer einzuordnen. Die Versammlung war heterogen: Es feierten apolitische Partygänger neben Jugendlichen mit Migrationshintergrund neben Leuten mit rechtsradikalen Beziehungen. Es waren Fussballfans vor Ort und Schaulustige vom Land. Gewisse Medien berichteten live von den Krawallen, als handle es sich um ein Fussballspiel. Das zog noch mehr Jugendliche an. Es war ja sonst nichts los.

Hasler sagt: «Es war eigentlich das gleiche Volk, das auch an einem ganz normalen Wochenende in St. Gallen gewesen wäre; es handelte sich weitgehend um ein normales Ausgehpublikum.» Ein verbindendes Element war der Alkohol. Am Ostersonntag öffneten vereinzelt Bars. Sie bedienten die Jugendlichen mit Bier und Drinks über die Gasse.

Die Gewalt am Karfreitag ging von kleinen Gruppen aus. Hasler schildert die Eskalation so: «Es blieb lange friedlich, dann ging es sehr schnell. Eine kleine Gruppe stimmte ACAB-Chöre (all cops are bastards, Anm. d. R.) an, und dann eskalierte die Gewalt aus dem Nichts. Viele Mitläufer machten sich aus dem Staub – die tatsächliche ‹Strassenschlacht› mit der Polizei lieferten sich nicht mehr als 150 Leute.»

Offenbar hatten FC-St.-Gallen-Fans erwartet, dass vor dem Spiel vom Samstag Fangruppen des FC Zürich nach St. Gallen reisen. Dazu kam es laut mehreren Quellen nicht.

Corona-Kritiker als Zaungäste

Die Kritik an den Corona-Massnahmen spielte beim Krawall eine untergeordnete Rolle. Es traten zwar bekannte Corona-Kritiker als Zaungäste auf, unter ihnen der Thurgauer Daniel Stricker, der sich mit seinem Youtube-Kanal als «Bürgerjournalist» gebärdet. Doch die St. Galler Corona-Politik war lange liberaler als in anderen Kantonen.

SP-Politiker Hasler sagt: «Zur Eskalation führten die Handlungen von Einzelpersonen, die in meiner Wahrnehmung in keiner Weise direkt mit einer Kritik an den Covid-Massnahmen in Zusammenhang standen.» Einzelpersonen hätten den Anlass genutzt, «um aus einer Gruppe heraus einer puren Zerstörungswut Lauf zu lassen».

Willkürlich» und «demütigend»

Für Kritik sorgt am Tag nach dem Krawallwochenende die harte Wegweisungspraxis der Polizei. Am Ostersonntagabend führte die Stadtpolizei grossflächig Personenkontrollen durch. 500 Personen wurden weggewiesen. Ein Student der HSG St. Gallen schilderte am Dienstag gegenüber «20 Minuten», wie er auf dem Nachhauseweg von einer Oster-Familienfeier von der Polizei kontrolliert, fotografiert und mit einer 30-tägigen Wegweisung belegt worden sei. Das sei «nicht nur willkürlich, sondern auch demütigend».

Die Stadtpolizei St. Gallen wehrt sich gegen die Kritik. Sie schreibt: «Die Wegweisungen verhindern nicht, dass betroffene Personen sich zwecks Arbeit, Schule oder Ähnlichem in der Stadt St. Gallen bewegen, sofern für diesen Zeitraum nicht ein Aufruf zu Gewalt vorliegt.»

Stadtparlamentarier Hasler gilt als Kritiker der Polizeiarbeit. Selbst er sagt: «Die Wahl der Massnahmen der Polizei am Sonntag war richtig. Man muss ihr zugestehen: Das hat gewirkt.» Politisch und juristisch werde man den Einsatz trotzdem aufarbeiten müssen. «De facto hatten wir eine Ausgangssperre für Menschen einer bestimmten Altersgruppe. Da stellen sich juristisch viele Fragen.»

Neuer Aufruf zu Unruhe am Freitag

Einig ist man sich, dass Wegweisungen das Grundproblem nicht lösen werden: Viele Jugendliche haben die Corona-Situation satt. Sie wollen sich treffen. Sie wollen feiern. Bereits kursiert ein neuerlicher Aufruf, in St. Gallen am kommenden Freitag für Unruhe zu sorgen. Angesprochen werden auch Junge aus Luzern, dem Aargau oder Bern.

Christian Reutlinger leitet das Institut für Soziale Arbeit und Räume an der Fachhochschule Ost. Er kritisiert den Umgang der Politik mit der Jugend: «Junge Menschen werden bis jetzt nur als Humankapital mitgedacht. Die Politik spricht über verpassten Stoff in der Schule – aber sie spricht kaum darüber, was Jugendliche im Leben sonst verpassen.»

Die grosse Mehrheit der Jugendlichen habe physische Nähe gesucht in St. Gallen. «Junge Menschen wollen sich darstellen. Sie wollen fremde Menschen sehen und von fremden Menschen gesehen werden. Das sind wichtige Entwicklungsschritte.»

Dass die Situation gerade jetzt eskaliert ist, nach einem Jahr der Krise, kommt für den Erziehungswissenschafter wenig überraschend. In St. Gallen ist kürzlich das Open Air abgesagt worden, zum zweiten Mal in Folge. Ein Ende der Pandemie rückt mit neuen Mutationen wieder weiter in die Ferne. Reutlinger sagt: «Wenn man die Jugendlichen jetzt um noch etwas mehr Geduld bittet, ist das zu wenig. Das Versprechen auf morgen hat etwas sehr Abstraktes. Einmal kann man das machen. Beim zweiten Mal ist es schwieriger.»

Die Politik müsse junge Menschen als Gruppe mehr einbeziehen in die Überlegungen zu den Corona-Massnahmen. «Dafür müsste man erst einmal mit ihnen reden.»
(https://www.nzz.ch/schweiz/stgaller-krawalle-das-gleiche-publikum-wie-an-einem-normalen-ld.1610187)



tagblatt.ch 06.04.2021

Polizisten wegen Corona-Demos unter massivem Druck: «Wenn es an jedem Wochenende zu mehreren Demos kommt, benötigt die Polizei mehr Ressourcen»

In immer kürzeren Abständen kommt es in Schweizer Städten zu Corona-Protesten. Die Polizei ist im Dilemma: Sie muss die Proteste kontrollieren, ohne dass die Lage eskaliert – und sich das Infektionsgeschehen erst recht beschleunigt.

Daniel Gerny, Erich Aschwanden

Noch sind die Ausschreitungen rund um die Proteste von Jugendlichen gegen die Corona-Einschränkungen in St. Gallen nicht richtig verdaut, da richtet sich der Blick bereits auf das kommende Wochenende: In den sozialen Netzwerken wird derzeit intensiv für eine Kundgebung in Altdorf mobilisiert. Und dies, obwohl die Sicherheitsdirektion des Kantons Uri eine Bewilligung schon vor zwei Wochen verweigert hat.

Die systematische Weigerung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, an der Demo in Liestal Masken zu tragen, führte zu diesem Entscheid, gegen den die Organisatoren bei der Urner Regierung Beschwerde eingelegt haben. Doch jetzt funktioniert ein Teil der Bewegung die geplante Kundgebung kurzerhand zu einem «Spaziergang durch Altdorf» um. Offen ist, ob eine solche Aktion, die juristisch fragwürdig ist, auf Resonanz stösst. Die Kantonspolizei Uri beobachtet die Situation schon seit geraumer Zeit aufmerksam und beurteilt die Lage laufend neu. «Aufgrund dieser Erkenntnisse wird dann auch das entsprechende Polizeiaufgebot zur Verfügung stehen», erklärt sie auf Anfrage der NZZ.

Ob Liestal, St. Gallen oder Altdorf: «Die Erwartungen an die Polizei, in dieser schwierigen Situation für Ruhe und Ordnung zu sorgen, sind riesig», erklärt der St. Galler Justiz- und Polizeidirektor Fredy Fässler, der die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektion (KKJPD) präsidiert. Erfahrungsgemäss häufen sich in der wärmeren Jahreszeit Demonstrationen aller Art sogar noch – und auch die Teilnehmerzahlen nehmen zu. Zudem wächst der Corona-Frust nach über einem Jahr Pandemie.

Zurückzuführen ist diese Ausnahmesituation auf einen bewussten politischen Entscheid des Bundesrates im Oktober: Damals zog der Bundesrat die Schraube wegen der steigenden Fallzahlen wieder an – nahm politische und zivilgesellschaftliche Kundgebungen jedoch von den Einschränkungen aus. Meinungsäusserungsfreiheit sei ein Grundrecht, lautete die Argumentation von Bundesrat Alain Berset. Es müsse möglich sein, dass das politische Leben stattfinde.

Doch Maskentragpflicht, Abstands- und Hygieneregeln lassen sich an grösseren Kundgebungen nur schwer durchsetzen. Die Polizei steht dabei gleich vor einem doppelten Dilemma: Greift sie rigoros durch, besteht die Gefahr, dass dadurch das Infektionsgeschehen erst recht beschleunigt wird. Gleichzeitig muss sie das Verhältnismässigkeitsprinzip beachten. Über diese Auswege wird deshalb diskutiert:

– Mehr Polizeikräfte: Vor allem in kleineren Kantonen sind die Polizeikorps nicht in der Lage, grössere Kundgebungen allein zu bewältigen. Die Kantone unterstützen sich deshalb gegenseitig mit Polizisten. Diese Polizeikonkordate funktionieren schon seit Jahren bestens, beispielsweise bei grossen Sportanlässen. Auch am Wochenende waren in St. Gallen Polizisten aus verschiedenen Ostschweizer Kantonen im Einsatz. In Uri stellen die Zentralschweizer Polizeikorps personelle und materielle Mittel zur Verfügung, um die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten. Ressourcenmässig könnte die Polizei aber an Grenzen stossen, falls sich die Corona-Proteste zu einem flächendeckenden Dauerphänomen entwickelten, erklärt Fässler: «Wenn es an jedem Wochenende zu mehreren Demos kommt, benötigt die Polizei mehr Ressourcen.» Gleichzeitig warnt er aber davor, nun übereilt die Polizeikorps aufzustocken: «Mit polizeilichen Mitteln alleine lassen sich diese Bewegungen nicht bewältigen.»

– Weniger Teilnehmer: Nach dem ersten Lockdown im letzten Frühling erlaubte der Bundesrat Demos zunächst nur für eine beschränkte Zahl von 300 Teilnehmern. Damit wollte er verhindern, dass Kundgebungen zu Hotspots werden. Doch die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren wehrten sich dagegen: Die Dynamik von Demonstrationen lasse sich im Vorfeld schwer abschätzen. Die Polizei stehe vor einer kaum lösbaren Aufgabe, wenn plötzlich mehr Leute als erlaubt auftauchten, argumentierte die KKJPD damals. Ausserdem stehe die Beschränkung der Teilnehmerzahl im Widerspruch zur Idee von Kundgebungen: Deren Ziel sei es schliesslich, dass möglichst viele Leute mitmarschierten. Dennoch hat die Idee jüngst wieder Aufschwung erhalten: So verbietet der Kanton Uri Demos mit mehr als 300 Personen.

– Verbot von Demonstrationen: Ein generelles Verbot von politischen Kundgebungen wäre kaum mit den Grundrechten vereinbar. Hingegen dürfte es verhältnismässig sein, einzelnen Demonstrationen keine Bewilligung zu erteilen – so wie dies im Kanton Uri geschehen ist. Doch auch dieses Vorgehen ist nicht unproblematisch. Ob das faktische Demoverbot wirklich haltbar ist, entscheiden in den meisten Fällen die Gerichte. Und weil die Gefahr besteht, dass solche Verbote umgangen werden, wird die Polizei höchstens teilweise entlastet.

– Überwälzung der Polizeikosten auf Veranstalter: Schon vor Jahren prüften verschiedene Kantone die Idee, die Polizeikosten auf die Veranstalter zu überwälzen – mit beschränktem Erfolg. Das Bundesgericht ist hier äusserst restriktiv: Die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit wäre rasch Makulatur, wenn der Staat durch die Androhung von Folgekosten steuern könnte, wer auf die Strasse geht – und wer nicht. Sachschäden wie in St. Gallen können theoretisch auch auf zivilrechtlichem Weg geltend gemacht werden. Allerdings scheitert dies in der Praxis meist an der Beweisbarkeit. Ein wirksames Mittel gegen Randalierer ist das deshalb kaum.

– Wegweisungen: Nach zwei Nächten, in denen sie es erfolglos mit Dialog versucht hatte, änderte die St. Galler Stadtpolizei die Taktik. Sie verfügte für 500 potenzielle Teilnehmer eine Wegweisung. Mit diesem rechtlichen Instrument können die Behörden verhindern, dass die Demonstranten sich überhaupt versammeln. Gerade im Fall St. Gallen sind die Wegweisungen laut dem Staatsrechtsprofessor Daniel Moeckli nicht unproblematisch, wurden sie doch für einen Zeitraum von 30 Tagen ausgesprochen und betreffen das gesamte Stadtgebiet. Die Gerichte werden im Einzelfall entscheiden müssen, ab die Rayonverbote zu Recht ausgesprochen wurden. Bereits sind laut Fässler in St. Gallen mehrere Rekurse eingegangen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/polizisten-wegen-corona-demos-unter-druck-begrenzte-ressourcen-ld.1610163)